Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Goldmann: Urheberrechtliche Probleme im Internet – Teil 2
1. M Recht der neuen Medien
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Urheberrechtliche Probleme im Internet
– Teil 2
Rahmenbedingung und Hinweise zur Erstellung
und zum Schutz von Websites
Dr. Bettina C. Goldmann, LL.M. (New York University)
Rechtsanwältin in München, Corporate Counsel Europe, Ariba S.A., Paris
Inhalt Seite
1. Urheberrechtsschranken: Zustimmungsfreie Nutzungen im
Internet 2
1.1 Zustimmungs- und entgeltfreie Nutzungen im Internet 2
1.2 Zustimmungsfreie, aber entgeltpflichtige Nutzungen im Internet 5
2. Der vertragliche Erwerb von Nutzungs- rechten 7
2.1 Beurteilung älterer bereits geschlossener Nutzungsverein-
barungen 7
2.2 Der Abschluss neuer Verträge zum Erwerb von Internet-Rechten 9
2.3 Von wem können Rechte vertraglich erworben werden? 11
3. Der Schutz des fertigen Online-Produkts 14
3.1 Urheberrechtlicher Schutz als Datenbankenwerk? 14
3.2 Urheberrechtlicher Schutz als Filmwerk? 15
3.3 Urheberrechtlicher Schutz als eigenständiges
„Multimedia-Werk“? 15
3.4 Sui-generis Schutz als Datenbank? 16
3.5 Wettbewerbsrechtlicher Schutz 16
4. Fazit und Ausblick 16
Checkliste zum Erwerb von Internet-Nutzungsrechten 18
Mustervereinbarung zum Erwerb der umfänglichen
Nutzungsrechte im Internet 19
Der vorhergehende Beitrag über urheberrechtliche Probleme im Internet wird an
dieser Stelle fortgesetzt u. a. mit der Frage der Wirkung von Urheberrechts-
schranken im Internet. Er endet mit einer Checkliste und Mustervereinbarung für
den Erwerb von Nutzungsrechten im Internet. M
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1. Urheberrechtsschranken:
Zustimmungsfreie Nutzungen im Internet
Die nach deutschem Urheberrecht in den §§ 45 ff. UrhG geregelten Urheberrechts-
schranken sind, obwohl sie auf analoge Verwertungshandlungen ausgerichtet sind,
auch für die Nutzung im Internet anwendbar. Durch sie sind eine Reihe von Ver-
wertungshandlungen dem Verbotsrecht des Urhebers entzogen, von denen nachfol-
gend die für die Nutzung schutzfähiger oder geschützter Werke im Internet wichtig-
sten kurz dargestellt werden sollen. Für den Produzenten einer Website bedeutet
dies, dass er sich der betreffenden Gestaltungselemente oder Inhalte bedienen darf,
ohne dass es der konkreten Zustimmung des Autors bedürfte. Allerdings lassen sich
die Urheberrechtsschranken in vergütungsfreie und vergütungspflichtige Schranken
aufteilen, so dass für einige der nachfolgend beschriebenen Nutzungen ein Entgelt
an den Rechtsinhaber bzw. die zuständige Verwertungsgesellschaft zu entrichten ist.
Von einigen Autoren wird kritisiert, dass die herkömmlichen Schrankenregelungen
auf die Nutzung im Internet nicht passen und zugunsten des Informationsbedürfnis-
ses der Allgemeinheit neue Schrankenregelungen geschaffen werden müssten.
Nach wie vor gelten jedoch die allgemeinen Ausnahmetatbestände auch für die
Nutzung im Netz, wobei zu beachten ist, dass die Schrankenbestimmungen eng
auszulegen sind und daher nur den konkreten, jedoch nicht etwa einen erweiterten
Tatbestand erfassen können.
