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POST
DIGITAL
BusinessVillage
Mensch, wie
wollen wir leben?
Andreas F. Philipp, David Christ
Mit Illustrationen von Dr. Patrick Rebacz
und einem Geleitwort von Professor Harald Lesch
BusinessVillage
POST
DIGITAL
BusinessVillage
Mensch, wie
wollen wir leben?
Andreas F. Philipp, David Christ
Mit Illustrationen von Dr. Patrick Rebacz
und einem Geleitwort von Professor Harald Lesch
Andreas F. Philipp, David Christ
Postdigital
Mensch, wie wollen wir leben?
1. Auflage 2020
© BusinessVillage GmbH, Göttingen
Bestellnummern
ISBN 978-3-86980-534-4 (Druckausgabe)
ISBN 978-3-86980-535-1 (E-Book, PDF)
ISBN 978-3-86980-536-8 (E-Book, EPUB)
Direktbezug www.BusinessVillage.de/bl/1093
Bezugs- und Verlagsanschrift
BusinessVillage GmbH
Reinhäuser Landstraße 22
37083 Göttingen
Telefon:	 +49 (0)5 51 20 99-1 00
Fax:	 +49 (0)5 51 20 99-1 05
E–Mail:	info@businessvillage.de
Web:	www.businessvillage.de
Layout und Satz
Sabine Kempke
Illustration im Buch
Dr. Patrick Rebacz, www.Visionom.de
Autorenfotos
Andreas F. Philipp: privat
David Christ: Foto Firlé, www.firle-digital.de
Druck und Bindung
www.booksfactory.de
Copyrightvermerk
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung
außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages
unzulässig und strafbar.
Das gilt insbesondere für Vervielfältigung, Übersetzung, Mikroverfilmung und die
Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Alle in diesem Buch enthaltenen Angaben, Ergebnisse und so weiter wurden von den
Autoren nach bestem Wissen erstellt. Sie erfolgen ohne jegliche Verpflichtung oder
Garantie des Verlages. Sie übernehmen deshalb keinerlei Verantwortung und Haftung für
etwa vorhandene Unrichtigkeiten.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen und so weiter
in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu
betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen.
Inhalt
Über die Autoren ............................................................................ 7
Geleitwort von Professor Harald Lesch .............................................. 9
Vorwort ........................................................................................ 11
1.	Dieses Buch .............................................................................. 17
1.1	Die zentralen Botschaften – in zwölf Minuten ............................ 19
1.2	Ausgangslage und Bezugsrahmen ............................................. 31
2.	Was ist der Mensch?................................................................... 41
2.1	Warum diese Frage?................................................................ 43
2.2	Der Mensch? – Eine kleine Zeitgeschichte .................................. 44
2.3	Ein integrales Menschenbild für die Digitalisierung ..................... 51
3.	Gutes Leben! Wie? ..................................................................... 55
3.1	Individualistische und kollektive Ansätze .................................. 57
3.2	Eine sozialethische Perspektive für die Digitalisierung ................. 61
4.	Leben und Erleben ..................................................................... 65
4.1	Digitale Welten und digitaler Medienkonsum .............................. 67
4.2	Virtuelles Erleben mit Virtual Reality......................................... 73
4.3	Transhumanismus – Der Traum vom optimierten Leben auf
Silicium-Basis ....................................................................... 79
5.	Arbeiten ................................................................................... 91
5.1	Eine wirtschaftswissenschaftliche Hinführung ............................ 93
5.2	Der ideengeschichtliche und philosophische Kontext von Arbeit .... 95
5.3	Arbeit 4.0 und Automatisierung von Arbeit .............................. 100
5.4	Mensch und digitales Arbeiten ............................................... 108
6.	Glauben und Hoffen ................................................................. 117
6.1	Gott ist tot!........................................................................ 119
6.2	Alltags- und Ersatzreligionen ................................................. 122
6.3	Digitalisierung und soziale Utopien ........................................ 129
7.	Bilden und Lernen ................................................................... 133
7.1	Digitaltechniken .................................................................. 136
7.2	Geschäftsmodelle »Bildung« und »Lernlust statt Digitalfrust« ..... 142
7.3	Humboldt 2.0 für menschgerechte Bildung 4.0 ......................... 147
7.4	Die vier Lernfelder für das postdigitale Zeitalter ....................... 152
8.	Wirtschaften ........................................................................... 155
8.1	Industrie 4.0....................................................................... 158
8.2	Hochfrequenzhandel (HFH) und Kryptowährungen..................... 161
8.3	Plattformökonomie und Plattformkapitalismus.......................... 165
8.4	Nullgrenzkostengesellschaft .................................................. 171
8.5	Ökonomische Theorie, Menschenbild und Effizienzmaschine
Digitalisierung .................................................................... 176
8.6	Von der Raupe zum Schmetterling: Wege zur Transformation
unseres Wirtschaftssystems ................................................... 184
9.	Regieren und Gestalten ............................................................ 197
9.1	Herausforderungen der Politik ................................................ 199
9.2	Politische Einflussnahme durch Big Data und
(Wähler-)Überwachung ......................................................... 202
9.3	Die gehetzte Politik: Strukturprobleme, Mediendemokratie
und digitale Öffentlichkeit .................................................... 207
9.4	Die Zivilgesellschaft – ein Ausweg aus dem politischen
Dilemma? ........................................................................... 218
10. Kooperieren .......................................................................... 223
10.1 Die Bedrohung der Menschheit.............................................. 225
10.2 Den Egoismus überwinden: Kooperation als humanes Prinzip
 des 21. Jahrhunderts .......................................................... 233
10.3 Ein integrales Modell für eine postdigitale Gesellschaft ............ 242
11. Postdigital – ein gutes Leben für alle ist möglich .................... 255
11.1 Stufe I: Gebote zur menschgerechten Digitalisierung –
 eine Selbstverpflichtung ...................................................... 258
11.2 Stufe II: Eine Reise nach Utopia in das Land Humanitas
 Digitalis wagen .................................................................. 267
NachgeDanken ............................................................................ 275
Endnoten .................................................................................... 281
Über die Autoren 7
Über die Autoren
Dr. Andreas F. Philipp begleitet mit seiner Firma,
Philos, seit fünfundzwanzig Jahren Menschen und
Organisationen in Veränderungsprozessen. Die ganz-
heitliche Gestaltung der digitalen Transformation
sieht er als die zurzeit größte gesellschaftliche Her-
ausforderung, ... die gleichsam der Menschheit hel-
fen wird, sich auf ihre nächste Bewusstheitsstufe zu
entwickeln.
David Christ hat in Jena und Gießen interdisziplinäre
Sozialwissenschaften (Soziologie, Politologie, An-
gewandte Ethik/Philosophie) studiert. Nach Berufs-
erfahrungen in der (außeruniversitären) Forschung
und wissenschaftlichen Politik- und Management-
beratung gilt seine Hauptbeschäftigung seit 2018
der Arbeit an einer stiftungsgeförderten Dissertation
zum Doktor der Wirtschafts- und Sozialwissenschaf-
ten.
Kontakt
Dr. Andreas F. Philipp
E-Mail: andreas.philipp@philos-beratung.de
Web: www.philos-postdigital.de, www.philos-beratung.de
David Christ
E-Mail: david.christ@philos-beratung.de
Web: www.philos-postdigital.de, www.philos-beratung.de
8 Über den Illustrator
Über den Illustrator
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.
Dr. med. Patrick Rebacz ist Arzt, Ökonom und Visio-
nom. Er erklärt komplexe Themen und Inhalte der
Gesundheit und Wirtschaft mit visuellen Medien und
Geschichten. Damit unterstützt er Menschen und Or-
ganisationen bei der Kommunikation und trägt zum
nachhaltigen Lernerfolg bei.
Kontakt
E-Mail: info@visionom.de
Web: www.visionom.de
Geleitwort
von Professor
Harald Lesch
10 Geleitwort
von Professor
Harald Lesch
Das ist doch mal was.
Die ganze Welt redet über Digitalisierung und deren Chancen für eine noch
effizientere Wirtschaft in einer zunehmend technologie-beherrschten Welt.
Da kommen Philipp und Christ daher und ziehen mit leichter Feder den naiven
Wachstums- und Effizienz-Träumereien den Boden unter den Füßen weg.
Nein, da ist nichts technikfeindlich. Auch nichts naiv – auf diesen gut drei-
hundert Seiten. Auch, oder gerade, weil das Buch so viele unkonventionelle
Gedanken und Ansätze wagt.
Ja, es geht um das Überleben der Menschheit auf unserem schönen blauen
Planeten. Ja, es geht um die Frage, wie wir Technik, Effizienzsteigerung und
Wirtschaftswachstum zum Wohle aller Menschen einsetzen können. Ja, es
geht um eine postdigitale Gesellschaft, deren integrales Bewusstsein in der
Lage sein wird, echte Zukunftsvisionen für ein gutes Leben im 21. Jahrhun-
dert aufzuzeigen.
Zu alledem lädt vorliegendes Buch ein. Aber Vorsicht – mit reinem Konsum
kommen sie nicht durch! Denn, … an einem Punkt haben Philipp und Christ
besonders recht, … dass WIR es in die Hand nehmen müssen, wie wir leben
wollen.
Ihr Harald Lesch
Vorwort
12 Vorwort
Es besteht die reale Möglichkeit, dass ein Heer von Menschen entsteht, die
nicht mehr gebraucht werden. … Die neuen Technologien des 21. Jahrhunderts
könnten somit die humanistische Revolution rückgängig machen, indem sie
die Menschen ihrer Macht berauben und stattdessen nicht-menschliche Algo-
rithmen damit betrauen. … Schließlich ist es denkbar, dass eine kleine Elite
entsteht, die mithilfe von künstlicher Intelligenz die Massen beherrscht … und
die normale Menschen nicht viel besser behandeln wird, als die Europäer des
19. Jahrhunderts die Afrikaner.
Yuval Noah Harari (*1976), israelischer Historiker
Als wir uns im Frühjahr 2017 mit den Themen Digitalisierung, Industrie 4.0
und Künstliche Intelligenz (KI) intensiv zu befassen begannen, hatten wir
ein ziemlich praktisches Business-Buch im Blick, das aus beratender Perspek-
tive deren Potenziale, Geschäftsmodelle und Chancen beschreiben sollte. Je
intensiver wir jedoch in die Themen einstiegen, desto mehr entwickelte sich
ein Buch, das eine positiv-kritische Reflexion der Digitalisierung und deren
Folgen für Mensch und Gesellschaft in‘s Gepäck nahm.
Hierzu haben wir in vorliegendem Werk versucht, ein möglichst differenzier-
tes Bild zum Ursprung der Digitalisierung und den sich daraus ergebenden,
potenziellen Zukünften, die wir im digitalen Zeitalter kreieren können, zu
skizzieren.
Wir nehmen dabei eine technologie- und fortschrittsoffene, aber nicht naive,
technologiegläubige Haltung ein. Während der Erstellung dieses Buches ha-
ben wir immer wieder gemerkt, wie schmal der Grad zwischen diesen beiden
Haltungen ist – mitunter glich er einem Ritt auf der Rasierklinge. Uns ist sehr
bewusst, welchen enormen Wohlstand zweihundertfünfzig Jahre (technologi-
scher) Fortschritt für fast zwei Milliarden Menschen gebracht haben und noch
immer bringen. Wir konnten uns aber nicht dagegen wehren, die Schein-
werfer auch auf die mehr als fünf Milliarden Menschen, die wenig von diesen
Effizienz- und Produktivitätsfortschritten profitieren, zu richten. Das Bild,
das wir immer deutlicher sahen, hat uns selbst erschreckt: Digitalisierung ist
Vorwort 13
auf der einen Seite ein Turbo-Beschleuniger für Effizienz, Produktivität und
technischen Fortschritt, jeweils die Einzelfall-Lösung betrachtend. Auf der
anderen Seite externalisiert die Digitalisierung sonstige Kosten1
in globale,
immer weniger durchschaubare Umfeldwirkungen, die, in ihrer Vernetzung
betrachtet, mitunter gruselige Folgen haben. Zum Beispiel, dass wir uns als
Menschen von »superintelligenten« Algorithmen zu deren Diener machen las-
sen, wie es Harari im Eingangszitat andeutet und in seinem Werk Homo Deus
eindrucksvoll herleitet.
Dystopia sagen Sie? So schlimm wird es schon nicht kommen! Vorhersagen
dieser Art – der jeweiligen Zeit angepasst – gab es ja schon immer.
Da haben Sie natürlich grundsätzlich recht, … nein, jetzt kommt kein aber
:-). Tatsache ist, wenn wir uns das Phänomen Digitalisierung genauer, ver-
netzter und in seiner Radikalität – das materielle Weltbild hinter sich zu
lassen – tiefer ansehen, läuft die Digitalisierung auf folgende Dichotomie
hinaus: Werden wir als Menschheit immer bewusstere Wesen, die in Kohärenz
mit der Erde leben …, oder werden wir immer technologisiertere Wesen, die
letztendlich die Erde verlassen müssen, weil sie uns nicht mehr als Lebensort
dienen kann.
Als uns das klar wurde, mussten wir schlucken, haben dann kräftig durchgeat-
met und daraufhin dieses Buch konsequent aus einer menschenorientierten,
systemtheoretisch-integralen und proaktiv gesellschaftsgestaltenden Pers-
pektive geschrieben. Das ursprüngliche Business-Buch war dahin. Das hier
vorliegende Werk ist das, was uns über den Geist in die Finger und dann aufs
Papier geflossen ist.
Als Ergebnis ist dieses Buch in zweifacher Weise eine Zumutung für Sie, liebe
Leserinnen und Leser:
Erstens muten wir Ihnen zu, Stellung zu beziehen, wohin sich unsere Gesell-
schaft, unsere Organisationen und nicht zuletzt Sie, als Mensch mit Ihren
Kindern und Kindeskindern hinentwickeln möchten. Vor diesem Hintergrund
14 Vorwort
eröffnen uns Digitalisierung, KI und Industrie 4.0 – jenseits der direkten Effi-
zienzpotenziale – auch eine große gesellschaftliche Chance: Die Chance, dass
wir entscheiden können, wohin die Reise gehen soll: Bewusster Umgang mit
Technik, Fortschritt, Wachstum – immer am Ziel des freien Menschenwillens
ausgerichtet? Oder: Schneller! Höher! Weiter! Was technisch machbar und
wirtschaftlich gewinnbringend ist, wird gemacht?
Zweitens haben wir dieses Buch, in dessen knapp dreijähriger Erstellungszeit,
immer wieder aus privaten Gründen für einige Zeit zur Seite legen müssen.
Diese Zwangspausen ließen uns am eigenen Leibe spüren, wie unglaublich
beschleunigend die Digitalisierung auf unsere Gesellschaft wirkt. Einige The-
men, die Anfang 2018 noch brandaktuell und kaum bekannt waren – zum Bei-
spiel die manipulative Macht von Social Bots, oder die Algorithmen-Fähigkeit
von Facebook zur Profilerkennung nach nur wenigen Klicks – waren bereits
am Ende des Jahres Schnee von gestern. Darin wird ein Muster der Digitali-
sierung sichtbar: Sie rauscht rasend schnell an uns vorbei – und ehe wir uns
noch besinnen können, hat sie bereits persönliche Verhaltensweisen (zum
Beispiel Internetshopping, googeln, …), Marktgesetze (zum Beispiel Platt-
formökonomie) und gesellschaftliche Strukturen (das Mobiltelefon als stän-
diger Lebensbegleiter) fast unumkehrbar verändert. Vor diesem Hintergrund
bitte wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, um etwas Nachsicht, wenn Sie beim
Lesen des Buches an einigen Stellen zu tief in eine Materie geholt werden,
die 2020 gar nicht mehr so neu ist; während vielleicht an anderer Stelle ein
gerade brandaktuelles Thema zu wenig behandelt wurde. Irgendwann haben
wir gesagt: Es ist okay so, wie es ist. Wir gehen jetzt mit dem Geschriebenen
raus! Wohlwissend, dass es immer noch besser, positiver, konstruktiver hätte
geschrieben werden können … und regen damit hoffentlich eine breite Dis-
kussion zur Frage an:
»Mensch! Wie hältst du‘s mit der Digitalisierung?«
Genau mit dieser Gretchenfrage 2.0 befasst sich dieses Buch. Lassen Sie sich
irritieren, inspirieren, initialisieren.
Vorwort 15
Starten wir einen generationenübergreifenden Dialog, wie viel Digitalisierung
wir wollen … und welcher Art diese sein soll.
