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DIREKTION FÜR SICHERHEITSPOLITIK
SICHER. UND MORGEN?
SICHERHEITSPOLITISCHEJAHRESVORSCHAU2016
Die Direktion für Sicherheitspolitik im Bundesministerium für
Landesverteidigung und Sport hat internationale und österrei-
chische Experten eingeladen, die für das Jahr 2016 relevan-
Institutionen, wichtiger Regionen und Staaten sowie konkreter
mit weit reichenden Auswirkungen auf die innere Sicherheit
eine eingeschränkte Gestaltungsfähigkeit und eine schwinden-
politik sind:
Intensivierung von Kooperationen
SICHERHEITSPOLITISCHE
JAHRESVORSCHAU 2016
ÖSTERREICHISCHES BUNDESHEER
sipol_jvs2016
SICHER. UND MORGEN?
SICHERHEITSPOLITISCHE
JAHRESVORSCHAU 2016
Direktion für Sicherheitspolitik
DIE INHALTE DER EINZELNEN BEITRÄGE GEBEN DIE PERSÖNLICHE EINSCHÄTZUNG DER
EXPERTEN WIEDER UND ENTSPRECHEN NICHT NOTWENDIGERWEISE DEN POSITIONEN DES
BUNDESMINISTERIUMS FÜR LANDESVERTEIDIGUNG UND SPORT UND DER INSTITUTIONEN,
FÜR DIE SIE TÄTIG SIND.
EINE VIELZAHL VON BEITRÄGEN DIESER JAHRESVORSCHAU WURDE VOM SPRACHINSTITUT
DES BUNDESHEERES UND VON MITARBEITERINNEN UND MITARBEITERN DES BÜROS FÜR
SICHERHEITSPOLITIK INS DEUTSCHE ÜBERSETZT.
IMPRESSUM
MEDIENINHABER, HERAUSGEBER UND HERSTELLER:
Republik Österreich/Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport
PROJEKTLEITUNG: Brigadier Dr. Johann Frank
REDAKTION: Büro für Sicherheitspolitik; Dr. Egbert Apfelknab, Dr. Rastislav Báchora; Dr. Wolfgang Brau-
mandl-Dujardin; Mag. Raphaela Engel; OberstdhmfD Mag. Karl Fitsch; OberstdG MMag. Thomas Fronek; Mag.
Alexander Fuchssteiner; OberstdG Mag. Georg Geyer; Brigadier Mag. Gustav Gustenau; Sahrah Kiparski, MA,
Martin Leithner, BA; OberstdhmfD Dr. Wolfgang Manzl; Mag. Walter Matyas; Hofrat Hermann Meyer; Mag.
Jürgen Neuhuber; OberstdhmfD Dr. Bernhard Richter; OberstdhmfD Mag. Stefan Ulmer; Christoph Winna, BA;
Mag. Astrid Zahel
ÜBERSETZUNGEN: Sprachinstitut des Bundesheeres und Büro für Sicherheitspolitik
LAYOUT UND SATZ: Büro für Sicherheitspolitik; Lukas Bittner, BA
ALLE: Roßauer Lände 1, 1090 Wien;
HERSTELLUNG: BMLVS/Heeresdruckzentrum 15-8718
ISBN: 978-3-902275-44-8
Wien, Dezember 2015
Gedruckt nach der Richtlinie „Druckerzeugnisse“
des Österreichischen Umweltzeichens,
BMLVS/Heeresdruckzentrum, UW-Nr. 943
PROLOG
08 Vorwort — Gerald Klug
10 Einleitung — Johann Frank
TRENDSZENARIO 2016 FÜR DIE ÖSTERREICHISCHE
SICHERHEITS- UND VERTEIDIGUNGSPOLITIK
13 Trendszenario 2016 für die österreichische Sicherheits-
und Verteidigungspolitik — Johann Frank und Gustav E. Gustenau
GLOBALES UMFELD 2016
33 Globale Sicherheitstrends 2016 — Richard Weitz
37 Globale machtpolitische Entwicklungen 2016 — Nicolas Stockhammer
41 Globale Entwicklungen 2016 — Mathew Burrows
44 Weltordnung 2016 — Ulrich Menzel
47 Geopolitische Ausrichtung der USA 2016 — Henning Riecke
50 Russlands strategische Ausrichtung 2016 — Joris Van Bladel
55 China und die Weltordnung 2016 — Sven Richard Gareis
59 Europas strategische Ambition 2016 — Herfried Münkler
62 Globale Finanzmärkte 2016 — Thieß Petersen
65 Globale Wirtschafts- und Konjunkturentwicklung 2016 — Urlich Schuh
69 Geopolitische Bedeutung von Freihandelsabkommen 2016 — Daniel S. Hamilton
73 Strategische Rohstoffe 2016 — Miriam Kraus
76 — Michael Brzoska
79 — Raphael Bossong
82 Terrormiliz „Islamischer Staat“ 2016 — Guido Steinberg
85 Hybride Bedrohungen 2016 — Sascha Dov Bachmann
GLOBALE SICHERHEITSARCHITEKTUR 2016
89 Vereinte Nationen 2016 — Richard Gowan
INHALT
INHALT
92 OSZE 2016 — Lamberto Zannier
95 Afrikanische Union 2016 — Martin Pabst
99 NATO 2016 — Jamie Patrick Shea
104 NATO im Einsatz 2016 — Josef D. Boltz und Marco Taedcke
107 Nukleare NATO-Politik 2016 — Karl-Heinz Kamp
RISIKO- UND KONFLIKTBILD FÜR EUROPA 2016
112 Soziale Sicherheit und gesellschaftliche Stabilität in Europa — Martin Schenk
115 — Walter Feichtinger
118 Terrorismus in Europa 2016 — Louise Shelley
121 Flucht und Migration nach Europa 2016 — Ángel Gurría
124 Migrationsperspektive 2016 — Peter Van der Auweraert
127 Flüchtlingsströme und Potentiale 2016 — Karin Kneissl
130 Transnationale Organisierte Kriminalität 2016 — Maximilian Edelbacher
133 Cybersicherheit und Cyberbedrohungen in der EU 2016 — Miroslav Mareš
136 Biotechnologie 2016 — Anne L. Clunnan
140 Autonome (unbemannte) Waffensysteme 2016 — Noel Sharkey
143 Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen 2016 — Tariq Rauf
146 Energiesicherheit Europas 2016 — Julia Grill und Harald Raupenstrauch
149 Entwicklungsperspektiven am Westbalkan 2016
153 Bosnien und Herzegowina 2016
157 Kosovo 2016
160 Mazedonien 2016 — Dane Taleski
163 Serbien 2016 — Marko Savkovic
167 Risiken für die Sicherheit in der Schwarzmeerregion 2016 — Ivan Krastev
171 — Alexander Dubowy
174 Transnistrien 2016 — Victoria Bucataru
177 — Georgi Kanashvili
180 — Chistroph H. Benedikter
183 Türkei 2016 — Sinan Ülgen
187 Iran 2016 — Reinhard Meier-Walser
191 Afghanistan 2016 — Michael Semple
195 Entwicklungen in Zentralasien 2016 — Ilya Zaslavskiy
198 Strategische Lage im Nahen und Mittleren Osten 2016 — Guido Kraus
203 — Georg Plattner
206 Syrien 2016 — Nadim Shehadi
209 Irak 2016 — Gudrun Harrer
212 Saudi Arabien und Jemen 2016 — Marie-Christine Heinze
215 Libyen 2016 — Thiemo Kapffer
218 Ägypten 2016 — Amr Adly
221 Tunesien 2016 — Hardy Ostry
225 Frauen im Terrorsystem des „Islamischen Staats“ 2016 — Dalia Ghanem-Yazbeck
228 Entwicklungen in Sahel-Afrika 2016 — Roland Marchal
231 Entwicklungen in Westafrika 2016 — Georg Hainzl
234 Mali 2016 — Paul Melly
237 Europäische Union und Russland 2016 — Chistrian Stadler
240 Militärstrategische Ambition Russlands 2016 — Sergey Markedonov
243 Wirtschaftliche Stabilität Russlands 2016 — Ruslan Grinberg
EUROPÄISCHE UNION 2016
247 Rahmenbedingungen 2016 für eine globale Strategie der EU
— Alessandro Marrone und Nathalie Tocci
250 Europäisches Weißbuch — Sven Biscop
254 Deutschland 2016 — Patrick Keller
257 Rolle Deutschlands in Europa 2016 — Hartmut Mayer
261 Frankreich 2016 — Peter Jankowitsch
263 Großbritannien 2016 — Bastian Giegerich
266 Finnland 2016 — Hiski Haukkala
270 Schweden 2016 — Jacob Westberg
274 Baltische Staaten 2016
278 Griechenland 2016 — John M. Nomikos
281 Irland 2016 — Ben Tonra
285 Italien 2016 — Stefano Silvestri
288 Tschechien 2016 — Libor Frank
291 Slowakei 2016 — Marian Majer
295 Slowenien 2016 — Petra Roter
299 Kroatien 2016
302 Ungarn 2016 — Tamás Csiki
EUROPÄISCHE VERTEIDIGUNGSPOLITIK 2016
308 GSVP 2016 — Sven Biscop
311 Unsichere Zukunft der GSVP 2016 — Ronja Kempin und Nicolai von Ondarza
314 Weiterentwicklung der GSVP-Missionen und Operationen 2016 — Thierry Tardy
317 Verteidigungsindustrielle Basis Europas 2016 — Hilmar Linnenkamp
321 Trends in der europäischen Streitkräfteentwicklung 2016 — Bruno Hofbauer
324 Streitkräfteentwicklung Deutschland 2016 — Christian Mölling
328 Streitkräfteentwicklung Frankreich 2016 — Jérôme Pellistrandi
332 Regionale Verteidigungskooperationen 2016 — Rastislav Báchora
ÖSTERREICHISCHE SICHERHEITSVORSORGE 2016
338 Politische Rahmenbedingungen der österreichischen Sicherheitsvorsorge 2016
— Alexandra Föderl-Schmid
341 Außen- und sicherheitspolitische Ambition Österreichs 2016 — Karin Fichtinger-Grohe
344 — Markus Weidinger
347 Österreich und die Vereinten Nationen 2016 — Jan Kickert und Philipp Charwath
350 Österreich und die OSZE 2016 — Christian Strohal
354 Österreich und die NATO 2016 — Jürgen Meindl
358 Finanzsicherheit in Österreich 2016 — Margit Schratzenstaller
361 Terrorismusabwehr in Österreich 2016 — Peter Gridling
364 Migrationspolitik in Österreich 2016 — Peter Webinger
INHALT
367 Sicherheit durch Integration in Österreich 2016 — Alexander Schahbasi
370 Soziale Sicherheit und gesellschaftliche Kohäsion in Österreich 2016 — Christian Klopf
373 Gesundheit und Sicherheit in Österreich 2016 — Michael Kunze
376 Energiesicherheit in Österreich 2016 — Walter Boltz
379 Risikopotential von Natur- und technischen Katastrophen in Österreich 2016
— Robert Stocker
383 Risikopotential und Resilienz kritischer Infrastuktur in Österreich 2016
— Alexander Pschikal
387 Cybersicherheit und Cyberabwehr in Österreich 2016
— Wolgang Rosenkranz und Wolfgang Gattringer
390 Medien und Sicherheitspolitik in Österreich 2016 — Wilhelm Theuretsbacher
393 Sorgen und Erwartungen der Bevölkerung im Lichte der Flüchtlingsthematik 2016
— Alexander Reichmann
DAS ÖSTERREICHISCHE BUNDESHEER 2016
397 Streitkräfteentwicklung in Österreich 2016 — Philipp Eder
400 Auslandseinsätze des Bundesheeres 2016 — Martin Jawurek
403 Inlandseinsätze des Bundesheeres 2016 — Franz Reißner
MEHR SICHERHEIT DURCH EIN LEISTUNGSFÄHIGES BUNDESHEER
406 Mehr Sicherheit durch ein leistungsfähiges Bundesheer — Othmar Commenda
8 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016
Die Direktion für Sicherheitspolitik des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport gibt für das
Jahr 2016 zum zweiten Mal eine umfassende sicherheitspolitische Jahresvorschau heraus. Namhafte interna-
tionale, österreichische und ressorteigene Expertinnen und Experten analysieren darin die für das Kalender-
jahr 2016 zu erwartenden Entwicklungen der europäischen und österreichischen Sicherheitsvorsorge, wichtiger
internationaler Institutionen, Regionen und Staaten sowie konkreter Bedrohungen und Konflikte.
Die Analysen zeigen, dass sicherheitspolitische Risiken für die Europäische Union und Österreich zunehmen
und das europäische strategische Denken wieder stärker von Fragen der Geopolitik und der militärischen Ver-
teidigung bestimmt ist, wenn auch in anderer Form als zur Zeit des Kalten Krieges. Die Terroranschläge von
Paris Mitte November 2015 machen deutlich, dass die Staaten vor der grundlegenden Herausforderung stehen,
einer der fundamentalsten Staatsaufgaben – der Gewährleistung der Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger
– nachzukommen.
Eine große Herausforderung für Europa und damit für Österreich stellt die derzeitige Flüchtlingssituation dar.
Die prekäre Sicherheitslage in ihren Heimatländern veranlasst tausende Menschen, ihr Heil in der Flucht vor
Krieg, Terror und Elend zu suchen. Österreich gilt als sicheres Land und ist daher das Ziel vieler Flüchtlinge.
Das Bundesheer kommt seiner Verantwortung nach, diesen Menschen, die in großer Not zu uns kommen,
humanitär zu helfen.
Die Situation an der südlichen Grenze unseres Landes geht über die Kapazitäten von Polizei und anderen
Blaulichtorganisationen hinaus. Das Bundesheer ist zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Bandes – getreu
seinem Leitgedanken „Schutz und Hilfe dort, wo andere Institutionen an ihre Grenzen stoßen“ – mit fast
2000 Soldatinnen und Soldaten im Assistenz- und Hilfseinsatz zur Bewältigung der Flüchtlingsströme.
Das Thema „Migration nach Europa“ wird von vielen Autoren dieses Bandes aufgegriffen, ob es um die Ursa-
chen der Fluchtbewegungen, um mögliche Auswirkungen auf die regionale Stabilität in Europa, um die sicher-
heitsrelevanten Aspekte der österreichischen Migrations- und Asylpolitik oder um die Stärkung der Sicherheit
durch Integration geht.
VORWORT
Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 9
Zahlreiche Beiträge thematisieren die Lage am Balkan, im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika ebenso
wie das Vorgehen Russlands im europäischen Osten. Auch die Entwicklungen in wichtigen Ländern der Euro-
päischen Union und die Zukunft der Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik wer-
den gewürdigt. Der Trend, dass die Sicherheitslage in der europäischen Nachbarschaft auch für die innere
Sicherheit der EU zunehmend an Bedeutung gewinnt, setzt sich auch 2016 fort.
Die Analyse der Streitkräfteentwicklung in Europa sowie der österreichischen Außen- und Sicherheitspoli-
tik und zahlreiche Spezialthemen wie die Sicherheitspolitik Österreichs aus Sicht der Medien oder Fragen der
Sicherheit im Cyberraum runden die Themenpalette ab.
Die vorliegenden Analysen der Expertinnen und Experten werden in ein Trendszenario 2016 für die österrei-
chische Sicherheits- und Verteidigungspolitik verdichtet, das entscheidend dazu beitragen kann, die Heraus-
forderungen für die österreichische Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu gewichten. Eine Kernaussage ist
dabei, dass sich die sicherheitspolitischen Annahmen der Österreichischen Sicherheitsstrategie und der Teil-
strategie Verteidigungspolitik grundsätzlich bestätigt haben und dass die konsequente Ausrichtung der Bun-
desheerplanung auf die neuen einsatzwahrscheinlichen Aufgaben dynamisiert fortzusetzen ist.
Diese Jahresvorschau richtet sich nicht nur an Politik, Diplomatie, Wissenschaft und Medien, sondern auch
an die interessierte Öffentlichkeit.
Ich möchte allen, die am Zustandekommen der Sicherheitspolitischen Jahresvorschau 2016 mitgewirkt haben,
meinen besonderen Dank aussprechen, insbesondere den Autorinnen und Autoren, die mit ihrem analytischen
Fachwissen zur Weiterentwicklung des sicherheitspolitischen Bewusstseins sowie zu einer verbesserten Einsicht
in die Notwendigkeiten militärischer Sicherheitsvorsorge beitragen – damit Österreich auch morgen sicher
bleibt.
MAG. GERALD KLUG
BUNDESMINISTER FÜR
LANDESVERTEIDIGUNG UND SPORT
10 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016
Die Welt ist unsicherer geworden. Daran wird sich auch 2016 nichts ändern!
Ein Rückblick auf die wesentlichen Erkenntnisse aus dem Trendszenario 2015 zeigt, dass die sicherheitspolitischen
Risiken und Bedrohungen für die EU und Österreich tatsächlich zugenommen haben. Auch die Handlungsfähig-
keit wesentlicher Akteure wie jene der EU oder auch einzelner wichtiger Staaten hat sich wie prognostiziert weiter
eingeschränkt.
Die durchaus richtige Einschätzung der sicherheits- und verteidigungspolitischen Entwicklungen und die zahl-
reichen positiven Rückmeldungen zur Vorschau 2015 haben uns bestärkt, die Publikationsreihe auch im Jahr 2016
fortzusetzen und mit einer größeren Zahl von Beiträgen und einer breiteren Themenagenda wieder einen strate-
gischen Ausblick auf sicherheitspolitische Trends und deren mögliche Auswirkungen auf das für Österreich rele-
vante Umfeld zu geben. Darüber hinaus stellt die vorliegende Publikation auch eine Umsetzung der Empfehlungen
der Österreichischen Sicherheitsstrategie dar, der zu Folge die österreichische Bevölkerung „umfassend über die
Sicherheitslage im In- und Ausland“ informiert werden soll.
Die Direktion für Sicherheitspolitik wendet sich mit dieser Publikation direkt an politische und militärische Ent-
scheidungsträger, Diplomaten und Fachleute sowie an Journalisten und die interessierte Öffentlichkeit. So soll zur
Weiterentwicklung des sicherheitspolitischen Bewusstseins und zu einer verbesserten und tieferen Einsicht in die
Notwendigkeiten militärischer und umfassender Sicherheitsvorsorge beigetragen werden.
Auch diesmal analysieren nationale und internationale Expertinnen und Experten die in den nächsten 12 bis 18
Monaten erwartbaren Entwicklungen internationaler Institutionen, wichtiger Regionen und Staaten sowie konkre-
-
fältig aufeinander abgestimmter und leserfreundlich strukturierter Einzelbeiträge in den Themenfeldern globa-
Verteidigungspolitik, Österreichische Sicherheitsvorsorge und Österreichisches Bundesheer ab. Die Inhalte der
einzelnen Beiträge geben dabei die persönliche Einschätzung der Expertinnen und Experten wieder und entspre-
chen nicht notwendigerweise den Positionen des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport.
Die Analysen der Expertinnen und Experten werden in das System der strategischen Vorausschau des Bundesmi-
nisterium für Landesverteidigung und Sport eingebettet und zu einem Trendszenario 2016 für die österreichische
Sicherheits- und Verteidigungspolitik verdichtet. Das Trendszenario 2016 weist im Vergleich zum Trendszenario
-
bilität in der europäischen Nachbarschaft und der sicherheitspolitischen Handlungsschwäche der Europäischen
Union. Die EU wird erst, wenn sie ihre Beziehungen zu Russland neu geregelt hat, zu einer aktiveren Rolle bei der
EINLEITUNG
Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 11
-
schen Russland und der EU wenig zweckmäßig.
-
barschaft mit weit reichenden Auswirkungen auf die innere Sicherheit und Resilienz der EU und ihrer Mitglieds-
staaten – insbesondere durch Migration und Terrorismus. Aus den anhaltenden zentrifugalen Kräften innerhalb
Bewältigung von Herausforderungen im Inneren. Trotz europaweiter Stabilisierung der Verteidigungsbudgets ist
die EU auch weiterhin nicht in der Lage, eigenständig größere Operationen zur Wahrung vitaler Sicherheitsinteres-
sen durchzuführen.
Die Schlussfolgerungen aus den Analysen für die Notwendigkeiten der österreichischen Verteidigungspolitik 2016
sind offenkundig: Die Landesverteidigung als Kernaufgabe des Österreichischen Bundesheeres ist angesichts des
Bedrohungswandels im Sinne der Österreichischen Sicherheitspolitik neu zu gestalten, wobei nunmehr die Bewäl-
Funktionsfähigkeit des Staates im Vordergrund stehen. Bei katastrophalen Ereignissen kann die Resilienz von
Staaten nur durch jene Organisationen gestützt werden, die per se krisenrobust sind und unter schwierigen Ver-
hältnissen ihre Funktionalität aufrechterhalten können: Das sind und bleiben zu allererst die Streitkräfte eines Lan-
des. Daher muss auch in die militärische Landesverteidigung wieder verstärkt investiert werden. Diese Folgerung
entspricht auch der Erwartung breiter Teile der österreichischen Bevölkerung.
-
gen und Herausforderungen übersehen werden bzw. nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Dies könnten 2016
eine Jahresvorausschau kann nichts an dem Umstand ändern, dass rasche Lageentwicklungen und strategische
Überraschungen die prägenden Charakteristika der gegenwärtigen Sicherheitslage sind. Somit bleibt die beste Art
Zukunft vorherzusagen, sie aktiv zu gestalten.
Mein Dank gilt in erster Linie dem Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport, den Autorinnen und
Autoren für ihre hervorragende Analyse, dem Sprachinstitut des Bundesheeres an der Landesverteidigungsaka-
demie für die Übersetzungstätigkeit und ganz besonders den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Büros für
Sicherheitspolitik, die durch ihren unermüdlichen Einsatz maßgeblich zum rechtzeitigen Zustandekommen dieser
Publikation beigetragen haben.
Für ein sicheres Österreich auch morgen.
BRIGADIER
DR. JOHANN FRANK
Leiter der
Direktion für Sicherheitspolitik
TRENDSZENARIO 2016
FÜR DIE ÖSTERREICHISCHE
SICHERHEITS- UND
VERTEIDIGUNGSPOLITIK
Der in der Teilstrategie Verteidigungspolitik festge-
legte moderne verteidigungspolitische Management-
prozess dient der Sicherstellung einer bestmöglichen,
innovativen Zukunfts- und Anpassungsfähigkeit der
Entwicklung des Österreichischen Bundesheeres.
Dieser Prozess umfasst die grundsätzlich in einem
Fünfjahresrhythmus erfolgende Erstellung von
sicherheitspolitischen Umfeldszenarien. Wesentliche
Aufgabenstellung dabei ist die Festlegung und perma-
nente Überwachung einer Früherkennungsarchitektur
von strategischen Schlüsselfaktoren mit jährlicher
Berichtslegung.
(vgl. Teilstrategie Verteidigungspolitik, S. 18)
Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 13
Dieser Beitrag fasst die Analysen der Experten
zusammen und verdichtet sie zu einem Trendsze-
nario 2016 für die österreichische Sicherheits- und
Verteidigungspolitik.
1. Sicherheitspolitische Umfeldszenarien
für Österreich 2025
Das Trendszenario 2016 basiert auf den umfassenden
Vorarbeiten des Bundesministeriums für Landesverteidi-
gung und Sport (BMLVS) zur Analyse möglicher künfti-
ger sicherheitspolitischer Entwicklungen. Es ist eine kon-
sequente Weiterentwicklung des Trendsszenarios 2015.
TRENDSZENARIO 2016
FÜR DIE ÖSTERREICHISCHE
SICHERHEITS- UND
VERTEIDIGUNGSPOLITIK
Johann Frank und Gustav E. Gustenau
14 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016
Folgende fünfzehn Schlüsselfaktoren und deren Wechselbeziehungen bilden das System
der sicherheitspolitischen Umfeldszenarien für die österreichische Verteidigungspolitik:
Im Jahr 2012 wurden begleitend zu den Arbeiten an der
Österreichischen Sicherheitsstrategie (ÖSS) und zur Neu-
planung des Österreichischen Bundesheeres (ÖBH) erst-
malig sicherheitspolitische „Umfeldszenarien 2025“
erstellt. Dabei wurden die für die österreichische Sicher-
heitspolitik relevanten Schlüsselfaktoren im Rahmen
künftigen Entwicklungsmöglichkeiten analysiert. Aus
zehn bedeutendsten Schlüsselfaktoren herausgearbeitet.
Die alternativen Ausprägungen der fünfzehn Schlüssel-
faktoren wurden zu insgesamt sieben in sich schlüssigen
Umfeldszenarien kombiniert. Die Szenarien können ent-
lang der beiden bestimmenden Faktoren, nämlich „sicher-
heitspolitische Handlungsfähigkeit der EU“ einerseits und „Kon-
andererseits, kategorisiert
werden.
Ausgehend von einer damals, im ersten Erstellungs-
jahr 2012, noch grundsätzlich stabilen Umfeldsituation
ROLLE DER NATO
MILIT. BEDROHUNG
DER SICHERHEIT
ÖSTERREICHS
NICHT MILIT.
BEDROHUNG
ÖSTERREICHS
POLITISCHE
EU-INTEGRATION
LEISTUNGS-
SPEKTRUM GSVP
EU-STREITKRÄFTE-
INTEGRATION
VERTEIDIGUNGSPOLIT.
KOOPERATIONEN
REGIONALE
STABILITÄT IN EUROPA
STABILITÄT EUROP.
NACHBARREGIONEN
ROLLE RUSSLAND
IN EUROPA
GLOBALE
MACHTPOLITISCHE
ENTWICKLUNGEN
GLOBALE KONFLIKTE
GLOBALE WIRTSCHAFTS-
ENTWICKLUNG & WOHL-
STANDSVERTEILUNG
ROHSTOFF-
VERSORGUNG
INTERNATIONALE
ORGANISATIONEN
(IOS) UND REGIME
Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 15
wurde in einer Perspektive von 10 bis 15 Jahren mit einer
wesentlichen Veränderung der äußeren Rahmenbedin-
gungen für Österreichs Sicherheit gerechnet. Im zukünf-
tigen „Erwartungsraum“ befanden sich schon damals
– nach Einschätzung der Experten – jene Szenarien,
deren Kern man wie folgt beschreiben kann: Das globale
Umfeld ist geprägt von einer eher multipolaren, konfron-
tativen Sicherheitsarchitektur, das Verhältnis zu Russland
Verantwortung wesentlich umfassender wahr als gegen-
wärtig, wobei der innere Organisationsgrad der EU bei
aller Differenzierung auch von einer deutlich engeren
Kooperation im Bereich der Verteidigungspolitik gekenn-
zeichnet ist.
Aufbauend auf der Bewertung der sicherheitspolitischen
Österreichische Sicherheitsstrategie und ein Leistungspro-
sah im Kern ein auf nicht-konventionelle Bedrohungen
ausgerichtetes Bundesheer vor, das national und interna-
tional in einen Kooperationsverbund eingebettet ist und
bestmöglich Beiträge im Rahmen einer umfassend ange-
legten Umfeldstabilisierung sowie einer neuausgerichteten
nationalen gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge leistet.
Angesichts der hochgradigen Unsicherheiten im sicher-
heitspolitischen Umfeldsystem sind ein permanentes
Monitoring aktueller Trends und eine Bewertung der
Entwicklungsalternativen der Umfeldfaktoren erforder-
lich. Im Vordergrund des Monitoringprozesses stehen
dabei die Fragen, ob die erkennbare Entwicklung in Rich-
tung des ursprünglichen Erwartungsraumes aus dem
Jahr 2012 weist, worin die größten Unsicherheiten beste-
hen, oder ob überhaupt Trendbrüche erkennbar sind, die
zu einem gänzlich anderen Umfeld führen können und
daher auch gravierende Änderungen in der Verteidigungs-
planung zur Folge hätten.
