Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Prof. Ellen Lissek-Schütz: Die Kunst des Werbens um Gunst und Geld
1. Finanzierung und Förderung F 3.1
Private Kulturförderung
Die Kunst des Werbens um Gunst
und Geld
Fundraising als Marketingstrategie für Kulturinstitutionen
Prof. Ellen Lissek-Schütz
Der Beitrag erläutert die Leitlinien und Strategien eines Fundraising-Konzepts, das darauf zielt,
systematisch und dauerhaft Geld, aber auch andere Unterstützung einzuwerben. Dabei geht es um
den Aufbau langfristiger Beziehungen zu Freunden und Förderern. Grundlage sind Erfahrungen aus
der Fundraising-Praxis in den USA und aus dem Fundraising für Non-Profit-Organisationen in
Deutschland.
Gliederung Seite
1. Fundraising – eine neue Größe im Kulturbetrieb 2
2. Dimensionen, Leitlinien und Philosophie von Fundraising 3
2.1 Fundraising und Philanthropie 3
2.2 Fundraising und Friendraising 4
2.3 Fundraising – eine „Kulturtechnik“ 5
2.4 Fundraising als Marketingstrategie 5
3. Fundraising-Management: die drei Marketingfragen – der Schlüssel zum
Erfolg 6
3.1 Profil- und Organisationsanalyse 6
3.2 Finanz- und Zielgruppenanalyse 8
3.3 Fundraising-Instrumente/Anspracheformen 14
3.3.1 Die werbende Selbstdarstellung 16
3.3.2 Der Fundraising-Brief 16
3.3.3 Das Fundraising-Gespräch 19
3.3.4 Freundes- und Förderkreise 20
4. Perspektiven von Fundraising für Kulturinstitutionen 22
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2. F 3.1 Finanzierung und Förderung
Private Kulturförderung
1. Fundraising – eine neue Größe im
Kulturbetrieb
Fundraising als kontinuierliches Einwerben von Fördermitteln aus
verschiedenen Quellen ist eine in den USA seit langem praktizierte
Strategie zur Finanzierung gemeinnütziger Aufgaben, u. a. von Kunst
und Kultur. In Deutschland wird Fundraising in Form eines gezielten
Spendensammelns traditionell von Organisationen des karitativen und
sozialen Sektors umgesetzt, die über langjährige Erfahrungen im pro-
fessionellen Fundraising verfügen und von daher eine Vorreiterrolle
bei der Entwicklung von Fundraising in Deutschland eingenommen
haben.1
Fundraising im Im Kulturbereich ist Fundraising als systematische und dauerhafte
Kulturbereich Finanzierungsstrategie noch nicht weit verbreitet, gewinnt aber zu-
nehmend an Bedeutung und entwickelt sich zu einem wichtigen Auf-
gabenfeld von Kulturmanager(innen).2 Teilbereiche von Fundraising
werden indes seit längerem erfolgreich umgesetzt: So gehört das Kul-
tursponsoring in seinen verschiedenen For-
men inzwischen zum Alltagsgeschäft von
Kulturinstitutionen, die auch mit gezielten
Fundraising-Aktionen, wie z. B. Spenden-
kampagnen, an private Förderer herantreten;
Freundes- und Förderkreise werden verstärkt
als Fundraising-Instrument genutzt und ent-
Personalressourcen für Fundraising schaffen sprechend ausgebaut. Die Praxisbeispiele
reichen bis hin zur noch vereinzelten Institu-
tionalisierung durch eine hauseigene Fundrai-
Zuwendungen der öffentlichen Hand werden
sing-Abteilung wie z. B. im Jüdischen Muse-
zunehmend von der Eigeninitiative bei der
um Berlin.
Mittelbeschaffung abhängig gemacht. Bei der
Verabschiedung von Stellenplänen ist daher
Die Zurückhaltung des Kulturbetriebs beruht
darüber nachzudenken, ob und wie Personal-
u. a auf einer verkürzten Sichtweise von
ressourcen für hauptamtliches Fundraising zur
Fundraising als „Betteln“ und auf der Be-
Verfügung gestellt werden können.
fürchtung einer zunehmenden Marktorientie-
rung durch Fundraising und Marketing. Diese
Vorbehalte kann und will auch dieser Beitrag
nicht aus dem Weg räumen. Was er aber leisten möchte, ist eine diffe-
renzierte Betrachtung der Potenziale von Fundraising als Relations-
hip-Marketing. Ziel ist es, die Leitlinien und Strategien dieses erwei-
terten Fundraising-Konzepts aufzuzeigen, das mehr ist als Geldbe-
Fundraising:
Finanzierungs- und
schaffung: Fundraising ist ein Finanzierungs- und ein Kommunikati-
Kommunikations- onsinstrument, das darauf zielt, Geld oder sonstige Unterstützungen zu
instrument erhalten und zugleich eine langfristige Beziehung zu Freunden und
Förderern aufzubauen, und in diesem Sinne ist Fundraising immer
auch Friendraising – Werben um Gunst und Geld.
2
3. Finanzierung und Förderung F 3.1
Private Kulturförderung
2. Dimensionen, Leitlinien und Philosophie
von Fundraising
2.1 Fundraising und Philanthropie
Fundraising, das in den USA professionell betrieben wird, bezieht sich
im Prinzip auf alle Einnahmequellen, die nicht selbst erwirtschaftet
werden. Für die Entwicklung einer Fundraising-Strategie werden alle
potenziellen Förderer in einem Funding-Mix in Betracht gezogen:
sowohl öffentliche Geldgeber als auch die verschiedenen privaten
Förderquellen: Privatpersonen, Stiftungen und Unternehmen.