Nehmen wir es selbst in der Hand, wohin uns Digitalisierung, Industrie 4.0
und KI führen.
Auf den nächsten Seiten erhalten Sie einen komprimierten Überblick, was Sie
in diesem Buch erwartet – dann können Sie entscheiden, wie tief Sie in das
Thema immergieren2
möchten.
1.
Dieses Buch
18 Dieses Buch
Dieses Buch 19
1.1	Die zentralen Botschaften – in zwölf Minuten
Vorliegendes Buch lädt zur Reflexion ein. Es zeigt die enormen Potenziale der
Digitalisierung auf, stellt sie in den Kontext der Herausforderungen, die es
in einer globalen Welt zu lösen gibt, und wägt sie mit den nicht zu unter-
schätzenden Gefahren der digitalen Transformation unserer Gesellschaft ab.
Es kommt zu dem Ergebnis, dass wir es sind, die es in der Hand haben, unsere
Postdigitale Gesellschaft zu schaffen.
Sehen Sie dabei dieses Buch bitte auch als eine Art Nachschlagewerk, das vie-
le unterschiedliche Zugänge zur komplexen Digitalisierungsthematik liefert.
Denn – und das ist die gute Nachricht – die Kernintention dieses Buches er-
schließt sich auch, ohne jede Seite gelesen zu haben. Ganz radikal betrachtet
genügt es, dieses Summary, das Vorwort, Kapitel 1, Kapitel 10.3, Kapitel 11
und die Nachgedanken zu lesen. Wenn Sie dies tun, wird Ihr Interesse an den
anderen Inhalten wahrscheinlich steigen – empfehlen können wir es Ihnen,
denn … dieses Buch versucht tatsächlich das Thema Digitalisierung in einen
ganzheitlichen Ansatz zu packen, der letztendlich auf die Fragestellung hin-
ausläuft, ob wir so, wie wir gerade arbeiten, lernen, wirtschaften, politische
Entscheidungen treffen, leben und zusammenleben, weiter machen können?
… und falls nein, wie dann potenzielle Alternativen, eine postdigitale Welt
aussehen können?
Kapitel 1 öffnet den Bezugsrahmen, anhand dessen wir das Thema bearbei-
ten. Mithilfe der sieben Lebensfelder 1. Leben und Erleben – 2. Arbeiten – 3.
Glauben und Hoffen – 4. Bilden und Lernen – 5. Wirtschaften – 6. Regieren
und Gestalten sowie 7. Kooperieren behandelt das Buch das Thema »Digitali-
sierung« aus einer gesellschaftsorientiert-integralen Sicht. Dabei nehmen wir
eine konsequent ethisch-menschenorientierte Perspektive ein. Unsere Leit-
frage lautet: Wo und wie verbessert die Digitalisierung (also Technik, Effi-
zienz und Wachstum) das Leben möglichst vieler Menschen – ohne dass dafür
andere Menschen, Tiere und die Umwelt, weltweit einen zu hohen Preis zu
zahlen haben? Ein mächtiges Unterfangen also – aus unserer Sicht gerecht-
20 Dieses Buch
fertigt. Denn, für uns handelt es sich bei der Digitalisierung um die größte
(industrielle) Revolution der Menschheitsgeschichte, die das Potenzial hat,
den Menschen selbst so zu verändern, dass es ihn in der Form, wie wir ihn
heute kennen, nicht mehr geben wird!
Folgerichtig befassen wir uns in Kapitel 2 mit der philosophischen Ur-Frage
Was ist der Mensch? Die ihn auszeichnenden Aspekte – Wissen, Fühlen, Ethik,
Hoffnung, Zukunftsbezogenheit und Selbstbestimmung – erlangen vor dem
Hintergrund der Digitalisierung besondere Relevanz. Denn das Menschenbild
vieler Dataisten reduziert geistige Prozesse des Menschen – seine Gefühle,
sein Ich-Empfinden, seine Identität – auf die relationale Durchblutung und
den Sauerstofftransport in den jeweiligen Gehirnarealen. Es gilt, diesen In-
formationscode zu entschlüsseln – dann lässt er sich messen, digitalisieren,
optimieren. Exponentielle Wissenssteigerung wird zum Selbstzweck, Gefühle
werden simuliert, Ethik findet bestenfalls in einem digitalen Manifest sei-
nen Platz, Hoffnung? Fehlanzeige! Zukunftsbezogenheit wird mit technischer
Innovation gleichgesetzt, Selbstbestimmung wird durch Superintelligenz
ersetzt. Dieses reduktionistische Menschenbild der Digitalisierungsgurus er-
weitern wir zu einem Holistischen. Orientiert an Ken Wilbers3
Vier-Quadran-
ten-Geist-Körper-Kultur-System-Modell legen wir unseren Überlegungen zu
den Chancen und Risiken der Digitalisierung einen ganzheitlichen Zugang
zum Menschen zu Grunde und prüfen das Potenzial der Digitalisierung konse-
quent daran, inwieweit es diesem flexiblen Vielfachwesen dient.
Auf diesem Menschenbild aufbauend, führen wir in Kapitel 3 die Frage nach
dem Guten Leben in unsere Überlegungen ein … und möchten Mut zur Ge-
staltung der digitalen Transformation machen. Wo helfen uns Digitalisierung,
KI, Industrie 4.0, virtual reality und so weiter, ein gutes Leben für möglichst
viele Menschen weltweit zu kreieren? Wir regen einen gesamtgesellschaft-
lichen Diskurs darüber an, welchen Wandel, welchen Fortschritt, welche In-
novationen wir haben möchten, … und was wir nicht wollen. Von dieser
sozialethischen Metaperspektive aus, lassen sich die richtigen Fragestellun-
gen ableiten, mit deren Diskurs wir die Wirkungen der Digitalisierung auf den
Dieses Buch 21
Menschen und die Gesellschaft anhand sieben zentraler Lebensfelder in den
Kapiteln 4 bis 10 durchleuchten.
Kapitel 4 Leben und Erleben führt Sie in digitale Welten, reflektiert den di-
gitalen Medienkonsum, zeigt Chancen und Herausforderungen des Einsatzes
von Virtual Reality auf und befasst sich letztendlich mit dem Traum der Trans-
humanisten zur vollständigen Optimierung des menschlichen Lebens auf Sili-
cium-Basis. In allen Anwendungsgebieten stehen enorme Chancen – wie zum
Beispiel im medizinischen Bereich der Einsatz von Gehirn-Schrittmachern,
gedankengesteuerten Rollstühlen, Eksoskeletten und so weiter – ernst zu
nehmenden Risiken gegenüber. Dabei liegt das Hauptrisiko in der nur schwer
abschätzbaren, komplexen Folge-Vernetzung digitaler Anwendungen. Ent-
scheidungssysteme, die wir in autonome Fahrzeuge einbauen, können zum
Beispiel auch ideal bei der Steuerung von Kampfdrohnen oder Kampfrobo-
tern ihre Funktion erfüllen. Bio- und gentechnologische Verfahren, die uns
bei der Bekämpfung von Krankheiten weiterbringen, funktionieren ebenso
bei organisierten Menschen-Züchtungsprogrammen. KI-Algorithmen, die
personalisierte Werbung möglich machen, erzeugen gleichsam intellektuelle
Filterblasen gegenseitiger Vorurteilsverstärkung. Wir müssen also Zukunfts-
szenarien entwickeln, wie sich technische Innovationen in ihrer komplexen
Vernetzung potenziell auswirken, um bewusst entscheiden zu können, ob
und in welchem Grad wir sie in unseren Alltag lassen. Dabei reicht ein rein
technischer Blick nicht aus. Vielmehr gilt es diesen um eine vernetzt-inter-
disziplinäre Brille zu erweitern und grundsätzliche Fragen zu stellen, wozu
jede einzelne Digitalisierungsanwendung von Nutzen ist und welche Folge-
wirkungen sie auslösen kann. Nur so können wir beispielsweise KI in den
Dienst des Menschen stellen und nicht umgekehrt.
In Kapitel 5 Arbeiten steigen wir in die alltagsrelevanteste, vermutlich zurzeit
die meisten Leser interessierende Fragestellung der digitalen Transformation
ein: Wie wird sich unsere Arbeitswelt mit fortschreitender Digitalisierung ver-
ändern? Auch hier erlauben wir uns einen etwas breiteren Blick – setzen die
Fragezeichen etwas tiefer. Basierend auf einer wirtschaftswissenschaftlichen
22 Dieses Buch
und ideengeschichtlichen Hinführung des Arbeitsbegriffes, befassen wir uns
intensiv mit den Herausforderungen von Arbeiten 4.0, um daraus die Folgen
einer weiteren Automatisierung und Digitalisierung für den Menschen und
seine Arbeitsverhältnisse abzuleiten. Im Zuge dieser Ausführungen wird deut-
lich, dass wir Arbeit nicht auf reine Lohnarbeit zum Gelderwerb reduzieren
dürfen. Vielmehr verleiht Arbeit dem Menschen anthropologischen Sinn, in
der er sich letztlich selbst erkennt. Wenn nun mithilfe von KI und Digitalisie-
rung immer mehr Arbeit von Maschinen und Algorithmen übernommen wird,
ist die Menschheit aufgefordert, ihre Arbeitswelten neu zu erfinden. Darin
liegt eine riesige Chance, zunehmend sinnorientierte Arbeit – die wir wirk-
lich, wirklich wollen, wie es der Grand Seigneur der Neuen Arbeit, Professor
Frithjof Bergmann, seit den Achtzigerjahren formuliert – in unsere Arbeits-
welt einziehen zu lassen. Das bedeutet, Leben und Arbeiten zusammenzu-
führen, viele neue Formen des Arbeitens – jenseits der reinen Lohnarbeit
– aktiv zu fördern und dem Gemeinschaftswesen einen neuen Stellenwert
zu verleihen. Dies geschieht nicht von allein, sondern bedarf eines tiefer
liegenden (gesellschaftlichen) Grundverständnisses, wer wir eigentlich sind
und woran wir glauben …
Damit konfrontieren wir Sie in Kapitel 6 Glauben und Hoffen – sicherlich auf
den ersten Blick der Themenbereich, der am weitesten vom Kernthema »Digi-
talisierung« entfernt zu sein scheint. Aber weit gefehlt! In gewisser Hinsicht
trifft dieses Lebensfeld sogar den Nagel am direktesten auf den Kopf. Woran
glauben wir noch? … In einer Zeit, in der fast alles entmystifiziert zu sein
scheint, kaum eine Frage noch offenbleibt, geschweige denn Nicht-Erfüllung
von Wünschen wünschenswert ist. Seit Gott tot ist (Nietzsche) haben uns
viele Ersatzreligionen das Heil versprochen. Von den großen Ideologien des
19. und 20. Jahrhunderts, bis hin zum Kult, der um Marken wie Apple oder
Google gemacht wird, nähern wir uns der Frage, ob nicht Technik und nun
zunehmend die Digitalisierung bereits den Status einer Ersatzreligion einge-
nommen haben. Dabei setzen wir uns besonders mit der Ideologie des Trans-
humanismus und seinen vier Metaprinzipien – Absolutheit, Superintelligenz,
Technikdeterminismus und ewige Existenz – auseinander, um schließlich die-
Dieses Buch 23
ser Glaubensideologie eine soziale Zukunftsutopie entgegenzusetzen. Ohne
an dieser Stelle bereits zu viel zu verraten, spitzt sich diese Fragestellung auf
eine Richtungsentscheidung zu: technologischer Fortschritt (vor allem Gene-
tik, Nanotechnik und Robotik) um jeden Preis, oder ausschließlich gezielter
Einsatz dieser Techniken zur weiteren Menschheitsentwicklung? Der Point of
Singularity gibt dabei den Takt dieses Wettlaufes vor. Gleichsam erscheint
am Horizont bereits ein integrales Verständnis, das uns helfen wird, Technik,
Wirtschaft und menschgerechtes Leben miteinander zu verbinden. Einladende
Utopien, wie wir auch leben können, entstehen täglich im Kleinen an vielen
Orten der Welt – je mehr wir an sie glauben, desto mehr Nährstoff zur Ver-
wirklichung erhalten sie.
Mit den entscheidenden Weichen, wie wir morgen leben werden, setzen wir
uns in Kapitel 7 Bilden und Lernen auseinander. Was steckt, circa zweihundert
Jahre nach Humboldt, hinter den Begriffen »Digitale Bildung«, »Digitaler
Unterricht« oder »Digitalisierung der Bildung«? Mit konstruktiv-kritischem
Blick sehen wir uns die Ziele des Digitalpakts der Bundesregierung an und
kommen zu dem Schluss, dass es im digitalen Zeitalter wichtiger denn je ist,
Lernen als sozialen und emotionalen Interaktionsprozess mit menschlicher
Begegnung zu organisieren, bei dem digitale Lernmedien hilfreich unterstüt-
zen können. Was wir gerade erleben, geht allerdings in eine andere Richtung.
Von einer bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbaren politischen Hilflo-
sigkeit befeuert, tauchen beim Digitalpakt sämtliche bekannten IT-Firmen als
Berater auf und wir stellen die offene Frage, ob demnächst die IT-Industrie
die Deutungshoheit zum Thema »Gute und moderne Bildung« übernimmt?
In den USA beispielsweise beliefert bereits heute Google Amerikas Schulen
breitflächig mit extrem vergünstigter Hard- und Software: Mittlerweile sind
dreißig Millionen Kinder in den USA mit dem Google-Bildungspaket in Kon-
takt gekommen – das ist mehr als jeder Zweite bei den bis Achtzehnjährigen.
Diese einseitige Lern-Entwicklung sehen wir als kritisch an und setzen ihr
ein ganzheitlich-humanistisches Bildungsquartett für das digitale Zeitalter
entgegen.
24 Dieses Buch
1.	Physikalische Zusammenhänge und Technikverständnis lehrt die
Grundlagen des Machine Learnings, des Programmierens und deren
Auswirkung auf unsere gesamte Lebensweise zu verstehen.
2.	Human Intelligence und Ethik stellt die zwingend notwendige
Ergänzungsenergie zu Lernfeld 1 dar. Mit jedem technischen Fortschritt
ist es von großer Wichtigkeit, die Bewusstseins- und Reflexionsfähigkeit
des Menschen zu erhöhen.
3.	Leadershipkompetenz befasst sich intensiv mit Selbstführung und prägt
Führungsfähigkeiten hin zu kooperativem Denken und Handeln aus,
während
4.	Unternehmertum und Gemeinwohlorientierung klassische
unternehmerische Fähigkeiten mit Start-up-Kompetenzen und einem
Social Entrepreneurship Mind-Set verbindet.
Mit diesem Vierklang haben wir ein gutes Gefühl, die Chancen der Digitalisie-
rung intelligent in ein zukunftsorientiertes Lern- und Bildungskonzept einzu-
binden, auf dessen Basis wir dann auch das gedankliche Rüstzeug schaffen,
um uns in Kapitel 8 mit der Frage auseinanderzusetzen, wie Wirtschaften in
einer digitalen Welt aussehen kann?