Gegenwartsraum
Erwartungsraum
LEISTUNGS-
FÄHIGE GSVP
IM DIENSTE
DER UN
2012
DESINTEGRATION
DER EU ERNEUERTE
TRANSATLANTISCHE
PARTNERSCHAFT
REGIONALE
MACHT EU IN
EINER MULTI-
POLAREN WELT
KERNEUROPA
IN EINEM
KONFLIKTIVEN
UMFELD
ZIVILMACHT
EUROPA
WELTORDNUNG
KONFRONTATIVKOOPERATIV
USA EUROPAS
HEGEMON
DARSTELLUNG DER SICHERHEITSPOLITISCHEN UMFELDSZENARIEN
AUS DER SICHT VON 2011
MARGINALISIERUNG
DER EU
EU HANDLUNGSFÄHIG
EU NICHT HANDLUNGSFÄHIG
16 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016
Im Unterschied zur Vorausschau 2015 hat die Rolle
Russlands in Europa etwas an Relevanz verloren, weil
2. Das verteidigungspolitische Trendsze-
nario für Österreich 2016
Eine aktuelle Bewertung des Systems der Umfeldfak-
toren unter Berücksichtigung der Einzelbeiträge der
„Sicherheitspolitischen Jahresvorschau 2016“ ergibt,
dass wie auch im Jahr davor vor allem sieben Fak-
toren die größte Relevanz für das System des
sicherheitspolitischen Umfeldes für Österreich
besitzen:
1 Globale machtpolitische Entwicklungen
2 Globale Wirtschaftsentwicklung &
Wohlstandsverteilung
3 Rohstoffversorgung
GLOBALES UMFELD
4
5 Internationale Organisationen und Regime
6 Rolle der Nato
GLOBALE SICHERHEITSARCHITEKTUR
7 Regionale Stabilität in Europa
8 Stabilität europäischer Nachbarregionen
9 Rolle Russlands in Europa
RISIKO- & KONFLIKTBILD EUROPA
11 Verteidigungspolitische Kooperationen
12 Leistungsspektrum und Ausrichtung der GSVP
13 EU-Streitkräfteintegration
EUROPÄISCHE SICHERHEITSPOLITIK
EUROPÄISCHE UNION
10 Entwicklung der EU
RELEVANZ DER SCHLÜSSELFAKTOREN FÜR
DIE SICHERHEITSPOLITISCHE
UMFELDENTWICKLUNG ÖSTERREICHS
bestimmend sehr relevant relevant
1
23
5
7
10 12
13
11
8
9
4
6
GLOBALESUMFELD
GLOB.
SICHERHEITSARCHITEKTUR
RISIKO- & KONFLIKTBILD EUROPA
EUROPÄISCHE UNION
EUROP.SICHERHEITSPOLITIK
Die Pfeile zeigen die Veränderungen zum Trendszenarion 2015
Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 17
2.1 BESCHREIBUNG DER SCHLÜS-
SELFAKTOREN HINSICHTLICH IHRER
ERWARTBAREN ENTWICKLUNG 2016
2.1.1 Stabilität europäischer
Nachbarregionen
GENERELLE
TRENDBESCHREIBUNG
Die Entwicklungen in der europäischen Nachbar-
schaft haben auf absehbare Zeit eine erhebliche
Beeinträchtigung der Stabilität Europas zur Folge.
Das eurostrategische Umfeld der EU bleibt kon-
-
ken besteht darin, dass die EU in den Nachbarregi-
bedingt über die Ressourcen verfügt, diese Entwick-
-
wicklungen kann die EU somit zunehmend weniger
gegensteuern. Auf militärstrategischer Ebene bleiben
und der zunehmende Bedarf an Stabilisierungskräf-
ten in der jeweiligen Region bis hin zu Interventi-
onskräften zur Bekämpfung der Terrormiliz „Islami-
scher Staat“ (IS) auf der Tagesordnung. Allerdings
ist eine umfassende gegen Europa gerichtete mili-
tärische Bedrohung durch eine außereuropäische
-
tes strategisches Ziel muss die Abgrenzung Europas
POLITISCHE UND MILITRÄSTRATEGI-
SCHE TRENDENTWICKLUNGEN IN DEN
REGIONEN
UKRAINE
Die innenpolitische Situation der Ukraine wird auch
im Jahr 2016 in erster Linie durch ein von Korrup-
tion geschwächtes und destabilisiertes Wirtschafts-
und Finanzsystem geprägt sein. Bei einer weiteren
maßgeblichen Verschlechterung der sozialen Situa-
tion der Bevölkerung ist auch mit größeren gewalt-
samen Protesten, zu rechnen. Die Unzufriedenheit
der Bevölkerung mit der Regierungspolitik und die
allgemeine Kriegsmüdigkeit kommen nicht zuletzt
in der – zur gesellschaftspolitischen Aufbruchsstim-
-
henden – Ablehnung der bestehenden politischen
Parteien und der Regierung wie des Präsidenten
zum Ausdruck. Die Umfragen deuten generell auf
eine Legitimationskrise des politischen Systems hin.
Die Fortsetzung des im Herbst des Jahres 2015
-
den konnte. Hingegen wurde die Stabilität der euro-
päischen Nachbarschaft zum Faktor mit der höchsten
der damit einhergehenden Flüchtlingswelle geschul-
det ist. Zentral bleibt für Österreich weiterhin die
politische Entwicklung der EU, weil die EU nach wie
vor der bestimmende Handlungsrahmen für Öster-
reichs Sicherheit ist und die EU die höchste Hebel-
kraft im sicherheitspolitischen Umfeld Österreichs
aufweist. Zunehmende Bedeutung hat auch der Fak-
tor Regionale Stabilität in Europa, der auch die innere
Lage europäischer Staaten umfasst, gewonnen. Die
genannten Faktoren bilden damit auch den Kern des
Trendszenarios 2016 und haben – abgesehen von den
innerösterreichischen Faktoren wie z B. die außen-
die öffentliche Haushaltsentwicklung – auf Sicht die
größte Relevanz für die Weiterentwicklung der öster-
reichischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
18 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016
im Südosten der Ukraine scheint aus heutiger Sicht
wahrscheinlich zu sein. Durch das „Einfrieren“ des
-
nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Der Versuch
Mitteln zu lösen, bildet für Moskau die „rote Linie“
Fall würden sich die ohnehin angespannten Bezie-
hungen zwischen dem Westen und der Russischen
Föderation rapide abkühlen, mit nicht absehbaren
Folgen für die gesamte europäische Sicherheit.
Für die Kiewer Führung scheint die Billigung des
-
des – angesichts der bedrohlichen Wirtschafts- und
Soziallage – mittlerweile unumgänglich zu sein. Auf
diese Weise würden Kapazitäten freigesetzt, um
die dringenden Reformen (nicht zuletzt eine Ver-
fassungsreform) umzusetzen und die eingeleiteten
-
nationalistischer Kräfte fortzuführen. Das fragile
-
hen Kiews in der Frage der gesellschaftlichen Kon-
solidierung ab. Eine wichtige Voraussetzung stellt
-
schaft tief verwurzelten ideologischen Spannungen
-
tung mit der NATO und der EU offenen – Zent-
ral- und Westukraine einerseits und der Russland-
zahlreicher innerer Probleme scheint aber aus der-
zeitiger Sicht angesichts der bestehenden strukturel-
-
kante Auswirkungen auf das fragile politische Sys-
tem vorprogrammiert.
WESTBALKAN
Die derzeitige Entwicklung am Westbalkan ent-
spricht weiterhin dem Szenario eines „stabilitäts-
gefährdenden Stillstands“, insbesondere was die
stagnierende Annäherung an die EU und die erfor-
derliche Weiterentwicklung von Wirtschaft, Rechts-
staatlichkeit und politischer Stabilität betrifft. Das
aktuell größte Risiko resultiert aus einer Nichtbewäl-
tigung der Flüchtlingskrise, was dazu führen könnte,
dass Flüchtlinge massenweise in den Westbalkan-
staaten stranden und so das schwache wirtschaft-
Räumlich begrenzte gewaltsame Auseinandersetzun-
gen sind am Westbalkan wegen weiter bestehender
politischer und ökonomischer Instabilitäten sowie
-
bruch neuer Balkankriege großen Ausmaßes ist unter
der Voraussetzung einer fortgesetzten EU-Konso-
lidierungspolitik gegenüber der Region in absehba-
rer Zeit unwahrscheinlich. Eine Schwächung der EU
als respektierter Akteur mit proaktivem Engagement
könnte Antagonismen am Westbalkan jedoch gefähr-
lich verschärfen. Wegen noch bestehender Instabi-
litäten bleibt die Präsenz von EUFOR ALTHEA in
Bosnien und Herzegowina und KFOR im Kosovo
als Sicherheitsnetz notwendig. Eine verstärkte Auf-
merksamkeit ist den islamistischen Tendenzen zu
widmen.
ISLAMISCHE REPUBLIK IRAN
Die Plausibilität nimmt zu, dass der Iran mittelfris-
tig (sechs bis zwei Monate) an den Rand einer erns-
Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 19
ten innenpolitischen Krise kommen könnte, weil
Präsident Hassan Rohanis Reformen Widerstand
extremistischer Kreise entgegenschlägt. Nach jet-
zigem Wissensstand ist davon auszugehen, dass
es ihm gelingen wird, diese Krise zu bewältigen.
Dabei verbraucht er jedoch seine politische Energie
Schließlich ist derzeit nicht abzusehen, wie die politi-
schen Eliten des Landes mit dem allfälligen Ableben
der Urgesteine der Revolution – Ali Khamenei und
Das Szenario eines verschärften Verteilungskampfes
ist dabei durchaus möglich, blickt man auf die chao-
tischen knapp vierzig Jahre der Islamischen Republik
zurück, dann erwiesen sich die revolutionären Eli-
ten nicht nur als lernfähig, sondern auch als durch-
aus in der Lage, mit dramatischen Situation und Kri-
sen umzugehen.
In außenpolitischer Hinsicht kann der Iran die Situ-
ation im Irak weitgehend unter Kontrolle behalten,
steckt gleichzeitig jedoch in Syrien fest. Das Eska-
lationspotential mit Saudi-Arabien bleibt unver-
mindert hoch, aber unter der strategischen Eska-
lationsschwelle. Eine direkte saudisch-iranische
Konfrontation kann jedoch als Worst Case nicht
gänzlich ausgeschlossen werden.
DER MITTLERE OSTEN
Die gesamte Region des Mittleren Ostens ist von einer
höchst instabilen sicherheitspolitischen und wirt-
von einer undurchschaubaren Vermischung staatli-
cher und nichtstaatlicher Akteure geprägt. Von beson-
derer Bedeutung sind die Machtdiffusion zwischen
den Staaten und der Aufstieg nichtstaatlicher Akteure.
Aufgrund der divergierenden Interessen der wesent-
lichen Akteure USA, Russland, Saudi-Arabien, Iran,
Vereinigte Arabische Emirate, Katar, Türkei und
-
kapazitäten der UNO ist kurz- und mittelfristig gese-
hen keine Befriedung der Region absehbar. Der isra-
Mittelpunkt der regionalen Politik stand, wird durch
die umgebenden Ereignisse in Syrien und Irak über-
Staaten der Region wütet, verhindert den Fokus auf
wirtschaftliche und politische Herausforderungen wie
die hohe Jugendarbeitslosigkeit, Korruptionsbekämp-
fung, politische Partizipation oder Sicherheitssektor-
reformen. Die wirtschaftliche Not führt zu verstärkter
Perspektivenlosigkeit, insbesondere unter der jungen
-
rungen weiterhin Nährboden zur Rekrutierung.
In vielerlei Hinsicht durchlebt die Region ein verlore-
nes Jahrzehnt ohne Fortschritte bei der Beseitigung
dennoch ist ein totaler Zusammenbruch der Staaten
auf der arabischen Halbinsel nicht absehbar.
Trotz der Instabilitäten in dieser Region haben
diese Faktoren geringe und allenfalls nur räumlich
begrenzte Auswirkungen auf Europa. Zu den Bedro-
hungen für Europa zählen in diesem Kontext Ter-
rorattentate, die von Einzeltätern durchgeführt und
von Terrorgruppen zumindest ideologisch unterstützt
werden, sowie verstärkte Flüchtlingsströme, insbeson-
dere aus Syrien, dem Irak, Palästina und Ägypten. Mit
Prozess eingeleitet, an dessen Ende im günstigen Fall
mittelfristig ein Ende der Kampfhandlungen stehen
könnte. Kurzfristig kann mit einer Eskalation im Syri-
enkrieg gerechnet werden.
20 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016
TÜRKEI
Die Türkei entwickelt sich zu einem Schlüsselstaat
für die europäische Sicherheit mit tendenziell proble-
matischer Ausrichtung. So entwickelt sich die innere
Verfassung des Landes in einer zunehmend zur EU
inkompatiblen Weise. Auch die Polarisierungspolitik
-
-
bilität in der Türkei allerdings würde die Sicherheit
in Südosteuropa und in der Schwarzmeerregion dra-
matisch schwächen und die negativen Auswirkun-
-
in der Diaspora in Europa fortsetzen, und die Tür-
kei könnte in der Flüchtlingspolitik nicht nur die
Kooperation mit der EU einschränken, sondern auch
selbst zum vermehrten Auslöser neuer Migrations-
ströme in die EU werden. Europa ist gefordert, eine
Balance zwischen Kooperation und Abhängigkeit zu
NORDAFRIKA
-
lungen über eine einheitliche Regierung in Libyen
werden räumlich begrenzte Auseinandersetzungen
das Bild prägen. Diese haben aber vorerst nicht das
Potential, die gesamte Region zu destabilisieren. Für
die anderen Staaten Nordafrikas sind für den Beob-
-
litischen Veränderungen zu erwarten. Ägypten und
Tunesien werden mit terroristischen Bedrohungen
und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft kon-
frontiert bleiben. Eine fundamentale Veränderung
der Sicherheitssituation könnte im Falle eines massi-
ven Ausweichens von „IS“-Kämpfern in den Nord-
afrikanischen Raum erfolgen.
TRENDSTABILIÄT UND
UNSICHERHEITEN
Der aktuelle Trend in Bezug auf die Stabilität euro-
päischer Nachbarregionen scheint trotz erhebli-
cher Unsicherheiten relativ stabil zu sein, wenngleich
Tendenzen in Richtung starke Beeinträchtigung
mit europaweiter Ausweitung vorhanden sind. Dies
zur EU, sondern eher in Form der Kumulierung ver-
schiedener Faktoren wie etwa der Flüchtlingskrise
und des islamistischen Terrorismus, die v.a. die poli-
tische Stabilität der EU und einzelner Mitglieds-
staaten vor eine ernste Herausforderung stellt. Die
-
ine, im Nahen und Mittleren Osten und in Nord-
afrika wie auch die Stagnation der Entwicklung auf
dem Westbalkan sowie die problematische Entwick-
lung in der Türkei scheinen derzeit noch beherrsch-
bar. Zumal auch die Auswirkungen auf die zu den
Krisenregionen unmittelbar angrenzenden EU-Staa-
ten noch beschränkt sind. Allerdings bestehen für
die EU erhebliche Risiken, insbesondere durch ein
Ausweichen des in Syrien und im Irak bekämpften
islamistischen Terrorismus nach Nordafrika. Failed-
State-Szenarien in Nordafrika würden das Terror-
-
küste und in der Sahelzone erheblich steigern, wobei
insbesondere die Lage in Libyen prekär bleibt.
2.1.2 Die Rolle Russlands in
Europa
GENERELLE
TRENDBESCHREIBUNG
Der bereits seit Jahren anhaltende Trend eines
Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 21
der EU und Russland setzt sich weiter fort. Die Ent-
fremdung der letzten Jahre hat mit der Ukrainekrise
-
tionen Russlands sind klar auf eine Absicherung der
-
hend auf eine Verhinderung der weiteren Ausbrei-
tung von EU und NATO ausgerichtet. Russland
vollzieht in eigener Wahrnehmung somit eine reak-
tive Defensivstrategie. Damit verbunden ist aber
auch die Ambition Russlands nach einer stärkeren
eigenständigen Rolle in den internationalen Organi-
sationen und in globalen Ordnungsfragen.
POLITISCHE UND MILITÄRSTRATEGI-
SCHE ENTWICKLUNGEN
Vor dem Hintergrund der Konfrontation mit dem
Westen wird das innenpolitische Klima Russlands
zunehmend autoritärer. Dies wird die Widersprü-
che mit Europa verstärken. Der Eintritt in einen
neuen Zyklus geokultureller Konfrontation mit
einer an den östlichen Rand Europas verscho-
benen kulturellen „Bruchlinie“ erscheint immer
wahrscheinlicher.
Die Sanktionen stellen selbst im Falle der Auf-
hebung bzw. erheblichen Lockerung zweifels-
ohne eine tiefe Zäsur in den Beziehungen zwi-
schen Russland und Europa dar. Das Fortführen
-
ten „strategischen Partnerschaft“ der vergange-
nen zwei Dekaden ist aus heutiger Sicht schwer
vorstellbar, weswegen es eines neuen Beziehungs-
modells bedarf. Zu lösen gilt es auch die im Hinter-
grund stehende Schlüsselfrage, inwieweit es Europa
gelingt, sich von US-amerikanischen geoökonomi-
schen und strategischen Interessen zu emanzipie-
ren. Da dies auch in absehbarer Zeit nicht in euro-
päischem Sinne beantwortet werden dürfte, ist eine
Prolongierung innereuropäischer Widersprüche
in Bezug auf den Umgang mit Russland die wahr-
scheinliche Konsequenz.
Dennoch ist eine pragmatisch-beschränkte Partner-
schaft mit dem Westen u. a. zum Zwecke der Moder-
nisierung der Wirtschaft durch Technologieimport
vorstellbar und nach Aufhebung der gegenseitigen
Sanktionen wahrscheinlich.
Die Sicherheits- und Verteidigungspolitik Russ-
lands entspricht dieser generellen politischen Ambi-
tion. Die russischen Streitkräfte werden im Zuge
der jüngsten Reformen in Richtung kleinerer, im
-
rer Einheiten umstrukturiert, um sich an die neuen
Bedrohungen anpassen zu können. Die Reformen
erfolgen unter besonderer Berücksichtigung der Ein-
sätze während des Bürgerkrieges in Tadschikistan
(Anfang der 1990er Jahre), der beiden Militärein-
sätze in Tschetschenien (Mitte und Ende der 1990er
bzw. Anfang der 2000er Jahre) sowie des Fünftage-
Jahr 2009 beschlossenen „Sicherheitsstrategie 2020“
steht die Welt vor einer neuen Ära des internatio-
nalen Ringens um Rohstoffe. Die russische Füh-
russischen Nachbarschaft, v. a. im Nahen Osten,
in der Arktis, Barentssee, im kaspischen Raum und
in Zentralasien. Das rohstoffreiche Russland sieht
sich als besonders begehrte und deshalb bedrohte
Ressourcenquelle.
Lichte des russischen Syrieneinsatzes, des Vorgehens
gegen den sogenannten „IS“ und der terroristischen
Bedrohung Europas außerordentlich hoch. Beson-
22 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016
ders problematisch erweist sich hierbei der Nordkau-
kasus als „inneres Ausland“. In diesem Zusammen-
hang können sich die EU bzw. einzelne EU-Staaten
als wichtige Verbündete erweisen. Auch die wichtigs-
ten gegenwärtigen Tendenzen der russischen Außen-
im Südosten der Ukraine, Stabilität von Südkauka-
sus und Zentralasien – zielen auf eine Verbesserung
der Beziehung zum Westen ab. Die Stabilisierung
des Verhältnisses zum Westen wird jedoch nicht
in einem einseitigen Entgegenkommen gegenüber
Washington und Brüssel bestehen. Viel mehr wird
Moskau weiter auf die Anerkennung der Legitimität
russischer Interessen drängen. Als Idealoption sieht
Russland eine Beteiligung am internationalen „Kon-
der USA, der EU und Chinas.
TRENDSTABILITÄT BZW UNSICHERHEIT
Der für den aktuellen Trend hochrelevante Fortbe-
stand der Stabilität Russlands erscheint mittelfris-
tig gegeben zu sein, wobei im Falle der Fortführung
der Sanktionspolitik die Wirtschaft ab dem Jahr 2017
unter massiven Druck geraten dürfte. Im Worst Case
könnten – wenngleich aus heutiger Sicht unwahr-
scheinlich – Zerfallserscheinungen der Russischen
Föderation erwartet werden. Für das Eintreten dieser
Entwicklung wäre jedoch ein rascher Fall der gegen-
wärtigen Kremlführung vorausgesetzt. Die Wahr-
scheinlichkeit für eine solche Entwicklung unter
dem Druck der Wirtschaftskrise – im Wege einer
von bestimmten Elitegruppen geleiteten Palastre-
volte oder einer nach ukrainischem Vorbild ablaufen-
den „Volksrevolution“ – ist jedenfalls bis zu den Prä-
sidentschaftswahlen 2018 bzw. 2024 als sehr gering
zu betrachten.
Auch eine andere denkbare Entwicklung entbehrt
eines gegenüber dem Westen konfrontativen umfas-
-
kalen Wechsel in der militärstrategischen Ambition
sprechen fundamentale politische wirtschaftliche
-
ausforderung des Westens keine relevanten strategi-
schen Vorteile lukrieren und müsste den Militärap-
parat über die bestehenden Planungen hinaus massiv
weiterentwickeln. Schon die bisherigen Planungen
sind aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung
nicht mehr einzuhalten. Die russische Wirtschaft
müsste etwa bei einer weiteren Verschärfung der
Konfrontation mit dem Westen mit einem wesent-
lich schärferen Sanktionsregime rechnen. Die nega-
tiven Tendenzen der russischen Wirtschaft würden
sich dadurch erheblich verstärken und das gesamte
Wirtschafts- und Sozialsystem an den Rand eines
Totalkollapses bringen, mit nicht absehbaren Fol-
gen für das politische System und die innere Stabili-
tät des Landes.
2.1.3 Globale machtpolitische
Entwicklungen
TRENDBESCHREIBUNG
Die Ambitionen Russlands wie auch anderer BRICS-
Staaten sowie die außen- und sicherheitspolitische
zur Ausbalancierung der chinesischen Machtansprü-
che weisen in Richtung eines globalen Systems, das
von einer konfrontativen Multipolarität gekennzeich-
net ist.
Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 23
TRENDSTABILITÄT BZW UNSICHERHEIT
Es gibt wenige Anzeichen, dass es globalstrategisch
2016 zu einer Trendumkehr zurück zu mehr Koope-
ration, effektivem Multilateralismus und wiederbe-
Trend zu weiterer globaler Fragmentierung und zur
lungen und Ordnungsfähigkeit mit einhergehender
ten. Wesentliche entwicklungsbestimmende Vorent-
scheidungen werden in diesem Zusammenhang der
Ausgang der Verhandlungen über die Transatlanti-
sche Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP),
die Ergebnisse der Weltklimakonferenz (Paris), die
Umsetzung des Nuklearabkommens mit dem Iran,
die globale Weltwirtschaftsentwicklung sowie die
Entwicklung der weltpolitisch bedeutsamen Span-
nungen im Ostchinesischen Meer zwischen dem
Westen und Russland einerseits und zwischen China
und Japan anderseits sein. Die westliche sicher-
heitspolitische Handlungsfähigkeit wird v. a. von
der wachsenden Ermüdung der US-amerikanischen
Bevölkerung im Willen zu globaler sicherheitspoli-
tischer Ordnungs- und Verantwortungsübernahme
und vom einsetzenden Wahlkampf um das Amt im
Weißen Haus mitbestimmt sein.
TRENDBESCHREIBUNG
Aufgrund der mangelnden Kon-
sationen wie auch der divergierenden Interessen der
großen Mächte ist mit einer Zunahme der Intensität
sowohl staatliche wie mit steigender Tendenz auch
nichtstaatliche Akteure involviert sind. Von besonde-
rer Bedeutung ist dabei die Diffusion von Macht von
Staaten zu nichtstaatlichen Akteuren bis hin zu Ein-
zelpersonen. Heute verfügen nichtstaatliche Akteure
und „Superempowered Individuals“ über Potentiale,
die bislang Staaten vorbehalten waren, wobei gerade
deren Verhalten sich der Vorhersehbarkeit weitge-
hend entzieht und jederzeit „strategische Schocker-
eignisse“ auslösen kann.
Auf geopolitischer Ebene ist festzustellen, dass ange-
sichts fehlender gemeinsamer Ordnungsvorstellun-
gen der großen Mächte USA, Russland, China und
EU sowie der fragilen globalen wirtschaftlichen
nach dem Wiener Kongress äußerst unsicher ist und
oder im Nahen Osten zu weiteren massiven Verwer-
fungen führen können, denen die EU mangels ver-
fügbarer kollektiver sicherheitspolitischer und mili-
tärischer Handlungsfähigkeit weitgehend passiv
gegenüber stünde.
Die Effektivität internationaler Organisationen und
Regime bleibt eingeschränkt, da deren Akzeptanz
aufgrund der zunehmenden Rivalität der Weltord-
nungsvorstellungen einzelner Mächte nur auf jene
Bereiche beschränkt ist, wo gemeinsame Interessen
Auf Ebene der Vereinten Nationen setzt sich der
Trend zu anspruchsvolleren, risikoreicheren Frie-
denseinsätzen und zur Implementierung robuste-
rer Mandate fort. Truppenstellende Nationen sind
daher zunehmend gefordert, den Vereinten Nationen
24 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016
für diese neuen Szenarien militärische Einheiten mit
verbessertem Schutz, höherer Mobilität und moder-
ner technologischer Ausrüstung zur Verfügung zu
stellen.
2.1.5 Die Rolle der NATO
Aktuell ist eine Veränderung der
strategischen Rolle der NATO
festzustellen. Lag in den letzten
zwei Jahrzehnten der Fokus auf Out-of-Area-Kri-
senmanagementeinsätzen unter teilweise drasti-
scher Reduzierung der Bedeutung des Artikels
5, steht eben diese Bündnisverteidigung nun im
der Agenda.
und vor dem Hintergrund der innenpolitischen Ent-
wicklungen der USA kann nicht als sicher angenom-
men werden, dass die NATO die militärische Sicher-
heit in der europäischen Nachbarschaft garantiert.
Es werden zwar Artikel-5-Aufgaben im Lichte der
Ukrainekrise zumindest auf der politischen Agenda
wieder stärker in den Vordergrund treten, eine nach-
haltige Stärkung von Verteidigungsanstrengungen
in den Bereichen Streitkräfteentwicklung, Disloka-
tion und Übungen ist aber vorerst nicht abzusehen.
Bislang war die NATO vor allem im südlichen Kri-
senbogen weitgehend absent. Dies könnte sich 2016
durch die Übernahme einer Unterstützungsmission
für die irakische Regierung im Kampf gegen den
„IS“ ändern. So wird die NATO auch 2016 zwischen
managementeinsätze und einer Rückwendung zur
Territorialverteidigung schwanken sowie versuchen,
dem Trend zur weiteren Reduzierung der nationa-
len Verteidigungsbudgets entgegenzusteuern. Das
Spannungsverhältnis konkurrierender Sicherheits-
bedürfnisse und Bedrohungsperzeptionen zwischen
2016 in Warschau bestimmen. Darüber hinaus sind
forcierte Bestrebungen seitens der Allianz erkenn-
bar, über das Thema „hybride Bedrohungen“ ver-
gewinnen.
2.1.6 EU-Entwicklung
TRENDBESCHREIBUNG
Den dargestellten globalen und
eurostrategischen Herausforderungen steht eine
Union gegenüber, die auf Sicht gesamthaft keine wei-
teren substantiellen Integrationsschritte vornehmen,
sondern eher danach trachten wird, den aktuellen
Integrationsbestand zu erhalten. Eine internationale
Marginalisierung der EU mit der Konsequenz dras-
fähigkeit des relevanten Umfelds kristallisiert sich
immer mehr heraus.
Auf Sicht scheint die Stabilität der relevanten EU-
Mitgliedsstaaten gegeben, sodass vorerst mit keinen
disruptiven Ereignissen in der EU selbst zu rechnen
ist. Es gibt in einigen EU-Staaten zwar erhebliche
Probleme in den Bereichen Wirtschaftsentwicklung,
Arbeitslosigkeit, politischer Extremismus, Rechts-
staatlichkeit, Umgang mit Flüchtlingen, Migration
und Integration sowie soziale Stabilität, aber insge-
samt können Wille und Leistungsfähigkeit Europas
derzeit noch so eingeschätzt werden, dass die aktuel-
len Herausforderungen zu bewältigen sind.
Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 25
TRENDSTABILITÄT UND
UNSICHERHEITEN
Von zentraler Bedeutung für die EU bleiben die
Überwindung der Folgen der Wirtschafts- und
Finanzkrise im Euroraum und zusätzlich die Bewäl-
tigung der Flüchtlingskrise. Zunehmend in den
Fokus gerät dabei die Leistungsfähigkeit Deutsch-
lands mit seiner bislang dominierenden Rolle als
politische und wirtschaftliche Macht. Bislang konnte
Deutschland gravierende Desintegrationsschritte
der EU verhindern und in außenpolitischen Krisen
wie jener um die Ukraine die Führung übernehmen.
Indikatoren zeigen allerdings an, dass es infolge der
multiplen Herausforderungen für die deutsche Poli-
tik zu einer Schwächung des politischen, sozialen
und wirtschaftlichen Systems Deutschlands kom-
men könnte. Hierin besteht auf Sicht das wohl größte
Risiko für Europa und damit auch für Österreich.
Eine derartige Entwicklung würde die politische,
wirtschaftliche und Führungskrise der EU drama-
tisch verschärfen.
Die bereits eingetretene Spaltung entlang der politi-
schen und auch ökonomischen Interessen der Mit-
gliedsstaaten dürfte zunehmen, was nicht nur zu
erheblichen Bruchlinien in Europa führen dürfte,
sondern auch massive Divergenzen im Umgang mit
externen Herausforderungen hervorbringen wird.
Denkbar ist allerdings, dass sich ein derzeit noch
schwacher Trend zu einer verstärkten Zusammen-
arbeit zwischen einzelnen EU-Mitgliedsstaaten mit
ähnlicher Interessens- und Wirtschaftslage in varia-
bler Zusammensetzung verstärken könnte. Offen ist
allerdings, ob sich daraus eine Kerngruppen-Forma-
tion entwickeln kann, die auch eine Vertiefung im
Bereich der Verteidigung anstrebt.
Eine weitere Ursache für eine Trendänderung könnte
ein sich allfällig abzeichnender Ausstieg des Verei-
nigten Königreichs aus der EU sein.
Auch in Bezug auf die innere Stabilität relevanter
EU-Mitgliedsstaaten müssen erhebliche Unsicher-
heiten im Auge behalten werden. Extremereignisse
wie ein zweiter Finanzkollaps, Terroranschläge, die
Nichtbewältigung der Migrationsfrage in Kombina-
tion mit politischem Extremismus, verstärkte Spill-
Over-Effekte der Krisen in der Ukraine sowie ins-
besondere aus der MENA-Region könnten rasch zu
einer substanziellen Lageverschlechterung führen.
2.1.7 Leistungsspektrum und
Ausrichtung der GSVP, EU-
Streitkräfteintegration und
Kooperationen
TRENDBESCHREIBUNG
Die EU kann ihr sicherheits- und verteidigungs-
politisches Potential weiterhin nicht vollumfäng-
wird im unteren bis mittleren Krisenmanagement
liegen, wobei das Militär im Rahmen des breit ange-
legten Krisenmanagementansatzes der EU auch wei-
terhin nur eine eingeschränkte Rolle zu übernehmen
hat. Obwohl die Ambition einer autonomen Vertei-
digung der EU auch weiterhin nicht auf der Agenda
steht, sind einzelne Ansätze bei den strategischen
Fähigkeiten, bei Hauptquartieren und in der Rüstung
in Richtung autonomer militärischer Fähigkeiten
erkennbar. Der Trend bei Krisenmanagementeinsät-
bis mittlere zivil-militärische Operationen maximal
26 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016
mittlerer Intensität bei zunehmender Bedeutung von
Unterstützungsmissionen für die Bereiche Wieder-
-
-
TRENDSTABILITÄT UND
UNSICHERHEITEN
Entwicklung rückt das Thema „Verteidigung“ wie-
der stärker in den Fokus europäischer Politik.
Die Frage ist nun, ob mit der erstmaligen Aktivie-
rung der „Beistandsklausel“ am 17. November 2015
durch Frankreich eine Trendwende eingetreten
ist. Die politische Motivation Frankreichs für die-
sen Schritt war es zunächst, eine breite Solidarität
und Unterstützung einzuholen. Die konkreten Bei-
träge werden bilateral unter Berücksichtigung der
Fähigkeiten und Interessen der Mitgliedsstaaten aus-
verhandelt. Neben direkter Unterstützung für den
Kampf gegen den „IS“ in Syrien und im Irak stehen
„Entlastungsbeiträge“ für das französische Engage-
ment in Afrika und in der Levante im Mittelpunkt
der Überlegung. Damit soll einerseits ein politi-
sches Signal an die Bürger in Frankreich und der EU
abgegeben werden, dass der Kampf gegen den „IS“
eine europäische Aufgabe ist und nicht primär eine
der NATO und dass Frankreich dabei nicht alleine
-
siert werden. Ob daraus schon eine Trendwende hin
zu einer nun eigenständigen Verteidigung Europas
abgeleitet werden kann, ist offen. Zudem besteht ein
erhebliches Risiko, dass eine folgenlose Aktivierung
der Beistandsklausel zu einem weiteren Vertrauens-
verlust in die EU führen könnte.
Der Trend zur Etablierung vielfältiger Kooperati-
onsprojekte wird vor allem aufgrund national limi-
tierter Ressourcen weitergehen. Allerdings wird es
bei den relevanten EU Mitgliedsstaaten keinen Ver-
zicht auf Kernfähigkeiten geben. Sie werden ihre
eigenständige nationale Handlungsfähigkeit erhalten
wollen, was insgesamt im europäischen Kontext den
Fortbestand strategischer Inkohärenz prolongiert.
Tatsächlich sind die gemeinsamen europäischen
Es werden nur etwa 15 Prozent der verfügbaren
Investitionsgelder in Form gemeinsamer europäi-
scher Projekte ausgegeben. In der Praxis dominie-
ren Kooperationsvorhaben, die aufgrund nationaler
limitierter Ressourcen und nationaler Interessens-
lagen angestoßen werden. Eine arbeitsteilige Vor-
gangsweise und ein Verzicht auf Kernfähigkei-
ten hat angesichts strategischer Inkohärenzen noch
nicht Platz gegriffen. Kooperationsbereitschaft ist
daher weiterhin eng an die Erhaltung möglichst
umfassender nationaler Handlungsfähigkeit gebun-
Staaten und weniger auf Ebene der EU-28 statt.
Also keine Europa-Armee sondern Bildung von
regionalen (z.B. Nordische Kooperation oder Vise-
-
port oder Cyber) Fähigkeitsclustern. Damit kön-
nen jedoch gesamteuropäische Fähigkeitslücken bei
strategischen Systemen wie z.B. Aufklärung oder
Drohnen nicht gänzlich geschlossen werden. Die
eingeschränkte eigenständige militärische Hand-
lungsfähigkeit der EU prolongiert auch die Abhän-
gigkeit von den USA. Am erfolgversprechendsten
bleiben Kooperationen zwischen EU-Staaten mit
ähnlicher sicherheitspolitischer Interessenslage und
vergleichbaren Militärkulturen.
Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 27
TRENDBESCHREIBUNG
integrierte Streitkräfte statt, selbst der Einsatz von
EU-Battlegroups zeichnet sich nicht ab. Übungen
und Ausbildung werden weiter in eingeschränktem
Rahmen und unter Rückgriff auf NATO-Standards
Trotz einstimmiger politischer Einsatzentscheidun-
gen ist die Aufbietung der erforderlichen Kräfte
weiterhin nur mit großem Aufwand möglich. Staa-
ten, die in den Einsatz gehen und die damit verbun-
bislang keinen Einsatz einer EU-Battlegroup gege-
ben hat. Trotz begrüßenswerter Ansätze in Rich-
tung systematischer gemeinsamer Streitkräfte-
planung sind auch weiterhin keine verbindlichen
gesamteuropäischen Planungsvorgaben zu erwar-
ten. Der Qualitätssprung von freiwilliger Koope-
ration zu gelenkter Integration bleibt daher im
Bereich der Verteidigung aus. Im Vordergrund wer-
den auch weiterhin „Pooling und Sharing“-Koope-
rationen zwischen gleichgesinnten Staaten und der
Ausbau regionaler zweckorientierter Kooperations-
formate stehen.
cher Einsa
g der er
t groß
n Ein
Bereich der Vertei
rhin „Pool
hgesinn
ntierte
Das Trendszenario 2016 weist im Vergleich zum
Trendszenario 2015 bei drei der hochrelevanten Fak-
sich der Trend der
und der
der EU. Hingegen zeigen die Indikatoren des Faktors
3. ZUSAMMENFASSUNG: Verschlechterung der sicherheitspolitischen Lage der EU
und Österreichs im Jahr 2016
Rolle Russland in Europa, dass eine weitere Steige-
rung des konfrontativen Verhältnisses zwischen Russ-
land und den EU wenig plausibel ist. Zunehmende
Aufmerksamkeit sollte auch der Faktor Beeinträchti-
gung der Stabilität in Europa genießen, dies vor allem
wegen der Migrationsströme, den Folgen der Wirt-
Gegenwartsraum
Erwartungsraum
LEISTUNGS-
FÄHIGE GSVP
IM DIENSTE
DER UN
2012
DESINTEGRATION
DER EU ERNEUERTE
TRANSATLANTISCHE
PARTNERSCHAFT
REGIONALE
MACHT EU IN
EINER MULTI-
POLAREN WELT
KERNEUROPA
IN EINEM
KONFLIKTIVEN
UMFELD
ZIVILMACHT
EUROPA
WELTORDNUNG
KONFRONTATIVKOOPERATIV
USA EUROPAS
HEGEMON
DARSTELLUNG DER SICHERHEITSPOLITISCHEN UMFELDSZENARIEN
AUS DER SICHT VON 2011
MARGINALISIERUNG
DER EU
EU HANDLUNGSFÄHIG
EU EINGESCHRÄNKT HANDLUNGSFÄHIG
päischen Nachbarschaft mit weitreichenden Auswirkungen auf die innere Sicherheit und die Resilienz
der EU und ihrer Mitgliedsstaaten – insbesondere durch Migration und Terrorismus. Aus den anhalten-
den zentrifugalen Kräften innerhalb der EU resultieren nach außen eine eingeschränkte Gestaltungsfä-
higkeit und eine schwindende Solidarität bei der Bewältigung von Herausforderungen im Inneren. Trotz
europaweiter Stabilisierung der Verteidigungsbudgets ist die EU auch weiterhin nicht in der Lage, ei-
genständig größere Operationen zur Wahrung vitaler Sicherheitsinteressen durchzuführen.
TREND-
SZENARIO
2015
TREND-
SZENARIO
2016
?
?
28 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016
schafts- und Finanzkrise sowie der damit einherge-
henden zunehmenden sozialen und politischen Polari-
sierung innerhalb der EU.
Zudem werden vor dem Hintergrund anhaltender
Konjunkturschwäche und eines erwartbaren nur mini-
-
len Ressourcen für die dringend notwendigen Stabi-
lisierungsmaßnahmen an der südlichen und östlichen
Peripherie der EU limitiert sein.
Somit steht die EU in noch dramatischerer Weise als
2015 vor dem Scheideweg, ob sie den aktuellen und
über die Migrationskrise noch verstärkten Trend in
Richtung Renationalisierung überwinden und auch im
Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik die
Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten hin zu einem
leistungsfähigen Kern auf den Weg bringen kann.
Die Bewertung der Anschläge von Paris am 13.
November 2015 sowie die „Aktivierung“ der EU-Bei-
-
selfaktor oder gar dem ganzen Szenario eine andere
Richtung gibt, fällt zurückhaltend aus. Das Ausmaß
der Anschläge – allenfalls auch noch folgende – liegt
-
konventionelle Kampfmittel zum Einsatz kommen
und keine Massenvernichtungswaffen. Die zentrale
Herausforderung liegt daher eher darin, die politische
und soziale Stabilität in den aktuellen und mögli-
chen weiteren Anschlagsländern aufrechtzuerhal-
ten wie auch darin, ein Mindestmaß an europäischer
dem EU-Vertrag, wenn sie über die Symbolik nicht
hinausgeht und keinerlei Impulse für Verteidigungsan-
strengungen setzt, die diesen Namen auch verdienen.
Das aus den dargestellten plausiblen Entwicklun-
gen der Schlüsselfaktoren abgeleitete Trendszena-
rio 2016 liegt somit noch in der generellen Richtung
-
trächtigen globalen Weltordnung“, wobei die sicher-
heitspolitische Funktions(un)fähigkeit der EU zum
entscheidenden Unsicherheitsfaktor wird. Mit einem
Trendbruch dergestalt, dass die EU an einer leistungs-
scheitert, müssten andere Zukunftsszenarien in den
Erwartungsraum miteingebunden werden und zur
werden. Diese wären davon gekennzeichnet, dass in
-
chenden negativen Folgen für die politische, wirt-
schaftliche und soziale Resilienz der EU. Im besten
Falle könnte die EU in diesem Fall mit einer erneuer-
ten atlantischen Allianz ihren Bedeutungsverlust par-
tiell kompensieren, was allerdings nur um den Preis
gesteigerter Abhängigkeiten erfolgen würde.
Vor dem Hintergrund dieses Trenszenarios 2016 erge-
ben sich für die österreichische Sicherheits- und Ver-
teidigungspolitik in den unterschiedlichen Dimensio-
nen folgende Handlungsstränge:
• Stärkung der Resilienz,
• Weiterentwicklung der Verteidigungsplanungen,
•
Kooperationen sowie das
• Erfordernis von vermehrten und robusteren Bei-
trägen zur Umfeldstabilisierung.
Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 29
STÄRKUNG DER RESILIENZ ÖSTERREICHS
Angesichts der multiplen Krisen, mit denen die EU
und ihre Mitgliedsstaaten konfrontiert sind, stellt
sich immer mehr die Frage nach der Resilienz einzel-
-
enz kann ganz allgemein verstanden werden als die
Fähigkeit, mit– vorhergesehen bzw. unvorhergesehen
– Ereignissen umgehen zu können. Diese Fähigkeit
ist in einem sich grundlegend und dynamisch wan-
delnden Sicherheitsumfeld für einen Staat, seine Leis-
tungsfähigkeit und damit langfristig auch für seine
Legitimation gegenüber den Bürgerinnen und Bür-
gern von entscheidender Bedeutung. Die Resilienz
setzt sich aus zwei Elementen zusammen: Robust-
heit als Fähigkeit, erwartete Ereignisse zu bewältigen,
und Agilität als Lern- und Entwicklungsfähigkeit im
Umgang mit unerwarteten Ereignissen.
Resilienz geht somit auch einher mit der Strategiefä-
higkeit von Staaten, also mit der Fähigkeit, Herausfor-
derungen, Risiken und Bedrohungen so früh als mög-
lich zu erkennen sowie hinsichtlich ihrer Relevanz für
den eigenen Staat zu analysieren, zeitgerecht kohä-
rente und wo erforderlich gesamtstaatliche Strategie-
optionen für die Staatsführung zu entwickeln und
nach einer politischen Entscheidung deren Umset-
zung zu begleiten. Der Umgang mit den Krisen der
letzten Jahre, mit denen Österreich konfrontiert war,
legt den Schluss nahe, dass hier ein gesamtstaatliches
-
rung in der ÖSS und in den letzten Regierungspro-
grammen konnten bislang keine adäquaten leistungs-
fähigen Strukturen zur strategischen Vorausschau und
Entwicklung von gesamtstaatlichen Handlungsopti-
onen im Rahmen eines gesamtstaatlichen Lagezent-
rums geschaffen werden. Österreich mangelt es somit
– und das ist auf Sicht eines der essentiellsten Sicher-
wesentlichen Voraussetzungen seiner Strategiefähig-
keit. Zu den prioritären sicherheitspolitischen Aufga-
benstellungen 2016 zählt somit die Einrichtung eines
gesamtstaatlichen Lagezentrums.
WEITERENTWICKLUNG DER
VERTEIDGUNGSPLANUNGEN
Die aktuellen Entwicklungen in Osteuropa, im Nahen
Osten, in Nordafrika aber auch in Europa erfordern
keine grundlegenden Veränderungen in der strategi-
schen Ausrichtung. Vielmehr wird die Richtigkeit und
Notwendigkeit der konsequenten Ausrichtung auf die
einsatzwahrscheinlichen Aufgaben, wie sie im Struk-
turpaket „ÖBH 2018“ ausgeplant wurden, grundsätz-
lich bestätigt.
So ist weiterhin von keinem gesteigerten konventio-
nellen militärischen Risiko für Österreich auszugehen.
Aktualisiert hat sich die Annahme, dass in naher
Zukunft Einsätze des ÖBH zur Landesverteidigung
für die Abwehr asymmetrischer Angriffe notwendig
werden können.
Insbesondere nach den Anschlägen von Paris ste-
hen der Schutz der Bevölkerung, ihrer Lebensgrund-
lagen und die Sicherung der Funktionsfähigkeit des
Staates im Vordergrund. Zur Aufrechterhaltung der
Resilienz sind die Fähigkeiten des ÖBH konsequent
weiterzuentwickeln. Dies umfasst insbesondere die
Bereiche Führungsfähigkeit, Aufklärung, Mobilität zu
Land und in der Luft sowie die Spezialeinsatzkräfte.
Der raschen Reaktionsfähigkeit und der personellen
30 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016
Durchhaltefähigkeit auch über einen längeren Zeit-
raum kommt eine gestiegene Bedeutung zu.
-
paweiten Entwicklung zu folgen, wieder in Streitkräfte
zu investieren und damit die Einsatzbereitschaft zu erhö-
hen und an die neuen Herausforderungen anzupassen.
FESTHALTEN AM AUSBAU DER GSVP UND
INTENSIVIERUNG VON KOOPERATIONEN
Wegen schwieriger allgemeiner Rahmenbedingungen in
-
-
men. Daher ist es aus österreichischer Sicht umso wichti-
ger, dass die aktuellen Handlungsstränge – insbesondere
die laufenden Krisenmanagementeinsätze, die Erstel-
lung einer neuen Europäischen Sicherheitsstrategie und
die Unterstützungsleistungen für Frankreich in Folge der
Aktivierung der Beistandsklausel in Richtung einer effek-
tiven und ambitionierten europäischen Verteidigungspo-
litik – erfolgreich weitergeführt werden. Österreich muss
sich im Sinne der eigenen Interessenslage weiterhin in
angemessener Form einbringen. Das erfordert v. a. die
Fortsetzung der militärischen Krisenmanagement-Bei-
träge auf hohem Niveau und den Ausbau der Kooperati-
onen mit gleichgesinnten EU-Staaten sowie einen sicht-
baren Solidarbeitrag gegenüber Frankreich. Im Rahmen
der Erarbeitung der neuen Europäischen Sicherheitsstra-
tegie wird insbesondere auf die Bedeutung der Verteidi-
gungsdimension, auf eine kohärente gemeinsame Bedro-
hungseinschätzung und auf konzeptive Vorgaben für
-
wirken sein. Das strategische Kooperationsportfolio des
ÖBH wäre mit Vorrang zu implementieren.
ERFORDERNIS VON VERMEHRTEN UND
ROBUSTEREN BEITRÄGEN DES ÖBH ZUR
UMFELDSTABILISIERUNG
-
zen wird sich weiter in Richtung erhöhter militärischer
Leistungsfähigkeit verändern. Diese Tendenz hat der
Dies resultiert insbesondere aus den umfassenderen
Mandaten, die zunehmend auch den Schutz der Zivil-
bevölkerung gegenüber bewaffneten Milizen und Ter-
roristen beinhalten und aus den steigenden asymme-
Relevanz sind dabei die Einsätze im Nahen Osten, in
Nordafrika und in Subsahel-Afrika. Militärisch bedeu-
tet dies, dass internationale Einsätze robuster und
anspruchsvoller werden, was u. a. erhöhte Anforde-
rungen an Truppenschutz, Mobilität und Aufklärungs-
fähigkeit zur Folge hat.
Nachbarschaft erfordern einen vermehrten Stabilisie-
rungsbedarf. Es wäre daher zu prüfen, inwieweit sich
das ÖBH im Rahmen eines gesamtstaatlichen zivil-
militärischen Ansatzes mit zusätzlichen Kräften und
Mitteln an UN-mandatieren Friedensmissionen betei-
ligen soll und den Forderungen zunehmend robuster
und anspruchsvollerer Missionen verbessert gerecht
werden kann.
Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 31
GLOBALES UMFELD 2016
Die sicherheitspolitische Situation in Europa ist durch
neue Herausforderungen, Risiken und Bedrohungen be-
stimmt. Diese sind komplexer, stärker miteinander ver-
netzt und weniger vorhersehbar als bisher. Sie betreffen
die innere und äußere Sicherheit. Im Zeitalter der
Globalisierung können dabei regionale Ereignisse globa-
le Auswirkungen haben.
(Vgl. Österreichische Sicherheitsstrategie, S. 4)
Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 33
GLOBALE SICHERHEITS-
TRENDS 2016
Richard Weitz
Die Legitimation und die Effektivität von internatio-
nalen Institutionen – von globalen wie den Verein-
ten Nationen bis zu regionalen wie der NATO und
der EU – werden auch weiterhin durch das Ausmaß
und die Intensität von globalen Krisen bedroht. So-
wohl für Russland als auch für China im Rahmen
seiner maritimen Streitigkeiten oder für die Terror-
miliz „Islamischer Staat“ mit ihrer Mischung aus ter-
roristischen, aufrührerischen und konventionellen
Taktiken, bleibt die Anwendung hybrider asymmetri-
scher Methoden der Kriegsführung populär. Fortge-
Europa
Europa wird 2016 seinen Fokus wahrscheinlich auf die
Flüchtlingskrise legen. Laut Prognose der VN sollen in
den nächsten zwei Jahren über 1,4 Millionen Migrantin-
nen und Migranten Europa erreichen. Die Aussichten,
setzte Cyber-Angriffe werden insbesondere wegen
schwieriger verlässlicher Zuordnungen Anlass zu
Spannungen zwischen den globalen Mächten
führen.
34 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016
-
über Moskau, insbesondere da die NATO-Führung im
wenn nicht gar einheitlich – der Meinung ist, dass sich
Russland und die NATO in Konkurrenz zueinander
-
der gibt. Infolgedessen ordnet die NATO ihre in Eu-
-
dernisierung ihrer Nuklearkräfte und Nukleardoktrin.
Russland wird eine autoritäre und revisionistische
Macht unter strikter Kontrolle von Wladimir Putin
-
on in der Ukraine und in Syrien könnte die Kooperati-
on zwischen Russland und dem Westen bei vielen
Themen, vom islamistischen Terrorismus und regiona-
-
tik gegenüber China, weiter behindern. Der Absturz
des russischen Rubels und die Schwächung der russi-
schen Wirtschaft wird Moskaus Aktivitäten in Zu-
mehr Selbstsicherheit, zu Einschränkungen oder zu ei-
ner Kombination von beidem führen wird, ist unklar.
Der Zeitplan für die Aufhebung der Sanktionen hängt
größtenteils davon ab, wie lang es benötigt, das unkla-
re Minsk II-Abkommen umzusetzen. Prinzipiell dürf-
ten die Sanktionen wegen der Annexion der Krim
noch mehrere Jahre aufrecht bleiben.
Naher und Mittlerer Osten
-
den auch 2016 mit nur geringer Aussicht auf eine Lö-
sung fortbestehen. Die angespannten Beziehungen
zwischen dem Iran und Saudi-Arabien haben sich ver-
schlechtert, seit beide Parteien die jeweils gegneri-
schen Kräfte in den Bürgerkriegen im Jemen und in
Einkommens- und Vermögensungleichheit – abgemil-
dert werden, sind gering. Dadurch ergeben sich Auswir-
kungen auf die europäische Sicherheit in den Bereichen
• Ökonomische Aufwendungen zur Unterstützung
der Flüchtlinge,
• Anstieg des islamischen Radikalismus,
•
und
•
wie darauf zu reagieren sei.
Langfristig wird die alternde Bevölkerung des Konti-
Kurzfristig besteht jedoch die Wahrscheinlichkeit höhe-
rer Arbeitslosenraten. Arbeitskräfte in unterschiedlichen
-
könnten das allgemeine Lohnniveau drücken.
Die Zunahme des islamischen Radikalismus inmitten des
Exodus von Hunderttausenden Flüchtlingen aus islami-
schen Ländern bereitet Sorgen. Die Lösung der Wirt-
schaftskrise stellt eine weitere Herausforderung dar, die
Sparmaßnahmen könnten aufgrund der Flüchtlingskrise
untergraben werden.
Um die Herausforderungen des Jahres 2016 zu bewälti-
gen, insbesondere die Flüchtlingskrise, braucht die EU
auch eine verstärkte Kooperation mit den Balkanstaaten
(Serbien und Mazedonien) wie auch mit der Türkei.
Russland
Der Krieg in der Ukraine, in dem Moskau die Krim be-
setzte, führte zu einer Aushöhlung der doktrinären
Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 35
Syrien unterstützt haben. Präsident Hassan Rohanis
Hoffnung auf eine Entspannung mit der saudischen
Regierung wird sich angesichts der aggressiven anti-
iranische Stimmung in Riad wahrscheinlich nicht er-
füllen. Unterdessen werden sich die russisch-irani-
schen Beziehungen durch die Zusammenarbeit im Fall
Syriens vertiefen. Der Wahlsieg Benjamin Netanyahus
wird einen weiteren Fortschritt in den israelisch-paläs-
tinensischen Friedensgesprächen erschweren.
Ostasien
Die Annäherungen zwischen Russland und China
werden enger, obwohl die Schwäche der russischen
und chinesischen Wirtschaft ihr Potential begrenzt.
Pekings aggressive Haltung im Südchinesischen Meer
hat jenes Wohlwollen beeinträchtigt, das sich Peking
in den letzten Jahrzehnten von seinen maritimen
Nachbarn und den Vereinigten Staaten erworben hat.
Pekings Cyber-Spionage hat sowohl die USA als auch
ausländische Unternehmen, die traditionellerweise die
globale Einbeziehung Chinas unterstützt haben, verär-
gert. Die betroffenen Staaten haben bereits reagiert
und ihre militärischen Verbindungen untereinander
und mit Washington gestärkt. Im nächsten Jahr wird
insbesondere Japan seine Rolle für die Sicherheit Asi-
ens entsprechend seinem Potential ausbauen.
Afrika
Die größte Bedrohung innerhalb Afrikas geht von ext-
-
ter sind Boko Haram (hauptsächlich in Nigeria und
Kamerun) und Al-Shabaab (vorwiegend in Kenia und
Somalia). Während Boko Haram dem „Islamischen
Staat“ die Treue geschworen hat, bleibt Al-Shabaab lo-
yal gegenüber Al-Kaida. Beide werden jedoch ähnliche
Taktiken einschließlich Angriffe auf belebte Busstatio-
nen, heilige Stätten und Märkte anwenden.
Afrika leidet unter sehr schwachen Institutionen, sehr
schwachen demokratischen Regierungen und geringen
öffentlichen Investitionen, was zu Verwundbarkeit ge-
genüber gewalttätigen Akteuren, Pandemien und an-
deren Destabilisierungen führt.
Vereinigte Staaten von Amerika
Die US-Präsidentschaftswahlen könnten wegen ihres
Effekts auf die US-Außenpolitik (mögliche Beendi-
gung der schwachen US-Führungsrolle in verschiede-
nen Regionen) gravierende Auswirkungen haben. Dies
könnte die Verhandlungen zum internationalen Han-
den Zustand des Dollars und andere kritische globale
Themen betreffen. Nachdem Präsident Barack Obama
seine Wählerschaft nicht mehr besänftigen muss und
ein positives Vermächtnis hinterlassen möchte, könnte
er sich mutig in verschiedene Richtungen betätigen.
36 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016
KERNPUNKTE
• Europas Fokus wird 2016 die Flüchtlingskrise
bleiben.