Nach dem Fundraising-Grundsatz „people give to people“ konzentrie- Konzentration auf
ren sich die Aktivitäten dort aber nicht, wie oft angenommen, auf Un- Personen
ternehmen, sondern auf Einzelpersonen (Individuals), die die größte
Gebergruppe (Fundgiver) sind. Kulturförderung in privater Hand be-
deutet daher in den USA vor allem Spenden und Mäzenatentum, und
dieses private Engagement von Bürger wird als Philanthropic Giving
von Sponsoring abgegrenzt.
Fundraising setzt bei den philanthropischen Motiven und der indivi- Idee von Philanthropie
duellen Verantwortung von Bürgern, nicht von Institutionen, an. Auf als bürgerliche Tugend
dieser Motivebene werden auch die privaten Geldgeber angesprochen.
Grundlage ist die Idee von Philanthropie als bürgerliche Tugend und
Lebensweise aller Mitglieder einer Gesellschaft, die – im Sinne eines
„contrat social“ – individuelle Verantwortung für das Wohl der Ge-
meinschaft übernehmen. Philanthropic Giving ist ein wesentlicher Teil
des amerikanischen Wertekanons, aus dem die soziale Pflicht insbe-
sondere wohlhabender Bürger erwächst, gesellschaftliche Verantwor-
tung als Mäzene, Stifter und durch ehrenamtliches Engagement zu
übernehmen („pay back to the society what you earned“).3 Diese zi-
vilgesellschaftlichen Grundwerte, die auf einem anderen Verständnis
der Aufgabenverteilung von Staat und Gesellschaft basieren, sind ent-
scheidende Voraussetzungen für die besondere Ausprägung des priva-
ten Engagements und der Anerkennung von Philanthropie als eigen-
ständige gesellschaftliche Kraft.4
In den USA wurden 2004 knapp 249 Mrd. $ als „charitable money“ Vergleich
für gemeinnützige Zwecke insgesamt gespendet (zum Vergleich 1994: USA – Deutschland
130 Mrd. $). Dabei machen die Spenden von Individuals (einschließ-
lich Nachlässe) mit rund 208 Mrd. $ (knapp 84 %) den größten Anteil
aus. Die Zuwendungen an den Kulturbereich („arts, culture, humani-
ties“) betragen knapp 14 Mrd. $; das sind 5,6 % des Gesamtspenden-
volumens (zum Vergleich für „education“: 13,6 %).5
3
4. F 3.1 Finanzierung und Förderung
Private Kulturförderung
Für Deutschland liegen bislang keine exakten Daten über die private
Kulturförderung vor.6 Das Volumen von Spenden für gemeinnützige
Zwecke insgesamt wird mit 2,5–5,0 Mrd. € (2004) beziffert. Bei der
privaten Kulturförderung (einschließlich Kultursponsoring) liegen die
Schätzungen bei rund 600 Mill. € (2004), was einem Anteil von rund
7,5 % an der Förderung von Kunst und Kultur insgesamt entspricht.
Davon entfallen auf Spenden, Mäzenatentum rund 200 Mill. € (ein
Drittel) und auf Kultursponsoring rund 400 Mill. € (zwei Drittel).
Unterschiede in der Dieser Vergleich weniger Zahlen zeigt bereits, unabhängig von den
privaten Kulturförderung verschiedenen Größenordnungen, wesentliche Unterschiede in der
privaten Kulturförderung und im Fundraising auf: Während in den
USA der größte Anteil von Einzelpersonen getragen wird, gefolgt von
Stiftungen und Unternehmen, rangieren in Deutschland die Unter-
nehmen an erster Stelle der nichtstaatlichen Kulturförderer. Offen-
sichtlich sind in Deutschland Privatpersonen bislang weniger moti-
viert, oder werden weniger aktiviert, einen Beitrag zur Förderung von
Kunst und Kultur zu leisten – und das bei immerhin auf 5 Bill. € ge-
schätzten privaten Geldvermögens.7
2.2 Fundraising und Friendraising
Fundraising ist ein umfassendes und dauerhaft angelegtes Konzept zur
Einwerbung von Ressourcen aus verschiedenen Quellen. Dabei geht
es nicht nur ums Geld, sondern um ein kontinuierliches Werben um
Freunde und Förderer mit dem Ziel:
• Geld, Sachmittel oder andere Unterstützungsleistungen zu beschaf-
fen (Fundraising als Beschaffungsmarketing) und zugleich
• für die Sache bzw. die Einrichtung so zu werben, dass eine langfris-
tige Beziehung zu Förderern und Freunden aufgebaut bzw. weiter-
entwickelt wird (Fundraising als Beziehungsmarketing).
Fundraising ist immer In diesem Sinne ist Fundraising ein Teil der Gestaltung von Public
auch Friendraising Relations: Einwerbung von Ressourcen und zugleich Gewinnung von
Interesse, Sympathie und Vertrauen oder, einfach ausgedrückt: Fund-
raising ist immer auch Friendraising. Diese erweiterte Sicht weist auf
die Potenziale von Fundraising hin, sie macht aber auch deutlich, dass
man zunächst investieren muss, bevor man Geld bekommt: Fundrai-
sing als Friendraising braucht Zeit, ein Konzept und professionelles
Know-how.
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