Kapitel 8 Wirtschaften stellte uns vor die größte Herausforderung bei der
Erstellung dieses Buches. Mit jeder Zeile mehr spürten wir, dass es keine
ganzheitliche Antwort auf die Frage »Wie wollen wir in einer digitalen Welt
leben?« geben kann, ohne kritisch und gleichsam zukunftsoffen die Inter-
dependenzen von Digitalisierung, mit der Art und Weise, wie unser Wirt-
schaftssystem funktioniert, zu korrelieren. Nach der Auseinandersetzung mit
Industrie 4.0, Hochfrequenzhandel, Kryptowährungen, Plattformökonomie
(Plattformkapitalismus), der Nullgrenzkostengesellschaft, dem erodierenden
Bild eines Homo oeconomicus sowie der Eigenlogik der Effizienzmaschine
Digitalisierung, wurde für uns klar, dass es einen menschgerechten Weg
der Digitalisierung nicht ohne entsprechende Nachjustierung unseres Wirt-
schaftssystems geben wird. Dabei bietet uns die Digitalisierung eine echte
Chance, unsere moderne, hochdifferenzierte Welt gezielt in die nächste Ent-
Dieses Buch 25
wicklungsebene zu transformieren, in der dann vieles auch wieder leichter
und natürlicher sein wird. Wie eine Raupe, die durch einen schmerzhaften
Wachstumsprozess geht, bevor sie sich zum Schmetterling entpuppt, werden
wir in der digitalen Transformation durch einige Häutungen gehen, bis wir
deren Nutzen zum Wohle der Menschheit klar von den Gefahren unterscheiden
können. Um dem näher zu kommen, befassen wir uns in Kapitel 8 mit folgen-
den Schlüsselfragen:
Industrie 4.0: Wie gelingt es uns, weiterhin den Menschen, der sich gezielt
intelligenter Technik bedient, in der Rolle des Dirigenten des Wertschöp-
fungsprozesses zu positionieren … und nicht anders herum? Beim Hoch-
frequenzhandel, der reinsten Form digitalen Wirtschaftens, geht es im Kern
um die Frage, wie wir dessen technische Möglichkeiten wieder näher an reale
Produktionsströme koppeln können? Dies gilt ähnlich für Kryptowährungen:
Wie gelingt es uns, die ursprüngliche Idee, einer unabhängigen, dezentralen
Währung wieder aufzugreifen und Kryptowährungen aus dem Spekulations-
kreislauf rauszuholen? Für die Plattformökonomie geht es – ganz platt – um
die Frage von Ethik und Bewusstsein: Wie gehen diejenigen, denen es ge-
lingt, eine bis zu fünfzigfache höhere Marge als dies mit herkömmlicher Öko-
nomie möglich ist, zu generieren, damit um? Bauen sie ein monopolistisches
oder ein dezentral-kooperatives Wirtschaftssystem auf? Und wie gehen wir
alle damit um, dass es wir – als Konsumenten, Abonnenten, Interessenten
und so weiter – sind, die die Macht haben, Ja oder Nein zu jedem einzelnen
Angebot zu sagen? Spannend ist dabei das Prinzip der Nullgrenzkosten-Öko-
nomie. Mithilfe der enormen durch Technik induzierten Effizienzsteigerungen
(vor allem durch den 3-D-Drucker), wird es in nicht allzu ferner Zeit jedem
Einzelnen möglich werden, Produkte so billig herzustellen und zu duplizieren,
dass es sich für kommerzielle Anbieter immer weniger lohnt, diese zu ver-
kaufen (es gibt praktisch keine Märkte mehr dafür). Schlussendlich kann sich
ein zum klassischen Kapitalismus alternatives System, das auf Gemeinwohl
und Kooperation basiert, herausbilden und das uns heute bekannte Markt-
prinzip ablösen. Ob wir als (globale) Gesellschaft schon dafür bereit sind,
wird sich in den nächsten zwei Dekaden zeigen. In jedem Fall werden wir
26 Dieses Buch
nicht darum herumkommen, die Theorie und das Menschenbild unserer vor-
herrschenden Ökonomie bis auf ihre Grundfest zu hinterfragen. Können der
Homo oeconomicus, mit den dahinterstehenden wissenschaftlichen Theo-
rien und wirtschaftspolitischen Modellen, noch eine seriöse Grundlage für
das 21. Jahrhundert sein? Vieles weist auf jeden Fall darauf hin, dass wir
mehr Kooperation und Zusammenarbeit zur Lösung der globalen sozialen und
wirtschaftlichen Herausforderungen brauchen. Dazu zeigen wir im letzten
Abschnitt des Wirtschaftskapitels erste Lösungsansätze auf. Exemplarisch
geben die Postwachstums- und vor allem die Gemeinwohlökonomie Anregun-
gen, in welche Richtung es gehen kann. Aus unserer Sicht tut eine Ökonomie
des 21. Jahrhunderts gut daran, sich anhand sieben wichtiger Kriterien im-
mer wieder selbst zu reflektieren: 1) Dient Wirtschaft den Menschen? 2) Geht
sie in ihrer Wertschöpfung sensibel und achtsam mit allem Lebenden um? 3)
Organisiert sich wirtschaftliches Handeln, wo immer möglich, lokal und damit
ganzheitlich ressourcenschonend? 4) Was nicht in lokalen Wertschöpfungs-
gemeinschaften erwirtschaftet werden kann, entsteht in überregionalen und
internationalen Wertschöpfungsnetzwerken. 5) Werden Digitalisierung und
Technik – wie zum Beispiel 3-D-Drucker, digitalisierte Prozesse, Internet, …
– als hilfreiche Diener genutzt und auf diese Funktion beschränkt? 6) Über-
nimmt Geld (in welcher Form auch immer) seine ursprüngliche Funktion als
Zahlungsmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel – ohne darüber
hinaus zu gehen? 7) Stellt der Zugang zur Natur einen Eigenwert dar, der von
Spekulationen jeglicher Art ausgenommen ist?
Nach diesen mächtigen, sicherlich auch ungewohnt anmutenden Fragen, be-
fassen wir uns im folgenden Kapitel 9 Regieren und Gestalten mit der The-
matik, ob und wie es der Politik noch möglich ist, eine Steuerungsfunktion
für die digitale Transformation unserer Gesellschaft zu übernehmen? Beharr-
liche Finanz- und Schuldenkrisen, gravierende Veränderungen unseres Klimas,
weltweite Flüchtlingsbewegungen, der sich rasant vollziehende Paradigmen-
wechsel, die Digitalisierung … lassen die Politik überfordert wirken. Sie re-
agiert mit bekannten Mustern, wirkt in ihrer Eigenlogik der Nationalstaaten
des 20. Jahrhunderts gefangen und scheint schlichtweg mit der Turbotrans-
Dieses Buch 27
parenz der Digitalisierung nicht mitzukommen. Dabei ist insbesondere die
Kopplung des immer kürzer taktenden und ständig neue Informationen pro-
duzierenden Mediensystems, mit den immer anspruchsvolleren Fragestellun-
gen, die das politische System zu lösen hat, zur ernsthaften Blockade für eine
wirkliche gesellschaftspolitische Gestaltung geworden. Und: … zum ersten
Mal in der Geschichte der Menschheit kann jeder Zeitzeuge dieser Entwick-
lungen werden. Mit unseren Smartphones und Bildschirmen beobachten wir
das komplexe Drama der Welt – ohne uns ernsthaft dafür verantwortlich zu
fühlen beziehungsweise systemimmanent fühlen zu können. Darin liegt das
eigentliche Dilemma der Politik im Jahre 2020 ff.: Die zu lösenden Heraus-
forderungen sind so komplex und vielschichtig geworden, dass es ohne eine
breite Mitverantwortung der Bürger nicht mehr geht. Diese wird man aber
nur bekommen, wenn die Politik ihren traditionellen Steuerungsanspruch ein
ganzes Stück weit aufgibt, den eigenen Apparat und damit die eigene direkte
Macht schrittweise verkleinert und letztendlich in eine neue, mehr moderie-
rende Rolle zur Orchestrierung der digitalen Transformation geht. Dies alles
kann nicht hinter verschlossenen Türen geschehen, sondern muss quasi am
offenen Herzen, von Big Data überwacht, arrangiert werden. Dabei geht es
im Kern um drei zentrale Fragestellungen, auf die die Politik eine Antwort zu
finden hat, wenn sie den digitalen Wandel mitgestalten möchte:
1.	Wie kann die Einflussnahme durch Big Data und (Wähler)-Überwachung
im politischen Meinungsbildungsprozess im beherrschbaren Maß
gehalten und gleichsam der Einsatz digitaler Medien zur weiteren
Demokratieentwicklung genutzt werden?
2.	Wie verhindern wir, dass Wahlkämpfe durch digitales Mikrotargeting
und Nudging zu einer immer intransparenteren und rein quantitativen
Mehrheitsbeschaffungsveranstaltung werden?
3.	Wie gehen wir mit der zunehmenden Verzerrung des politischen Diskurses
durch Fake News, Filterblasen und Social Bots um?
Eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die hier von der Politik zu meistern ist.
Allerdings auch mit der großen Chance ausgestattet, unsere (Parteien-)De-
mokratie durch gezielte Einbindung der Zivilgesellschaft weiterzuentwickeln.
28 Dieses Buch
Auf diese Weise kann sich die Berufspolitik aus immer mehr Themen zu-
rückziehen, sich auf das Schaffen von Rahmenbedingungen konzentrieren
und zunehmend selbstorganisierte Prozesse und Strukturen initiieren. Dies
wiederum wird schrittweise zur Entwicklung eines neuen Demokratieprinzips
führen: direkter, lokaler, eigenverantwortlicher, transparenter – auf einem
überarbeiteten Wahlsystem aufbauend (statt heutigem Mehrheitssystem zum
Beispiel Prinzip des kleinsten Widerstands). … Und die Zeit drängt! … Denn
KI-Regierungen stehen bereits in den Startlöchern, die Steuerungsfunktion
von Staaten und Bürgern zu übernehmen.
Kapitel 10 Kooperieren versucht nun einen Lösungsansatz zu skizzieren, wie
wir die Chancen der Digitalisierung nutzen und eine postdigitale Gesellschaft
aufbauen können, die in einem ersten Schritt vor allem zwei Fundamental-
Herausforderungen – zu deren Lösung die Digitalisierung maßgeblich beitra-
gen kann – zu meistern hat.
Bei Herausforderung 1, dem menschgemachten Klimawandel, zeigt sich mit
Blick auf den Lösungsbeitrag der Digitalisierung bis zum heutigen Tag (März
2020) ein zweigeteiltes Bild: Um der Thematik ihre Öffentlichkeit zu ge-
ben, haben Social Media und digitale Vernetzung enorm viel beigetragen.
Mit inhaltlichen Lösungen dieses Themas ist die Digitalisierung bisher je-
doch nur zaghaft in Verbindung zu bringen. Kombiniert mit unserer aktu-
ellen Wirtschaftslogik dient sie bis dato hauptsächlich als Effizienz- und
Innovationsbeschleuniger, fungiert dabei eher als Katalysator der Denk- und
Handlungsweise, die uns zu dieser globalen Herausforderung geführt hat.
Gleichsam ist gut vorstellbar, dass sich dies in absehbarer Zeit ändert. Das
Bewusstsein steigt und wir lernen mit jeder Algorithmus-Anwendung dazu,
wie wir diese zum Nutzen der Welt einsetzen können.
Herausforderung 2 sind genau diese Algorithmen und Künstlichen Intelligen-
zen: Nachdem wir uns mit diesem Thema etwas intensiver befasst hatten,
wurde uns klar, dass sich der Mensch, wie wir ihn heute kennen, zumindest
aus technischer Sicht, noch in diesem Jahrhundert selbst abschaffen kann.
Dieses Buch 29
Konkreter: …, dass es ihm möglich wird, sich zu einem Mensch-Maschinen-
Wesen zu entwickeln (ab einem gewissen Punkt entwickelt zu werden), das
der israelische Historiker Yuval Noah Harari Homo Deus nennt und das mit-
hilfe genetischer, als auch android-robotertechnologischer Optimierung zu
einem gottgleichen Wesen werden will.
Ob dies so kommt, liegt zum großen Teil (noch) in unserer Hand und wird
nicht zuletzt von unserer Fähigkeit abhängen, gemeinsam attraktive Alter-
nativ-Szenarien für ein gutes, postdigitales Leben zu skizzieren. Dazu muss
es uns vor allem gelingen, den Egoismus schrittweise zu überwinden und
Kooperation zum Leit-Prinzip des 21. Jahrhunderts werden zu lassen. Dies-
bezüglich haben wir eine gute Nachricht: Neueste Forschungen belegen, dass
der Mensch ein ganz natürliches Potenzial für ein humanes Miteinander be-
sitzt, auf dem wir systematisch aufsetzen können. Worauf es nun ankommen
wird, ist, dieses Potenzial von der individuellen Ebene auf die System-Ebene
auszuweiten und eine verzahnte Herangehensweise der Mikro- (menschliches
Bewusstsein), Meso- (Organisationen) und Makroebene (gesellschaftliche
Systeme) zu initiieren. Genau mit diesem Ansatz befassen wir uns zum Ab-
schluss von Kapitel 10 und stellen eine erste Skizze für ein integrales Modell
einer postdigitalen Gesellschaft zur Diskussion. Dazu setzen wir beim Istzu-
stand der modernen, hochdifferenzierten Gesellschaft an und betrachten die
drei genannten Ebenen Person, Organisation und Weltgesellschaft miteinan-
der verbunden. Jede Ebene ist wiederum in die drei Systeme Ökonomie, Öko-
logie und Soziales eingebettet, die in direkter Abhängigkeit mit dem vierten
System, der Technologie, die vorrangig als massiver Reaktionsbeschleuniger
fungiert, stehen. Alle Ebenen samt die sie einbindenden Systeme hängen zu-
sammen und beeinflussen sich gegenseitig. Um in dieser Komplexität noch
wirkungsfähig zu sein und der Welt dienende Lösungsräume zu schaffen,
kommt es im Wesentlichen auf zwei Faktoren an: Den erwachten Menschen
und seinen aufgeklärten Umgang mit der Technologie. Das gilt insbesondere
für den Einsatz von Algorithmen und Digitalisierung in sämtlichen gesell-
schaftlichen Kontexten, der maßgeblich darüber entscheiden wird, ob und auf
welche Weise wir uns zu einer postdigitalen Gesellschaft weiterentwickeln.
30 Dieses Buch
Mit diesem Weg befasst sich unser letztes Kapitel 11 Postdigital – ein gutes
Leben für alle ist möglich. In Stufe 1 bieten wir Ihnen, basierend auf den drei
in Kapitel 10.3 eingeführten Ebenen, eine Selbstverpflichtung, quasi Gebote
zur Schaffung einer menschgerechten Digitalisierung an.
	ƒ Auf der persönlichen Ebene geht es um Selbstbewusstheit,
Selbstverantwortung, Selbstvertrauen und manchmal auch
Selbstüberwindung4
: Ich beginne konsequent bei mir selbst und
übernehme volle Verantwortung für das, was ich denke, tue aber auch
lasse! So mache ich durch meine Haltung in jeder Situation einen
konstruktiven Unterschied und leiste damit einen Beitrag zur positiven
Entwicklung der Welt.
	ƒ Auf der organisationalen Ebene bin ich mir bewusst, dass ich einen
Großteil meiner Zeit in Organisationen verbringe und dies letztendlich
die Orte sind, an denen Veränderungen sehr wirksam manifestiert werden
können. Dementsprechend helfe ich mit, lebendige Organisationen
zu schaffen und gebe dadurch dem Transformationsprozess unserer
Gesellschaft einen kräftigen Schub.
	ƒ Gesamtgesellschaftlich gestalte ich die Entwicklung, hin zu einer
postdigitalen Gesellschaft, nach besten Kräften mit. Ich frage mich
gezielt, wo mein ganz besonderer Beitrag für das Ganze liegen kann
und stelle diese Fähigkeit konsequent im Sinne der Sache, altruistisch
zur Verfügung. An einer Weiterentwicklung der Art und Weise, wie wir
Wirtschaften – hin zu einer Wirtschaft, die ausreichend materiellen
Wohlstand für alle schafft, unser geistiges und körperliches Wohlbefinden
nährt, uns zufrieden macht und unsere wahren (nicht künstlich
erzeugten) Bedürfnisse stillt – beteilige ich mich.
Stufe 2 wagt dann abschließend eine Reise nach Utopia in das Land Huma-
nitas Digitalis. Wir skizzieren einen methodisch-prozessualen Vorgehens-
vorschlag, wie es uns gelingen kann, an vielen Orten gleichzeitig Utopien
für ein gutes Leben zu entwickeln.5
Utopien, die die Möglichkeiten der Di-
gitalisierung gezielt nutzen, sich aber nicht von dieser instrumentalisieren
Dieses Buch 31
oder überrennen lassen. Aus diesen Lokalutopien können wir schrittweise
immer konkretere Szenarien ableiten, die sich, wenn die Zeit reif ist, zu
einer Leitvision6
für das 21. Jahrhundert zusammenfügen. So entsteht ein
Zukunftsbild, dem sich Menschen gerne anschließen, weil sie an dessen
Erstellung beteiligt waren, es strahlend und weit ist, um pluralen Vorstel-
lungen Raum zu geben, und gleichsam konkret genug, um Ja oder Nein dazu
zu sagen.
Das war’s erst mal – in aller Kürze – mit unseren Überlegungen zu POSTDI-
GITAL – Mensch, wie wollen wir leben?! Wenn Sie jetzt noch Lust auf mehr
haben, dann rann an den Schinken.
Im nächsten Abschnitt skizzieren wir die Ausgangslage und schaffen einen
Bezugsrahmen zur Thematik.
1.2	Ausgangslage und Bezugsrahmen
Eine Weltkarte, die das Land Utopia nicht enthielte, wäre es nicht wert, dass
man einen Blick auf sie wirft, denn in ihr fehlt das einzige Land, in dem die
Menschheit immer landet.