• Kurzfristig könnten durch die Migration nach Euro-
pa die Löhne aufgrund des Angebots an billigen Ar-
beitskräften sinken, langfristig wird die alternde
Bevölkerung wirtschaftlich unterstützt.
• Mehrheitsmeinung in der NATO-Führung ist, dass
Russland und die NATO in Konkurrenz zueinander
stehen und die Möglichkeiten der Kooperation be-
grenzt sind.
•
2016 weiter anhalten, mit geringer Aussicht auf
Lösung.
• Die Russland-China-Achse wird sich leicht stärken,
obwohl das schwache Wachstum in beiden Wirt-
schaften das Potential begrenzt.
• Die größte Sicherheitsbedrohung in Afrika geht von
islamistischen Extremistengruppen wie Boko Ha-
ram und Al-Shabaab aus.
KEY NOTES
• Europe’s focus in 2016 will remain on the refugee
crisis.
• In the short term, wages might fall due to the gro-
wing availability of cheap labour; in the long term,
the continent’s aging population will be helped
economically.
• The view of most NATO leaders is that Russia and
NATO are in a competitive relationship in which co-
operation is limited.
•
through 2016, with little prospect of resolution.
• The Russia-China axis will tighten slightly, although
weakening growth in both economies will limit its
potential.
• The greatest security threat in Africa comes
from Islamic extremist groups: Boko Haram and
Al-Shabaab.
NK
oku
nten
rund
angfris
unterst
hrung ist, dass
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ng po
ly.
The view of
gskrise
ch Euro-
en Ar-
e
KEY NOTE
• Europe’
crisis
• In t
w
Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 37
GLOBALE MACHT-
POLITISCHE
ENTWICKLUNGEN 2016
Nicolas Stockhammer
Geotektonische Bruchliniendynamik
Massive geotektonische Plattenverschiebungen hat-
ten das Aufreißen alter Bruchlinien zur Folge, was weit
Globale Machtpolitik im Jahr 2016 ist als Konse-
quenz gleichsam tektonischer Kräfteverschiebun-
gen im geopolitischen Machtgefüge zu verstehen.
geprägt sein, die aus der multipolaren Neuordnung
von Machtpotentialen und damit verbundenen Aus-
strahlungen resultierten. Europa kann sich durch
entschlossenes Agieren einen Platz im Quartett der
Großmächte sichern – oder in die geopolitische Be-
deutungslosigkeit zurückfallen.
38 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016
reichende ordnungspolitische Konsequenzen insbe-
sondere für das kommende Jahr nach sich zieht. Das
machtpolitische Vakuum im Anschluss an den „Uni-
polar moment“ (Krauthammer) hat sukzessive zu einer
hochgradigen Instabilität an den Rändern und zu einer
-
zeit grassierenden Wettbewerb um die globale Domi-
Machtpositionen und unterschiedlichen Ressour-
cen. Allen voran werfen die um Machtkonsolidierung
bemühten Vereinigten Staaten und auch ein aufstre-
-
schale. Dennoch sind die postimperialen Ambitionen
Russlands nicht gering zu schätzen, und ebenso ist EU-
Europa, zumindest von seinen grundsätzlichen Disposi-
tionen her, immer als ein potentiell bestimmender Fak-
tor auf dem weltpolitischen Schachbrett zu sehen.
Das Jahr 2016 wird mit hoher Wahrscheinlichkeit von
in einer Neugewichtung der Machtpotentiale äußern
wird. Vorwiegend steht zu erwarten, dass das Verhältnis
zwischen den maßgeblichen Machtakteuren von mani-
fester Konkurrenz geprägt sein wird und zudem hieraus
-
ride „Proxywars“ in der instabilen Peripherie ausgetra-
gen werden. Als Stakeholder sind in diesem Kontext die
Türkei, der Iran, Saudi-Arabien, Israel und nicht zuletzt
Ägypten bzw. die Ukraine als geostrategisch relevante
„Spots of interest“ zu nennen.
Die künstlich gezogenen Sykes-Picot-Linien etwa haben
sich gerade in Syrien als unzureichend, unbeständig
und fragil erwiesen, ebenso ist das ukrainische „Heart-
land“ (Mackinder), dessen Osten als eine Art russisches
Faustpfand im Zuge der geopolitischen Neuordnung
nach dem Zerfall der Sowjetunion zu begreifen ist, wei-
terhin hochgradig instabil. Hierbei spielen teils latente,
teils offenkundige Einkreisungsobsessionen (in China
und Russland) im Widerspiel mit Niedergangsängsten
(in den USA und Europa) eine Rolle. Brüche vollzie-
hen sich zudem auf einer psychologischen Ebene, wobei
ein Auseinanderdriften simultan alten und neuen Kon-
lässt und auch eine fortschreitende sicherheitspolitische
Fragmentierung beschleunigt. Vorherrschendes geostra-
tegisches Prinzip wird 2016 sehr wahrscheinlich eine
globale Interdependenz bleiben, in deren Lichte sich
multivektorielle Machtprojektionen entwickeln werden.
Die bevorstehenden US-Präsidentschaftswahlen im
Herbst 2016 dürften eine graduelle Verlangsamung im
Wettbewerb um eine globale machtpolitische Vorherr-
schaft nach sich ziehen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit
-
halten und weiterhin Disengagement an der europäi-
schen Peripherie praktizieren. Die USA werden ganz
generell allem Anschein nach ihr Committment in Räu-
men (d. h. insb. in Krisenregionen) zurückschrauben,
wo sich keine unmittelbaren ökonomischen US-Inte-
ressen bzw. politische Spin-Offs oder Kollateralambi-
der Ökonomie („Moneyball America“– vgl. Bremmer)
verheißt eine Außenpolitik unter dem konsequenten
Europa kann sich im politischen Schlüsseljahr 2016
angesichts „bedrängender Herausforderungen“ (Mig-
rations- und Finanzkrise, transnationaler Terrorismus),
wie Herfried Münkler in seinem Beitrag treffend fest-
stellt, den „geopolitischen Tatsachen“ stellen – oder
sich vollends aus der ihm gebührenden, ordnungspoli-
tischen souveränen Selbstbestimmung herausnehmen.
Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 39
Letzteres hätte weit reichende negative Konsequenzen
für den Weiterbestand der EU als Institution.
Institutionell wird 2016 vor allem die OSZE unter deut-
spielen. Die NATO dürfte weiterhin versuchen, ihr Pro-
der Auseinandersetzung mit Russland zu schärfen.
Geoökonomik
Natürliche (tellurische) Ressourcen sind ein knappes
-
-
positionen begriffen werden muss. Der Besitz von Res-
sourcen kann wesentliche kompetitive Vorteile mit sich
bringen, gerade was die Herausbildung von Schlüssel-
technologien betrifft. Es steht daher für 2016 auch wei-
terhin zu befürchten, dass die global rohstoffreichsten
Regionen immer heißer umkämpft sein werden. Ebenso
Patente oder Ideen) der Faktor „Humanressource“ auch
in Hinblick auf dessen Verfügbarkeit mitzudenken, der
zusehends eine nicht zu unterschätzende sicherheitspo-
litische Rolle zu spielen scheint. Im Kampf um die glo-
bale Vorherrschaft ist der Kontrolle von Strömen (etwa
von Kapital oder Daten) ebenso wie der Verfügungs-
macht über den Weltraum enorme Bedeutung beizu-
messen. Als geoökonomisch essenziell ist zudem der
weitere Verlauf der Verhandlungen rund um das Trans-
atlantische Freihandelsabkommen (TTIP) zu betrach-
ten, dessen erfolgreicher Abschluss nachhaltige geopoli-
tische Veränderungen nach sich ziehen würde.
Auch 2016 stagniert die Weltwirtschaft wahrschein-
lich, regional jeweils unter anderen Vorzeichen, im Kri-
senmodus. Selbst dort, wo Wachstum indiziert wird,
etwa in China, ist mit strukturellen Problemen (Finanz-
marktkrise) zu kämpfen. Für das Jahr 2016 ist daher
eine weitere geoökonomische Zuspitzung zu erwar-
ten, mit ebenso weit reichenden Auswirkungen auf das
Geokultur
Die größte geokulturelle Herausforderung im kommen-
den Jahr wird höchstwahrscheinlich die europäische
Migrationskrise bleiben, die womöglich noch eine weit
reichende Ausstrahlung auf weitere Räume und Poli-
tikbereiche erlangen wird. Nicht nur wird es gemein-
schaftlicher Anstrengungen bedürfen, den geballten
Flüchtlingszustrom zu kontrollieren bzw. aufzuteilen,
auch wird die Integration der Asylwerber Finanzetats
von EU-Mitgliedsstaaten belasten und das soziokultu-
alten globalen Machtzentren kann eventuell durch kon-
trollierte Zuwanderung teilweise ausgeglichen werden.
Im geokulturellen Bereich „Religion und Ideologien“ ist
2016 mit einem weiteren Aufkeimen religiöser Differen-
zen wie etwa dem innerislamischen Antagonismus (Iran
vs. Saudi-Arabien) ebenso wie mit einer Hinwendung
zu neuen ideologischen Narrativen zu rechnen, die geo-
politisch prägend sein werden. Was Medialität und Pub-
lizität betrifft, wird der Kampf um die Aufmerksamkeit
machtpolitischer Deutungshoheit haben.
Konklusion
Insgesamt wird 2016 machtpolitisch weiterhin unter
den Auspizien einer Neuausrichtung der Weltordnung
stehen. Dauerhafte Machtansprüche bedürfen zu einer
nachhaltigen Realisierung freilich einer weit reichenden
Legitimierung, die nur längerfristig zu begründen ist.
40 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016
KERNPUNKTE
• Das Jahr 2016 wird von einer multipolaren Mächte-
konkurrenz geprägt sein, die sich in einer Neujus-
tierung bzw. Rebalancierung der jeweiligen Macht-
potentiale äußern wird.
• Die USA werden auch 2016 ihre Außen- und Si-
cherheitspolitik unter dem Primat der Ökonomie
und geleitet von einschlägigen Nutzenerwägungen
betreiben.
• 2016 wird angesichts der großen Herausforderun-
gen wahrscheinlich ein politisches Schlüsseljahr
für die EU sein.
• Vor dem Hintergrund einer anhaltenden Stagnation
der Weltwirtschaft ist für das Jahr 2016 eine weite-
re geoökonomische Zuspitzung zu erwarten.
• Die größte geokulturelle Herausforderung im kom-
menden Jahr wird höchstwahrscheinlich die euro-
päische Migrationskrise bleiben.
Darum ist auch kurzfristig mit hybriden Ausdrucksfor-
men einer wertebasierten Politik und einer überwiegend
interessengeleiteten Realpolitik in den Internationalen
Beziehungen zu rechnen. In der Zwischenzeit gilt es für
die als globale Ordnungsmächte in Frage kommenden
Akteure, insbesondere für ein selbstbewusstes Europa,
sich übergreifenden politischen Herausforderungen zu
stellen, Krisen zu managen und sich neuen, unabänder-
kommenden Jahr werden jedenfalls, so ist zu erwarten,
grundlegende Akzente hierfür gesetzt.
KEY NOTES
• 2016 will be characterized by a multi-polar compe-
tition of powers that will manifest itself by an ad-
justment or rebalancing of the respective power
potentials.
• US foreign and security policy will continue to be
dictated by the primacy of the economy and guided
• Considering the great challenges, 2016 is likely to
become a political key year for the EU.
• Against the background of a persistent stagnation
of the world economy, a further geo-economic in-
• The European migration crisis will most likely re-
main the biggest geo-cultural challenge in the up-
coming year.
Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 41
Wachsende Russland-China Kooperation
Die Krise in den russischen Beziehungen zum Westen
zeigt, dass Moskau bereit ist, seine wirtschaftlichen Inte-
ressen und seine Zusammenarbeit im Bereich der inter-
nationalen Sicherheit (zumindest temporär) für politi-
sche, geopolitische und ideologische Ziele zu opfern.
Russland ist zunehmend fester entschlossen, jegliche
es im Nahen Osten, in der Ukraine oder anderswo ent-
Die wachsende Zusammenarbeit mit China stärkt Mos-
kaus Vertrauen in der Konfrontation mit dem Westen.
Die durch die USA verhängten Sanktionen gegen Putins
Russland haben dieses zu einem „Pivot“ in Richtung
GLOBALE ENTWICKLUNGEN
2016
Mathew Burrows
Der Nahe Osten wird die größte Ursache für globale
-
sehbarer Zukunft wahrscheinlich noch weiter aus-
breiten wird. Die meisten Bürgerkriege dauern
sind viel gefährlicher als die meisten Bürgerkriege,
da sie das Potential haben, die gesamte Region zu
erfassen und die globalen Mächte gegeneinander
auszuspielen. Das jüngste Eingreifen Russlands in
Syrien garantiert, dass Baschar al-Assad nicht so
-
len Versuchen zur diplomatischen Lösung des
42 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016
Osten gedrängt – insbesondere in Richtung China, das
wiederum seinen eigenen eurasischen „Pivot“ in Rich-
tung Westen vollzogen hat. Russlands langfristige Ener-
giezukunft liegt in Asien. Anstatt eines Rivalen gewinnt
China einen wertvollen Partner zur Stabilisierung und
Modernisierung Eurasiens, in dem China zunehmend
seine wirtschaftliche Zukunft und nicht mehr sein Hin-
terland sieht. Zusammen streben Moskau und Peking,
entsprechend der Vision Mackinders, nach der Verwirk-
lichung eines Eurasischen Kernlandes.
Kein frühes Ende der Migrationskrise
Sowohl für die Flüchtlingskrise, die ihre Wurzeln in den
für die anhaltende Instabilität auf dem Balkan wird es
keine kurzfristigen Lösungen geben. Die Anzahl der
Vertriebenen steigt mit der zunehmenden Intensität der
Tag vertrieben, diese Zahl stieg jetzt auf 42.000 oder
mehr Personen pro Tag. Langfristig könnte die zuneh-
und der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter ein Segen
für Europa sein. Kurzfristig werden die EU-Diskussi-
onen zur Verteilung der rasch steigenden Last zu einer
Verschärfung der innereuropäischen Spannungen zwi-
schen Ost und West sowie Süd und Nord führen.
Vor dem Hintergrund derart großer Migrationsströme
wie die Türkei, Jordanien, Marokko und Algerien erhö-
Europa reduzieren. Tatsächlich sind jedoch auch diese
Staaten übermäßig belastet. Wachsende Spannungen
zwischen Türken und Kurden könnten Kurden dazu
drängen, die Türkei zu verlassen, und somit zusätzliches
Flüchtlingsleid am Balkan und in Europa hervorrufen.
Der einzige Lichtblick in der Ausweitung des Nah-
-
sche Lösung angestoßen werden könnte. Die Europäer
könnten durch die Initiierung eines Friedensprozesses
politische Führungsqualität demonstrieren – wie dies
Fall war. Mitte 2016 könnte Russland nach Möglichkei-
hierfür würden die steigenden Kosten, die sich verstär-
kende Rezession sowie der wachsende Wunsch nach
Aufhebung der EU-Sanktionen sein. Vor dem Hinter-
grund der Beschäftigung mit der nächsten Präsident-
schaftswahl dürfte es für die USA jedoch kaum mög-
widmen.
Getrübte Aussichten für die
Weltwirtschaft
Eine harte ökonomische Landung in China – deren
Wahrscheinlichkeit trotz der gegenwärtigen Verlangsa-
mung unter 50 % liegt – würde die Aussichten für die
Drittwelt-Staaten, die wesentlich von der Dynamik der
chinesischen Wirtschaft abhängen, weiter trüben. Eine
globale Rezession kann unter diesen Umständen nicht
ausgeschlossen werden. In einem derartigen Szenario
würden die weltweiten Energiepreise auf ein historisches
Tief fallen und die Energieproduzenten im Nahen Osten
und in Russland weiter unter Druck geraten. Somit
wären Saudi-Arabien und Russland weniger in der Lage,
Durch ein mittel- bis langfristig dramatisch geringe-
res Wachstum könnte Chinas Präsident Xi dazu veran-
lasst werden, groß angelegte ökonomische Reformen
umzusetzen. Dies könnte Chinas langfristige wirtschaft-
Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 43
liche Perspektiven drastisch verbessern und die Wahr-
scheinlichkeit, dass China in der Falle mittlerer Einkom-
men stecken bleibt, verringern. Durch ein dramatisch
geringeres Wachstum könnte aber das Risiko eines poli-
Aggression gegen seine asiatischen maritimen Nachbarn
steigen.
Beschäftigte USA im Jahr 2016
Während es noch zu früh ist, vorherzusagen, wer die
US-Präsidentschaftswahlen gewinnt, gibt es die verbrei-
tete Meinung, dass die USA unter Obamas Führung zu
schwach in der Welt auftraten. Die meisten Kandida-
ten versprechen mehr Härte, insbesondere gegenüber
Russland und China. Ich befürchte, dass der neue Prä-
sident – sei er Demokrat oder Republikaner – übertrie-
ben aggressiv sein könnte und die US-Verbündeten in
Europa und Asien dazu zwingen könnte, sich zwischen
den USA oder Moskau und Peking zu entscheiden.
Am wichtigsten für die USA bleibt jedoch die Wirt-
schaft. Trotz geringerer Arbeitslosenrate ist die
Erwerbsquote, gerade bei älteren Männern, rapide
gesunken. Die mittleren Einkommen stagnieren weiter.
Wie andere entwickelte Volkswirtschaften altern auch
die USA, womit sich ein geringerer Anteil der Bevölke-
der Teil des nationalen Budgets für Leistungsansprü-
che verwendet wird, bleibt weniger für Verteidigung
und zivile Programme. Eine nationale Ausnahmesitu-
ation – wie nach 9/11 – könnte zu einer Erhöhung der
Verteidigungsausgaben führen. Ohne eine derartige
große Bedrohung werden die USA die budgetären Kon-
sequenzen jeder kostspieligen Militäroperation abwä-
gen müssen – trotz der aggressiven Töne während des
Wahlkampfes.
KERNPUNKTE
•
sehbarer Zukunft wahrscheinlich noch ausweiten.
• Die wachsende Zusammenarbeit mit China gibt Moskau mehr Vertrauen, den Westen zu konfrontieren.
•
• Das größte Thema für die USA wird die Wirtschaft bleiben. Die USA werden zunehmend die budgetären Konse-
quenzen größerer Militäroperation abwägen müssen.
KEY NOTES
•
foreseeable future.
•
• There will be no quick solution to the refugee-crisis which has its root-causes in the Middle East and in Africa.
• The economy is going to remain the biggest issue for the US. There will be an increasing need to weigh the
budgetary consequences of larger military operations.
44 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016
WELTORDNUNG 2016
Die neue Unordnung der Welt und die Konsequenzen für
Europa
Ulrich Menzel
Die Welt wird unregierbarer. Dieser seit Jahren zu
konstatierende Trend ist 2015 manifest geworden.
Die Stichworte lauten: Ukrainekrieg, Griechenland-
krise, Krieg und Staatszerfall im Irak und in Syrien,
Scheitern der militärischen Interventionen, Ausbrei-
tung terroristischer Organisationen, die Staatlichkeit
Schleusung als neues Geschäftsfeld des organisier-
ten Verbrechens, Restauration des sowjetischen
und Krise der EU.
Ein Problem verdrängt das andere, ohne dass nur eines
gelöst ist. Es ist sicher, dass diese Themen im Jahre 2016
weiter auf der Agenda stehen, mit der Konsequenz, dass
die bestehenden Institutionen überfordert und die USA
nicht mehr bereit sind, allein die Lasten zu tragen. Ob-
wohl Europa mehr Verantwortung übernehmen muss,
wird sich der Trend zur Selbsthilfe statt des Vertrauens
in die EU verstärken und Deutschland in die ungewollte
Rolle des Eurohegemons drängen.
Ursachen der neuen Unregierbarkeit
Während der Bedarf nach Weltordnung wächst, schwin-
det zugleich die Fähigkeit, diesen Bedarf zu bedienen.
Verantwortlich für das düstere Szenario wachsender Un-
regierbarkeit sind langfristige Trends, die keinen linea-
ren, sondern einen exponentiellen Verlauf nehmen, bis
Kipppunkte erreicht werden, an denen die ökologischen,
sozialen, wirtschaftlichen, politischen und administrati-
ven Systeme kollabieren.
Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 45
Wesentliche Ursache für die neue Unregierbarkeit ist pa-
radoxerweise, dass „Entwicklung“ in großen Teilen der
-
ländern unvermindert fortschreitet. Daraus resultieren
werdende Ressourcen und neue Formen des Kolonialis-
mus wie z.B. Landgrabbing.
Russland verfolgt spätestens seit Beginn der zweiten
Präsidentschaft Wladimir Putins eine revisionistische
Politik der Rückgewinnung ehemaligen sowjetischen
-
-
zeln hatten: das alte Schisma des Islam zwischen Sunni-
-
und quer durch Subsahara-Afrika verläuft, der Zerfall
vieler postkolonialer Staaten, die vielfach nur auf dem
Papier bzw. in der Hauptstadt bestanden haben, und die
Transformation des Terrorismus zum quasistaatlichen
Akteur.
Konsequenzen für Europa – Krisen und Mi-
gration und Rüstungswettlauf
Eine Befriedung des Krisengürtels an der europäischen
Peripherie ist für 2016 nicht zu erwarten. Eher werden
die bislang noch stabilen Inseln innerhalb des Krisen-
gürtels destabilisiert und sich die Krisenregion nach
Subsahara-Afrika und auf die armen Teile der Arabi-
schen Halbinsel ausweiten. Jemen, Somalia, Eritrea,
Südsudan werden zum Fokus einer weiteren Krisenregi-
on mit neuen Fluchtbewegungen. Europa wird, weil die
USA zögern, China passiv bleibt und Russland zündelt,
gezwungen sein, in weitaus stärkerem Maße als bisher
im eigenen Interesse für Sicherheit und Stabilität an sei-
ner Peripherie zu sorgen, wie eine große Macht zu han-
deln. Sonst ist die in 2016 eher zunehmende Fluchtbe-
wegung nicht mehr handhabbar. Die Zeiten des
Flucht wird immer durch Push- und Pull-Faktoren be-
ihre Heimat verlassen. Letztere sind ausschlaggebend,
welche Zielgebiete Migranten anstreben. Auch 2016 wer-
den die Länder der EU von Flucht und Migration nicht
-
dergruppen unterscheiden: Die Länder Nordwesteuro-
pas, die zu den bevorzugten Zielen zählen; die Transit-
länder auf dem Balkan; die Erstaufnahmeländer
-
nen Länder, weil sie fernab liegen wie Irland oder Finn-
land oder keine Attraktivität als Ziele bieten wie Polen
oder das Baltikum. Nicht nur aufgrund der unterschied-
lichen Betroffenheit, auch aufgrund der unterschiedli-
chen Attraktivität macht eine Quotenregelung wenig
Sinn, da sie von den Flüchtlingen unterlaufen wird. Si-
cher ist, dass nach der dämpfenden Winterpause im
Frühjahr 2016 die Migration wieder ansteigt, weil alle
Push- und Pull-Faktoren weiter bestehen.
Die Strategie, die Ursachen der Migration zu bekämp-
fen, ist nur im Prinzip richtig und kann nur langfristig
Wirkung zeigen. Deshalb muss Europa kurzfristig re-
agieren. Wenn man die Pushfaktoren nicht oder nur sehr
Faktoren an. Eine wirksame gesamteuropäische Strate-
gie ist aufgrund der heterogenen Betroffenheit wenig
wahrscheinlich, zumal das Projekt EU aufgrund diverser
anderer Faktoren insgesamt in die Krise geraten ist.
46 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016
Kurzfristig denkbar sind zwei andere Szenarien. Entwe-
der kehrt Europa zum nationalen Selbsthilfeprinzip zu-
rück oder es kommt zu einer Lösung, bei der Deutsch-
land als ungewollter und ungeliebter „Eurohegemon“
voranschreitet. In der benevolenten Variante heißt das,
dass Deutschland den größten Teil der Kosten trägt. In
der malevolenten Variante konzentriert es sich auf die
tät durch Reduzierung der Sozialleistungen, beschleu-
nigt die Asylverfahren und intensiviert die Rückfüh-
rung. Dies setzt die Nachbarn unter Druck, ähnlich zu
verfahren mit Kaskadenwirkung bis in die Türkei, Liby-
en, Marokko und Subsahara-Afrika. Auch so steht die
EU zur Disposition, weil nicht nur die Freizügigkeit im
Schengenraum verschwindet. Eine Variante ist, dass sich
und Österreich – auf ein gemeinsames Vorgehen ver-
ständigen und eine kerneuropäische Lastenteilung vor-
nehmen. Welches der Szenarien verfolgt wird, hängt
nicht zuletzt von den kommenden Wahlen ab.
Neben der Migrationsfrage werden alle ungelösten Prob-
leme in den Hintergrund treten – mit einer Ausnahme:
Falls Russland seine revisionistische Politik fortsetzt, in-
dem es die Kooperation mit dem Iran verstärkt, weiter
in der Ukraine, in Weißrussland, im Kaukasus und wo-
möglich im Baltikum interveniert, wird das den Rüs-
tungswettlauf wieder anheizen. Dem werden sich auch
neutrale Länder wie Österreich nicht entziehen können.
KERNPUNKTE
• Die Welt wird unregierbarer. Während der Bedarf nach Weltordnung wächst, schwindet zugleich die Fähigkeit,
diesen Bedarf zu bedienen.
•
• Falls Russland diese revisionistische Politik fortsetzt, wird das den Rüstungswettlauf wieder anheizen.
• Eine Befriedung des Krisengürtels an der europäischen Peripherie ist für 2016 nicht zu erwarten. Eher werden
die bislang noch stabilen Inseln innerhalb des Krisengürtels destabilisiert und sich die Krisenregion ausweiten.
• Die Strategie, die Ursachen der Migration nach Europa zu bekämpfen, ist nur im Prinzip richtig und kann nur
langfristig Wirkung zeigen. Deshalb muss Europa kurzfristig reagieren.
KEY NOTES
• The world is becoming more ungovernable. While the demand for a world order grows, capacities to satisfy that
request are fading.
•
• If Russia continues this revisionist policy it will refuel the arms race.
• Binging peace to the crisis belt around the European periphery is unlikely in 2016. Crisis regions will expand
and the still stable “islands” within the crisis belt are going to be destabilized.
• The strategy to tackle the root causes of migration to Europe is right in principle, but can only be effective in
the long term. Therefore, Europe must react in the short term.
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Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 47
Europa in europäischer Verantwortung
Die Sicherheit in Europa wird die USA auch 2016
relative Stabilität, Russland versucht sich eher in ande-
GEOPOLITISCHE
AUSRICHTUNG DER USA 2016
Henning Riecke
Das Wahljahr 2016 schafft eine besondere Dyna-
mik für die US-Außenpolitik. Zum einen fällt es dem
scheidenden Präsidenten Barack Obama schwerer,
-
den. Zum anderen kann ein Präsident ohne die Am-
bition auf Wiederwahl politische Impulse setzen,
ohne auf Umfragewerte zu achten. Obama wird in
seinen letzten Monaten im Amt versuchen, sein Ver-
mächtnis abzurunden. Außenpolitik wird auf der
Agenda stehen, nicht nur, weil die Präsidentschafts-
kandidaten sich im Wahlkampf von Obama abgren-
zen wollen. Auch im Wahljahr 2016 zwingen laufen-
Handeln.
48 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016
NATO zeigen, dass sie ihre neuen Schwerpunkte bei
Abschreckung und Verteidigung mit echten Fähigkei-
-
ten ein Interesse daran haben, die Verteidigungsfähig-
mit triumphalem Bombast zu begleiten. Auch Russland
-
nen den Zusammenhalt der NATO zu testen.