Zu beachten ist auch, dass sämtliche Urheberrechtsschranken nur die unverän-
derte Nutzung des Werkes zulassen. Sobald die Aussage des betreffenden Werkes
etwa durch digitale Bildbearbeitung, Montage oder das Einblenden fremder Ele-
mente verändert wird, liegt eine zustimmungspflichtige Änderung und damit
Bearbeitung vor, die von den Schrankenregelungen nicht umfasst wird (vgl. § 62
UrhG). Zudem können durch derartige Veränderungen des Materials stets auch
persönlichkeitsrechtliche Positionen betroffen sein. Wo die Grenzen der Ände-
rung zu ziehen sind, kann nur für den jeweiligen konkreten Fall beurteilt werden.
1.1 Zustimmungs- und entgeltfreie Nutzungen im Internet
- Gemeinfreiheit
Eine Reihe von Werken können ohne Zustimmung beliebig verwendet werden,
etwa weil es sich nicht um ein schutzfähiges Werk handelt oder weil es um ein
amtliches Werk – etwa einen Gesetzestext oder eine Gerichtsentscheidung, vgl. §
5 UrhG – geht. Unbeschränkt verwertet werden können auch Werke, deren urheber-
rechtliche Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tode des Autors bereits abgelaufen
ist. Sofern mehrere Urheber gemeinschaftlich ein Werk geschaffen haben, erlischt
die Schutzfrist 70 Jahre nach dem Tode des am längsten Lebenden. Eine kürzere
M Schutzfrist von 50 Jahren gilt für leistungsschutzrechtlich geschützte Werke wie
5 etwa einfache Lichtbilder oder Laufbilder (vgl. Beitrag B 2.1, Kap. 2.8), die von
ihrer Gestaltungshöhe den urheberrechtlichen Schutzstandard nicht erreichen.
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Die urheberrechtliche Schutzdauer von 70 Jahren nach dem Tode des Autors gilt
mittlerweile in ganz Europa und auch den USA, so dass auch nach ausländischem
Recht geschützte Werke einem relativ langfristigen Urheberschutz unterfallen.
Allerdings muss Gewissheit bestehen, dass an gemeinfrei gewordenen Werken
nicht etwa aktuelle Rechte bestehen. So kann etwa die Tonaufnahme einer Beet-
hoven-Symphonie dann nicht auf einer Website zum Abruf bereitgehalten wer-
den, wenn der Tonträgerproduzent noch Rechte an der Tonaufnahme hat, die erst
50 Jahre nach dem erstmaligen Erscheinen der Tonaufnahme erlöschen. Gleiches
kann für ältere Texte gelten, an denen Übersetzern oder Bearbeitern oder auch
den Herausgebern eines Sammelbandes noch Rechte zustehen können.
- Zitate
Das Zitatrecht nach § 51 UrhG erlaubt zunächst die Übernahme eines gesamten
Werkes („Großzitat“) in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zu dessen
Erläuterung. Allerdings darf dieses nicht lediglich der Ausschmückung dienen,
sondern muss einen Bezug zu dem wissenschaftlichen Werk aufweisen. Bei le-
diglich der Unterhaltung dienenden Werken ohne wissenschaftlichen Gehalt gibt
es kein Recht zum Großzitat.
Daneben ist auch bei nicht-wissenschaftlichen Sprachwerken ein sog. „Kleinzi-
tat“ aus einem erschienenen fremden Werk gestattet, das zur Vertiefung oder als
Beleg für das Gesagte dient und zwingend die Quellenangabe des benutzten
Werkes erfordert. Nach diesen Regeln hat die Rechtsprechung auch Bildzitate, d.
h. die vollständige Wiedergabe des zitierten Bildwerkes, und Filmzitate erlaubt.
Jedenfalls ist ein Zitat nur in unveränderter Form (§ 62 UrhG) und unter Angabe
der Quelle (§ 63 UrhG) zulässig. In wieweit sich die Regeln über das Zitatrecht
auf Websites anwenden lassen, scheint noch nicht abschließend geklärt zu sein.