Oscar Wilde (1854–1900), irischer Schriftsteller
Begleiten Sie uns bitte in das Jahr 20457
. Wie schätzen Sie den Stand der
Umsetzung nachfolgender Kurz-Szenarien ein? Dabei gilt: »0 = völlig unrea-
listisch« und »5 = ganz eingetreten«:
	ƒ 50 bis 70 Prozent der derzeit bestehenden Arbeitsplätze gibt es nicht
mehr.
	ƒ Algorithmen und Künstliche Intelligenzen (KI) bestimmen fast unseren
ganzen Tagesablauf: Wecken, Einkaufen, Fahrten, Kinderbetreuung,
Schulausbildung, Pflege, Finanztransaktionen, Produktionsstätten,
Entscheidungen, …
32 Dieses Buch
	ƒ 3-D-Drucker stellen quasi jedes Produkt her, das wir uns wünschen –
zu so geringen Kosten, dass kommerzielle Anbieter einen extremen
Margenverfall erleben.
	ƒ Andererseits haben die großen Tech-Firmen mit quasi unendlichen
Margen mehr Macht über Gesellschaft, Welt und Menschen als alle
Politiker und Institutionen zusammengenommen. Mit ihrer Finanzkraft
bestimmen sie die Entwicklungen in allen relevanten gesellschaftlichen
Bereichen: Bildung, Erziehung, Forschung, Wissenschaft, Wirtschaft
sowieso, aber auch Glaube, Lebensformen …
	ƒ Politische Meinungsbildung wird über Social Bots gesteuert. Fake
Accounts und Künstliche Intelligenzen setzen eigenständig Themen und
prägen damit die Richtung des Diskurses.
	ƒ In Virtuellen Realitäten (social VR) begegnen wir von unserem
Wohnzimmer aus den digitalen Avataren8
unserer Freunde, eine Großzahl
unserer Sozialbeziehungen managen wir über diese Kanäle.
	ƒ Cyborgs (Mischwesen aus Mensch und Technik) nähern sich der
Unsterblichkeit – werden jedenfalls ohne Schwierigkeiten hundert Jahre
und älter; einen Alterungsprozess, wie wir ihn heute kennen, gibt es
nicht mehr. Per Knopfdruck ist dann mal einfach Schluss.
	ƒ Computer-Gehirn-Schnittstellen machen es möglich, dass wir uns mit
unseren Gedanken weltweit vernetzen können, alles was wir erfahren,
können wir digital rekonstruieren und uploaden, mit der Welt teilen.
Wenn Sie im Mittelwert bei mindestens »3« landen, sollten Sie dieses Buch
weiterlesen. Wenn Sie bei »2« und darunter liegen, bitten wir sie, sich mit
den oben kurz skizzierten Themen etwas intensiver zu befassen und dann
noch mal zu entscheiden, ob Sie unser Buch weiterlesen möchten.
Tatsache ist, dass Teile des Beschriebenen bereits heute beginnende Reali-
tät darstellen. Rein technisch werden die oben skizzierten Entwicklungen in
zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren umsetzbar sein9
. Um es etwas konkre-
ter zu machen: Die Vordenker der Digitalisierung haben die Vision, dass wir
Menschen in naher Zukunft mit intelligenten Maschinen verschmelzen, die
Dieses Buch 33
unsere heutige Intelligenz weit in den Schatten stellt. In großer Geschwin-
digkeit werden immer weitere Dimensionen unserer Welt Teil eines großen
algorithmischen Netzwerks aus Smartphones, Suchmaschinen, sozialen Me-
dien, Webcams, Big Data Clouds und so weiter – alles miteinander in den
Rechenzentren der Googles, Facebooks, Apples & Co verbunden.
Im Mai 2017 gewann zum Beispiel Googles DeepMind-Programm gegen den
chinesischen Weltmeister des hochkomplexen Go-Spiels Ke Jie. Und DeepMind
ist nicht einfach ein Programm. Es ist eine künstliche Intelligenz, die sich
das Go-Spiel selbst beigebracht hat und täglich weiter lernt – viel schneller
als wir. Künstliche Intelligenz wird unsere gesamte menschliche Intelligenz
überflügeln. Ein IQ von bis zu zehntausend ist vorstellbar; also einhundert
Mal rational intelligenter als ein normaler Mensch. Dieser Moment, an dem KI
uns ein für alle Mal überflügeln wird, hat auch schon einen Namen. Ray Kurz-
weil, technischer Direktor von Google und der Guru der Gurus dieser digitalen
Zukunft, nennt ihn Singularität, und er sagt ihn eben in etwa für das Jahr
2045 voraus.10
Artificial Intelligence (= Künstliche Intelligenz) wird Lösungen für Probleme
entwickeln, an die wir noch nicht einmal gedacht haben – und Fragen be-
antworten, die nie gestellt wurden. Die Verbindung der alles umspannenden
digitalen Netze mit einer technischen Intelligenz, die in rasender Geschwin-
digkeit immer Neues lernt, kann unser Leben und schließlich unsere Welt
in ihrer Grundexistenz komplett verändern. Der bereits im Vorwort erwähn-
te, israelische Historiker Yuval Noah Harari beschreibt in seinem weltweiten
Bestseller Homo Deus, mit einer brillanten Fülle an Details und Hintergrund-
informationen, wie unsere bisherige menschliche Geschichte bald zu Ende
gehen kann.11
Die Zukunft gehört ganz der künstlichen Intelligenz. Zu uns
herkömmlichen Menschen wird diese neue technische Intelligenz, so Harari,
ein ähnliches Verhältnis entwickeln, wie wir es zu unseren Nutz- und Haus-
tieren entwickelt haben. Dieser Prozess ist schon im Gange.
34 Dieses Buch
In dem Maße, in dem immer mehr Menschen mit dieser neuen künstlichen
Wirklichkeit verschmelzen – nicht nur mit Smartphone und Computer, son-
dern bald auch durch Implantate, technische Schnittstellen und künstliche
Verbesserungen unserer Körper – wird der neue Cyborg-Mensch so etwas wie
unsterblich, allwissend und allmächtig werden. Der Traum von Kurzweil und
der stetig wachsenden Gruppe der sogenannten Transhumanisten ist, dass uns
die Technik von unseren Unzulänglichkeiten erlösen wird. Dieser Erlösungs-
gedanke hat viel mit der transhumanistischen Vorstellung vom Menschen zu
tun. Wir sind, ihrer Meinung nach, eine hoch entwickelte biologische Appara-
tur, eine spezielle Form von Algorithmus. Harari zeigt dies in seinem Buch als
logische Schlussfolgerung der modernen Naturwissenschaft, als notwendig
logische nächste Stufe der menschlichen Entwicklung, auf. So wie Nietzsche
Gott für tot erklärt hat, spricht Harari heute vom »Tod des Humanismus«. Die
Zukunft gehört dem Dataismus, einer Welt, in der nicht mehr die Menschen-
rechte den höchsten Wert unserer Gesellschaft darstellen werden, sondern der
frei lernende Informationsfluss im globalen Datennetz.
Das ist der eine Grund, warum wir dieses Buch geschrieben haben: Wir möch-
ten auf diese existenzielle Frage der Menschheit aufmerksam machen und
jeden einzelnen einladen, sich damit zu befassen. Der andere Grund liegt
in der aus unserer Sicht viel zu eng gefassten Vorstellung, was unter Digi-
talisierung allgemein zu verstehen ist. Je intensiver wir uns in den letzten
drei Jahren mit dem Schlagwort Digitalisierung befassten, desto deutlicher
erkannten wir, dass sich der öffentliche Diskurs fast ausschließlich um dessen
Effizienzpotenziale – sei es technischer oder wirtschaftlicher Natur – dreht.
Die üblichen inflationären Begriffe, die diese Logik sichtbar machen, lauten
Industrie 4.0, Big Data, Breitbandnetz, 5G, Cloud, Speed, Optimierung, neue
Geschäftsmodelle, Plattformökonomie … Was Digitalisierung politisch und
lebensweltlich, was sie gesellschaftlich und ethisch in verschiedenen Feldern
unseres Zusammenlebens bedeutet, erhält in diesem Beschleunigungs- und
Effizienzdiskurs aus unserer Sicht zu wenig entscheidungsrelevantes Gehör.
So drückt die gängige Definition von Digitalisierung als »… Veränderungen
von Prozessen, Objekten und Ereignissen, die bei einer zunehmenden Nut-
Dieses Buch 35
zung digitaler Geräte erfolgt«12
in keiner Weise die Dimension aus, um die
es eigentlich geht. Auch das zunehmend akzeptierte erweiterte Verständnis,
nach dem Digitalisierung für den Wandel hin zu digitalen Prozessen und Pro-
dukten mittels Informations- und Kommunikationstechnik steht, ist nicht
hinreichend.13
Selbst die in letzter Zeit etwas häufiger in den Massenme-
dien adressierte Sichtweise, dass es sich bei der Digitalisierung um keine
rein technische, sondern auch um eine soziale Revolution handelt, die alle
Gesellschaftsbereiche (Bildung, Wirtschaft, Kultur, Politik, Rechtswesen, …)
betreffen wird (hier dann gleichbedeutend mit den Begriffen »Digitale Trans-
formation« oder »Digitale Revolution«), lässt die Radikalität (= an die Wurzel
gehend) der Transformation nur erahnen.
Für uns handelt es sich bei der Digitalisierung um die größte (industrielle)
Revolution der Menschheitsgeschichte, die das Potenzial hat, in den nächs-
ten zwanzig bis dreißig Jahren alles zu verändern, was wir heute als moder-
nes Leben auf dieser Welt bezeichnen würden:
	ƒ Es geht zum einen, wie oben stehend ausgeführt, um nichts Geringeres,
als um das Überleben der Menschheit, ja des Menschseins an sich. Zum
ersten Mal in ihrer Geschichte kann sich die Spezies Mensch selbst so
verändern, dass es sie in der Form, wie wir sie heute kennen, nicht mehr
geben wird!
	ƒ Zum anderen hat unser vor allem in den letzten zweihundert bis
zweihundertfünfzig Jahren sehr einseitiges, technisch-materialistisches
Weltbild eine global-vernetzte Gesellschaft, genauer betrachtet vor allem
Wirtschaft geschaffen, deren negative Effekte14
uns unübersehbar vor die
Entscheidung stellen, wie wir weitermachen.
Diese zwei Pfade sind der Kern der digitalen Revolution, die wir gerade in
ihren Anfängen erleben. Es ist also ein guter Zeitpunkt sich mit zwei Fragen
zu befassen:
36 Dieses Buch
1.	Was bedeutet es, zu Beginn des 21. Jahrhunderts Mensch zu sein? Sind
wir hochkomplexe biologische Algorithmen, die mittels KI zweifelsohne
weiter optimiert werden können, oder gibt es etwas in uns, das
Maschinen nie sein können?
2.	Wie wollen wir leben? Hier geht es uns um einen gesellschaftspolitischen
und zivilgesellschaftlichen Diskurs, zu den Chancen und Gefahren der
Digitalisierung – mit dem Ziel, unsere Zukunft selbst zu gestalten und sie
nicht einfach geschehen beziehungsweise von Algorithmen bestimmen zu
lassen.
Noch haben wir es in der Hand, die Geister, die wir riefen, einzufangen und
uns nicht von künstlicher Intelligenz an den Rand drängen zu lassen. Noch
sind wir es, die mit unserer einzigartigen menschlichen Fähigkeit mit Geist,
Herz, Körper und Seele spüren, dass uns das Schicksal dieser Welt betrifft,
dass uns die Frage »Wie geht es mir, wie dem anderen, wie dem Ganzen?« be-
troffen macht und nicht kalt lässt. Wir sind nicht außenstehende Beobachter,
die zusehen müssen, was da so alles passiert. Der Universalgelehrte Heinz
von Foerster hat immer wieder darauf hingewiesen, dass wir die Gestalter, die
Kreateure unserer eigenen Welt sind. Wir sind empathisch Betroffene könnte
man sagen, die mit allen Sinnen erkennen können, was das Wahre, das Gute,
das Schöne in dieser Welt ist. Aus dieser grundlegenden menschlichen Fähig-
keit entsteht ein eigenes Universum, in dem wir einander etwas bedeuten,
miteinander verbunden sind. Bei aller Unterschiedlichkeit können wir uns
als Menschen darin treffen, dass uns die Welt etwas angeht, dass wir in ihr
einen Sinn empfinden oder zumindest einen Sinn suchen. Kein Transhumanist
behauptet, dass das in absehbarer Zeit eine noch so intelligente Maschine
auch so empfinden wird. Wenn dem so ist, dann müssen wir dringend darauf
achten, wie wir unsere technische Zukunft so gestalten können, dass wir
diese besonderen Qualitäten des Menschseins nicht von einer anderen, der
künstlichen Intelligenz, einfach an die Seite drängen lassen.
Dieses Buch 37
Klug zweifeln
Es klingt gut, durchdacht, schlüssig. Und doch führen nicht wenige
Entscheidungen privat, wirtschaftlich oder politisch in Katastrophen.
Denn die vermeintlich guten Lösungen von heute schaffen die Probleme
von morgen.
Wir haben es einfach nicht im Griff. Aber das hindert uns nicht an
ungebrochenem und arrogantem Interventionismus. Wir greifen
allerorts ein und erfinden Modelle: Lebensmodelle, Wirtschaftsmodelle,
Führungsmodelle, Rezepte jeder Art. Doch wo führt das alles hin? Warum
sind wir so anfällig für die einfachen Lösungen? Hat unser Scheitern
System?
Heinz Jiraneks neues Buch liefert Antworten auf diese Fragen. Es lädt
Sie zu einer spannenden Reise durch eine kritische Weltbetrachtung ein,
vermittelt in packender Weise die praktischen Folgen der Systemtheorie
und rüttelt an unserem Glauben, alles in der Hand zu haben.
Doch was können wir tun? Die Lösung ist ganz einfach und schwierig
zugleich: Keinen simplifizierenden Kausalannahmen auf den Leim gehen.
Begreifen, was alles nicht geht. Vorhandenes Wissen nutzen. Denken.
Selbst denken.
Heinz Jiranek
Klug zweifeln
Weil der zweite Gedanke oft der bessere ist.
2. Auflage 2018
342 Seiten; Broschur; 24,95 Euro
ISBN 978-3-86980-390-6; Art.-Nr.: 1025
www.BusinessVillage.de
Denk klar
Digitalisierung, Disruption, Transformation, Globalisierung, Big
Data – unsere Gegenwart wandelt sich schnell und fundamental. Und
dieser Wandel ist ubiquitär: Er berührt sämtliche gesellschaftlichen,
wirtschaftlichen und persönlichen Bereiche – ausnahmslos.
Scheinbar hilflos sind wir neuen Technologien, Zukunftsunsicherheiten
und Manipulationsmaschinen ausgeliefert. Überfordert von der Fülle
an Handlungsoptionen sind wir wie paralysiert und vertrauen eher
Algorithmen als eigener Erfahrung und gesundem Menschenverstand. Wir
überlassen Denken und Entscheiden lieber Anderen, im Zweifel sogar den
Maschinen.
Doch wie gewinnen wir Entscheidungs- und Denkhoheit zurück?
Woran können wir uns noch orientieren? Wie können wir Fake und
Wahrheit unterscheiden? Wie kann uns kluges Entscheiden in allen
Lebensbereichen gelingen – heute und in Zukunft?
Ingo Radermacher gibt Antworten. Sein Buch verbindet Zeitdiagnose und
Sachinformation. Es zeigt unterhaltsam die Irrwege auf, die wir heute in
Sachen „Entscheidung“ einschlagen und bietet klare Lösungen an, wie es
besser geht!
Seine Prämisse und Quintessenz: Zukunftsfähigkeit, Innovation und
Erfolg haben ihren Ursprung im eigenen, klaren Denken.
Ingo Radermacher
Denk klar
Klug entscheiden in digitalen Zeiten
1. Auflage 2018
272 Seiten; Broschur; 24,95 Euro
ISBN 978-3-86980-438-5; Art.-Nr.: 1055
www.BusinessVillage.de
Die intelligente Organisation
In Zeiten zunehmender Dynamik erkennen immer mehr Unternehmen,
dass das tayloristische »Command & Control« nicht mehr funktioniert.
Auch die Reduktion auf Teal Organisations oder Holokratie und andere
Kochrezepte bringen keineswegs die erhofften Erfolge. Wir müssen
erkennen, dass wir in komplexen Systemen agieren, nicht alles wissen
und nicht alles in unserem Sinn steuern können.