In den neuen militärischen Strukturen wie der Very
High Readiness Joint Task Force (VJTF) sind aus-
schließlich europäische Streitkräfte eingebunden. Aller-
dings hat die NATO ohne US-Logistik und Aufklä-
rung wenig Abschreckungspotential zu bieten – von
den nuklearen Streitkräften ganz zu schweigen. In War-
schau muss also auch Amerika zeigen, dass es noch zu
-
Amerikanische Vermittlung im Nahen
Osten
In der Krisenregion Syrien und Irak ist amerikanische
Führung und Vermittlung gefragt, um die zerstrittenen
Regionalmächte Iran und Saudi-Arabien hinter einem
politischen Übergang in Syrien zu vereinen. Obama,
so die Kritiker, hat Russland erlaubt, sich in die Rolle
einer Ordnungsmacht zu drängen. Jetzt baut es eigene
Koalitionen mit dem Iran und den Schiiten im Irak auf,
gegen die USA, und will an Diktator Baschar al-Assad
festhalten. Die von allen geteilte Feindschaft gegen die
Terrormiliz „Islamischer Staat“ genügt für eine lose
erleichtert sie kaum.
Erste Treffen einer Kontaktgruppe der regionalen
Mächte unter amerikanischer Führung lassen auf einen
eine Neuordnung in Syrien hoffen. Die USA müssen
wohl oder übel akzeptieren, dass auch Assad beteiligt
ist, und dass es dabei um seinen Abgang geht. Diesen
Prozess gilt es für Obama am Leben zu erhalten, auch
und gerade, weil er anläuft, während der Bürgerkrieg
Nahen und Mittleren Osten zurückfahren und ande-
und auch für das Transitland Österreich bedeutet dies,
dass die Hauptursache für die europäische Flüchtlings-
Für die internationale Stabilität hängt viel vom Ver-
hältnis der USA zu China ab. Obama hat das Ver-
hältnis zur chinesischen Regierung zu seinem Haupt-
anliegen gemacht und in zahlreichen Kontakten ein
Vertrauensverhältnis aufgebaut. Doch der Macht-
kampf beginnt bereits, zunächst über Wirtschaftsinsti-
anlaufen und den Freihandel der USA mit ihren Part-
nern anschieben – ohne China. Unter Pekings Führung
wird die Asiatische Investitionsbank ihre Arbeit auf-
nehmen – ohne die USA und Japan, aber mit europäi-
Macht, will eigene Interessen und die der amerikani-
schen Verbündeten in der Region verteidigen, das Recht
auf freie Durchfahrt durch die von China beanspruch-
mitspielen.
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  • 3. SICHER. UND MORGEN? SICHERHEITSPOLITISCHE JAHRESVORSCHAU 2016 Direktion für Sicherheitspolitik
  • 4. DIE INHALTE DER EINZELNEN BEITRÄGE GEBEN DIE PERSÖNLICHE EINSCHÄTZUNG DER EXPERTEN WIEDER UND ENTSPRECHEN NICHT NOTWENDIGERWEISE DEN POSITIONEN DES BUNDESMINISTERIUMS FÜR LANDESVERTEIDIGUNG UND SPORT UND DER INSTITUTIONEN, FÜR DIE SIE TÄTIG SIND. EINE VIELZAHL VON BEITRÄGEN DIESER JAHRESVORSCHAU WURDE VOM SPRACHINSTITUT DES BUNDESHEERES UND VON MITARBEITERINNEN UND MITARBEITERN DES BÜROS FÜR SICHERHEITSPOLITIK INS DEUTSCHE ÜBERSETZT. IMPRESSUM MEDIENINHABER, HERAUSGEBER UND HERSTELLER: Republik Österreich/Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport PROJEKTLEITUNG: Brigadier Dr. Johann Frank REDAKTION: Büro für Sicherheitspolitik; Dr. Egbert Apfelknab, Dr. Rastislav Báchora; Dr. Wolfgang Brau- mandl-Dujardin; Mag. Raphaela Engel; OberstdhmfD Mag. Karl Fitsch; OberstdG MMag. Thomas Fronek; Mag. Alexander Fuchssteiner; OberstdG Mag. Georg Geyer; Brigadier Mag. Gustav Gustenau; Sahrah Kiparski, MA, Martin Leithner, BA; OberstdhmfD Dr. Wolfgang Manzl; Mag. Walter Matyas; Hofrat Hermann Meyer; Mag. Jürgen Neuhuber; OberstdhmfD Dr. Bernhard Richter; OberstdhmfD Mag. Stefan Ulmer; Christoph Winna, BA; Mag. Astrid Zahel ÜBERSETZUNGEN: Sprachinstitut des Bundesheeres und Büro für Sicherheitspolitik LAYOUT UND SATZ: Büro für Sicherheitspolitik; Lukas Bittner, BA ALLE: Roßauer Lände 1, 1090 Wien; HERSTELLUNG: BMLVS/Heeresdruckzentrum 15-8718 ISBN: 978-3-902275-44-8 Wien, Dezember 2015 Gedruckt nach der Richtlinie „Druckerzeugnisse“ des Österreichischen Umweltzeichens, BMLVS/Heeresdruckzentrum, UW-Nr. 943
  • 5. PROLOG 08 Vorwort — Gerald Klug 10 Einleitung — Johann Frank TRENDSZENARIO 2016 FÜR DIE ÖSTERREICHISCHE SICHERHEITS- UND VERTEIDIGUNGSPOLITIK 13 Trendszenario 2016 für die österreichische Sicherheits- und Verteidigungspolitik — Johann Frank und Gustav E. Gustenau GLOBALES UMFELD 2016 33 Globale Sicherheitstrends 2016 — Richard Weitz 37 Globale machtpolitische Entwicklungen 2016 — Nicolas Stockhammer 41 Globale Entwicklungen 2016 — Mathew Burrows 44 Weltordnung 2016 — Ulrich Menzel 47 Geopolitische Ausrichtung der USA 2016 — Henning Riecke 50 Russlands strategische Ausrichtung 2016 — Joris Van Bladel 55 China und die Weltordnung 2016 — Sven Richard Gareis 59 Europas strategische Ambition 2016 — Herfried Münkler 62 Globale Finanzmärkte 2016 — Thieß Petersen 65 Globale Wirtschafts- und Konjunkturentwicklung 2016 — Urlich Schuh 69 Geopolitische Bedeutung von Freihandelsabkommen 2016 — Daniel S. Hamilton 73 Strategische Rohstoffe 2016 — Miriam Kraus 76 — Michael Brzoska 79 — Raphael Bossong 82 Terrormiliz „Islamischer Staat“ 2016 — Guido Steinberg 85 Hybride Bedrohungen 2016 — Sascha Dov Bachmann GLOBALE SICHERHEITSARCHITEKTUR 2016 89 Vereinte Nationen 2016 — Richard Gowan INHALT
  • 6. INHALT 92 OSZE 2016 — Lamberto Zannier 95 Afrikanische Union 2016 — Martin Pabst 99 NATO 2016 — Jamie Patrick Shea 104 NATO im Einsatz 2016 — Josef D. Boltz und Marco Taedcke 107 Nukleare NATO-Politik 2016 — Karl-Heinz Kamp RISIKO- UND KONFLIKTBILD FÜR EUROPA 2016 112 Soziale Sicherheit und gesellschaftliche Stabilität in Europa — Martin Schenk 115 — Walter Feichtinger 118 Terrorismus in Europa 2016 — Louise Shelley 121 Flucht und Migration nach Europa 2016 — Ángel Gurría 124 Migrationsperspektive 2016 — Peter Van der Auweraert 127 Flüchtlingsströme und Potentiale 2016 — Karin Kneissl 130 Transnationale Organisierte Kriminalität 2016 — Maximilian Edelbacher 133 Cybersicherheit und Cyberbedrohungen in der EU 2016 — Miroslav Mareš 136 Biotechnologie 2016 — Anne L. Clunnan 140 Autonome (unbemannte) Waffensysteme 2016 — Noel Sharkey 143 Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen 2016 — Tariq Rauf 146 Energiesicherheit Europas 2016 — Julia Grill und Harald Raupenstrauch 149 Entwicklungsperspektiven am Westbalkan 2016 153 Bosnien und Herzegowina 2016 157 Kosovo 2016 160 Mazedonien 2016 — Dane Taleski 163 Serbien 2016 — Marko Savkovic 167 Risiken für die Sicherheit in der Schwarzmeerregion 2016 — Ivan Krastev 171 — Alexander Dubowy 174 Transnistrien 2016 — Victoria Bucataru 177 — Georgi Kanashvili 180 — Chistroph H. Benedikter 183 Türkei 2016 — Sinan Ülgen
  • 7. 187 Iran 2016 — Reinhard Meier-Walser 191 Afghanistan 2016 — Michael Semple 195 Entwicklungen in Zentralasien 2016 — Ilya Zaslavskiy 198 Strategische Lage im Nahen und Mittleren Osten 2016 — Guido Kraus 203 — Georg Plattner 206 Syrien 2016 — Nadim Shehadi 209 Irak 2016 — Gudrun Harrer 212 Saudi Arabien und Jemen 2016 — Marie-Christine Heinze 215 Libyen 2016 — Thiemo Kapffer 218 Ägypten 2016 — Amr Adly 221 Tunesien 2016 — Hardy Ostry 225 Frauen im Terrorsystem des „Islamischen Staats“ 2016 — Dalia Ghanem-Yazbeck 228 Entwicklungen in Sahel-Afrika 2016 — Roland Marchal 231 Entwicklungen in Westafrika 2016 — Georg Hainzl 234 Mali 2016 — Paul Melly 237 Europäische Union und Russland 2016 — Chistrian Stadler 240 Militärstrategische Ambition Russlands 2016 — Sergey Markedonov 243 Wirtschaftliche Stabilität Russlands 2016 — Ruslan Grinberg EUROPÄISCHE UNION 2016 247 Rahmenbedingungen 2016 für eine globale Strategie der EU — Alessandro Marrone und Nathalie Tocci 250 Europäisches Weißbuch — Sven Biscop 254 Deutschland 2016 — Patrick Keller 257 Rolle Deutschlands in Europa 2016 — Hartmut Mayer 261 Frankreich 2016 — Peter Jankowitsch 263 Großbritannien 2016 — Bastian Giegerich 266 Finnland 2016 — Hiski Haukkala 270 Schweden 2016 — Jacob Westberg 274 Baltische Staaten 2016
  • 8. 278 Griechenland 2016 — John M. Nomikos 281 Irland 2016 — Ben Tonra 285 Italien 2016 — Stefano Silvestri 288 Tschechien 2016 — Libor Frank 291 Slowakei 2016 — Marian Majer 295 Slowenien 2016 — Petra Roter 299 Kroatien 2016 302 Ungarn 2016 — Tamás Csiki EUROPÄISCHE VERTEIDIGUNGSPOLITIK 2016 308 GSVP 2016 — Sven Biscop 311 Unsichere Zukunft der GSVP 2016 — Ronja Kempin und Nicolai von Ondarza 314 Weiterentwicklung der GSVP-Missionen und Operationen 2016 — Thierry Tardy 317 Verteidigungsindustrielle Basis Europas 2016 — Hilmar Linnenkamp 321 Trends in der europäischen Streitkräfteentwicklung 2016 — Bruno Hofbauer 324 Streitkräfteentwicklung Deutschland 2016 — Christian Mölling 328 Streitkräfteentwicklung Frankreich 2016 — Jérôme Pellistrandi 332 Regionale Verteidigungskooperationen 2016 — Rastislav Báchora ÖSTERREICHISCHE SICHERHEITSVORSORGE 2016 338 Politische Rahmenbedingungen der österreichischen Sicherheitsvorsorge 2016 — Alexandra Föderl-Schmid 341 Außen- und sicherheitspolitische Ambition Österreichs 2016 — Karin Fichtinger-Grohe 344 — Markus Weidinger 347 Österreich und die Vereinten Nationen 2016 — Jan Kickert und Philipp Charwath 350 Österreich und die OSZE 2016 — Christian Strohal 354 Österreich und die NATO 2016 — Jürgen Meindl 358 Finanzsicherheit in Österreich 2016 — Margit Schratzenstaller 361 Terrorismusabwehr in Österreich 2016 — Peter Gridling 364 Migrationspolitik in Österreich 2016 — Peter Webinger INHALT
  • 9. 367 Sicherheit durch Integration in Österreich 2016 — Alexander Schahbasi 370 Soziale Sicherheit und gesellschaftliche Kohäsion in Österreich 2016 — Christian Klopf 373 Gesundheit und Sicherheit in Österreich 2016 — Michael Kunze 376 Energiesicherheit in Österreich 2016 — Walter Boltz 379 Risikopotential von Natur- und technischen Katastrophen in Österreich 2016 — Robert Stocker 383 Risikopotential und Resilienz kritischer Infrastuktur in Österreich 2016 — Alexander Pschikal 387 Cybersicherheit und Cyberabwehr in Österreich 2016 — Wolgang Rosenkranz und Wolfgang Gattringer 390 Medien und Sicherheitspolitik in Österreich 2016 — Wilhelm Theuretsbacher 393 Sorgen und Erwartungen der Bevölkerung im Lichte der Flüchtlingsthematik 2016 — Alexander Reichmann DAS ÖSTERREICHISCHE BUNDESHEER 2016 397 Streitkräfteentwicklung in Österreich 2016 — Philipp Eder 400 Auslandseinsätze des Bundesheeres 2016 — Martin Jawurek 403 Inlandseinsätze des Bundesheeres 2016 — Franz Reißner MEHR SICHERHEIT DURCH EIN LEISTUNGSFÄHIGES BUNDESHEER 406 Mehr Sicherheit durch ein leistungsfähiges Bundesheer — Othmar Commenda
  • 10. 8 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 Die Direktion für Sicherheitspolitik des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport gibt für das Jahr 2016 zum zweiten Mal eine umfassende sicherheitspolitische Jahresvorschau heraus. Namhafte interna- tionale, österreichische und ressorteigene Expertinnen und Experten analysieren darin die für das Kalender- jahr 2016 zu erwartenden Entwicklungen der europäischen und österreichischen Sicherheitsvorsorge, wichtiger internationaler Institutionen, Regionen und Staaten sowie konkreter Bedrohungen und Konflikte. Die Analysen zeigen, dass sicherheitspolitische Risiken für die Europäische Union und Österreich zunehmen und das europäische strategische Denken wieder stärker von Fragen der Geopolitik und der militärischen Ver- teidigung bestimmt ist, wenn auch in anderer Form als zur Zeit des Kalten Krieges. Die Terroranschläge von Paris Mitte November 2015 machen deutlich, dass die Staaten vor der grundlegenden Herausforderung stehen, einer der fundamentalsten Staatsaufgaben – der Gewährleistung der Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger – nachzukommen. Eine große Herausforderung für Europa und damit für Österreich stellt die derzeitige Flüchtlingssituation dar. Die prekäre Sicherheitslage in ihren Heimatländern veranlasst tausende Menschen, ihr Heil in der Flucht vor Krieg, Terror und Elend zu suchen. Österreich gilt als sicheres Land und ist daher das Ziel vieler Flüchtlinge. Das Bundesheer kommt seiner Verantwortung nach, diesen Menschen, die in großer Not zu uns kommen, humanitär zu helfen. Die Situation an der südlichen Grenze unseres Landes geht über die Kapazitäten von Polizei und anderen Blaulichtorganisationen hinaus. Das Bundesheer ist zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Bandes – getreu seinem Leitgedanken „Schutz und Hilfe dort, wo andere Institutionen an ihre Grenzen stoßen“ – mit fast 2000 Soldatinnen und Soldaten im Assistenz- und Hilfseinsatz zur Bewältigung der Flüchtlingsströme. Das Thema „Migration nach Europa“ wird von vielen Autoren dieses Bandes aufgegriffen, ob es um die Ursa- chen der Fluchtbewegungen, um mögliche Auswirkungen auf die regionale Stabilität in Europa, um die sicher- heitsrelevanten Aspekte der österreichischen Migrations- und Asylpolitik oder um die Stärkung der Sicherheit durch Integration geht. VORWORT
  • 11. Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 9 Zahlreiche Beiträge thematisieren die Lage am Balkan, im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika ebenso wie das Vorgehen Russlands im europäischen Osten. Auch die Entwicklungen in wichtigen Ländern der Euro- päischen Union und die Zukunft der Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik wer- den gewürdigt. Der Trend, dass die Sicherheitslage in der europäischen Nachbarschaft auch für die innere Sicherheit der EU zunehmend an Bedeutung gewinnt, setzt sich auch 2016 fort. Die Analyse der Streitkräfteentwicklung in Europa sowie der österreichischen Außen- und Sicherheitspoli- tik und zahlreiche Spezialthemen wie die Sicherheitspolitik Österreichs aus Sicht der Medien oder Fragen der Sicherheit im Cyberraum runden die Themenpalette ab. Die vorliegenden Analysen der Expertinnen und Experten werden in ein Trendszenario 2016 für die österrei- chische Sicherheits- und Verteidigungspolitik verdichtet, das entscheidend dazu beitragen kann, die Heraus- forderungen für die österreichische Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu gewichten. Eine Kernaussage ist dabei, dass sich die sicherheitspolitischen Annahmen der Österreichischen Sicherheitsstrategie und der Teil- strategie Verteidigungspolitik grundsätzlich bestätigt haben und dass die konsequente Ausrichtung der Bun- desheerplanung auf die neuen einsatzwahrscheinlichen Aufgaben dynamisiert fortzusetzen ist. Diese Jahresvorschau richtet sich nicht nur an Politik, Diplomatie, Wissenschaft und Medien, sondern auch an die interessierte Öffentlichkeit. Ich möchte allen, die am Zustandekommen der Sicherheitspolitischen Jahresvorschau 2016 mitgewirkt haben, meinen besonderen Dank aussprechen, insbesondere den Autorinnen und Autoren, die mit ihrem analytischen Fachwissen zur Weiterentwicklung des sicherheitspolitischen Bewusstseins sowie zu einer verbesserten Einsicht in die Notwendigkeiten militärischer Sicherheitsvorsorge beitragen – damit Österreich auch morgen sicher bleibt. MAG. GERALD KLUG BUNDESMINISTER FÜR LANDESVERTEIDIGUNG UND SPORT
  • 12. 10 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 Die Welt ist unsicherer geworden. Daran wird sich auch 2016 nichts ändern! Ein Rückblick auf die wesentlichen Erkenntnisse aus dem Trendszenario 2015 zeigt, dass die sicherheitspolitischen Risiken und Bedrohungen für die EU und Österreich tatsächlich zugenommen haben. Auch die Handlungsfähig- keit wesentlicher Akteure wie jene der EU oder auch einzelner wichtiger Staaten hat sich wie prognostiziert weiter eingeschränkt. Die durchaus richtige Einschätzung der sicherheits- und verteidigungspolitischen Entwicklungen und die zahl- reichen positiven Rückmeldungen zur Vorschau 2015 haben uns bestärkt, die Publikationsreihe auch im Jahr 2016 fortzusetzen und mit einer größeren Zahl von Beiträgen und einer breiteren Themenagenda wieder einen strate- gischen Ausblick auf sicherheitspolitische Trends und deren mögliche Auswirkungen auf das für Österreich rele- vante Umfeld zu geben. Darüber hinaus stellt die vorliegende Publikation auch eine Umsetzung der Empfehlungen der Österreichischen Sicherheitsstrategie dar, der zu Folge die österreichische Bevölkerung „umfassend über die Sicherheitslage im In- und Ausland“ informiert werden soll. Die Direktion für Sicherheitspolitik wendet sich mit dieser Publikation direkt an politische und militärische Ent- scheidungsträger, Diplomaten und Fachleute sowie an Journalisten und die interessierte Öffentlichkeit. So soll zur Weiterentwicklung des sicherheitspolitischen Bewusstseins und zu einer verbesserten und tieferen Einsicht in die Notwendigkeiten militärischer und umfassender Sicherheitsvorsorge beigetragen werden. Auch diesmal analysieren nationale und internationale Expertinnen und Experten die in den nächsten 12 bis 18 Monaten erwartbaren Entwicklungen internationaler Institutionen, wichtiger Regionen und Staaten sowie konkre- - fältig aufeinander abgestimmter und leserfreundlich strukturierter Einzelbeiträge in den Themenfeldern globa- Verteidigungspolitik, Österreichische Sicherheitsvorsorge und Österreichisches Bundesheer ab. Die Inhalte der einzelnen Beiträge geben dabei die persönliche Einschätzung der Expertinnen und Experten wieder und entspre- chen nicht notwendigerweise den Positionen des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport. Die Analysen der Expertinnen und Experten werden in das System der strategischen Vorausschau des Bundesmi- nisterium für Landesverteidigung und Sport eingebettet und zu einem Trendszenario 2016 für die österreichische Sicherheits- und Verteidigungspolitik verdichtet. Das Trendszenario 2016 weist im Vergleich zum Trendszenario - bilität in der europäischen Nachbarschaft und der sicherheitspolitischen Handlungsschwäche der Europäischen Union. Die EU wird erst, wenn sie ihre Beziehungen zu Russland neu geregelt hat, zu einer aktiveren Rolle bei der EINLEITUNG
  • 13. Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 11 - schen Russland und der EU wenig zweckmäßig. - barschaft mit weit reichenden Auswirkungen auf die innere Sicherheit und Resilienz der EU und ihrer Mitglieds- staaten – insbesondere durch Migration und Terrorismus. Aus den anhaltenden zentrifugalen Kräften innerhalb Bewältigung von Herausforderungen im Inneren. Trotz europaweiter Stabilisierung der Verteidigungsbudgets ist die EU auch weiterhin nicht in der Lage, eigenständig größere Operationen zur Wahrung vitaler Sicherheitsinteres- sen durchzuführen. Die Schlussfolgerungen aus den Analysen für die Notwendigkeiten der österreichischen Verteidigungspolitik 2016 sind offenkundig: Die Landesverteidigung als Kernaufgabe des Österreichischen Bundesheeres ist angesichts des Bedrohungswandels im Sinne der Österreichischen Sicherheitspolitik neu zu gestalten, wobei nunmehr die Bewäl- Funktionsfähigkeit des Staates im Vordergrund stehen. Bei katastrophalen Ereignissen kann die Resilienz von Staaten nur durch jene Organisationen gestützt werden, die per se krisenrobust sind und unter schwierigen Ver- hältnissen ihre Funktionalität aufrechterhalten können: Das sind und bleiben zu allererst die Streitkräfte eines Lan- des. Daher muss auch in die militärische Landesverteidigung wieder verstärkt investiert werden. Diese Folgerung entspricht auch der Erwartung breiter Teile der österreichischen Bevölkerung. - gen und Herausforderungen übersehen werden bzw. nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Dies könnten 2016 eine Jahresvorausschau kann nichts an dem Umstand ändern, dass rasche Lageentwicklungen und strategische Überraschungen die prägenden Charakteristika der gegenwärtigen Sicherheitslage sind. Somit bleibt die beste Art Zukunft vorherzusagen, sie aktiv zu gestalten. Mein Dank gilt in erster Linie dem Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport, den Autorinnen und Autoren für ihre hervorragende Analyse, dem Sprachinstitut des Bundesheeres an der Landesverteidigungsaka- demie für die Übersetzungstätigkeit und ganz besonders den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Büros für Sicherheitspolitik, die durch ihren unermüdlichen Einsatz maßgeblich zum rechtzeitigen Zustandekommen dieser Publikation beigetragen haben. Für ein sicheres Österreich auch morgen. BRIGADIER DR. JOHANN FRANK Leiter der Direktion für Sicherheitspolitik
  • 14. TRENDSZENARIO 2016 FÜR DIE ÖSTERREICHISCHE SICHERHEITS- UND VERTEIDIGUNGSPOLITIK Der in der Teilstrategie Verteidigungspolitik festge- legte moderne verteidigungspolitische Management- prozess dient der Sicherstellung einer bestmöglichen, innovativen Zukunfts- und Anpassungsfähigkeit der Entwicklung des Österreichischen Bundesheeres. Dieser Prozess umfasst die grundsätzlich in einem Fünfjahresrhythmus erfolgende Erstellung von sicherheitspolitischen Umfeldszenarien. Wesentliche Aufgabenstellung dabei ist die Festlegung und perma- nente Überwachung einer Früherkennungsarchitektur von strategischen Schlüsselfaktoren mit jährlicher Berichtslegung. (vgl. Teilstrategie Verteidigungspolitik, S. 18)
  • 15. Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 13 Dieser Beitrag fasst die Analysen der Experten zusammen und verdichtet sie zu einem Trendsze- nario 2016 für die österreichische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. 1. Sicherheitspolitische Umfeldszenarien für Österreich 2025 Das Trendszenario 2016 basiert auf den umfassenden Vorarbeiten des Bundesministeriums für Landesverteidi- gung und Sport (BMLVS) zur Analyse möglicher künfti- ger sicherheitspolitischer Entwicklungen. Es ist eine kon- sequente Weiterentwicklung des Trendsszenarios 2015. TRENDSZENARIO 2016 FÜR DIE ÖSTERREICHISCHE SICHERHEITS- UND VERTEIDIGUNGSPOLITIK Johann Frank und Gustav E. Gustenau
  • 16. 14 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 Folgende fünfzehn Schlüsselfaktoren und deren Wechselbeziehungen bilden das System der sicherheitspolitischen Umfeldszenarien für die österreichische Verteidigungspolitik: Im Jahr 2012 wurden begleitend zu den Arbeiten an der Österreichischen Sicherheitsstrategie (ÖSS) und zur Neu- planung des Österreichischen Bundesheeres (ÖBH) erst- malig sicherheitspolitische „Umfeldszenarien 2025“ erstellt. Dabei wurden die für die österreichische Sicher- heitspolitik relevanten Schlüsselfaktoren im Rahmen künftigen Entwicklungsmöglichkeiten analysiert. Aus zehn bedeutendsten Schlüsselfaktoren herausgearbeitet. Die alternativen Ausprägungen der fünfzehn Schlüssel- faktoren wurden zu insgesamt sieben in sich schlüssigen Umfeldszenarien kombiniert. Die Szenarien können ent- lang der beiden bestimmenden Faktoren, nämlich „sicher- heitspolitische Handlungsfähigkeit der EU“ einerseits und „Kon- andererseits, kategorisiert werden. Ausgehend von einer damals, im ersten Erstellungs- jahr 2012, noch grundsätzlich stabilen Umfeldsituation ROLLE DER NATO MILIT. BEDROHUNG DER SICHERHEIT ÖSTERREICHS NICHT MILIT. BEDROHUNG ÖSTERREICHS POLITISCHE EU-INTEGRATION LEISTUNGS- SPEKTRUM GSVP EU-STREITKRÄFTE- INTEGRATION VERTEIDIGUNGSPOLIT. KOOPERATIONEN REGIONALE STABILITÄT IN EUROPA STABILITÄT EUROP. NACHBARREGIONEN ROLLE RUSSLAND IN EUROPA GLOBALE MACHTPOLITISCHE ENTWICKLUNGEN GLOBALE KONFLIKTE GLOBALE WIRTSCHAFTS- ENTWICKLUNG & WOHL- STANDSVERTEILUNG ROHSTOFF- VERSORGUNG INTERNATIONALE ORGANISATIONEN (IOS) UND REGIME
  • 17. Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 15 wurde in einer Perspektive von 10 bis 15 Jahren mit einer wesentlichen Veränderung der äußeren Rahmenbedin- gungen für Österreichs Sicherheit gerechnet. Im zukünf- tigen „Erwartungsraum“ befanden sich schon damals – nach Einschätzung der Experten – jene Szenarien, deren Kern man wie folgt beschreiben kann: Das globale Umfeld ist geprägt von einer eher multipolaren, konfron- tativen Sicherheitsarchitektur, das Verhältnis zu Russland Verantwortung wesentlich umfassender wahr als gegen- wärtig, wobei der innere Organisationsgrad der EU bei aller Differenzierung auch von einer deutlich engeren Kooperation im Bereich der Verteidigungspolitik gekenn- zeichnet ist. Aufbauend auf der Bewertung der sicherheitspolitischen Österreichische Sicherheitsstrategie und ein Leistungspro- sah im Kern ein auf nicht-konventionelle Bedrohungen ausgerichtetes Bundesheer vor, das national und interna- tional in einen Kooperationsverbund eingebettet ist und bestmöglich Beiträge im Rahmen einer umfassend ange- legten Umfeldstabilisierung sowie einer neuausgerichteten nationalen gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge leistet. Angesichts der hochgradigen Unsicherheiten im sicher- heitspolitischen Umfeldsystem sind ein permanentes Monitoring aktueller Trends und eine Bewertung der Entwicklungsalternativen der Umfeldfaktoren erforder- lich. Im Vordergrund des Monitoringprozesses stehen dabei die Fragen, ob die erkennbare Entwicklung in Rich- tung des ursprünglichen Erwartungsraumes aus dem Jahr 2012 weist, worin die größten Unsicherheiten beste- hen, oder ob überhaupt Trendbrüche erkennbar sind, die zu einem gänzlich anderen Umfeld führen können und daher auch gravierende Änderungen in der Verteidigungs- planung zur Folge hätten. Gegenwartsraum Erwartungsraum LEISTUNGS- FÄHIGE GSVP IM DIENSTE DER UN 2012 DESINTEGRATION DER EU ERNEUERTE TRANSATLANTISCHE PARTNERSCHAFT REGIONALE MACHT EU IN EINER MULTI- POLAREN WELT KERNEUROPA IN EINEM KONFLIKTIVEN UMFELD ZIVILMACHT EUROPA WELTORDNUNG KONFRONTATIVKOOPERATIV USA EUROPAS HEGEMON DARSTELLUNG DER SICHERHEITSPOLITISCHEN UMFELDSZENARIEN AUS DER SICHT VON 2011 MARGINALISIERUNG DER EU EU HANDLUNGSFÄHIG EU NICHT HANDLUNGSFÄHIG