Vertreten wird allerdings, dass literarische Multimedia-Produkte Kleinzitate als
Bruchstücke in Form von Filmen, Musik oder Text verwenden dürfen, jedoch
stets nur zur Erläuterung oder Auseinandersetzung mit der eigenen Darstellung.
Voraussetzung ist stets, dass sowohl das zitierte Werk selbst als auch das aufneh-
mende Werk urheberrechtlich geschützt sind.
- Werke an öffentlichen Plätzen
§ 59 UrhG erlaubt es, Werke, die sich dauerhaft an öffentlichen Plätzen oder
Straßen befinden, mit Mitteln der Fotografie, der Malerei oder Grafik abzubilden.
Diese Ausnahmevorschrift muss auch für Internetproduktionen gelten, so dass für
die Nutzung von öffentlich zugänglichen Bauwerken, Denkmälern oder Kunst-
werken keine Zustimmung des Urhebers erforderlich ist. Allerdings fehlt es noch
an Rechtsprechung, die die Anwendung dieser Vorschrift auf Multimediaerzeug-
nisse bestätigen würde.
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- Katalogbilder
Werke der bildenden Kunst, die in Versteigerungs- oder Ausstellungsverzeichnis-
sen enthalten sind, können ohne Zustimmung des Urhebers dort vervielfältigt
werden. Da Verzeichnisse im Sinne dieser Ausnahme auch im Internet befindli-
che Kataloge sein können, spricht nichts dagegen, diese Vorschrift auch auf elek-
tronische Verzeichnisse anzuwenden.
- Freie Benutzung
Eine freie Benutzung nach § 24 UrhG liegt vor, wenn ein fremdes Werk nur als
Anregung für die Schaffung eines anderen urheberrechtsschutzfähigen Werks
gedient hat und die „entnommenen Züge des benutzten Werkes gegenüber der
Eigenart des neugeschaffenen Werks verblassen“, also wenn die Individualität
des benutzten Werkes gegenüber der neuen Schöpfung in den Hintergrund tritt.
Zulässig ist es, beispielsweise von einem geschützten Werk ein kurzes Abstract
herzustellen oder geschützte Werke zu indizieren, um ihr Auffinden zu erleich-
tern. Zustimmungsfrei erlaubt ist es auch, ein Werk beispielsweise in eine andere
Kunstform zu übertragen, etwa aus der Idee eines Buches ein Multimedia-Werk
herzustellen. Allerdings darf dann weder die Art der Präsentation, noch gedruckte
Bilder oder Texte einfach übernommen werden. Ob sich die Umgestaltung tat-
sächlich so weit von der Vorlage entfernt, wie für eine freie Benutzung erforder-
lich, ist eine im Einzelfall schwierig zu beurteilende Frage, die auch wenn ge-
meinfreie Informationen verwendet werden, noch aus wettbewerbsrechtlichen
Gründen unerlaubt sein kann. Der Produzent einer Website sollte jedenfalls bei
der Frage nach einzuholenden Rechten nicht leichtfertig darauf vertrauen, dass es
sich bei seinem Werk um eine freie Benutzung handeln wird.
- Öffentliche Reden (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 UrhG) und Berichterstattung über
Tagesereignisse (§ 50 UrhG)
Um dem allgemeinen Informationsinteresse zu dienen, ist es zulässig, über das
Internet öffentliche Reden wiederzugeben, die sich mit Tagesfragen auseinander-
setzen, oder von sonstigen Reden, die vor einem staatlichen, kommunalen oder
kirchlichen Organ gehalten wurden.
Ob § 50 UrhG, der eine Ausnahme für die aktuelle Bild- und Tonberichterstattung
über Tagsereignisse in Funk und Fernsehen zulässt, analog auf die Verbreitung im
Internet angewandt werden kann, steht noch nicht fest. Da sämtliche Ausnahmen
und Schranken im Urheberrechtsgesetz eng auszulegen sind, bedürfte es hierzu
eines klärenden Wortes der Gerichte oder des Gesetzgebers.
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