Doch wie können wir den Herausforderungen komplexer Systeme
dann begegnen? Wie entwickeln wir ein Gesamtkonstrukt, das es
erlaubt, das große Ganze zu sehen und uns nicht in punktuellen
Einzelmaßnahmen zu verlieren? Lambertz’ neues Buch gibt Antworten
auf genau diese Fragen. Es liefert eine vollkommen neue Sichtweise
auf Organisationen, die es ermöglicht, Normen, Strategie, Taktiken und
Wertschöpfung im Zusammenhang zu verstehen. Denn erst daraus lassen
sich die Fähigkeiten des Unternehmens identifizieren und bestmöglich
entfalten: Die Symbiose von notwendiger Selbstorganisation mit ebenso
notwendiger Führung.
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Praxisbeispielen, wie man sein eigenes Modell für die jeweilige konkrete
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  • 1. POST DIGITAL BusinessVillage Mensch, wie wollen wir leben? Andreas F. Philipp, David Christ Mit Illustrationen von Dr. Patrick Rebacz und einem Geleitwort von Professor Harald Lesch
  • 3. POST DIGITAL BusinessVillage Mensch, wie wollen wir leben? Andreas F. Philipp, David Christ Mit Illustrationen von Dr. Patrick Rebacz und einem Geleitwort von Professor Harald Lesch
  • 4. Andreas F. Philipp, David Christ Postdigital Mensch, wie wollen wir leben? 1. Auflage 2020 © BusinessVillage GmbH, Göttingen Bestellnummern ISBN 978-3-86980-534-4 (Druckausgabe) ISBN 978-3-86980-535-1 (E-Book, PDF) ISBN 978-3-86980-536-8 (E-Book, EPUB) Direktbezug www.BusinessVillage.de/bl/1093 Bezugs- und Verlagsanschrift BusinessVillage GmbH Reinhäuser Landstraße 22 37083 Göttingen Telefon: +49 (0)5 51 20 99-1 00 Fax: +49 (0)5 51 20 99-1 05 E–Mail: info@businessvillage.de Web: www.businessvillage.de Layout und Satz Sabine Kempke Illustration im Buch Dr. Patrick Rebacz, www.Visionom.de Autorenfotos Andreas F. Philipp: privat David Christ: Foto Firlé, www.firle-digital.de Druck und Bindung www.booksfactory.de Copyrightvermerk Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigung, Übersetzung, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle in diesem Buch enthaltenen Angaben, Ergebnisse und so weiter wurden von den Autoren nach bestem Wissen erstellt. Sie erfolgen ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie des Verlages. Sie übernehmen deshalb keinerlei Verantwortung und Haftung für etwa vorhandene Unrichtigkeiten. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen und so weiter in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen.
  • 5. Inhalt Über die Autoren ............................................................................ 7 Geleitwort von Professor Harald Lesch .............................................. 9 Vorwort ........................................................................................ 11 1. Dieses Buch .............................................................................. 17 1.1 Die zentralen Botschaften – in zwölf Minuten ............................ 19 1.2 Ausgangslage und Bezugsrahmen ............................................. 31 2. Was ist der Mensch?................................................................... 41 2.1 Warum diese Frage?................................................................ 43 2.2 Der Mensch? – Eine kleine Zeitgeschichte .................................. 44 2.3 Ein integrales Menschenbild für die Digitalisierung ..................... 51 3. Gutes Leben! Wie? ..................................................................... 55 3.1 Individualistische und kollektive Ansätze .................................. 57 3.2 Eine sozialethische Perspektive für die Digitalisierung ................. 61 4. Leben und Erleben ..................................................................... 65 4.1 Digitale Welten und digitaler Medienkonsum .............................. 67 4.2 Virtuelles Erleben mit Virtual Reality......................................... 73 4.3 Transhumanismus – Der Traum vom optimierten Leben auf Silicium-Basis ....................................................................... 79 5. Arbeiten ................................................................................... 91 5.1 Eine wirtschaftswissenschaftliche Hinführung ............................ 93 5.2 Der ideengeschichtliche und philosophische Kontext von Arbeit .... 95 5.3 Arbeit 4.0 und Automatisierung von Arbeit .............................. 100 5.4 Mensch und digitales Arbeiten ............................................... 108 6. Glauben und Hoffen ................................................................. 117 6.1 Gott ist tot!........................................................................ 119 6.2 Alltags- und Ersatzreligionen ................................................. 122 6.3 Digitalisierung und soziale Utopien ........................................ 129
  • 6. 7. Bilden und Lernen ................................................................... 133 7.1 Digitaltechniken .................................................................. 136 7.2 Geschäftsmodelle »Bildung« und »Lernlust statt Digitalfrust« ..... 142 7.3 Humboldt 2.0 für menschgerechte Bildung 4.0 ......................... 147 7.4 Die vier Lernfelder für das postdigitale Zeitalter ....................... 152 8. Wirtschaften ........................................................................... 155 8.1 Industrie 4.0....................................................................... 158 8.2 Hochfrequenzhandel (HFH) und Kryptowährungen..................... 161 8.3 Plattformökonomie und Plattformkapitalismus.......................... 165 8.4 Nullgrenzkostengesellschaft .................................................. 171 8.5 Ökonomische Theorie, Menschenbild und Effizienzmaschine Digitalisierung .................................................................... 176 8.6 Von der Raupe zum Schmetterling: Wege zur Transformation unseres Wirtschaftssystems ................................................... 184 9. Regieren und Gestalten ............................................................ 197 9.1 Herausforderungen der Politik ................................................ 199 9.2 Politische Einflussnahme durch Big Data und (Wähler-)Überwachung ......................................................... 202 9.3 Die gehetzte Politik: Strukturprobleme, Mediendemokratie und digitale Öffentlichkeit .................................................... 207 9.4 Die Zivilgesellschaft – ein Ausweg aus dem politischen Dilemma? ........................................................................... 218 10. Kooperieren .......................................................................... 223 10.1 Die Bedrohung der Menschheit.............................................. 225 10.2 Den Egoismus überwinden: Kooperation als humanes Prinzip  des 21. Jahrhunderts .......................................................... 233 10.3 Ein integrales Modell für eine postdigitale Gesellschaft ............ 242 11. Postdigital – ein gutes Leben für alle ist möglich .................... 255 11.1 Stufe I: Gebote zur menschgerechten Digitalisierung –  eine Selbstverpflichtung ...................................................... 258 11.2 Stufe II: Eine Reise nach Utopia in das Land Humanitas  Digitalis wagen .................................................................. 267 NachgeDanken ............................................................................ 275 Endnoten .................................................................................... 281
  • 7. Über die Autoren 7 Über die Autoren Dr. Andreas F. Philipp begleitet mit seiner Firma, Philos, seit fünfundzwanzig Jahren Menschen und Organisationen in Veränderungsprozessen. Die ganz- heitliche Gestaltung der digitalen Transformation sieht er als die zurzeit größte gesellschaftliche Her- ausforderung, ... die gleichsam der Menschheit hel- fen wird, sich auf ihre nächste Bewusstheitsstufe zu entwickeln. David Christ hat in Jena und Gießen interdisziplinäre Sozialwissenschaften (Soziologie, Politologie, An- gewandte Ethik/Philosophie) studiert. Nach Berufs- erfahrungen in der (außeruniversitären) Forschung und wissenschaftlichen Politik- und Management- beratung gilt seine Hauptbeschäftigung seit 2018 der Arbeit an einer stiftungsgeförderten Dissertation zum Doktor der Wirtschafts- und Sozialwissenschaf- ten. Kontakt Dr. Andreas F. Philipp E-Mail: andreas.philipp@philos-beratung.de Web: www.philos-postdigital.de, www.philos-beratung.de David Christ E-Mail: david.christ@philos-beratung.de Web: www.philos-postdigital.de, www.philos-beratung.de
  • 8. 8 Über den Illustrator Über den Illustrator Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Dr. med. Patrick Rebacz ist Arzt, Ökonom und Visio- nom. Er erklärt komplexe Themen und Inhalte der Gesundheit und Wirtschaft mit visuellen Medien und Geschichten. Damit unterstützt er Menschen und Or- ganisationen bei der Kommunikation und trägt zum nachhaltigen Lernerfolg bei. Kontakt E-Mail: info@visionom.de Web: www.visionom.de
  • 10. 10 Geleitwort von Professor Harald Lesch Das ist doch mal was. Die ganze Welt redet über Digitalisierung und deren Chancen für eine noch effizientere Wirtschaft in einer zunehmend technologie-beherrschten Welt. Da kommen Philipp und Christ daher und ziehen mit leichter Feder den naiven Wachstums- und Effizienz-Träumereien den Boden unter den Füßen weg. Nein, da ist nichts technikfeindlich. Auch nichts naiv – auf diesen gut drei- hundert Seiten. Auch, oder gerade, weil das Buch so viele unkonventionelle Gedanken und Ansätze wagt. Ja, es geht um das Überleben der Menschheit auf unserem schönen blauen Planeten. Ja, es geht um die Frage, wie wir Technik, Effizienzsteigerung und Wirtschaftswachstum zum Wohle aller Menschen einsetzen können. Ja, es geht um eine postdigitale Gesellschaft, deren integrales Bewusstsein in der Lage sein wird, echte Zukunftsvisionen für ein gutes Leben im 21. Jahrhun- dert aufzuzeigen. Zu alledem lädt vorliegendes Buch ein. Aber Vorsicht – mit reinem Konsum kommen sie nicht durch! Denn, … an einem Punkt haben Philipp und Christ besonders recht, … dass WIR es in die Hand nehmen müssen, wie wir leben wollen. Ihr Harald Lesch
  • 12. 12 Vorwort Es besteht die reale Möglichkeit, dass ein Heer von Menschen entsteht, die nicht mehr gebraucht werden. … Die neuen Technologien des 21. Jahrhunderts könnten somit die humanistische Revolution rückgängig machen, indem sie die Menschen ihrer Macht berauben und stattdessen nicht-menschliche Algo- rithmen damit betrauen. … Schließlich ist es denkbar, dass eine kleine Elite entsteht, die mithilfe von künstlicher Intelligenz die Massen beherrscht … und die normale Menschen nicht viel besser behandeln wird, als die Europäer des 19. Jahrhunderts die Afrikaner. Yuval Noah Harari (*1976), israelischer Historiker Als wir uns im Frühjahr 2017 mit den Themen Digitalisierung, Industrie 4.0 und Künstliche Intelligenz (KI) intensiv zu befassen begannen, hatten wir ein ziemlich praktisches Business-Buch im Blick, das aus beratender Perspek- tive deren Potenziale, Geschäftsmodelle und Chancen beschreiben sollte. Je intensiver wir jedoch in die Themen einstiegen, desto mehr entwickelte sich ein Buch, das eine positiv-kritische Reflexion der Digitalisierung und deren Folgen für Mensch und Gesellschaft in‘s Gepäck nahm. Hierzu haben wir in vorliegendem Werk versucht, ein möglichst differenzier- tes Bild zum Ursprung der Digitalisierung und den sich daraus ergebenden, potenziellen Zukünften, die wir im digitalen Zeitalter kreieren können, zu skizzieren. Wir nehmen dabei eine technologie- und fortschrittsoffene, aber nicht naive, technologiegläubige Haltung ein. Während der Erstellung dieses Buches ha- ben wir immer wieder gemerkt, wie schmal der Grad zwischen diesen beiden Haltungen ist – mitunter glich er einem Ritt auf der Rasierklinge. Uns ist sehr bewusst, welchen enormen Wohlstand zweihundertfünfzig Jahre (technologi- scher) Fortschritt für fast zwei Milliarden Menschen gebracht haben und noch immer bringen. Wir konnten uns aber nicht dagegen wehren, die Schein- werfer auch auf die mehr als fünf Milliarden Menschen, die wenig von diesen Effizienz- und Produktivitätsfortschritten profitieren, zu richten. Das Bild, das wir immer deutlicher sahen, hat uns selbst erschreckt: Digitalisierung ist
  • 13. Vorwort 13 auf der einen Seite ein Turbo-Beschleuniger für Effizienz, Produktivität und technischen Fortschritt, jeweils die Einzelfall-Lösung betrachtend. Auf der anderen Seite externalisiert die Digitalisierung sonstige Kosten1 in globale, immer weniger durchschaubare Umfeldwirkungen, die, in ihrer Vernetzung betrachtet, mitunter gruselige Folgen haben. Zum Beispiel, dass wir uns als Menschen von »superintelligenten« Algorithmen zu deren Diener machen las- sen, wie es Harari im Eingangszitat andeutet und in seinem Werk Homo Deus eindrucksvoll herleitet. Dystopia sagen Sie? So schlimm wird es schon nicht kommen! Vorhersagen dieser Art – der jeweiligen Zeit angepasst – gab es ja schon immer. Da haben Sie natürlich grundsätzlich recht, … nein, jetzt kommt kein aber :-). Tatsache ist, wenn wir uns das Phänomen Digitalisierung genauer, ver- netzter und in seiner Radikalität – das materielle Weltbild hinter sich zu lassen – tiefer ansehen, läuft die Digitalisierung auf folgende Dichotomie hinaus: Werden wir als Menschheit immer bewusstere Wesen, die in Kohärenz mit der Erde leben …, oder werden wir immer technologisiertere Wesen, die letztendlich die Erde verlassen müssen, weil sie uns nicht mehr als Lebensort dienen kann. Als uns das klar wurde, mussten wir schlucken, haben dann kräftig durchgeat- met und daraufhin dieses Buch konsequent aus einer menschenorientierten, systemtheoretisch-integralen und proaktiv gesellschaftsgestaltenden Pers- pektive geschrieben. Das ursprüngliche Business-Buch war dahin. Das hier vorliegende Werk ist das, was uns über den Geist in die Finger und dann aufs Papier geflossen ist. Als Ergebnis ist dieses Buch in zweifacher Weise eine Zumutung für Sie, liebe Leserinnen und Leser: Erstens muten wir Ihnen zu, Stellung zu beziehen, wohin sich unsere Gesell- schaft, unsere Organisationen und nicht zuletzt Sie, als Mensch mit Ihren Kindern und Kindeskindern hinentwickeln möchten. Vor diesem Hintergrund
  • 14. 14 Vorwort eröffnen uns Digitalisierung, KI und Industrie 4.0 – jenseits der direkten Effi- zienzpotenziale – auch eine große gesellschaftliche Chance: Die Chance, dass wir entscheiden können, wohin die Reise gehen soll: Bewusster Umgang mit Technik, Fortschritt, Wachstum – immer am Ziel des freien Menschenwillens ausgerichtet? Oder: Schneller! Höher! Weiter! Was technisch machbar und wirtschaftlich gewinnbringend ist, wird gemacht? Zweitens haben wir dieses Buch, in dessen knapp dreijähriger Erstellungszeit, immer wieder aus privaten Gründen für einige Zeit zur Seite legen müssen. Diese Zwangspausen ließen uns am eigenen Leibe spüren, wie unglaublich beschleunigend die Digitalisierung auf unsere Gesellschaft wirkt. Einige The- men, die Anfang 2018 noch brandaktuell und kaum bekannt waren – zum Bei- spiel die manipulative Macht von Social Bots, oder die Algorithmen-Fähigkeit von Facebook zur Profilerkennung nach nur wenigen Klicks – waren bereits am Ende des Jahres Schnee von gestern. Darin wird ein Muster der Digitali- sierung sichtbar: Sie rauscht rasend schnell an uns vorbei – und ehe wir uns noch besinnen können, hat sie bereits persönliche Verhaltensweisen (zum Beispiel Internetshopping, googeln, …), Marktgesetze (zum Beispiel Platt- formökonomie) und gesellschaftliche Strukturen (das Mobiltelefon als stän- diger Lebensbegleiter) fast unumkehrbar verändert. Vor diesem Hintergrund bitte wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, um etwas Nachsicht, wenn Sie beim Lesen des Buches an einigen Stellen zu tief in eine Materie geholt werden, die 2020 gar nicht mehr so neu ist; während vielleicht an anderer Stelle ein gerade brandaktuelles Thema zu wenig behandelt wurde. Irgendwann haben wir gesagt: Es ist okay so, wie es ist. Wir gehen jetzt mit dem Geschriebenen raus! Wohlwissend, dass es immer noch besser, positiver, konstruktiver hätte geschrieben werden können … und regen damit hoffentlich eine breite Dis- kussion zur Frage an: »Mensch! Wie hältst du‘s mit der Digitalisierung?« Genau mit dieser Gretchenfrage 2.0 befasst sich dieses Buch. Lassen Sie sich irritieren, inspirieren, initialisieren.