  • 18. 16 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 Im Unterschied zur Vorausschau 2015 hat die Rolle Russlands in Europa etwas an Relevanz verloren, weil 2. Das verteidigungspolitische Trendsze- nario für Österreich 2016 Eine aktuelle Bewertung des Systems der Umfeldfak- toren unter Berücksichtigung der Einzelbeiträge der „Sicherheitspolitischen Jahresvorschau 2016“ ergibt, dass wie auch im Jahr davor vor allem sieben Fak- toren die größte Relevanz für das System des sicherheitspolitischen Umfeldes für Österreich besitzen: 1 Globale machtpolitische Entwicklungen 2 Globale Wirtschaftsentwicklung & Wohlstandsverteilung 3 Rohstoffversorgung GLOBALES UMFELD 4 5 Internationale Organisationen und Regime 6 Rolle der Nato GLOBALE SICHERHEITSARCHITEKTUR 7 Regionale Stabilität in Europa 8 Stabilität europäischer Nachbarregionen 9 Rolle Russlands in Europa RISIKO- & KONFLIKTBILD EUROPA 11 Verteidigungspolitische Kooperationen 12 Leistungsspektrum und Ausrichtung der GSVP 13 EU-Streitkräfteintegration EUROPÄISCHE SICHERHEITSPOLITIK EUROPÄISCHE UNION 10 Entwicklung der EU RELEVANZ DER SCHLÜSSELFAKTOREN FÜR DIE SICHERHEITSPOLITISCHE UMFELDENTWICKLUNG ÖSTERREICHS bestimmend sehr relevant relevant 1 23 5 7 10 12 13 11 8 9 4 6 GLOBALESUMFELD GLOB. SICHERHEITSARCHITEKTUR RISIKO- & KONFLIKTBILD EUROPA EUROPÄISCHE UNION EUROP.SICHERHEITSPOLITIK Die Pfeile zeigen die Veränderungen zum Trendszenarion 2015
  • 19. Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 17 2.1 BESCHREIBUNG DER SCHLÜS- SELFAKTOREN HINSICHTLICH IHRER ERWARTBAREN ENTWICKLUNG 2016 2.1.1 Stabilität europäischer Nachbarregionen GENERELLE TRENDBESCHREIBUNG Die Entwicklungen in der europäischen Nachbar- schaft haben auf absehbare Zeit eine erhebliche Beeinträchtigung der Stabilität Europas zur Folge. Das eurostrategische Umfeld der EU bleibt kon- - ken besteht darin, dass die EU in den Nachbarregi- bedingt über die Ressourcen verfügt, diese Entwick- - wicklungen kann die EU somit zunehmend weniger gegensteuern. Auf militärstrategischer Ebene bleiben und der zunehmende Bedarf an Stabilisierungskräf- ten in der jeweiligen Region bis hin zu Interventi- onskräften zur Bekämpfung der Terrormiliz „Islami- scher Staat“ (IS) auf der Tagesordnung. Allerdings ist eine umfassende gegen Europa gerichtete mili- tärische Bedrohung durch eine außereuropäische - tes strategisches Ziel muss die Abgrenzung Europas POLITISCHE UND MILITRÄSTRATEGI- SCHE TRENDENTWICKLUNGEN IN DEN REGIONEN UKRAINE Die innenpolitische Situation der Ukraine wird auch im Jahr 2016 in erster Linie durch ein von Korrup- tion geschwächtes und destabilisiertes Wirtschafts- und Finanzsystem geprägt sein. Bei einer weiteren maßgeblichen Verschlechterung der sozialen Situa- tion der Bevölkerung ist auch mit größeren gewalt- samen Protesten, zu rechnen. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Regierungspolitik und die allgemeine Kriegsmüdigkeit kommen nicht zuletzt in der – zur gesellschaftspolitischen Aufbruchsstim- - henden – Ablehnung der bestehenden politischen Parteien und der Regierung wie des Präsidenten zum Ausdruck. Die Umfragen deuten generell auf eine Legitimationskrise des politischen Systems hin. Die Fortsetzung des im Herbst des Jahres 2015 - den konnte. Hingegen wurde die Stabilität der euro- päischen Nachbarschaft zum Faktor mit der höchsten der damit einhergehenden Flüchtlingswelle geschul- det ist. Zentral bleibt für Österreich weiterhin die politische Entwicklung der EU, weil die EU nach wie vor der bestimmende Handlungsrahmen für Öster- reichs Sicherheit ist und die EU die höchste Hebel- kraft im sicherheitspolitischen Umfeld Österreichs aufweist. Zunehmende Bedeutung hat auch der Fak- tor Regionale Stabilität in Europa, der auch die innere Lage europäischer Staaten umfasst, gewonnen. Die genannten Faktoren bilden damit auch den Kern des Trendszenarios 2016 und haben – abgesehen von den innerösterreichischen Faktoren wie z B. die außen- die öffentliche Haushaltsentwicklung – auf Sicht die größte Relevanz für die Weiterentwicklung der öster- reichischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
  • 20. 18 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 im Südosten der Ukraine scheint aus heutiger Sicht wahrscheinlich zu sein. Durch das „Einfrieren“ des - nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Der Versuch Mitteln zu lösen, bildet für Moskau die „rote Linie“ Fall würden sich die ohnehin angespannten Bezie- hungen zwischen dem Westen und der Russischen Föderation rapide abkühlen, mit nicht absehbaren Folgen für die gesamte europäische Sicherheit. Für die Kiewer Führung scheint die Billigung des - des – angesichts der bedrohlichen Wirtschafts- und Soziallage – mittlerweile unumgänglich zu sein. Auf diese Weise würden Kapazitäten freigesetzt, um die dringenden Reformen (nicht zuletzt eine Ver- fassungsreform) umzusetzen und die eingeleiteten - nationalistischer Kräfte fortzuführen. Das fragile - hen Kiews in der Frage der gesellschaftlichen Kon- solidierung ab. Eine wichtige Voraussetzung stellt - schaft tief verwurzelten ideologischen Spannungen - tung mit der NATO und der EU offenen – Zent- ral- und Westukraine einerseits und der Russland- zahlreicher innerer Probleme scheint aber aus der- zeitiger Sicht angesichts der bestehenden strukturel- - kante Auswirkungen auf das fragile politische Sys- tem vorprogrammiert. WESTBALKAN Die derzeitige Entwicklung am Westbalkan ent- spricht weiterhin dem Szenario eines „stabilitäts- gefährdenden Stillstands“, insbesondere was die stagnierende Annäherung an die EU und die erfor- derliche Weiterentwicklung von Wirtschaft, Rechts- staatlichkeit und politischer Stabilität betrifft. Das aktuell größte Risiko resultiert aus einer Nichtbewäl- tigung der Flüchtlingskrise, was dazu führen könnte, dass Flüchtlinge massenweise in den Westbalkan- staaten stranden und so das schwache wirtschaft- Räumlich begrenzte gewaltsame Auseinandersetzun- gen sind am Westbalkan wegen weiter bestehender politischer und ökonomischer Instabilitäten sowie - bruch neuer Balkankriege großen Ausmaßes ist unter der Voraussetzung einer fortgesetzten EU-Konso- lidierungspolitik gegenüber der Region in absehba- rer Zeit unwahrscheinlich. Eine Schwächung der EU als respektierter Akteur mit proaktivem Engagement könnte Antagonismen am Westbalkan jedoch gefähr- lich verschärfen. Wegen noch bestehender Instabi- litäten bleibt die Präsenz von EUFOR ALTHEA in Bosnien und Herzegowina und KFOR im Kosovo als Sicherheitsnetz notwendig. Eine verstärkte Auf- merksamkeit ist den islamistischen Tendenzen zu widmen. ISLAMISCHE REPUBLIK IRAN Die Plausibilität nimmt zu, dass der Iran mittelfris- tig (sechs bis zwei Monate) an den Rand einer erns-
  • 21. Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 19 ten innenpolitischen Krise kommen könnte, weil Präsident Hassan Rohanis Reformen Widerstand extremistischer Kreise entgegenschlägt. Nach jet- zigem Wissensstand ist davon auszugehen, dass es ihm gelingen wird, diese Krise zu bewältigen. Dabei verbraucht er jedoch seine politische Energie Schließlich ist derzeit nicht abzusehen, wie die politi- schen Eliten des Landes mit dem allfälligen Ableben der Urgesteine der Revolution – Ali Khamenei und Das Szenario eines verschärften Verteilungskampfes ist dabei durchaus möglich, blickt man auf die chao- tischen knapp vierzig Jahre der Islamischen Republik zurück, dann erwiesen sich die revolutionären Eli- ten nicht nur als lernfähig, sondern auch als durch- aus in der Lage, mit dramatischen Situation und Kri- sen umzugehen. In außenpolitischer Hinsicht kann der Iran die Situ- ation im Irak weitgehend unter Kontrolle behalten, steckt gleichzeitig jedoch in Syrien fest. Das Eska- lationspotential mit Saudi-Arabien bleibt unver- mindert hoch, aber unter der strategischen Eska- lationsschwelle. Eine direkte saudisch-iranische Konfrontation kann jedoch als Worst Case nicht gänzlich ausgeschlossen werden. DER MITTLERE OSTEN Die gesamte Region des Mittleren Ostens ist von einer höchst instabilen sicherheitspolitischen und wirt- von einer undurchschaubaren Vermischung staatli- cher und nichtstaatlicher Akteure geprägt. Von beson- derer Bedeutung sind die Machtdiffusion zwischen den Staaten und der Aufstieg nichtstaatlicher Akteure. Aufgrund der divergierenden Interessen der wesent- lichen Akteure USA, Russland, Saudi-Arabien, Iran, Vereinigte Arabische Emirate, Katar, Türkei und - kapazitäten der UNO ist kurz- und mittelfristig gese- hen keine Befriedung der Region absehbar. Der isra- Mittelpunkt der regionalen Politik stand, wird durch die umgebenden Ereignisse in Syrien und Irak über- Staaten der Region wütet, verhindert den Fokus auf wirtschaftliche und politische Herausforderungen wie die hohe Jugendarbeitslosigkeit, Korruptionsbekämp- fung, politische Partizipation oder Sicherheitssektor- reformen. Die wirtschaftliche Not führt zu verstärkter Perspektivenlosigkeit, insbesondere unter der jungen - rungen weiterhin Nährboden zur Rekrutierung. In vielerlei Hinsicht durchlebt die Region ein verlore- nes Jahrzehnt ohne Fortschritte bei der Beseitigung dennoch ist ein totaler Zusammenbruch der Staaten auf der arabischen Halbinsel nicht absehbar. Trotz der Instabilitäten in dieser Region haben diese Faktoren geringe und allenfalls nur räumlich begrenzte Auswirkungen auf Europa. Zu den Bedro- hungen für Europa zählen in diesem Kontext Ter- rorattentate, die von Einzeltätern durchgeführt und von Terrorgruppen zumindest ideologisch unterstützt werden, sowie verstärkte Flüchtlingsströme, insbeson- dere aus Syrien, dem Irak, Palästina und Ägypten. Mit Prozess eingeleitet, an dessen Ende im günstigen Fall mittelfristig ein Ende der Kampfhandlungen stehen könnte. Kurzfristig kann mit einer Eskalation im Syri- enkrieg gerechnet werden.
  • 22. 20 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 TÜRKEI Die Türkei entwickelt sich zu einem Schlüsselstaat für die europäische Sicherheit mit tendenziell proble- matischer Ausrichtung. So entwickelt sich die innere Verfassung des Landes in einer zunehmend zur EU inkompatiblen Weise. Auch die Polarisierungspolitik - - bilität in der Türkei allerdings würde die Sicherheit in Südosteuropa und in der Schwarzmeerregion dra- matisch schwächen und die negativen Auswirkun- - in der Diaspora in Europa fortsetzen, und die Tür- kei könnte in der Flüchtlingspolitik nicht nur die Kooperation mit der EU einschränken, sondern auch selbst zum vermehrten Auslöser neuer Migrations- ströme in die EU werden. Europa ist gefordert, eine Balance zwischen Kooperation und Abhängigkeit zu NORDAFRIKA - lungen über eine einheitliche Regierung in Libyen werden räumlich begrenzte Auseinandersetzungen das Bild prägen. Diese haben aber vorerst nicht das Potential, die gesamte Region zu destabilisieren. Für die anderen Staaten Nordafrikas sind für den Beob- - litischen Veränderungen zu erwarten. Ägypten und Tunesien werden mit terroristischen Bedrohungen und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft kon- frontiert bleiben. Eine fundamentale Veränderung der Sicherheitssituation könnte im Falle eines massi- ven Ausweichens von „IS“-Kämpfern in den Nord- afrikanischen Raum erfolgen. TRENDSTABILIÄT UND UNSICHERHEITEN Der aktuelle Trend in Bezug auf die Stabilität euro- päischer Nachbarregionen scheint trotz erhebli- cher Unsicherheiten relativ stabil zu sein, wenngleich Tendenzen in Richtung starke Beeinträchtigung mit europaweiter Ausweitung vorhanden sind. Dies zur EU, sondern eher in Form der Kumulierung ver- schiedener Faktoren wie etwa der Flüchtlingskrise und des islamistischen Terrorismus, die v.a. die poli- tische Stabilität der EU und einzelner Mitglieds- staaten vor eine ernste Herausforderung stellt. Die - ine, im Nahen und Mittleren Osten und in Nord- afrika wie auch die Stagnation der Entwicklung auf dem Westbalkan sowie die problematische Entwick- lung in der Türkei scheinen derzeit noch beherrsch- bar. Zumal auch die Auswirkungen auf die zu den Krisenregionen unmittelbar angrenzenden EU-Staa- ten noch beschränkt sind. Allerdings bestehen für die EU erhebliche Risiken, insbesondere durch ein Ausweichen des in Syrien und im Irak bekämpften islamistischen Terrorismus nach Nordafrika. Failed- State-Szenarien in Nordafrika würden das Terror- - küste und in der Sahelzone erheblich steigern, wobei insbesondere die Lage in Libyen prekär bleibt. 2.1.2 Die Rolle Russlands in Europa GENERELLE TRENDBESCHREIBUNG Der bereits seit Jahren anhaltende Trend eines
  • 23. Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 21 der EU und Russland setzt sich weiter fort. Die Ent- fremdung der letzten Jahre hat mit der Ukrainekrise - tionen Russlands sind klar auf eine Absicherung der - hend auf eine Verhinderung der weiteren Ausbrei- tung von EU und NATO ausgerichtet. Russland vollzieht in eigener Wahrnehmung somit eine reak- tive Defensivstrategie. Damit verbunden ist aber auch die Ambition Russlands nach einer stärkeren eigenständigen Rolle in den internationalen Organi- sationen und in globalen Ordnungsfragen. POLITISCHE UND MILITÄRSTRATEGI- SCHE ENTWICKLUNGEN Vor dem Hintergrund der Konfrontation mit dem Westen wird das innenpolitische Klima Russlands zunehmend autoritärer. Dies wird die Widersprü- che mit Europa verstärken. Der Eintritt in einen neuen Zyklus geokultureller Konfrontation mit einer an den östlichen Rand Europas verscho- benen kulturellen „Bruchlinie“ erscheint immer wahrscheinlicher. Die Sanktionen stellen selbst im Falle der Auf- hebung bzw. erheblichen Lockerung zweifels- ohne eine tiefe Zäsur in den Beziehungen zwi- schen Russland und Europa dar. Das Fortführen - ten „strategischen Partnerschaft“ der vergange- nen zwei Dekaden ist aus heutiger Sicht schwer vorstellbar, weswegen es eines neuen Beziehungs- modells bedarf. Zu lösen gilt es auch die im Hinter- grund stehende Schlüsselfrage, inwieweit es Europa gelingt, sich von US-amerikanischen geoökonomi- schen und strategischen Interessen zu emanzipie- ren. Da dies auch in absehbarer Zeit nicht in euro- päischem Sinne beantwortet werden dürfte, ist eine Prolongierung innereuropäischer Widersprüche in Bezug auf den Umgang mit Russland die wahr- scheinliche Konsequenz. Dennoch ist eine pragmatisch-beschränkte Partner- schaft mit dem Westen u. a. zum Zwecke der Moder- nisierung der Wirtschaft durch Technologieimport vorstellbar und nach Aufhebung der gegenseitigen Sanktionen wahrscheinlich. Die Sicherheits- und Verteidigungspolitik Russ- lands entspricht dieser generellen politischen Ambi- tion. Die russischen Streitkräfte werden im Zuge der jüngsten Reformen in Richtung kleinerer, im - rer Einheiten umstrukturiert, um sich an die neuen Bedrohungen anpassen zu können. Die Reformen erfolgen unter besonderer Berücksichtigung der Ein- sätze während des Bürgerkrieges in Tadschikistan (Anfang der 1990er Jahre), der beiden Militärein- sätze in Tschetschenien (Mitte und Ende der 1990er bzw. Anfang der 2000er Jahre) sowie des Fünftage- Jahr 2009 beschlossenen „Sicherheitsstrategie 2020“ steht die Welt vor einer neuen Ära des internatio- nalen Ringens um Rohstoffe. Die russische Füh- russischen Nachbarschaft, v. a. im Nahen Osten, in der Arktis, Barentssee, im kaspischen Raum und in Zentralasien. Das rohstoffreiche Russland sieht sich als besonders begehrte und deshalb bedrohte Ressourcenquelle. Lichte des russischen Syrieneinsatzes, des Vorgehens gegen den sogenannten „IS“ und der terroristischen Bedrohung Europas außerordentlich hoch. Beson-
  • 24. 22 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 ders problematisch erweist sich hierbei der Nordkau- kasus als „inneres Ausland“. In diesem Zusammen- hang können sich die EU bzw. einzelne EU-Staaten als wichtige Verbündete erweisen. Auch die wichtigs- ten gegenwärtigen Tendenzen der russischen Außen- im Südosten der Ukraine, Stabilität von Südkauka- sus und Zentralasien – zielen auf eine Verbesserung der Beziehung zum Westen ab. Die Stabilisierung des Verhältnisses zum Westen wird jedoch nicht in einem einseitigen Entgegenkommen gegenüber Washington und Brüssel bestehen. Viel mehr wird Moskau weiter auf die Anerkennung der Legitimität russischer Interessen drängen. Als Idealoption sieht Russland eine Beteiligung am internationalen „Kon- der USA, der EU und Chinas. TRENDSTABILITÄT BZW UNSICHERHEIT Der für den aktuellen Trend hochrelevante Fortbe- stand der Stabilität Russlands erscheint mittelfris- tig gegeben zu sein, wobei im Falle der Fortführung der Sanktionspolitik die Wirtschaft ab dem Jahr 2017 unter massiven Druck geraten dürfte. Im Worst Case könnten – wenngleich aus heutiger Sicht unwahr- scheinlich – Zerfallserscheinungen der Russischen Föderation erwartet werden. Für das Eintreten dieser Entwicklung wäre jedoch ein rascher Fall der gegen- wärtigen Kremlführung vorausgesetzt. Die Wahr- scheinlichkeit für eine solche Entwicklung unter dem Druck der Wirtschaftskrise – im Wege einer von bestimmten Elitegruppen geleiteten Palastre- volte oder einer nach ukrainischem Vorbild ablaufen- den „Volksrevolution“ – ist jedenfalls bis zu den Prä- sidentschaftswahlen 2018 bzw. 2024 als sehr gering zu betrachten. Auch eine andere denkbare Entwicklung entbehrt eines gegenüber dem Westen konfrontativen umfas- - kalen Wechsel in der militärstrategischen Ambition sprechen fundamentale politische wirtschaftliche - ausforderung des Westens keine relevanten strategi- schen Vorteile lukrieren und müsste den Militärap- parat über die bestehenden Planungen hinaus massiv weiterentwickeln. Schon die bisherigen Planungen sind aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung nicht mehr einzuhalten. Die russische Wirtschaft müsste etwa bei einer weiteren Verschärfung der Konfrontation mit dem Westen mit einem wesent- lich schärferen Sanktionsregime rechnen. Die nega- tiven Tendenzen der russischen Wirtschaft würden sich dadurch erheblich verstärken und das gesamte Wirtschafts- und Sozialsystem an den Rand eines Totalkollapses bringen, mit nicht absehbaren Fol- gen für das politische System und die innere Stabili- tät des Landes. 2.1.3 Globale machtpolitische Entwicklungen TRENDBESCHREIBUNG Die Ambitionen Russlands wie auch anderer BRICS- Staaten sowie die außen- und sicherheitspolitische zur Ausbalancierung der chinesischen Machtansprü- che weisen in Richtung eines globalen Systems, das von einer konfrontativen Multipolarität gekennzeich- net ist.
  • 25. Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 23 TRENDSTABILITÄT BZW UNSICHERHEIT Es gibt wenige Anzeichen, dass es globalstrategisch 2016 zu einer Trendumkehr zurück zu mehr Koope- ration, effektivem Multilateralismus und wiederbe- Trend zu weiterer globaler Fragmentierung und zur lungen und Ordnungsfähigkeit mit einhergehender ten. Wesentliche entwicklungsbestimmende Vorent- scheidungen werden in diesem Zusammenhang der Ausgang der Verhandlungen über die Transatlanti- sche Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP), die Ergebnisse der Weltklimakonferenz (Paris), die Umsetzung des Nuklearabkommens mit dem Iran, die globale Weltwirtschaftsentwicklung sowie die Entwicklung der weltpolitisch bedeutsamen Span- nungen im Ostchinesischen Meer zwischen dem Westen und Russland einerseits und zwischen China und Japan anderseits sein. Die westliche sicher- heitspolitische Handlungsfähigkeit wird v. a. von der wachsenden Ermüdung der US-amerikanischen Bevölkerung im Willen zu globaler sicherheitspoli- tischer Ordnungs- und Verantwortungsübernahme und vom einsetzenden Wahlkampf um das Amt im Weißen Haus mitbestimmt sein. TRENDBESCHREIBUNG Aufgrund der mangelnden Kon- sationen wie auch der divergierenden Interessen der großen Mächte ist mit einer Zunahme der Intensität sowohl staatliche wie mit steigender Tendenz auch nichtstaatliche Akteure involviert sind. Von besonde- rer Bedeutung ist dabei die Diffusion von Macht von Staaten zu nichtstaatlichen Akteuren bis hin zu Ein- zelpersonen. Heute verfügen nichtstaatliche Akteure und „Superempowered Individuals“ über Potentiale, die bislang Staaten vorbehalten waren, wobei gerade deren Verhalten sich der Vorhersehbarkeit weitge- hend entzieht und jederzeit „strategische Schocker- eignisse“ auslösen kann. Auf geopolitischer Ebene ist festzustellen, dass ange- sichts fehlender gemeinsamer Ordnungsvorstellun- gen der großen Mächte USA, Russland, China und EU sowie der fragilen globalen wirtschaftlichen nach dem Wiener Kongress äußerst unsicher ist und oder im Nahen Osten zu weiteren massiven Verwer- fungen führen können, denen die EU mangels ver- fügbarer kollektiver sicherheitspolitischer und mili- tärischer Handlungsfähigkeit weitgehend passiv gegenüber stünde. Die Effektivität internationaler Organisationen und Regime bleibt eingeschränkt, da deren Akzeptanz aufgrund der zunehmenden Rivalität der Weltord- nungsvorstellungen einzelner Mächte nur auf jene Bereiche beschränkt ist, wo gemeinsame Interessen Auf Ebene der Vereinten Nationen setzt sich der Trend zu anspruchsvolleren, risikoreicheren Frie- denseinsätzen und zur Implementierung robuste- rer Mandate fort. Truppenstellende Nationen sind daher zunehmend gefordert, den Vereinten Nationen
  • 26. 24 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 für diese neuen Szenarien militärische Einheiten mit verbessertem Schutz, höherer Mobilität und moder- ner technologischer Ausrüstung zur Verfügung zu stellen. 2.1.5 Die Rolle der NATO Aktuell ist eine Veränderung der strategischen Rolle der NATO festzustellen. Lag in den letzten zwei Jahrzehnten der Fokus auf Out-of-Area-Kri- senmanagementeinsätzen unter teilweise drasti- scher Reduzierung der Bedeutung des Artikels 5, steht eben diese Bündnisverteidigung nun im der Agenda. und vor dem Hintergrund der innenpolitischen Ent- wicklungen der USA kann nicht als sicher angenom- men werden, dass die NATO die militärische Sicher- heit in der europäischen Nachbarschaft garantiert. Es werden zwar Artikel-5-Aufgaben im Lichte der Ukrainekrise zumindest auf der politischen Agenda wieder stärker in den Vordergrund treten, eine nach- haltige Stärkung von Verteidigungsanstrengungen in den Bereichen Streitkräfteentwicklung, Disloka- tion und Übungen ist aber vorerst nicht abzusehen. Bislang war die NATO vor allem im südlichen Kri- senbogen weitgehend absent. Dies könnte sich 2016 durch die Übernahme einer Unterstützungsmission für die irakische Regierung im Kampf gegen den „IS“ ändern. So wird die NATO auch 2016 zwischen managementeinsätze und einer Rückwendung zur Territorialverteidigung schwanken sowie versuchen, dem Trend zur weiteren Reduzierung der nationa- len Verteidigungsbudgets entgegenzusteuern. Das Spannungsverhältnis konkurrierender Sicherheits- bedürfnisse und Bedrohungsperzeptionen zwischen 2016 in Warschau bestimmen. Darüber hinaus sind forcierte Bestrebungen seitens der Allianz erkenn- bar, über das Thema „hybride Bedrohungen“ ver- gewinnen. 2.1.6 EU-Entwicklung TRENDBESCHREIBUNG Den dargestellten globalen und eurostrategischen Herausforderungen steht eine Union gegenüber, die auf Sicht gesamthaft keine wei- teren substantiellen Integrationsschritte vornehmen, sondern eher danach trachten wird, den aktuellen Integrationsbestand zu erhalten. Eine internationale Marginalisierung der EU mit der Konsequenz dras- fähigkeit des relevanten Umfelds kristallisiert sich immer mehr heraus. Auf Sicht scheint die Stabilität der relevanten EU- Mitgliedsstaaten gegeben, sodass vorerst mit keinen disruptiven Ereignissen in der EU selbst zu rechnen ist. Es gibt in einigen EU-Staaten zwar erhebliche Probleme in den Bereichen Wirtschaftsentwicklung, Arbeitslosigkeit, politischer Extremismus, Rechts- staatlichkeit, Umgang mit Flüchtlingen, Migration und Integration sowie soziale Stabilität, aber insge- samt können Wille und Leistungsfähigkeit Europas derzeit noch so eingeschätzt werden, dass die aktuel- len Herausforderungen zu bewältigen sind.