  • 15. Vorwort 15 Starten wir einen generationenübergreifenden Dialog, wie viel Digitalisierung wir wollen … und welcher Art diese sein soll. Nehmen wir es selbst in der Hand, wohin uns Digitalisierung, Industrie 4.0 und KI führen. Auf den nächsten Seiten erhalten Sie einen komprimierten Überblick, was Sie in diesem Buch erwartet – dann können Sie entscheiden, wie tief Sie in das Thema immergieren2 möchten.
  • 18. Dieses Buch 19 1.1 Die zentralen Botschaften – in zwölf Minuten Vorliegendes Buch lädt zur Reflexion ein. Es zeigt die enormen Potenziale der Digitalisierung auf, stellt sie in den Kontext der Herausforderungen, die es in einer globalen Welt zu lösen gibt, und wägt sie mit den nicht zu unter- schätzenden Gefahren der digitalen Transformation unserer Gesellschaft ab. Es kommt zu dem Ergebnis, dass wir es sind, die es in der Hand haben, unsere Postdigitale Gesellschaft zu schaffen. Sehen Sie dabei dieses Buch bitte auch als eine Art Nachschlagewerk, das vie- le unterschiedliche Zugänge zur komplexen Digitalisierungsthematik liefert. Denn – und das ist die gute Nachricht – die Kernintention dieses Buches er- schließt sich auch, ohne jede Seite gelesen zu haben. Ganz radikal betrachtet genügt es, dieses Summary, das Vorwort, Kapitel 1, Kapitel 10.3, Kapitel 11 und die Nachgedanken zu lesen. Wenn Sie dies tun, wird Ihr Interesse an den anderen Inhalten wahrscheinlich steigen – empfehlen können wir es Ihnen, denn … dieses Buch versucht tatsächlich das Thema Digitalisierung in einen ganzheitlichen Ansatz zu packen, der letztendlich auf die Fragestellung hin- ausläuft, ob wir so, wie wir gerade arbeiten, lernen, wirtschaften, politische Entscheidungen treffen, leben und zusammenleben, weiter machen können? … und falls nein, wie dann potenzielle Alternativen, eine postdigitale Welt aussehen können? Kapitel 1 öffnet den Bezugsrahmen, anhand dessen wir das Thema bearbei- ten. Mithilfe der sieben Lebensfelder 1. Leben und Erleben – 2. Arbeiten – 3. Glauben und Hoffen – 4. Bilden und Lernen – 5. Wirtschaften – 6. Regieren und Gestalten sowie 7. Kooperieren behandelt das Buch das Thema »Digitali- sierung« aus einer gesellschaftsorientiert-integralen Sicht. Dabei nehmen wir eine konsequent ethisch-menschenorientierte Perspektive ein. Unsere Leit- frage lautet: Wo und wie verbessert die Digitalisierung (also Technik, Effi- zienz und Wachstum) das Leben möglichst vieler Menschen – ohne dass dafür andere Menschen, Tiere und die Umwelt, weltweit einen zu hohen Preis zu zahlen haben? Ein mächtiges Unterfangen also – aus unserer Sicht gerecht-
  • 19. 20 Dieses Buch fertigt. Denn, für uns handelt es sich bei der Digitalisierung um die größte (industrielle) Revolution der Menschheitsgeschichte, die das Potenzial hat, den Menschen selbst so zu verändern, dass es ihn in der Form, wie wir ihn heute kennen, nicht mehr geben wird! Folgerichtig befassen wir uns in Kapitel 2 mit der philosophischen Ur-Frage Was ist der Mensch? Die ihn auszeichnenden Aspekte – Wissen, Fühlen, Ethik, Hoffnung, Zukunftsbezogenheit und Selbstbestimmung – erlangen vor dem Hintergrund der Digitalisierung besondere Relevanz. Denn das Menschenbild vieler Dataisten reduziert geistige Prozesse des Menschen – seine Gefühle, sein Ich-Empfinden, seine Identität – auf die relationale Durchblutung und den Sauerstofftransport in den jeweiligen Gehirnarealen. Es gilt, diesen In- formationscode zu entschlüsseln – dann lässt er sich messen, digitalisieren, optimieren. Exponentielle Wissenssteigerung wird zum Selbstzweck, Gefühle werden simuliert, Ethik findet bestenfalls in einem digitalen Manifest sei- nen Platz, Hoffnung? Fehlanzeige! Zukunftsbezogenheit wird mit technischer Innovation gleichgesetzt, Selbstbestimmung wird durch Superintelligenz ersetzt. Dieses reduktionistische Menschenbild der Digitalisierungsgurus er- weitern wir zu einem Holistischen. Orientiert an Ken Wilbers3 Vier-Quadran- ten-Geist-Körper-Kultur-System-Modell legen wir unseren Überlegungen zu den Chancen und Risiken der Digitalisierung einen ganzheitlichen Zugang zum Menschen zu Grunde und prüfen das Potenzial der Digitalisierung konse- quent daran, inwieweit es diesem flexiblen Vielfachwesen dient. Auf diesem Menschenbild aufbauend, führen wir in Kapitel 3 die Frage nach dem Guten Leben in unsere Überlegungen ein … und möchten Mut zur Ge- staltung der digitalen Transformation machen. Wo helfen uns Digitalisierung, KI, Industrie 4.0, virtual reality und so weiter, ein gutes Leben für möglichst viele Menschen weltweit zu kreieren? Wir regen einen gesamtgesellschaft- lichen Diskurs darüber an, welchen Wandel, welchen Fortschritt, welche In- novationen wir haben möchten, … und was wir nicht wollen. Von dieser sozialethischen Metaperspektive aus, lassen sich die richtigen Fragestellun- gen ableiten, mit deren Diskurs wir die Wirkungen der Digitalisierung auf den
  • 20. Dieses Buch 21 Menschen und die Gesellschaft anhand sieben zentraler Lebensfelder in den Kapiteln 4 bis 10 durchleuchten. Kapitel 4 Leben und Erleben führt Sie in digitale Welten, reflektiert den di- gitalen Medienkonsum, zeigt Chancen und Herausforderungen des Einsatzes von Virtual Reality auf und befasst sich letztendlich mit dem Traum der Trans- humanisten zur vollständigen Optimierung des menschlichen Lebens auf Sili- cium-Basis. In allen Anwendungsgebieten stehen enorme Chancen – wie zum Beispiel im medizinischen Bereich der Einsatz von Gehirn-Schrittmachern, gedankengesteuerten Rollstühlen, Eksoskeletten und so weiter – ernst zu nehmenden Risiken gegenüber. Dabei liegt das Hauptrisiko in der nur schwer abschätzbaren, komplexen Folge-Vernetzung digitaler Anwendungen. Ent- scheidungssysteme, die wir in autonome Fahrzeuge einbauen, können zum Beispiel auch ideal bei der Steuerung von Kampfdrohnen oder Kampfrobo- tern ihre Funktion erfüllen. Bio- und gentechnologische Verfahren, die uns bei der Bekämpfung von Krankheiten weiterbringen, funktionieren ebenso bei organisierten Menschen-Züchtungsprogrammen. KI-Algorithmen, die personalisierte Werbung möglich machen, erzeugen gleichsam intellektuelle Filterblasen gegenseitiger Vorurteilsverstärkung. Wir müssen also Zukunfts- szenarien entwickeln, wie sich technische Innovationen in ihrer komplexen Vernetzung potenziell auswirken, um bewusst entscheiden zu können, ob und in welchem Grad wir sie in unseren Alltag lassen. Dabei reicht ein rein technischer Blick nicht aus. Vielmehr gilt es diesen um eine vernetzt-inter- disziplinäre Brille zu erweitern und grundsätzliche Fragen zu stellen, wozu jede einzelne Digitalisierungsanwendung von Nutzen ist und welche Folge- wirkungen sie auslösen kann. Nur so können wir beispielsweise KI in den Dienst des Menschen stellen und nicht umgekehrt. In Kapitel 5 Arbeiten steigen wir in die alltagsrelevanteste, vermutlich zurzeit die meisten Leser interessierende Fragestellung der digitalen Transformation ein: Wie wird sich unsere Arbeitswelt mit fortschreitender Digitalisierung ver- ändern? Auch hier erlauben wir uns einen etwas breiteren Blick – setzen die Fragezeichen etwas tiefer. Basierend auf einer wirtschaftswissenschaftlichen
  • 21. 22 Dieses Buch und ideengeschichtlichen Hinführung des Arbeitsbegriffes, befassen wir uns intensiv mit den Herausforderungen von Arbeiten 4.0, um daraus die Folgen einer weiteren Automatisierung und Digitalisierung für den Menschen und seine Arbeitsverhältnisse abzuleiten. Im Zuge dieser Ausführungen wird deut- lich, dass wir Arbeit nicht auf reine Lohnarbeit zum Gelderwerb reduzieren dürfen. Vielmehr verleiht Arbeit dem Menschen anthropologischen Sinn, in der er sich letztlich selbst erkennt. Wenn nun mithilfe von KI und Digitalisie- rung immer mehr Arbeit von Maschinen und Algorithmen übernommen wird, ist die Menschheit aufgefordert, ihre Arbeitswelten neu zu erfinden. Darin liegt eine riesige Chance, zunehmend sinnorientierte Arbeit – die wir wirk- lich, wirklich wollen, wie es der Grand Seigneur der Neuen Arbeit, Professor Frithjof Bergmann, seit den Achtzigerjahren formuliert – in unsere Arbeits- welt einziehen zu lassen. Das bedeutet, Leben und Arbeiten zusammenzu- führen, viele neue Formen des Arbeitens – jenseits der reinen Lohnarbeit – aktiv zu fördern und dem Gemeinschaftswesen einen neuen Stellenwert zu verleihen. Dies geschieht nicht von allein, sondern bedarf eines tiefer liegenden (gesellschaftlichen) Grundverständnisses, wer wir eigentlich sind und woran wir glauben … Damit konfrontieren wir Sie in Kapitel 6 Glauben und Hoffen – sicherlich auf den ersten Blick der Themenbereich, der am weitesten vom Kernthema »Digi- talisierung« entfernt zu sein scheint. Aber weit gefehlt! In gewisser Hinsicht trifft dieses Lebensfeld sogar den Nagel am direktesten auf den Kopf. Woran glauben wir noch? … In einer Zeit, in der fast alles entmystifiziert zu sein scheint, kaum eine Frage noch offenbleibt, geschweige denn Nicht-Erfüllung von Wünschen wünschenswert ist. Seit Gott tot ist (Nietzsche) haben uns viele Ersatzreligionen das Heil versprochen. Von den großen Ideologien des 19. und 20. Jahrhunderts, bis hin zum Kult, der um Marken wie Apple oder Google gemacht wird, nähern wir uns der Frage, ob nicht Technik und nun zunehmend die Digitalisierung bereits den Status einer Ersatzreligion einge- nommen haben. Dabei setzen wir uns besonders mit der Ideologie des Trans- humanismus und seinen vier Metaprinzipien – Absolutheit, Superintelligenz, Technikdeterminismus und ewige Existenz – auseinander, um schließlich die-
  • 22. Dieses Buch 23 ser Glaubensideologie eine soziale Zukunftsutopie entgegenzusetzen. Ohne an dieser Stelle bereits zu viel zu verraten, spitzt sich diese Fragestellung auf eine Richtungsentscheidung zu: technologischer Fortschritt (vor allem Gene- tik, Nanotechnik und Robotik) um jeden Preis, oder ausschließlich gezielter Einsatz dieser Techniken zur weiteren Menschheitsentwicklung? Der Point of Singularity gibt dabei den Takt dieses Wettlaufes vor. Gleichsam erscheint am Horizont bereits ein integrales Verständnis, das uns helfen wird, Technik, Wirtschaft und menschgerechtes Leben miteinander zu verbinden. Einladende Utopien, wie wir auch leben können, entstehen täglich im Kleinen an vielen Orten der Welt – je mehr wir an sie glauben, desto mehr Nährstoff zur Ver- wirklichung erhalten sie. Mit den entscheidenden Weichen, wie wir morgen leben werden, setzen wir uns in Kapitel 7 Bilden und Lernen auseinander. Was steckt, circa zweihundert Jahre nach Humboldt, hinter den Begriffen »Digitale Bildung«, »Digitaler Unterricht« oder »Digitalisierung der Bildung«? Mit konstruktiv-kritischem Blick sehen wir uns die Ziele des Digitalpakts der Bundesregierung an und kommen zu dem Schluss, dass es im digitalen Zeitalter wichtiger denn je ist, Lernen als sozialen und emotionalen Interaktionsprozess mit menschlicher Begegnung zu organisieren, bei dem digitale Lernmedien hilfreich unterstüt- zen können. Was wir gerade erleben, geht allerdings in eine andere Richtung. Von einer bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbaren politischen Hilflo- sigkeit befeuert, tauchen beim Digitalpakt sämtliche bekannten IT-Firmen als Berater auf und wir stellen die offene Frage, ob demnächst die IT-Industrie die Deutungshoheit zum Thema »Gute und moderne Bildung« übernimmt? In den USA beispielsweise beliefert bereits heute Google Amerikas Schulen breitflächig mit extrem vergünstigter Hard- und Software: Mittlerweile sind dreißig Millionen Kinder in den USA mit dem Google-Bildungspaket in Kon- takt gekommen – das ist mehr als jeder Zweite bei den bis Achtzehnjährigen. Diese einseitige Lern-Entwicklung sehen wir als kritisch an und setzen ihr ein ganzheitlich-humanistisches Bildungsquartett für das digitale Zeitalter entgegen.
  • 23. 24 Dieses Buch 1. Physikalische Zusammenhänge und Technikverständnis lehrt die Grundlagen des Machine Learnings, des Programmierens und deren Auswirkung auf unsere gesamte Lebensweise zu verstehen. 2. Human Intelligence und Ethik stellt die zwingend notwendige Ergänzungsenergie zu Lernfeld 1 dar. Mit jedem technischen Fortschritt ist es von großer Wichtigkeit, die Bewusstseins- und Reflexionsfähigkeit des Menschen zu erhöhen. 3. Leadershipkompetenz befasst sich intensiv mit Selbstführung und prägt Führungsfähigkeiten hin zu kooperativem Denken und Handeln aus, während 4. Unternehmertum und Gemeinwohlorientierung klassische unternehmerische Fähigkeiten mit Start-up-Kompetenzen und einem Social Entrepreneurship Mind-Set verbindet. Mit diesem Vierklang haben wir ein gutes Gefühl, die Chancen der Digitalisie- rung intelligent in ein zukunftsorientiertes Lern- und Bildungskonzept einzu- binden, auf dessen Basis wir dann auch das gedankliche Rüstzeug schaffen, um uns in Kapitel 8 mit der Frage auseinanderzusetzen, wie Wirtschaften in einer digitalen Welt aussehen kann? Kapitel 8 Wirtschaften stellte uns vor die größte Herausforderung bei der Erstellung dieses Buches. Mit jeder Zeile mehr spürten wir, dass es keine ganzheitliche Antwort auf die Frage »Wie wollen wir in einer digitalen Welt leben?« geben kann, ohne kritisch und gleichsam zukunftsoffen die Inter- dependenzen von Digitalisierung, mit der Art und Weise, wie unser Wirt- schaftssystem funktioniert, zu korrelieren. Nach der Auseinandersetzung mit Industrie 4.0, Hochfrequenzhandel, Kryptowährungen, Plattformökonomie (Plattformkapitalismus), der Nullgrenzkostengesellschaft, dem erodierenden Bild eines Homo oeconomicus sowie der Eigenlogik der Effizienzmaschine Digitalisierung, wurde für uns klar, dass es einen menschgerechten Weg der Digitalisierung nicht ohne entsprechende Nachjustierung unseres Wirt- schaftssystems geben wird. Dabei bietet uns die Digitalisierung eine echte Chance, unsere moderne, hochdifferenzierte Welt gezielt in die nächste Ent-
  • 24. Dieses Buch 25 wicklungsebene zu transformieren, in der dann vieles auch wieder leichter und natürlicher sein wird. Wie eine Raupe, die durch einen schmerzhaften Wachstumsprozess geht, bevor sie sich zum Schmetterling entpuppt, werden wir in der digitalen Transformation durch einige Häutungen gehen, bis wir deren Nutzen zum Wohle der Menschheit klar von den Gefahren unterscheiden können. Um dem näher zu kommen, befassen wir uns in Kapitel 8 mit folgen- den Schlüsselfragen: Industrie 4.0: Wie gelingt es uns, weiterhin den Menschen, der sich gezielt intelligenter Technik bedient, in der Rolle des Dirigenten des Wertschöp- fungsprozesses zu positionieren … und nicht anders herum? Beim Hoch- frequenzhandel, der reinsten Form digitalen Wirtschaftens, geht es im Kern um die Frage, wie wir dessen technische Möglichkeiten wieder näher an reale Produktionsströme koppeln können? Dies gilt ähnlich für Kryptowährungen: Wie gelingt es uns, die ursprüngliche Idee, einer unabhängigen, dezentralen Währung wieder aufzugreifen und Kryptowährungen aus dem Spekulations- kreislauf rauszuholen? Für die Plattformökonomie geht es – ganz platt – um die Frage von Ethik und Bewusstsein: Wie gehen diejenigen, denen es ge- lingt, eine bis zu fünfzigfache höhere Marge als dies mit herkömmlicher Öko- nomie möglich ist, zu generieren, damit um? Bauen sie ein monopolistisches oder ein dezentral-kooperatives Wirtschaftssystem auf? Und wie gehen wir alle damit um, dass es wir – als Konsumenten, Abonnenten, Interessenten und so weiter – sind, die die Macht haben, Ja oder Nein zu jedem einzelnen Angebot zu sagen? Spannend ist dabei das Prinzip der Nullgrenzkosten-Öko- nomie. Mithilfe der enormen durch Technik induzierten Effizienzsteigerungen (vor allem durch den 3-D-Drucker), wird es in nicht allzu ferner Zeit jedem Einzelnen möglich werden, Produkte so billig herzustellen und zu duplizieren, dass es sich für kommerzielle Anbieter immer weniger lohnt, diese zu ver- kaufen (es gibt praktisch keine Märkte mehr dafür). Schlussendlich kann sich ein zum klassischen Kapitalismus alternatives System, das auf Gemeinwohl und Kooperation basiert, herausbilden und das uns heute bekannte Markt- prinzip ablösen. Ob wir als (globale) Gesellschaft schon dafür bereit sind, wird sich in den nächsten zwei Dekaden zeigen. In jedem Fall werden wir
  • 25. 26 Dieses Buch nicht darum herumkommen, die Theorie und das Menschenbild unserer vor- herrschenden Ökonomie bis auf ihre Grundfest zu hinterfragen. Können der Homo oeconomicus, mit den dahinterstehenden wissenschaftlichen Theo- rien und wirtschaftspolitischen Modellen, noch eine seriöse Grundlage für das 21. Jahrhundert sein? Vieles weist auf jeden Fall darauf hin, dass wir mehr Kooperation und Zusammenarbeit zur Lösung der globalen sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen brauchen. Dazu zeigen wir im letzten Abschnitt des Wirtschaftskapitels erste Lösungsansätze auf. Exemplarisch geben die Postwachstums- und vor allem die Gemeinwohlökonomie Anregun- gen, in welche Richtung es gehen kann. Aus unserer Sicht tut eine Ökonomie des 21. Jahrhunderts gut daran, sich anhand sieben wichtiger Kriterien im- mer wieder selbst zu reflektieren: 1) Dient Wirtschaft den Menschen? 2) Geht sie in ihrer Wertschöpfung sensibel und achtsam mit allem Lebenden um? 3) Organisiert sich wirtschaftliches Handeln, wo immer möglich, lokal und damit ganzheitlich ressourcenschonend? 4) Was nicht in lokalen Wertschöpfungs- gemeinschaften erwirtschaftet werden kann, entsteht in überregionalen und internationalen Wertschöpfungsnetzwerken. 5) Werden Digitalisierung und Technik – wie zum Beispiel 3-D-Drucker, digitalisierte Prozesse, Internet, … – als hilfreiche Diener genutzt und auf diese Funktion beschränkt? 6) Über- nimmt Geld (in welcher Form auch immer) seine ursprüngliche Funktion als Zahlungsmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel – ohne darüber hinaus zu gehen? 7) Stellt der Zugang zur Natur einen Eigenwert dar, der von Spekulationen jeglicher Art ausgenommen ist? Nach diesen mächtigen, sicherlich auch ungewohnt anmutenden Fragen, be- fassen wir uns im folgenden Kapitel 9 Regieren und Gestalten mit der The- matik, ob und wie es der Politik noch möglich ist, eine Steuerungsfunktion für die digitale Transformation unserer Gesellschaft zu übernehmen? Beharr- liche Finanz- und Schuldenkrisen, gravierende Veränderungen unseres Klimas, weltweite Flüchtlingsbewegungen, der sich rasant vollziehende Paradigmen- wechsel, die Digitalisierung … lassen die Politik überfordert wirken. Sie re- agiert mit bekannten Mustern, wirkt in ihrer Eigenlogik der Nationalstaaten des 20. Jahrhunderts gefangen und scheint schlichtweg mit der Turbotrans-
  • 26. Dieses Buch 27 parenz der Digitalisierung nicht mitzukommen. Dabei ist insbesondere die Kopplung des immer kürzer taktenden und ständig neue Informationen pro- duzierenden Mediensystems, mit den immer anspruchsvolleren Fragestellun- gen, die das politische System zu lösen hat, zur ernsthaften Blockade für eine wirkliche gesellschaftspolitische Gestaltung geworden. Und: … zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit kann jeder Zeitzeuge dieser Entwick- lungen werden. Mit unseren Smartphones und Bildschirmen beobachten wir das komplexe Drama der Welt – ohne uns ernsthaft dafür verantwortlich zu fühlen beziehungsweise systemimmanent fühlen zu können. Darin liegt das eigentliche Dilemma der Politik im Jahre 2020 ff.: Die zu lösenden Heraus- forderungen sind so komplex und vielschichtig geworden, dass es ohne eine breite Mitverantwortung der Bürger nicht mehr geht. Diese wird man aber nur bekommen, wenn die Politik ihren traditionellen Steuerungsanspruch ein ganzes Stück weit aufgibt, den eigenen Apparat und damit die eigene direkte Macht schrittweise verkleinert und letztendlich in eine neue, mehr moderie- rende Rolle zur Orchestrierung der digitalen Transformation geht. Dies alles kann nicht hinter verschlossenen Türen geschehen, sondern muss quasi am offenen Herzen, von Big Data überwacht, arrangiert werden. Dabei geht es im Kern um drei zentrale Fragestellungen, auf die die Politik eine Antwort zu finden hat, wenn sie den digitalen Wandel mitgestalten möchte: 1. Wie kann die Einflussnahme durch Big Data und (Wähler)-Überwachung im politischen Meinungsbildungsprozess im beherrschbaren Maß gehalten und gleichsam der Einsatz digitaler Medien zur weiteren Demokratieentwicklung genutzt werden? 2. Wie verhindern wir, dass Wahlkämpfe durch digitales Mikrotargeting und Nudging zu einer immer intransparenteren und rein quantitativen Mehrheitsbeschaffungsveranstaltung werden? 3. Wie gehen wir mit der zunehmenden Verzerrung des politischen Diskurses durch Fake News, Filterblasen und Social Bots um? Eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die hier von der Politik zu meistern ist. Allerdings auch mit der großen Chance ausgestattet, unsere (Parteien-)De- mokratie durch gezielte Einbindung der Zivilgesellschaft weiterzuentwickeln.
  • 27. 28 Dieses Buch Auf diese Weise kann sich die Berufspolitik aus immer mehr Themen zu- rückziehen, sich auf das Schaffen von Rahmenbedingungen konzentrieren und zunehmend selbstorganisierte Prozesse und Strukturen initiieren. Dies wiederum wird schrittweise zur Entwicklung eines neuen Demokratieprinzips führen: direkter, lokaler, eigenverantwortlicher, transparenter – auf einem überarbeiteten Wahlsystem aufbauend (statt heutigem Mehrheitssystem zum Beispiel Prinzip des kleinsten Widerstands). … Und die Zeit drängt! … Denn KI-Regierungen stehen bereits in den Startlöchern, die Steuerungsfunktion von Staaten und Bürgern zu übernehmen. Kapitel 10 Kooperieren versucht nun einen Lösungsansatz zu skizzieren, wie wir die Chancen der Digitalisierung nutzen und eine postdigitale Gesellschaft aufbauen können, die in einem ersten Schritt vor allem zwei Fundamental- Herausforderungen – zu deren Lösung die Digitalisierung maßgeblich beitra- gen kann – zu meistern hat. Bei Herausforderung 1, dem menschgemachten Klimawandel, zeigt sich mit Blick auf den Lösungsbeitrag der Digitalisierung bis zum heutigen Tag (März 2020) ein zweigeteiltes Bild: Um der Thematik ihre Öffentlichkeit zu ge- ben, haben Social Media und digitale Vernetzung enorm viel beigetragen. Mit inhaltlichen Lösungen dieses Themas ist die Digitalisierung bisher je- doch nur zaghaft in Verbindung zu bringen. Kombiniert mit unserer aktu- ellen Wirtschaftslogik dient sie bis dato hauptsächlich als Effizienz- und Innovationsbeschleuniger, fungiert dabei eher als Katalysator der Denk- und Handlungsweise, die uns zu dieser globalen Herausforderung geführt hat. Gleichsam ist gut vorstellbar, dass sich dies in absehbarer Zeit ändert. Das Bewusstsein steigt und wir lernen mit jeder Algorithmus-Anwendung dazu, wie wir diese zum Nutzen der Welt einsetzen können. Herausforderung 2 sind genau diese Algorithmen und Künstlichen Intelligen- zen: Nachdem wir uns mit diesem Thema etwas intensiver befasst hatten, wurde uns klar, dass sich der Mensch, wie wir ihn heute kennen, zumindest aus technischer Sicht, noch in diesem Jahrhundert selbst abschaffen kann.
  • 28. Dieses Buch 29 Konkreter: …, dass es ihm möglich wird, sich zu einem Mensch-Maschinen- Wesen zu entwickeln (ab einem gewissen Punkt entwickelt zu werden), das der israelische Historiker Yuval Noah Harari Homo Deus nennt und das mit- hilfe genetischer, als auch android-robotertechnologischer Optimierung zu einem gottgleichen Wesen werden will. Ob dies so kommt, liegt zum großen Teil (noch) in unserer Hand und wird nicht zuletzt von unserer Fähigkeit abhängen, gemeinsam attraktive Alter- nativ-Szenarien für ein gutes, postdigitales Leben zu skizzieren. Dazu muss es uns vor allem gelingen, den Egoismus schrittweise zu überwinden und Kooperation zum Leit-Prinzip des 21. Jahrhunderts werden zu lassen. Dies- bezüglich haben wir eine gute Nachricht: Neueste Forschungen belegen, dass der Mensch ein ganz natürliches Potenzial für ein humanes Miteinander be- sitzt, auf dem wir systematisch aufsetzen können. Worauf es nun ankommen wird, ist, dieses Potenzial von der individuellen Ebene auf die System-Ebene auszuweiten und eine verzahnte Herangehensweise der Mikro- (menschliches Bewusstsein), Meso- (Organisationen) und Makroebene (gesellschaftliche Systeme) zu initiieren. Genau mit diesem Ansatz befassen wir uns zum Ab- schluss von Kapitel 10 und stellen eine erste Skizze für ein integrales Modell einer postdigitalen Gesellschaft zur Diskussion. Dazu setzen wir beim Istzu- stand der modernen, hochdifferenzierten Gesellschaft an und betrachten die drei genannten Ebenen Person, Organisation und Weltgesellschaft miteinan- der verbunden. Jede Ebene ist wiederum in die drei Systeme Ökonomie, Öko- logie und Soziales eingebettet, die in direkter Abhängigkeit mit dem vierten System, der Technologie, die vorrangig als massiver Reaktionsbeschleuniger fungiert, stehen. Alle Ebenen samt die sie einbindenden Systeme hängen zu- sammen und beeinflussen sich gegenseitig. Um in dieser Komplexität noch wirkungsfähig zu sein und der Welt dienende Lösungsräume zu schaffen, kommt es im Wesentlichen auf zwei Faktoren an: Den erwachten Menschen und seinen aufgeklärten Umgang mit der Technologie. Das gilt insbesondere für den Einsatz von Algorithmen und Digitalisierung in sämtlichen gesell- schaftlichen Kontexten, der maßgeblich darüber entscheiden wird, ob und auf welche Weise wir uns zu einer postdigitalen Gesellschaft weiterentwickeln.