  • 27. Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 25 TRENDSTABILITÄT UND UNSICHERHEITEN Von zentraler Bedeutung für die EU bleiben die Überwindung der Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise im Euroraum und zusätzlich die Bewäl- tigung der Flüchtlingskrise. Zunehmend in den Fokus gerät dabei die Leistungsfähigkeit Deutsch- lands mit seiner bislang dominierenden Rolle als politische und wirtschaftliche Macht. Bislang konnte Deutschland gravierende Desintegrationsschritte der EU verhindern und in außenpolitischen Krisen wie jener um die Ukraine die Führung übernehmen. Indikatoren zeigen allerdings an, dass es infolge der multiplen Herausforderungen für die deutsche Poli- tik zu einer Schwächung des politischen, sozialen und wirtschaftlichen Systems Deutschlands kom- men könnte. Hierin besteht auf Sicht das wohl größte Risiko für Europa und damit auch für Österreich. Eine derartige Entwicklung würde die politische, wirtschaftliche und Führungskrise der EU drama- tisch verschärfen. Die bereits eingetretene Spaltung entlang der politi- schen und auch ökonomischen Interessen der Mit- gliedsstaaten dürfte zunehmen, was nicht nur zu erheblichen Bruchlinien in Europa führen dürfte, sondern auch massive Divergenzen im Umgang mit externen Herausforderungen hervorbringen wird. Denkbar ist allerdings, dass sich ein derzeit noch schwacher Trend zu einer verstärkten Zusammen- arbeit zwischen einzelnen EU-Mitgliedsstaaten mit ähnlicher Interessens- und Wirtschaftslage in varia- bler Zusammensetzung verstärken könnte. Offen ist allerdings, ob sich daraus eine Kerngruppen-Forma- tion entwickeln kann, die auch eine Vertiefung im Bereich der Verteidigung anstrebt. Eine weitere Ursache für eine Trendänderung könnte ein sich allfällig abzeichnender Ausstieg des Verei- nigten Königreichs aus der EU sein. Auch in Bezug auf die innere Stabilität relevanter EU-Mitgliedsstaaten müssen erhebliche Unsicher- heiten im Auge behalten werden. Extremereignisse wie ein zweiter Finanzkollaps, Terroranschläge, die Nichtbewältigung der Migrationsfrage in Kombina- tion mit politischem Extremismus, verstärkte Spill- Over-Effekte der Krisen in der Ukraine sowie ins- besondere aus der MENA-Region könnten rasch zu einer substanziellen Lageverschlechterung führen. 2.1.7 Leistungsspektrum und Ausrichtung der GSVP, EU- Streitkräfteintegration und Kooperationen TRENDBESCHREIBUNG Die EU kann ihr sicherheits- und verteidigungs- politisches Potential weiterhin nicht vollumfäng- wird im unteren bis mittleren Krisenmanagement liegen, wobei das Militär im Rahmen des breit ange- legten Krisenmanagementansatzes der EU auch wei- terhin nur eine eingeschränkte Rolle zu übernehmen hat. Obwohl die Ambition einer autonomen Vertei- digung der EU auch weiterhin nicht auf der Agenda steht, sind einzelne Ansätze bei den strategischen Fähigkeiten, bei Hauptquartieren und in der Rüstung in Richtung autonomer militärischer Fähigkeiten erkennbar. Der Trend bei Krisenmanagementeinsät- bis mittlere zivil-militärische Operationen maximal
  • 28. 26 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 mittlerer Intensität bei zunehmender Bedeutung von Unterstützungsmissionen für die Bereiche Wieder- - - TRENDSTABILITÄT UND UNSICHERHEITEN Entwicklung rückt das Thema „Verteidigung“ wie- der stärker in den Fokus europäischer Politik. Die Frage ist nun, ob mit der erstmaligen Aktivie- rung der „Beistandsklausel“ am 17. November 2015 durch Frankreich eine Trendwende eingetreten ist. Die politische Motivation Frankreichs für die- sen Schritt war es zunächst, eine breite Solidarität und Unterstützung einzuholen. Die konkreten Bei- träge werden bilateral unter Berücksichtigung der Fähigkeiten und Interessen der Mitgliedsstaaten aus- verhandelt. Neben direkter Unterstützung für den Kampf gegen den „IS“ in Syrien und im Irak stehen „Entlastungsbeiträge“ für das französische Engage- ment in Afrika und in der Levante im Mittelpunkt der Überlegung. Damit soll einerseits ein politi- sches Signal an die Bürger in Frankreich und der EU abgegeben werden, dass der Kampf gegen den „IS“ eine europäische Aufgabe ist und nicht primär eine der NATO und dass Frankreich dabei nicht alleine - siert werden. Ob daraus schon eine Trendwende hin zu einer nun eigenständigen Verteidigung Europas abgeleitet werden kann, ist offen. Zudem besteht ein erhebliches Risiko, dass eine folgenlose Aktivierung der Beistandsklausel zu einem weiteren Vertrauens- verlust in die EU führen könnte. Der Trend zur Etablierung vielfältiger Kooperati- onsprojekte wird vor allem aufgrund national limi- tierter Ressourcen weitergehen. Allerdings wird es bei den relevanten EU Mitgliedsstaaten keinen Ver- zicht auf Kernfähigkeiten geben. Sie werden ihre eigenständige nationale Handlungsfähigkeit erhalten wollen, was insgesamt im europäischen Kontext den Fortbestand strategischer Inkohärenz prolongiert. Tatsächlich sind die gemeinsamen europäischen Es werden nur etwa 15 Prozent der verfügbaren Investitionsgelder in Form gemeinsamer europäi- scher Projekte ausgegeben. In der Praxis dominie- ren Kooperationsvorhaben, die aufgrund nationaler limitierter Ressourcen und nationaler Interessens- lagen angestoßen werden. Eine arbeitsteilige Vor- gangsweise und ein Verzicht auf Kernfähigkei- ten hat angesichts strategischer Inkohärenzen noch nicht Platz gegriffen. Kooperationsbereitschaft ist daher weiterhin eng an die Erhaltung möglichst umfassender nationaler Handlungsfähigkeit gebun- Staaten und weniger auf Ebene der EU-28 statt. Also keine Europa-Armee sondern Bildung von regionalen (z.B. Nordische Kooperation oder Vise- - port oder Cyber) Fähigkeitsclustern. Damit kön- nen jedoch gesamteuropäische Fähigkeitslücken bei strategischen Systemen wie z.B. Aufklärung oder Drohnen nicht gänzlich geschlossen werden. Die eingeschränkte eigenständige militärische Hand- lungsfähigkeit der EU prolongiert auch die Abhän- gigkeit von den USA. Am erfolgversprechendsten bleiben Kooperationen zwischen EU-Staaten mit ähnlicher sicherheitspolitischer Interessenslage und vergleichbaren Militärkulturen.
  • 29. Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 27 TRENDBESCHREIBUNG integrierte Streitkräfte statt, selbst der Einsatz von EU-Battlegroups zeichnet sich nicht ab. Übungen und Ausbildung werden weiter in eingeschränktem Rahmen und unter Rückgriff auf NATO-Standards Trotz einstimmiger politischer Einsatzentscheidun- gen ist die Aufbietung der erforderlichen Kräfte weiterhin nur mit großem Aufwand möglich. Staa- ten, die in den Einsatz gehen und die damit verbun- bislang keinen Einsatz einer EU-Battlegroup gege- ben hat. Trotz begrüßenswerter Ansätze in Rich- tung systematischer gemeinsamer Streitkräfte- planung sind auch weiterhin keine verbindlichen gesamteuropäischen Planungsvorgaben zu erwar- ten. Der Qualitätssprung von freiwilliger Koope- ration zu gelenkter Integration bleibt daher im Bereich der Verteidigung aus. Im Vordergrund wer- den auch weiterhin „Pooling und Sharing“-Koope- rationen zwischen gleichgesinnten Staaten und der Ausbau regionaler zweckorientierter Kooperations- formate stehen. cher Einsa g der er t groß n Ein Bereich der Vertei rhin „Pool hgesinn ntierte
  • 30. Das Trendszenario 2016 weist im Vergleich zum Trendszenario 2015 bei drei der hochrelevanten Fak- sich der Trend der und der der EU. Hingegen zeigen die Indikatoren des Faktors 3. ZUSAMMENFASSUNG: Verschlechterung der sicherheitspolitischen Lage der EU und Österreichs im Jahr 2016 Rolle Russland in Europa, dass eine weitere Steige- rung des konfrontativen Verhältnisses zwischen Russ- land und den EU wenig plausibel ist. Zunehmende Aufmerksamkeit sollte auch der Faktor Beeinträchti- gung der Stabilität in Europa genießen, dies vor allem wegen der Migrationsströme, den Folgen der Wirt- Gegenwartsraum Erwartungsraum LEISTUNGS- FÄHIGE GSVP IM DIENSTE DER UN 2012 DESINTEGRATION DER EU ERNEUERTE TRANSATLANTISCHE PARTNERSCHAFT REGIONALE MACHT EU IN EINER MULTI- POLAREN WELT KERNEUROPA IN EINEM KONFLIKTIVEN UMFELD ZIVILMACHT EUROPA WELTORDNUNG KONFRONTATIVKOOPERATIV USA EUROPAS HEGEMON DARSTELLUNG DER SICHERHEITSPOLITISCHEN UMFELDSZENARIEN AUS DER SICHT VON 2011 MARGINALISIERUNG DER EU EU HANDLUNGSFÄHIG EU EINGESCHRÄNKT HANDLUNGSFÄHIG päischen Nachbarschaft mit weitreichenden Auswirkungen auf die innere Sicherheit und die Resilienz der EU und ihrer Mitgliedsstaaten – insbesondere durch Migration und Terrorismus. Aus den anhalten- den zentrifugalen Kräften innerhalb der EU resultieren nach außen eine eingeschränkte Gestaltungsfä- higkeit und eine schwindende Solidarität bei der Bewältigung von Herausforderungen im Inneren. Trotz europaweiter Stabilisierung der Verteidigungsbudgets ist die EU auch weiterhin nicht in der Lage, ei- genständig größere Operationen zur Wahrung vitaler Sicherheitsinteressen durchzuführen. TREND- SZENARIO 2015 TREND- SZENARIO 2016 ? ? 28 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016
  • 31. schafts- und Finanzkrise sowie der damit einherge- henden zunehmenden sozialen und politischen Polari- sierung innerhalb der EU. Zudem werden vor dem Hintergrund anhaltender Konjunkturschwäche und eines erwartbaren nur mini- - len Ressourcen für die dringend notwendigen Stabi- lisierungsmaßnahmen an der südlichen und östlichen Peripherie der EU limitiert sein. Somit steht die EU in noch dramatischerer Weise als 2015 vor dem Scheideweg, ob sie den aktuellen und über die Migrationskrise noch verstärkten Trend in Richtung Renationalisierung überwinden und auch im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik die Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten hin zu einem leistungsfähigen Kern auf den Weg bringen kann. Die Bewertung der Anschläge von Paris am 13. November 2015 sowie die „Aktivierung“ der EU-Bei- - selfaktor oder gar dem ganzen Szenario eine andere Richtung gibt, fällt zurückhaltend aus. Das Ausmaß der Anschläge – allenfalls auch noch folgende – liegt - konventionelle Kampfmittel zum Einsatz kommen und keine Massenvernichtungswaffen. Die zentrale Herausforderung liegt daher eher darin, die politische und soziale Stabilität in den aktuellen und mögli- chen weiteren Anschlagsländern aufrechtzuerhal- ten wie auch darin, ein Mindestmaß an europäischer dem EU-Vertrag, wenn sie über die Symbolik nicht hinausgeht und keinerlei Impulse für Verteidigungsan- strengungen setzt, die diesen Namen auch verdienen. Das aus den dargestellten plausiblen Entwicklun- gen der Schlüsselfaktoren abgeleitete Trendszena- rio 2016 liegt somit noch in der generellen Richtung - trächtigen globalen Weltordnung“, wobei die sicher- heitspolitische Funktions(un)fähigkeit der EU zum entscheidenden Unsicherheitsfaktor wird. Mit einem Trendbruch dergestalt, dass die EU an einer leistungs- scheitert, müssten andere Zukunftsszenarien in den Erwartungsraum miteingebunden werden und zur werden. Diese wären davon gekennzeichnet, dass in - chenden negativen Folgen für die politische, wirt- schaftliche und soziale Resilienz der EU. Im besten Falle könnte die EU in diesem Fall mit einer erneuer- ten atlantischen Allianz ihren Bedeutungsverlust par- tiell kompensieren, was allerdings nur um den Preis gesteigerter Abhängigkeiten erfolgen würde. Vor dem Hintergrund dieses Trenszenarios 2016 erge- ben sich für die österreichische Sicherheits- und Ver- teidigungspolitik in den unterschiedlichen Dimensio- nen folgende Handlungsstränge: • Stärkung der Resilienz, • Weiterentwicklung der Verteidigungsplanungen, • Kooperationen sowie das • Erfordernis von vermehrten und robusteren Bei- trägen zur Umfeldstabilisierung. Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 29
  • 32. STÄRKUNG DER RESILIENZ ÖSTERREICHS Angesichts der multiplen Krisen, mit denen die EU und ihre Mitgliedsstaaten konfrontiert sind, stellt sich immer mehr die Frage nach der Resilienz einzel- - enz kann ganz allgemein verstanden werden als die Fähigkeit, mit– vorhergesehen bzw. unvorhergesehen – Ereignissen umgehen zu können. Diese Fähigkeit ist in einem sich grundlegend und dynamisch wan- delnden Sicherheitsumfeld für einen Staat, seine Leis- tungsfähigkeit und damit langfristig auch für seine Legitimation gegenüber den Bürgerinnen und Bür- gern von entscheidender Bedeutung. Die Resilienz setzt sich aus zwei Elementen zusammen: Robust- heit als Fähigkeit, erwartete Ereignisse zu bewältigen, und Agilität als Lern- und Entwicklungsfähigkeit im Umgang mit unerwarteten Ereignissen. Resilienz geht somit auch einher mit der Strategiefä- higkeit von Staaten, also mit der Fähigkeit, Herausfor- derungen, Risiken und Bedrohungen so früh als mög- lich zu erkennen sowie hinsichtlich ihrer Relevanz für den eigenen Staat zu analysieren, zeitgerecht kohä- rente und wo erforderlich gesamtstaatliche Strategie- optionen für die Staatsführung zu entwickeln und nach einer politischen Entscheidung deren Umset- zung zu begleiten. Der Umgang mit den Krisen der letzten Jahre, mit denen Österreich konfrontiert war, legt den Schluss nahe, dass hier ein gesamtstaatliches - rung in der ÖSS und in den letzten Regierungspro- grammen konnten bislang keine adäquaten leistungs- fähigen Strukturen zur strategischen Vorausschau und Entwicklung von gesamtstaatlichen Handlungsopti- onen im Rahmen eines gesamtstaatlichen Lagezent- rums geschaffen werden. Österreich mangelt es somit – und das ist auf Sicht eines der essentiellsten Sicher- wesentlichen Voraussetzungen seiner Strategiefähig- keit. Zu den prioritären sicherheitspolitischen Aufga- benstellungen 2016 zählt somit die Einrichtung eines gesamtstaatlichen Lagezentrums. WEITERENTWICKLUNG DER VERTEIDGUNGSPLANUNGEN Die aktuellen Entwicklungen in Osteuropa, im Nahen Osten, in Nordafrika aber auch in Europa erfordern keine grundlegenden Veränderungen in der strategi- schen Ausrichtung. Vielmehr wird die Richtigkeit und Notwendigkeit der konsequenten Ausrichtung auf die einsatzwahrscheinlichen Aufgaben, wie sie im Struk- turpaket „ÖBH 2018“ ausgeplant wurden, grundsätz- lich bestätigt. So ist weiterhin von keinem gesteigerten konventio- nellen militärischen Risiko für Österreich auszugehen. Aktualisiert hat sich die Annahme, dass in naher Zukunft Einsätze des ÖBH zur Landesverteidigung für die Abwehr asymmetrischer Angriffe notwendig werden können. Insbesondere nach den Anschlägen von Paris ste- hen der Schutz der Bevölkerung, ihrer Lebensgrund- lagen und die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Staates im Vordergrund. Zur Aufrechterhaltung der Resilienz sind die Fähigkeiten des ÖBH konsequent weiterzuentwickeln. Dies umfasst insbesondere die Bereiche Führungsfähigkeit, Aufklärung, Mobilität zu Land und in der Luft sowie die Spezialeinsatzkräfte. Der raschen Reaktionsfähigkeit und der personellen 30 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016
  • 33. Durchhaltefähigkeit auch über einen längeren Zeit- raum kommt eine gestiegene Bedeutung zu. - paweiten Entwicklung zu folgen, wieder in Streitkräfte zu investieren und damit die Einsatzbereitschaft zu erhö- hen und an die neuen Herausforderungen anzupassen. FESTHALTEN AM AUSBAU DER GSVP UND INTENSIVIERUNG VON KOOPERATIONEN Wegen schwieriger allgemeiner Rahmenbedingungen in - - men. Daher ist es aus österreichischer Sicht umso wichti- ger, dass die aktuellen Handlungsstränge – insbesondere die laufenden Krisenmanagementeinsätze, die Erstel- lung einer neuen Europäischen Sicherheitsstrategie und die Unterstützungsleistungen für Frankreich in Folge der Aktivierung der Beistandsklausel in Richtung einer effek- tiven und ambitionierten europäischen Verteidigungspo- litik – erfolgreich weitergeführt werden. Österreich muss sich im Sinne der eigenen Interessenslage weiterhin in angemessener Form einbringen. Das erfordert v. a. die Fortsetzung der militärischen Krisenmanagement-Bei- träge auf hohem Niveau und den Ausbau der Kooperati- onen mit gleichgesinnten EU-Staaten sowie einen sicht- baren Solidarbeitrag gegenüber Frankreich. Im Rahmen der Erarbeitung der neuen Europäischen Sicherheitsstra- tegie wird insbesondere auf die Bedeutung der Verteidi- gungsdimension, auf eine kohärente gemeinsame Bedro- hungseinschätzung und auf konzeptive Vorgaben für - wirken sein. Das strategische Kooperationsportfolio des ÖBH wäre mit Vorrang zu implementieren. ERFORDERNIS VON VERMEHRTEN UND ROBUSTEREN BEITRÄGEN DES ÖBH ZUR UMFELDSTABILISIERUNG - zen wird sich weiter in Richtung erhöhter militärischer Leistungsfähigkeit verändern. Diese Tendenz hat der Dies resultiert insbesondere aus den umfassenderen Mandaten, die zunehmend auch den Schutz der Zivil- bevölkerung gegenüber bewaffneten Milizen und Ter- roristen beinhalten und aus den steigenden asymme- Relevanz sind dabei die Einsätze im Nahen Osten, in Nordafrika und in Subsahel-Afrika. Militärisch bedeu- tet dies, dass internationale Einsätze robuster und anspruchsvoller werden, was u. a. erhöhte Anforde- rungen an Truppenschutz, Mobilität und Aufklärungs- fähigkeit zur Folge hat. Nachbarschaft erfordern einen vermehrten Stabilisie- rungsbedarf. Es wäre daher zu prüfen, inwieweit sich das ÖBH im Rahmen eines gesamtstaatlichen zivil- militärischen Ansatzes mit zusätzlichen Kräften und Mitteln an UN-mandatieren Friedensmissionen betei- ligen soll und den Forderungen zunehmend robuster und anspruchsvollerer Missionen verbessert gerecht werden kann. Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 31
  • 34. GLOBALES UMFELD 2016 Die sicherheitspolitische Situation in Europa ist durch neue Herausforderungen, Risiken und Bedrohungen be- stimmt. Diese sind komplexer, stärker miteinander ver- netzt und weniger vorhersehbar als bisher. Sie betreffen die innere und äußere Sicherheit. Im Zeitalter der Globalisierung können dabei regionale Ereignisse globa- le Auswirkungen haben. (Vgl. Österreichische Sicherheitsstrategie, S. 4)
  • 35. Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 33 GLOBALE SICHERHEITS- TRENDS 2016 Richard Weitz Die Legitimation und die Effektivität von internatio- nalen Institutionen – von globalen wie den Verein- ten Nationen bis zu regionalen wie der NATO und der EU – werden auch weiterhin durch das Ausmaß und die Intensität von globalen Krisen bedroht. So- wohl für Russland als auch für China im Rahmen seiner maritimen Streitigkeiten oder für die Terror- miliz „Islamischer Staat“ mit ihrer Mischung aus ter- roristischen, aufrührerischen und konventionellen Taktiken, bleibt die Anwendung hybrider asymmetri- scher Methoden der Kriegsführung populär. Fortge- Europa Europa wird 2016 seinen Fokus wahrscheinlich auf die Flüchtlingskrise legen. Laut Prognose der VN sollen in den nächsten zwei Jahren über 1,4 Millionen Migrantin- nen und Migranten Europa erreichen. Die Aussichten, setzte Cyber-Angriffe werden insbesondere wegen schwieriger verlässlicher Zuordnungen Anlass zu Spannungen zwischen den globalen Mächten führen.
  • 36. 34 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 - über Moskau, insbesondere da die NATO-Führung im wenn nicht gar einheitlich – der Meinung ist, dass sich Russland und die NATO in Konkurrenz zueinander - der gibt. Infolgedessen ordnet die NATO ihre in Eu- - dernisierung ihrer Nuklearkräfte und Nukleardoktrin. Russland wird eine autoritäre und revisionistische Macht unter strikter Kontrolle von Wladimir Putin - on in der Ukraine und in Syrien könnte die Kooperati- on zwischen Russland und dem Westen bei vielen Themen, vom islamistischen Terrorismus und regiona- - tik gegenüber China, weiter behindern. Der Absturz des russischen Rubels und die Schwächung der russi- schen Wirtschaft wird Moskaus Aktivitäten in Zu- mehr Selbstsicherheit, zu Einschränkungen oder zu ei- ner Kombination von beidem führen wird, ist unklar. Der Zeitplan für die Aufhebung der Sanktionen hängt größtenteils davon ab, wie lang es benötigt, das unkla- re Minsk II-Abkommen umzusetzen. Prinzipiell dürf- ten die Sanktionen wegen der Annexion der Krim noch mehrere Jahre aufrecht bleiben. Naher und Mittlerer Osten - den auch 2016 mit nur geringer Aussicht auf eine Lö- sung fortbestehen. Die angespannten Beziehungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien haben sich ver- schlechtert, seit beide Parteien die jeweils gegneri- schen Kräfte in den Bürgerkriegen im Jemen und in Einkommens- und Vermögensungleichheit – abgemil- dert werden, sind gering. Dadurch ergeben sich Auswir- kungen auf die europäische Sicherheit in den Bereichen • Ökonomische Aufwendungen zur Unterstützung der Flüchtlinge, • Anstieg des islamischen Radikalismus, • und • wie darauf zu reagieren sei. Langfristig wird die alternde Bevölkerung des Konti- Kurzfristig besteht jedoch die Wahrscheinlichkeit höhe- rer Arbeitslosenraten. Arbeitskräfte in unterschiedlichen - könnten das allgemeine Lohnniveau drücken. Die Zunahme des islamischen Radikalismus inmitten des Exodus von Hunderttausenden Flüchtlingen aus islami- schen Ländern bereitet Sorgen. Die Lösung der Wirt- schaftskrise stellt eine weitere Herausforderung dar, die Sparmaßnahmen könnten aufgrund der Flüchtlingskrise untergraben werden. Um die Herausforderungen des Jahres 2016 zu bewälti- gen, insbesondere die Flüchtlingskrise, braucht die EU auch eine verstärkte Kooperation mit den Balkanstaaten (Serbien und Mazedonien) wie auch mit der Türkei. Russland Der Krieg in der Ukraine, in dem Moskau die Krim be- setzte, führte zu einer Aushöhlung der doktrinären
  • 37. Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 35 Syrien unterstützt haben. Präsident Hassan Rohanis Hoffnung auf eine Entspannung mit der saudischen Regierung wird sich angesichts der aggressiven anti- iranische Stimmung in Riad wahrscheinlich nicht er- füllen. Unterdessen werden sich die russisch-irani- schen Beziehungen durch die Zusammenarbeit im Fall Syriens vertiefen. Der Wahlsieg Benjamin Netanyahus wird einen weiteren Fortschritt in den israelisch-paläs- tinensischen Friedensgesprächen erschweren. Ostasien Die Annäherungen zwischen Russland und China werden enger, obwohl die Schwäche der russischen und chinesischen Wirtschaft ihr Potential begrenzt. Pekings aggressive Haltung im Südchinesischen Meer hat jenes Wohlwollen beeinträchtigt, das sich Peking in den letzten Jahrzehnten von seinen maritimen Nachbarn und den Vereinigten Staaten erworben hat. Pekings Cyber-Spionage hat sowohl die USA als auch ausländische Unternehmen, die traditionellerweise die globale Einbeziehung Chinas unterstützt haben, verär- gert. Die betroffenen Staaten haben bereits reagiert und ihre militärischen Verbindungen untereinander und mit Washington gestärkt. Im nächsten Jahr wird insbesondere Japan seine Rolle für die Sicherheit Asi- ens entsprechend seinem Potential ausbauen. Afrika Die größte Bedrohung innerhalb Afrikas geht von ext- - ter sind Boko Haram (hauptsächlich in Nigeria und Kamerun) und Al-Shabaab (vorwiegend in Kenia und Somalia). Während Boko Haram dem „Islamischen Staat“ die Treue geschworen hat, bleibt Al-Shabaab lo- yal gegenüber Al-Kaida. Beide werden jedoch ähnliche Taktiken einschließlich Angriffe auf belebte Busstatio- nen, heilige Stätten und Märkte anwenden. Afrika leidet unter sehr schwachen Institutionen, sehr schwachen demokratischen Regierungen und geringen öffentlichen Investitionen, was zu Verwundbarkeit ge- genüber gewalttätigen Akteuren, Pandemien und an- deren Destabilisierungen führt. Vereinigte Staaten von Amerika Die US-Präsidentschaftswahlen könnten wegen ihres Effekts auf die US-Außenpolitik (mögliche Beendi- gung der schwachen US-Führungsrolle in verschiede- nen Regionen) gravierende Auswirkungen haben. Dies könnte die Verhandlungen zum internationalen Han- den Zustand des Dollars und andere kritische globale Themen betreffen. Nachdem Präsident Barack Obama seine Wählerschaft nicht mehr besänftigen muss und ein positives Vermächtnis hinterlassen möchte, könnte er sich mutig in verschiedene Richtungen betätigen.
  • 38. 36 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 KERNPUNKTE • Europas Fokus wird 2016 die Flüchtlingskrise bleiben. • Kurzfristig könnten durch die Migration nach Euro- pa die Löhne aufgrund des Angebots an billigen Ar- beitskräften sinken, langfristig wird die alternde Bevölkerung wirtschaftlich unterstützt. • Mehrheitsmeinung in der NATO-Führung ist, dass Russland und die NATO in Konkurrenz zueinander stehen und die Möglichkeiten der Kooperation be- grenzt sind. • 2016 weiter anhalten, mit geringer Aussicht auf Lösung. • Die Russland-China-Achse wird sich leicht stärken, obwohl das schwache Wachstum in beiden Wirt- schaften das Potential begrenzt. • Die größte Sicherheitsbedrohung in Afrika geht von islamistischen Extremistengruppen wie Boko Ha- ram und Al-Shabaab aus. KEY NOTES • Europe’s focus in 2016 will remain on the refugee crisis. • In the short term, wages might fall due to the gro- wing availability of cheap labour; in the long term, the continent’s aging population will be helped economically. • The view of most NATO leaders is that Russia and NATO are in a competitive relationship in which co- operation is limited. • through 2016, with little prospect of resolution. • The Russia-China axis will tighten slightly, although weakening growth in both economies will limit its potential. • The greatest security threat in Africa comes from Islamic extremist groups: Boko Haram and Al-Shabaab. NK oku nten rund angfris unterst hrung ist, dass in o ght ap lab ng po ly. The view of gskrise ch Euro- en Ar- e KEY NOTE • Europe’ crisis • In t w
  • 39. Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 37 GLOBALE MACHT- POLITISCHE ENTWICKLUNGEN 2016 Nicolas Stockhammer Geotektonische Bruchliniendynamik Massive geotektonische Plattenverschiebungen hat- ten das Aufreißen alter Bruchlinien zur Folge, was weit Globale Machtpolitik im Jahr 2016 ist als Konse- quenz gleichsam tektonischer Kräfteverschiebun- gen im geopolitischen Machtgefüge zu verstehen. geprägt sein, die aus der multipolaren Neuordnung von Machtpotentialen und damit verbundenen Aus- strahlungen resultierten. Europa kann sich durch entschlossenes Agieren einen Platz im Quartett der Großmächte sichern – oder in die geopolitische Be- deutungslosigkeit zurückfallen.