  • 29. 30 Dieses Buch Mit diesem Weg befasst sich unser letztes Kapitel 11 Postdigital – ein gutes Leben für alle ist möglich. In Stufe 1 bieten wir Ihnen, basierend auf den drei in Kapitel 10.3 eingeführten Ebenen, eine Selbstverpflichtung, quasi Gebote zur Schaffung einer menschgerechten Digitalisierung an. ƒ Auf der persönlichen Ebene geht es um Selbstbewusstheit, Selbstverantwortung, Selbstvertrauen und manchmal auch Selbstüberwindung4 : Ich beginne konsequent bei mir selbst und übernehme volle Verantwortung für das, was ich denke, tue aber auch lasse! So mache ich durch meine Haltung in jeder Situation einen konstruktiven Unterschied und leiste damit einen Beitrag zur positiven Entwicklung der Welt. ƒ Auf der organisationalen Ebene bin ich mir bewusst, dass ich einen Großteil meiner Zeit in Organisationen verbringe und dies letztendlich die Orte sind, an denen Veränderungen sehr wirksam manifestiert werden können. Dementsprechend helfe ich mit, lebendige Organisationen zu schaffen und gebe dadurch dem Transformationsprozess unserer Gesellschaft einen kräftigen Schub. ƒ Gesamtgesellschaftlich gestalte ich die Entwicklung, hin zu einer postdigitalen Gesellschaft, nach besten Kräften mit. Ich frage mich gezielt, wo mein ganz besonderer Beitrag für das Ganze liegen kann und stelle diese Fähigkeit konsequent im Sinne der Sache, altruistisch zur Verfügung. An einer Weiterentwicklung der Art und Weise, wie wir Wirtschaften – hin zu einer Wirtschaft, die ausreichend materiellen Wohlstand für alle schafft, unser geistiges und körperliches Wohlbefinden nährt, uns zufrieden macht und unsere wahren (nicht künstlich erzeugten) Bedürfnisse stillt – beteilige ich mich. Stufe 2 wagt dann abschließend eine Reise nach Utopia in das Land Huma- nitas Digitalis. Wir skizzieren einen methodisch-prozessualen Vorgehens- vorschlag, wie es uns gelingen kann, an vielen Orten gleichzeitig Utopien für ein gutes Leben zu entwickeln.5 Utopien, die die Möglichkeiten der Di- gitalisierung gezielt nutzen, sich aber nicht von dieser instrumentalisieren
  • 30. Dieses Buch 31 oder überrennen lassen. Aus diesen Lokalutopien können wir schrittweise immer konkretere Szenarien ableiten, die sich, wenn die Zeit reif ist, zu einer Leitvision6 für das 21. Jahrhundert zusammenfügen. So entsteht ein Zukunftsbild, dem sich Menschen gerne anschließen, weil sie an dessen Erstellung beteiligt waren, es strahlend und weit ist, um pluralen Vorstel- lungen Raum zu geben, und gleichsam konkret genug, um Ja oder Nein dazu zu sagen. Das war’s erst mal – in aller Kürze – mit unseren Überlegungen zu POSTDI- GITAL – Mensch, wie wollen wir leben?! Wenn Sie jetzt noch Lust auf mehr haben, dann rann an den Schinken. Im nächsten Abschnitt skizzieren wir die Ausgangslage und schaffen einen Bezugsrahmen zur Thematik. 1.2 Ausgangslage und Bezugsrahmen Eine Weltkarte, die das Land Utopia nicht enthielte, wäre es nicht wert, dass man einen Blick auf sie wirft, denn in ihr fehlt das einzige Land, in dem die Menschheit immer landet. Oscar Wilde (1854–1900), irischer Schriftsteller Begleiten Sie uns bitte in das Jahr 20457 . Wie schätzen Sie den Stand der Umsetzung nachfolgender Kurz-Szenarien ein? Dabei gilt: »0 = völlig unrea- listisch« und »5 = ganz eingetreten«: ƒ 50 bis 70 Prozent der derzeit bestehenden Arbeitsplätze gibt es nicht mehr. ƒ Algorithmen und Künstliche Intelligenzen (KI) bestimmen fast unseren ganzen Tagesablauf: Wecken, Einkaufen, Fahrten, Kinderbetreuung, Schulausbildung, Pflege, Finanztransaktionen, Produktionsstätten, Entscheidungen, …
  • 31. 32 Dieses Buch ƒ 3-D-Drucker stellen quasi jedes Produkt her, das wir uns wünschen – zu so geringen Kosten, dass kommerzielle Anbieter einen extremen Margenverfall erleben. ƒ Andererseits haben die großen Tech-Firmen mit quasi unendlichen Margen mehr Macht über Gesellschaft, Welt und Menschen als alle Politiker und Institutionen zusammengenommen. Mit ihrer Finanzkraft bestimmen sie die Entwicklungen in allen relevanten gesellschaftlichen Bereichen: Bildung, Erziehung, Forschung, Wissenschaft, Wirtschaft sowieso, aber auch Glaube, Lebensformen … ƒ Politische Meinungsbildung wird über Social Bots gesteuert. Fake Accounts und Künstliche Intelligenzen setzen eigenständig Themen und prägen damit die Richtung des Diskurses. ƒ In Virtuellen Realitäten (social VR) begegnen wir von unserem Wohnzimmer aus den digitalen Avataren8 unserer Freunde, eine Großzahl unserer Sozialbeziehungen managen wir über diese Kanäle. ƒ Cyborgs (Mischwesen aus Mensch und Technik) nähern sich der Unsterblichkeit – werden jedenfalls ohne Schwierigkeiten hundert Jahre und älter; einen Alterungsprozess, wie wir ihn heute kennen, gibt es nicht mehr. Per Knopfdruck ist dann mal einfach Schluss. ƒ Computer-Gehirn-Schnittstellen machen es möglich, dass wir uns mit unseren Gedanken weltweit vernetzen können, alles was wir erfahren, können wir digital rekonstruieren und uploaden, mit der Welt teilen. Wenn Sie im Mittelwert bei mindestens »3« landen, sollten Sie dieses Buch weiterlesen. Wenn Sie bei »2« und darunter liegen, bitten wir sie, sich mit den oben kurz skizzierten Themen etwas intensiver zu befassen und dann noch mal zu entscheiden, ob Sie unser Buch weiterlesen möchten. Tatsache ist, dass Teile des Beschriebenen bereits heute beginnende Reali- tät darstellen. Rein technisch werden die oben skizzierten Entwicklungen in zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren umsetzbar sein9 . Um es etwas konkre- ter zu machen: Die Vordenker der Digitalisierung haben die Vision, dass wir Menschen in naher Zukunft mit intelligenten Maschinen verschmelzen, die
  • 32. Dieses Buch 33 unsere heutige Intelligenz weit in den Schatten stellt. In großer Geschwin- digkeit werden immer weitere Dimensionen unserer Welt Teil eines großen algorithmischen Netzwerks aus Smartphones, Suchmaschinen, sozialen Me- dien, Webcams, Big Data Clouds und so weiter – alles miteinander in den Rechenzentren der Googles, Facebooks, Apples & Co verbunden. Im Mai 2017 gewann zum Beispiel Googles DeepMind-Programm gegen den chinesischen Weltmeister des hochkomplexen Go-Spiels Ke Jie. Und DeepMind ist nicht einfach ein Programm. Es ist eine künstliche Intelligenz, die sich das Go-Spiel selbst beigebracht hat und täglich weiter lernt – viel schneller als wir. Künstliche Intelligenz wird unsere gesamte menschliche Intelligenz überflügeln. Ein IQ von bis zu zehntausend ist vorstellbar; also einhundert Mal rational intelligenter als ein normaler Mensch. Dieser Moment, an dem KI uns ein für alle Mal überflügeln wird, hat auch schon einen Namen. Ray Kurz- weil, technischer Direktor von Google und der Guru der Gurus dieser digitalen Zukunft, nennt ihn Singularität, und er sagt ihn eben in etwa für das Jahr 2045 voraus.10 Artificial Intelligence (= Künstliche Intelligenz) wird Lösungen für Probleme entwickeln, an die wir noch nicht einmal gedacht haben – und Fragen be- antworten, die nie gestellt wurden. Die Verbindung der alles umspannenden digitalen Netze mit einer technischen Intelligenz, die in rasender Geschwin- digkeit immer Neues lernt, kann unser Leben und schließlich unsere Welt in ihrer Grundexistenz komplett verändern. Der bereits im Vorwort erwähn- te, israelische Historiker Yuval Noah Harari beschreibt in seinem weltweiten Bestseller Homo Deus, mit einer brillanten Fülle an Details und Hintergrund- informationen, wie unsere bisherige menschliche Geschichte bald zu Ende gehen kann.11 Die Zukunft gehört ganz der künstlichen Intelligenz. Zu uns herkömmlichen Menschen wird diese neue technische Intelligenz, so Harari, ein ähnliches Verhältnis entwickeln, wie wir es zu unseren Nutz- und Haus- tieren entwickelt haben. Dieser Prozess ist schon im Gange.
  • 33. 34 Dieses Buch In dem Maße, in dem immer mehr Menschen mit dieser neuen künstlichen Wirklichkeit verschmelzen – nicht nur mit Smartphone und Computer, son- dern bald auch durch Implantate, technische Schnittstellen und künstliche Verbesserungen unserer Körper – wird der neue Cyborg-Mensch so etwas wie unsterblich, allwissend und allmächtig werden. Der Traum von Kurzweil und der stetig wachsenden Gruppe der sogenannten Transhumanisten ist, dass uns die Technik von unseren Unzulänglichkeiten erlösen wird. Dieser Erlösungs- gedanke hat viel mit der transhumanistischen Vorstellung vom Menschen zu tun. Wir sind, ihrer Meinung nach, eine hoch entwickelte biologische Appara- tur, eine spezielle Form von Algorithmus. Harari zeigt dies in seinem Buch als logische Schlussfolgerung der modernen Naturwissenschaft, als notwendig logische nächste Stufe der menschlichen Entwicklung, auf. So wie Nietzsche Gott für tot erklärt hat, spricht Harari heute vom »Tod des Humanismus«. Die Zukunft gehört dem Dataismus, einer Welt, in der nicht mehr die Menschen- rechte den höchsten Wert unserer Gesellschaft darstellen werden, sondern der frei lernende Informationsfluss im globalen Datennetz. Das ist der eine Grund, warum wir dieses Buch geschrieben haben: Wir möch- ten auf diese existenzielle Frage der Menschheit aufmerksam machen und jeden einzelnen einladen, sich damit zu befassen. Der andere Grund liegt in der aus unserer Sicht viel zu eng gefassten Vorstellung, was unter Digi- talisierung allgemein zu verstehen ist. Je intensiver wir uns in den letzten drei Jahren mit dem Schlagwort Digitalisierung befassten, desto deutlicher erkannten wir, dass sich der öffentliche Diskurs fast ausschließlich um dessen Effizienzpotenziale – sei es technischer oder wirtschaftlicher Natur – dreht. Die üblichen inflationären Begriffe, die diese Logik sichtbar machen, lauten Industrie 4.0, Big Data, Breitbandnetz, 5G, Cloud, Speed, Optimierung, neue Geschäftsmodelle, Plattformökonomie … Was Digitalisierung politisch und lebensweltlich, was sie gesellschaftlich und ethisch in verschiedenen Feldern unseres Zusammenlebens bedeutet, erhält in diesem Beschleunigungs- und Effizienzdiskurs aus unserer Sicht zu wenig entscheidungsrelevantes Gehör. So drückt die gängige Definition von Digitalisierung als »… Veränderungen von Prozessen, Objekten und Ereignissen, die bei einer zunehmenden Nut-
  • 34. Dieses Buch 35 zung digitaler Geräte erfolgt«12 in keiner Weise die Dimension aus, um die es eigentlich geht. Auch das zunehmend akzeptierte erweiterte Verständnis, nach dem Digitalisierung für den Wandel hin zu digitalen Prozessen und Pro- dukten mittels Informations- und Kommunikationstechnik steht, ist nicht hinreichend.13 Selbst die in letzter Zeit etwas häufiger in den Massenme- dien adressierte Sichtweise, dass es sich bei der Digitalisierung um keine rein technische, sondern auch um eine soziale Revolution handelt, die alle Gesellschaftsbereiche (Bildung, Wirtschaft, Kultur, Politik, Rechtswesen, …) betreffen wird (hier dann gleichbedeutend mit den Begriffen »Digitale Trans- formation« oder »Digitale Revolution«), lässt die Radikalität (= an die Wurzel gehend) der Transformation nur erahnen. Für uns handelt es sich bei der Digitalisierung um die größte (industrielle) Revolution der Menschheitsgeschichte, die das Potenzial hat, in den nächs- ten zwanzig bis dreißig Jahren alles zu verändern, was wir heute als moder- nes Leben auf dieser Welt bezeichnen würden: ƒ Es geht zum einen, wie oben stehend ausgeführt, um nichts Geringeres, als um das Überleben der Menschheit, ja des Menschseins an sich. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte kann sich die Spezies Mensch selbst so verändern, dass es sie in der Form, wie wir sie heute kennen, nicht mehr geben wird! ƒ Zum anderen hat unser vor allem in den letzten zweihundert bis zweihundertfünfzig Jahren sehr einseitiges, technisch-materialistisches Weltbild eine global-vernetzte Gesellschaft, genauer betrachtet vor allem Wirtschaft geschaffen, deren negative Effekte14 uns unübersehbar vor die Entscheidung stellen, wie wir weitermachen. Diese zwei Pfade sind der Kern der digitalen Revolution, die wir gerade in ihren Anfängen erleben. Es ist also ein guter Zeitpunkt sich mit zwei Fragen zu befassen:
  • 35. 36 Dieses Buch 1. Was bedeutet es, zu Beginn des 21. Jahrhunderts Mensch zu sein? Sind wir hochkomplexe biologische Algorithmen, die mittels KI zweifelsohne weiter optimiert werden können, oder gibt es etwas in uns, das Maschinen nie sein können? 2. Wie wollen wir leben? Hier geht es uns um einen gesellschaftspolitischen und zivilgesellschaftlichen Diskurs, zu den Chancen und Gefahren der Digitalisierung – mit dem Ziel, unsere Zukunft selbst zu gestalten und sie nicht einfach geschehen beziehungsweise von Algorithmen bestimmen zu lassen. Noch haben wir es in der Hand, die Geister, die wir riefen, einzufangen und uns nicht von künstlicher Intelligenz an den Rand drängen zu lassen. Noch sind wir es, die mit unserer einzigartigen menschlichen Fähigkeit mit Geist, Herz, Körper und Seele spüren, dass uns das Schicksal dieser Welt betrifft, dass uns die Frage »Wie geht es mir, wie dem anderen, wie dem Ganzen?« be- troffen macht und nicht kalt lässt. Wir sind nicht außenstehende Beobachter, die zusehen müssen, was da so alles passiert. Der Universalgelehrte Heinz von Foerster hat immer wieder darauf hingewiesen, dass wir die Gestalter, die Kreateure unserer eigenen Welt sind. Wir sind empathisch Betroffene könnte man sagen, die mit allen Sinnen erkennen können, was das Wahre, das Gute, das Schöne in dieser Welt ist. Aus dieser grundlegenden menschlichen Fähig- keit entsteht ein eigenes Universum, in dem wir einander etwas bedeuten, miteinander verbunden sind. Bei aller Unterschiedlichkeit können wir uns als Menschen darin treffen, dass uns die Welt etwas angeht, dass wir in ihr einen Sinn empfinden oder zumindest einen Sinn suchen. Kein Transhumanist behauptet, dass das in absehbarer Zeit eine noch so intelligente Maschine auch so empfinden wird. Wenn dem so ist, dann müssen wir dringend darauf achten, wie wir unsere technische Zukunft so gestalten können, dass wir diese besonderen Qualitäten des Menschseins nicht von einer anderen, der künstlichen Intelligenz, einfach an die Seite drängen lassen.
  • 37. Klug zweifeln Es klingt gut, durchdacht, schlüssig. Und doch führen nicht wenige Entscheidungen privat, wirtschaftlich oder politisch in Katastrophen. Denn die vermeintlich guten Lösungen von heute schaffen die Probleme von morgen. Wir haben es einfach nicht im Griff. Aber das hindert uns nicht an ungebrochenem und arrogantem Interventionismus. Wir greifen allerorts ein und erfinden Modelle: Lebensmodelle, Wirtschaftsmodelle, Führungsmodelle, Rezepte jeder Art. Doch wo führt das alles hin? Warum sind wir so anfällig für die einfachen Lösungen? Hat unser Scheitern System? Heinz Jiraneks neues Buch liefert Antworten auf diese Fragen. Es lädt Sie zu einer spannenden Reise durch eine kritische Weltbetrachtung ein, vermittelt in packender Weise die praktischen Folgen der Systemtheorie und rüttelt an unserem Glauben, alles in der Hand zu haben. Doch was können wir tun? Die Lösung ist ganz einfach und schwierig zugleich: Keinen simplifizierenden Kausalannahmen auf den Leim gehen. Begreifen, was alles nicht geht. Vorhandenes Wissen nutzen. Denken. Selbst denken. Heinz Jiranek Klug zweifeln Weil der zweite Gedanke oft der bessere ist. 2. Auflage 2018 342 Seiten; Broschur; 24,95 Euro ISBN 978-3-86980-390-6; Art.-Nr.: 1025 www.BusinessVillage.de
  • 38. Denk klar Digitalisierung, Disruption, Transformation, Globalisierung, Big Data – unsere Gegenwart wandelt sich schnell und fundamental. Und dieser Wandel ist ubiquitär: Er berührt sämtliche gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und persönlichen Bereiche – ausnahmslos. Scheinbar hilflos sind wir neuen Technologien, Zukunftsunsicherheiten und Manipulationsmaschinen ausgeliefert. Überfordert von der Fülle an Handlungsoptionen sind wir wie paralysiert und vertrauen eher Algorithmen als eigener Erfahrung und gesundem Menschenverstand. Wir überlassen Denken und Entscheiden lieber Anderen, im Zweifel sogar den Maschinen. Doch wie gewinnen wir Entscheidungs- und Denkhoheit zurück? Woran können wir uns noch orientieren? Wie können wir Fake und Wahrheit unterscheiden? Wie kann uns kluges Entscheiden in allen Lebensbereichen gelingen – heute und in Zukunft? Ingo Radermacher gibt Antworten. Sein Buch verbindet Zeitdiagnose und Sachinformation. Es zeigt unterhaltsam die Irrwege auf, die wir heute in Sachen „Entscheidung“ einschlagen und bietet klare Lösungen an, wie es besser geht! Seine Prämisse und Quintessenz: Zukunftsfähigkeit, Innovation und Erfolg haben ihren Ursprung im eigenen, klaren Denken. Ingo Radermacher Denk klar Klug entscheiden in digitalen Zeiten 1. Auflage 2018 272 Seiten; Broschur; 24,95 Euro ISBN 978-3-86980-438-5; Art.-Nr.: 1055 www.BusinessVillage.de
  • 39. Die intelligente Organisation In Zeiten zunehmender Dynamik erkennen immer mehr Unternehmen, dass das tayloristische »Command & Control« nicht mehr funktioniert. Auch die Reduktion auf Teal Organisations oder Holokratie und andere Kochrezepte bringen keineswegs die erhofften Erfolge. Wir müssen erkennen, dass wir in komplexen Systemen agieren, nicht alles wissen und nicht alles in unserem Sinn steuern können. Doch wie können wir den Herausforderungen komplexer Systeme dann begegnen? Wie entwickeln wir ein Gesamtkonstrukt, das es erlaubt, das große Ganze zu sehen und uns nicht in punktuellen Einzelmaßnahmen zu verlieren? Lambertz’ neues Buch gibt Antworten auf genau diese Fragen. Es liefert eine vollkommen neue Sichtweise auf Organisationen, die es ermöglicht, Normen, Strategie, Taktiken und Wertschöpfung im Zusammenhang zu verstehen. Denn erst daraus lassen sich die Fähigkeiten des Unternehmens identifizieren und bestmöglich entfalten: Die Symbiose von notwendiger Selbstorganisation mit ebenso notwendiger Führung. Lambertz Neuinterpretation des Viable System Model lädt in Form eines Playbooks zum Mitdenken und Experimentieren ein und zeigt an vielen Praxisbeispielen, wie man sein eigenes Modell für die jeweilige konkrete Situation erstellt. Das Denkwerkzeug für die Organisationsentwicklung. Mark Lambertz Die intelligente Organisation Das Playbook für organisatorische Komplexität 2. Auflage 2019 286 Seiten; Broschur; 24,95 Euro ISBN 978-3-86980-409-5; Art.-Nr.: 1036 www.BusinessVillage.de