  • 40. 38 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 reichende ordnungspolitische Konsequenzen insbe- sondere für das kommende Jahr nach sich zieht. Das machtpolitische Vakuum im Anschluss an den „Uni- polar moment“ (Krauthammer) hat sukzessive zu einer hochgradigen Instabilität an den Rändern und zu einer - zeit grassierenden Wettbewerb um die globale Domi- Machtpositionen und unterschiedlichen Ressour- cen. Allen voran werfen die um Machtkonsolidierung bemühten Vereinigten Staaten und auch ein aufstre- - schale. Dennoch sind die postimperialen Ambitionen Russlands nicht gering zu schätzen, und ebenso ist EU- Europa, zumindest von seinen grundsätzlichen Disposi- tionen her, immer als ein potentiell bestimmender Fak- tor auf dem weltpolitischen Schachbrett zu sehen. Das Jahr 2016 wird mit hoher Wahrscheinlichkeit von in einer Neugewichtung der Machtpotentiale äußern wird. Vorwiegend steht zu erwarten, dass das Verhältnis zwischen den maßgeblichen Machtakteuren von mani- fester Konkurrenz geprägt sein wird und zudem hieraus - ride „Proxywars“ in der instabilen Peripherie ausgetra- gen werden. Als Stakeholder sind in diesem Kontext die Türkei, der Iran, Saudi-Arabien, Israel und nicht zuletzt Ägypten bzw. die Ukraine als geostrategisch relevante „Spots of interest“ zu nennen. Die künstlich gezogenen Sykes-Picot-Linien etwa haben sich gerade in Syrien als unzureichend, unbeständig und fragil erwiesen, ebenso ist das ukrainische „Heart- land“ (Mackinder), dessen Osten als eine Art russisches Faustpfand im Zuge der geopolitischen Neuordnung nach dem Zerfall der Sowjetunion zu begreifen ist, wei- terhin hochgradig instabil. Hierbei spielen teils latente, teils offenkundige Einkreisungsobsessionen (in China und Russland) im Widerspiel mit Niedergangsängsten (in den USA und Europa) eine Rolle. Brüche vollzie- hen sich zudem auf einer psychologischen Ebene, wobei ein Auseinanderdriften simultan alten und neuen Kon- lässt und auch eine fortschreitende sicherheitspolitische Fragmentierung beschleunigt. Vorherrschendes geostra- tegisches Prinzip wird 2016 sehr wahrscheinlich eine globale Interdependenz bleiben, in deren Lichte sich multivektorielle Machtprojektionen entwickeln werden. Die bevorstehenden US-Präsidentschaftswahlen im Herbst 2016 dürften eine graduelle Verlangsamung im Wettbewerb um eine globale machtpolitische Vorherr- schaft nach sich ziehen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit - halten und weiterhin Disengagement an der europäi- schen Peripherie praktizieren. Die USA werden ganz generell allem Anschein nach ihr Committment in Räu- men (d. h. insb. in Krisenregionen) zurückschrauben, wo sich keine unmittelbaren ökonomischen US-Inte- ressen bzw. politische Spin-Offs oder Kollateralambi- der Ökonomie („Moneyball America“– vgl. Bremmer) verheißt eine Außenpolitik unter dem konsequenten Europa kann sich im politischen Schlüsseljahr 2016 angesichts „bedrängender Herausforderungen“ (Mig- rations- und Finanzkrise, transnationaler Terrorismus), wie Herfried Münkler in seinem Beitrag treffend fest- stellt, den „geopolitischen Tatsachen“ stellen – oder sich vollends aus der ihm gebührenden, ordnungspoli- tischen souveränen Selbstbestimmung herausnehmen.
  • 41. Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 39 Letzteres hätte weit reichende negative Konsequenzen für den Weiterbestand der EU als Institution. Institutionell wird 2016 vor allem die OSZE unter deut- spielen. Die NATO dürfte weiterhin versuchen, ihr Pro- der Auseinandersetzung mit Russland zu schärfen. Geoökonomik Natürliche (tellurische) Ressourcen sind ein knappes - - positionen begriffen werden muss. Der Besitz von Res- sourcen kann wesentliche kompetitive Vorteile mit sich bringen, gerade was die Herausbildung von Schlüssel- technologien betrifft. Es steht daher für 2016 auch wei- terhin zu befürchten, dass die global rohstoffreichsten Regionen immer heißer umkämpft sein werden. Ebenso Patente oder Ideen) der Faktor „Humanressource“ auch in Hinblick auf dessen Verfügbarkeit mitzudenken, der zusehends eine nicht zu unterschätzende sicherheitspo- litische Rolle zu spielen scheint. Im Kampf um die glo- bale Vorherrschaft ist der Kontrolle von Strömen (etwa von Kapital oder Daten) ebenso wie der Verfügungs- macht über den Weltraum enorme Bedeutung beizu- messen. Als geoökonomisch essenziell ist zudem der weitere Verlauf der Verhandlungen rund um das Trans- atlantische Freihandelsabkommen (TTIP) zu betrach- ten, dessen erfolgreicher Abschluss nachhaltige geopoli- tische Veränderungen nach sich ziehen würde. Auch 2016 stagniert die Weltwirtschaft wahrschein- lich, regional jeweils unter anderen Vorzeichen, im Kri- senmodus. Selbst dort, wo Wachstum indiziert wird, etwa in China, ist mit strukturellen Problemen (Finanz- marktkrise) zu kämpfen. Für das Jahr 2016 ist daher eine weitere geoökonomische Zuspitzung zu erwar- ten, mit ebenso weit reichenden Auswirkungen auf das Geokultur Die größte geokulturelle Herausforderung im kommen- den Jahr wird höchstwahrscheinlich die europäische Migrationskrise bleiben, die womöglich noch eine weit reichende Ausstrahlung auf weitere Räume und Poli- tikbereiche erlangen wird. Nicht nur wird es gemein- schaftlicher Anstrengungen bedürfen, den geballten Flüchtlingszustrom zu kontrollieren bzw. aufzuteilen, auch wird die Integration der Asylwerber Finanzetats von EU-Mitgliedsstaaten belasten und das soziokultu- alten globalen Machtzentren kann eventuell durch kon- trollierte Zuwanderung teilweise ausgeglichen werden. Im geokulturellen Bereich „Religion und Ideologien“ ist 2016 mit einem weiteren Aufkeimen religiöser Differen- zen wie etwa dem innerislamischen Antagonismus (Iran vs. Saudi-Arabien) ebenso wie mit einer Hinwendung zu neuen ideologischen Narrativen zu rechnen, die geo- politisch prägend sein werden. Was Medialität und Pub- lizität betrifft, wird der Kampf um die Aufmerksamkeit machtpolitischer Deutungshoheit haben. Konklusion Insgesamt wird 2016 machtpolitisch weiterhin unter den Auspizien einer Neuausrichtung der Weltordnung stehen. Dauerhafte Machtansprüche bedürfen zu einer nachhaltigen Realisierung freilich einer weit reichenden Legitimierung, die nur längerfristig zu begründen ist.
  • 42. 40 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 KERNPUNKTE • Das Jahr 2016 wird von einer multipolaren Mächte- konkurrenz geprägt sein, die sich in einer Neujus- tierung bzw. Rebalancierung der jeweiligen Macht- potentiale äußern wird. • Die USA werden auch 2016 ihre Außen- und Si- cherheitspolitik unter dem Primat der Ökonomie und geleitet von einschlägigen Nutzenerwägungen betreiben. • 2016 wird angesichts der großen Herausforderun- gen wahrscheinlich ein politisches Schlüsseljahr für die EU sein. • Vor dem Hintergrund einer anhaltenden Stagnation der Weltwirtschaft ist für das Jahr 2016 eine weite- re geoökonomische Zuspitzung zu erwarten. • Die größte geokulturelle Herausforderung im kom- menden Jahr wird höchstwahrscheinlich die euro- päische Migrationskrise bleiben. Darum ist auch kurzfristig mit hybriden Ausdrucksfor- men einer wertebasierten Politik und einer überwiegend interessengeleiteten Realpolitik in den Internationalen Beziehungen zu rechnen. In der Zwischenzeit gilt es für die als globale Ordnungsmächte in Frage kommenden Akteure, insbesondere für ein selbstbewusstes Europa, sich übergreifenden politischen Herausforderungen zu stellen, Krisen zu managen und sich neuen, unabänder- kommenden Jahr werden jedenfalls, so ist zu erwarten, grundlegende Akzente hierfür gesetzt. KEY NOTES • 2016 will be characterized by a multi-polar compe- tition of powers that will manifest itself by an ad- justment or rebalancing of the respective power potentials. • US foreign and security policy will continue to be dictated by the primacy of the economy and guided • Considering the great challenges, 2016 is likely to become a political key year for the EU. • Against the background of a persistent stagnation of the world economy, a further geo-economic in- • The European migration crisis will most likely re- main the biggest geo-cultural challenge in the up- coming year.
  • 43. Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 41 Wachsende Russland-China Kooperation Die Krise in den russischen Beziehungen zum Westen zeigt, dass Moskau bereit ist, seine wirtschaftlichen Inte- ressen und seine Zusammenarbeit im Bereich der inter- nationalen Sicherheit (zumindest temporär) für politi- sche, geopolitische und ideologische Ziele zu opfern. Russland ist zunehmend fester entschlossen, jegliche es im Nahen Osten, in der Ukraine oder anderswo ent- Die wachsende Zusammenarbeit mit China stärkt Mos- kaus Vertrauen in der Konfrontation mit dem Westen. Die durch die USA verhängten Sanktionen gegen Putins Russland haben dieses zu einem „Pivot“ in Richtung GLOBALE ENTWICKLUNGEN 2016 Mathew Burrows Der Nahe Osten wird die größte Ursache für globale - sehbarer Zukunft wahrscheinlich noch weiter aus- breiten wird. Die meisten Bürgerkriege dauern sind viel gefährlicher als die meisten Bürgerkriege, da sie das Potential haben, die gesamte Region zu erfassen und die globalen Mächte gegeneinander auszuspielen. Das jüngste Eingreifen Russlands in Syrien garantiert, dass Baschar al-Assad nicht so - len Versuchen zur diplomatischen Lösung des
  • 44. 42 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 Osten gedrängt – insbesondere in Richtung China, das wiederum seinen eigenen eurasischen „Pivot“ in Rich- tung Westen vollzogen hat. Russlands langfristige Ener- giezukunft liegt in Asien. Anstatt eines Rivalen gewinnt China einen wertvollen Partner zur Stabilisierung und Modernisierung Eurasiens, in dem China zunehmend seine wirtschaftliche Zukunft und nicht mehr sein Hin- terland sieht. Zusammen streben Moskau und Peking, entsprechend der Vision Mackinders, nach der Verwirk- lichung eines Eurasischen Kernlandes. Kein frühes Ende der Migrationskrise Sowohl für die Flüchtlingskrise, die ihre Wurzeln in den für die anhaltende Instabilität auf dem Balkan wird es keine kurzfristigen Lösungen geben. Die Anzahl der Vertriebenen steigt mit der zunehmenden Intensität der Tag vertrieben, diese Zahl stieg jetzt auf 42.000 oder mehr Personen pro Tag. Langfristig könnte die zuneh- und der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter ein Segen für Europa sein. Kurzfristig werden die EU-Diskussi- onen zur Verteilung der rasch steigenden Last zu einer Verschärfung der innereuropäischen Spannungen zwi- schen Ost und West sowie Süd und Nord führen. Vor dem Hintergrund derart großer Migrationsströme wie die Türkei, Jordanien, Marokko und Algerien erhö- Europa reduzieren. Tatsächlich sind jedoch auch diese Staaten übermäßig belastet. Wachsende Spannungen zwischen Türken und Kurden könnten Kurden dazu drängen, die Türkei zu verlassen, und somit zusätzliches Flüchtlingsleid am Balkan und in Europa hervorrufen. Der einzige Lichtblick in der Ausweitung des Nah- - sche Lösung angestoßen werden könnte. Die Europäer könnten durch die Initiierung eines Friedensprozesses politische Führungsqualität demonstrieren – wie dies Fall war. Mitte 2016 könnte Russland nach Möglichkei- hierfür würden die steigenden Kosten, die sich verstär- kende Rezession sowie der wachsende Wunsch nach Aufhebung der EU-Sanktionen sein. Vor dem Hinter- grund der Beschäftigung mit der nächsten Präsident- schaftswahl dürfte es für die USA jedoch kaum mög- widmen. Getrübte Aussichten für die Weltwirtschaft Eine harte ökonomische Landung in China – deren Wahrscheinlichkeit trotz der gegenwärtigen Verlangsa- mung unter 50 % liegt – würde die Aussichten für die Drittwelt-Staaten, die wesentlich von der Dynamik der chinesischen Wirtschaft abhängen, weiter trüben. Eine globale Rezession kann unter diesen Umständen nicht ausgeschlossen werden. In einem derartigen Szenario würden die weltweiten Energiepreise auf ein historisches Tief fallen und die Energieproduzenten im Nahen Osten und in Russland weiter unter Druck geraten. Somit wären Saudi-Arabien und Russland weniger in der Lage, Durch ein mittel- bis langfristig dramatisch geringe- res Wachstum könnte Chinas Präsident Xi dazu veran- lasst werden, groß angelegte ökonomische Reformen umzusetzen. Dies könnte Chinas langfristige wirtschaft-
  • 45. Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 43 liche Perspektiven drastisch verbessern und die Wahr- scheinlichkeit, dass China in der Falle mittlerer Einkom- men stecken bleibt, verringern. Durch ein dramatisch geringeres Wachstum könnte aber das Risiko eines poli- Aggression gegen seine asiatischen maritimen Nachbarn steigen. Beschäftigte USA im Jahr 2016 Während es noch zu früh ist, vorherzusagen, wer die US-Präsidentschaftswahlen gewinnt, gibt es die verbrei- tete Meinung, dass die USA unter Obamas Führung zu schwach in der Welt auftraten. Die meisten Kandida- ten versprechen mehr Härte, insbesondere gegenüber Russland und China. Ich befürchte, dass der neue Prä- sident – sei er Demokrat oder Republikaner – übertrie- ben aggressiv sein könnte und die US-Verbündeten in Europa und Asien dazu zwingen könnte, sich zwischen den USA oder Moskau und Peking zu entscheiden. Am wichtigsten für die USA bleibt jedoch die Wirt- schaft. Trotz geringerer Arbeitslosenrate ist die Erwerbsquote, gerade bei älteren Männern, rapide gesunken. Die mittleren Einkommen stagnieren weiter. Wie andere entwickelte Volkswirtschaften altern auch die USA, womit sich ein geringerer Anteil der Bevölke- der Teil des nationalen Budgets für Leistungsansprü- che verwendet wird, bleibt weniger für Verteidigung und zivile Programme. Eine nationale Ausnahmesitu- ation – wie nach 9/11 – könnte zu einer Erhöhung der Verteidigungsausgaben führen. Ohne eine derartige große Bedrohung werden die USA die budgetären Kon- sequenzen jeder kostspieligen Militäroperation abwä- gen müssen – trotz der aggressiven Töne während des Wahlkampfes. KERNPUNKTE • sehbarer Zukunft wahrscheinlich noch ausweiten. • Die wachsende Zusammenarbeit mit China gibt Moskau mehr Vertrauen, den Westen zu konfrontieren. • • Das größte Thema für die USA wird die Wirtschaft bleiben. Die USA werden zunehmend die budgetären Konse- quenzen größerer Militäroperation abwägen müssen. KEY NOTES • foreseeable future. • • There will be no quick solution to the refugee-crisis which has its root-causes in the Middle East and in Africa. • The economy is going to remain the biggest issue for the US. There will be an increasing need to weigh the budgetary consequences of larger military operations.
  • 46. 44 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 WELTORDNUNG 2016 Die neue Unordnung der Welt und die Konsequenzen für Europa Ulrich Menzel Die Welt wird unregierbarer. Dieser seit Jahren zu konstatierende Trend ist 2015 manifest geworden. Die Stichworte lauten: Ukrainekrieg, Griechenland- krise, Krieg und Staatszerfall im Irak und in Syrien, Scheitern der militärischen Interventionen, Ausbrei- tung terroristischer Organisationen, die Staatlichkeit Schleusung als neues Geschäftsfeld des organisier- ten Verbrechens, Restauration des sowjetischen und Krise der EU. Ein Problem verdrängt das andere, ohne dass nur eines gelöst ist. Es ist sicher, dass diese Themen im Jahre 2016 weiter auf der Agenda stehen, mit der Konsequenz, dass die bestehenden Institutionen überfordert und die USA nicht mehr bereit sind, allein die Lasten zu tragen. Ob- wohl Europa mehr Verantwortung übernehmen muss, wird sich der Trend zur Selbsthilfe statt des Vertrauens in die EU verstärken und Deutschland in die ungewollte Rolle des Eurohegemons drängen. Ursachen der neuen Unregierbarkeit Während der Bedarf nach Weltordnung wächst, schwin- det zugleich die Fähigkeit, diesen Bedarf zu bedienen. Verantwortlich für das düstere Szenario wachsender Un- regierbarkeit sind langfristige Trends, die keinen linea- ren, sondern einen exponentiellen Verlauf nehmen, bis Kipppunkte erreicht werden, an denen die ökologischen, sozialen, wirtschaftlichen, politischen und administrati- ven Systeme kollabieren.
  • 47. Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 45 Wesentliche Ursache für die neue Unregierbarkeit ist pa- radoxerweise, dass „Entwicklung“ in großen Teilen der - ländern unvermindert fortschreitet. Daraus resultieren werdende Ressourcen und neue Formen des Kolonialis- mus wie z.B. Landgrabbing. Russland verfolgt spätestens seit Beginn der zweiten Präsidentschaft Wladimir Putins eine revisionistische Politik der Rückgewinnung ehemaligen sowjetischen - - zeln hatten: das alte Schisma des Islam zwischen Sunni- - und quer durch Subsahara-Afrika verläuft, der Zerfall vieler postkolonialer Staaten, die vielfach nur auf dem Papier bzw. in der Hauptstadt bestanden haben, und die Transformation des Terrorismus zum quasistaatlichen Akteur. Konsequenzen für Europa – Krisen und Mi- gration und Rüstungswettlauf Eine Befriedung des Krisengürtels an der europäischen Peripherie ist für 2016 nicht zu erwarten. Eher werden die bislang noch stabilen Inseln innerhalb des Krisen- gürtels destabilisiert und sich die Krisenregion nach Subsahara-Afrika und auf die armen Teile der Arabi- schen Halbinsel ausweiten. Jemen, Somalia, Eritrea, Südsudan werden zum Fokus einer weiteren Krisenregi- on mit neuen Fluchtbewegungen. Europa wird, weil die USA zögern, China passiv bleibt und Russland zündelt, gezwungen sein, in weitaus stärkerem Maße als bisher im eigenen Interesse für Sicherheit und Stabilität an sei- ner Peripherie zu sorgen, wie eine große Macht zu han- deln. Sonst ist die in 2016 eher zunehmende Fluchtbe- wegung nicht mehr handhabbar. Die Zeiten des Flucht wird immer durch Push- und Pull-Faktoren be- ihre Heimat verlassen. Letztere sind ausschlaggebend, welche Zielgebiete Migranten anstreben. Auch 2016 wer- den die Länder der EU von Flucht und Migration nicht - dergruppen unterscheiden: Die Länder Nordwesteuro- pas, die zu den bevorzugten Zielen zählen; die Transit- länder auf dem Balkan; die Erstaufnahmeländer - nen Länder, weil sie fernab liegen wie Irland oder Finn- land oder keine Attraktivität als Ziele bieten wie Polen oder das Baltikum. Nicht nur aufgrund der unterschied- lichen Betroffenheit, auch aufgrund der unterschiedli- chen Attraktivität macht eine Quotenregelung wenig Sinn, da sie von den Flüchtlingen unterlaufen wird. Si- cher ist, dass nach der dämpfenden Winterpause im Frühjahr 2016 die Migration wieder ansteigt, weil alle Push- und Pull-Faktoren weiter bestehen. Die Strategie, die Ursachen der Migration zu bekämp- fen, ist nur im Prinzip richtig und kann nur langfristig Wirkung zeigen. Deshalb muss Europa kurzfristig re- agieren. Wenn man die Pushfaktoren nicht oder nur sehr Faktoren an. Eine wirksame gesamteuropäische Strate- gie ist aufgrund der heterogenen Betroffenheit wenig wahrscheinlich, zumal das Projekt EU aufgrund diverser anderer Faktoren insgesamt in die Krise geraten ist.
  • 48. 46 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 Kurzfristig denkbar sind zwei andere Szenarien. Entwe- der kehrt Europa zum nationalen Selbsthilfeprinzip zu- rück oder es kommt zu einer Lösung, bei der Deutsch- land als ungewollter und ungeliebter „Eurohegemon“ voranschreitet. In der benevolenten Variante heißt das, dass Deutschland den größten Teil der Kosten trägt. In der malevolenten Variante konzentriert es sich auf die tät durch Reduzierung der Sozialleistungen, beschleu- nigt die Asylverfahren und intensiviert die Rückfüh- rung. Dies setzt die Nachbarn unter Druck, ähnlich zu verfahren mit Kaskadenwirkung bis in die Türkei, Liby- en, Marokko und Subsahara-Afrika. Auch so steht die EU zur Disposition, weil nicht nur die Freizügigkeit im Schengenraum verschwindet. Eine Variante ist, dass sich und Österreich – auf ein gemeinsames Vorgehen ver- ständigen und eine kerneuropäische Lastenteilung vor- nehmen. Welches der Szenarien verfolgt wird, hängt nicht zuletzt von den kommenden Wahlen ab. Neben der Migrationsfrage werden alle ungelösten Prob- leme in den Hintergrund treten – mit einer Ausnahme: Falls Russland seine revisionistische Politik fortsetzt, in- dem es die Kooperation mit dem Iran verstärkt, weiter in der Ukraine, in Weißrussland, im Kaukasus und wo- möglich im Baltikum interveniert, wird das den Rüs- tungswettlauf wieder anheizen. Dem werden sich auch neutrale Länder wie Österreich nicht entziehen können. KERNPUNKTE • Die Welt wird unregierbarer. Während der Bedarf nach Weltordnung wächst, schwindet zugleich die Fähigkeit, diesen Bedarf zu bedienen. • • Falls Russland diese revisionistische Politik fortsetzt, wird das den Rüstungswettlauf wieder anheizen. • Eine Befriedung des Krisengürtels an der europäischen Peripherie ist für 2016 nicht zu erwarten. Eher werden die bislang noch stabilen Inseln innerhalb des Krisengürtels destabilisiert und sich die Krisenregion ausweiten. • Die Strategie, die Ursachen der Migration nach Europa zu bekämpfen, ist nur im Prinzip richtig und kann nur langfristig Wirkung zeigen. Deshalb muss Europa kurzfristig reagieren. KEY NOTES • The world is becoming more ungovernable. While the demand for a world order grows, capacities to satisfy that request are fading. • • If Russia continues this revisionist policy it will refuel the arms race. • Binging peace to the crisis belt around the European periphery is unlikely in 2016. Crisis regions will expand and the still stable “islands” within the crisis belt are going to be destabilized. • The strategy to tackle the root causes of migration to Europe is right in principle, but can only be effective in the long term. Therefore, Europe must react in the short term. y ht die zügigk ante i , möglich im Baltikum intervenier Dem w entzie Während der Bedarf nach Weltordnung wächst, schwindet zugleich die Fähigkeit . sio engürtels an der europäischen Peripherie ist für 2016 nicht zu erwarten. Eher werden Inseln innerhalb des Krisengürtels destabilisiert und sich die Krisenregion ausweiten. n der Migration nach Europa zu bekämpfen, ist nur im Prinzip richtig und kann nur Des overnable. While the demand for a world order grows, capacities to sati el the arms race. end der Bedarf nach Weltordnung wächst, schwindet zugleich die Fä k fortsetzt, wird das den Rüstungswettlauf wieder a opäischen Peripherie ist für 2016 nicht zu erw Krisengürtels destabilisiert und sich die K uropa zu bekämpfen, ist nur im Prinzip rzfristig reagieren. and for a world orde
  • 49. Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 47 Europa in europäischer Verantwortung Die Sicherheit in Europa wird die USA auch 2016 relative Stabilität, Russland versucht sich eher in ande- GEOPOLITISCHE AUSRICHTUNG DER USA 2016 Henning Riecke Das Wahljahr 2016 schafft eine besondere Dyna- mik für die US-Außenpolitik. Zum einen fällt es dem scheidenden Präsidenten Barack Obama schwerer, - den. Zum anderen kann ein Präsident ohne die Am- bition auf Wiederwahl politische Impulse setzen, ohne auf Umfragewerte zu achten. Obama wird in seinen letzten Monaten im Amt versuchen, sein Ver- mächtnis abzurunden. Außenpolitik wird auf der Agenda stehen, nicht nur, weil die Präsidentschafts- kandidaten sich im Wahlkampf von Obama abgren- zen wollen. Auch im Wahljahr 2016 zwingen laufen- Handeln.
  • 50. 48 Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2016 NATO zeigen, dass sie ihre neuen Schwerpunkte bei Abschreckung und Verteidigung mit echten Fähigkei- - ten ein Interesse daran haben, die Verteidigungsfähig- mit triumphalem Bombast zu begleiten. Auch Russland - nen den Zusammenhalt der NATO zu testen. In den neuen militärischen Strukturen wie der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) sind aus- schließlich europäische Streitkräfte eingebunden. Aller- dings hat die NATO ohne US-Logistik und Aufklä- rung wenig Abschreckungspotential zu bieten – von den nuklearen Streitkräften ganz zu schweigen. In War- schau muss also auch Amerika zeigen, dass es noch zu - Amerikanische Vermittlung im Nahen Osten In der Krisenregion Syrien und Irak ist amerikanische Führung und Vermittlung gefragt, um die zerstrittenen Regionalmächte Iran und Saudi-Arabien hinter einem politischen Übergang in Syrien zu vereinen. Obama, so die Kritiker, hat Russland erlaubt, sich in die Rolle einer Ordnungsmacht zu drängen. Jetzt baut es eigene Koalitionen mit dem Iran und den Schiiten im Irak auf, gegen die USA, und will an Diktator Baschar al-Assad festhalten. Die von allen geteilte Feindschaft gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ genügt für eine lose erleichtert sie kaum. Erste Treffen einer Kontaktgruppe der regionalen Mächte unter amerikanischer Führung lassen auf einen eine Neuordnung in Syrien hoffen. Die USA müssen wohl oder übel akzeptieren, dass auch Assad beteiligt ist, und dass es dabei um seinen Abgang geht. Diesen Prozess gilt es für Obama am Leben zu erhalten, auch und gerade, weil er anläuft, während der Bürgerkrieg Nahen und Mittleren Osten zurückfahren und ande- und auch für das Transitland Österreich bedeutet dies, dass die Hauptursache für die europäische Flüchtlings- Für die internationale Stabilität hängt viel vom Ver- hältnis der USA zu China ab. Obama hat das Ver- hältnis zur chinesischen Regierung zu seinem Haupt- anliegen gemacht und in zahlreichen Kontakten ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Doch der Macht- kampf beginnt bereits, zunächst über Wirtschaftsinsti- anlaufen und den Freihandel der USA mit ihren Part- nern anschieben – ohne China. Unter Pekings Führung wird die Asiatische Investitionsbank ihre Arbeit auf- nehmen – ohne die USA und Japan, aber mit europäi- Macht, will eigene Interessen und die der amerikani- schen Verbündeten in der Region verteidigen, das Recht auf freie Durchfahrt durch die von China beanspruch- mitspielen.