Nach mehr als 20 Jahren im Londoner Exil verhaftete die britische Polizei den MQM-Vorsitzenden
Altaf Hussain. Dies führte unmittelbar zu Unruhen und gewaltsamen Protesten vor allem in der
pakistanischen Provinz Sindh und deren Hauptstadt Karatschi.
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Olaf Kellerhoff
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Politische Berichte aus aktuellem Anlass
Brennpunkt: Pakistan (30-2014)
Nach mehr als 20 Jahren im Londoner Exil verhaftete die britische Polizei den MQM-Vorsitzenden
Altaf Hussain. Dies führte unmittelbar zu Unruhen und gewaltsamen Protesten vor allem in der
pakistanischen Provinz Sindh und deren Hauptstadt Karatschi.
Londoner Verhaftung führt zu Unruhen in Karatschi
Nun hat sich Großbritannien durchgerungen, den Führer der vierstärksten Partei im pakistanischen
Parlament, der MUTTAHIDA QUAMI MOVEMENT (MQM), Altaf Hussain, zu verhaften. Schon seit
Jahren gab es Forderungen aus Pakistan und England, den studierten Pharmazeuten und Politiker der
Gerichtsbarkeit zuzuführen. Die befürchteten gewaltsamen Reaktionen, die jetzt eintreten, hatten offenbar in
der Vergangenheit sowohl Pakistan als auch Großbritannien davon Abstand nehmen lassen.
Altaf Hussain ist wegen des Verdachts auf Geldwäsche festgenommen worden.
Sein Haus und Büro wurden durchsucht und seine Konten eingefroren. Dabei wird
Hussain allgemein nicht nur der Steuerhinterziehung und der Drahtzieherschaft im
Mordfall Imran Farooq in seinem Exil verdächtigt, sondern vor allem soll er für
politisch motivierte Gewalt und – so die Behauptungen – gezielte politische Morde
in seiner Heimat verantwortlich sein.
Sofort nach Bekanntwerden der Nachricht über die Verhaftung des MQM-
Gründers und Vorsitzenden kam die 18-Mio.-Metropole durch friedliche wie
gewaltsame Proteste zum Erliegen. Der öffentliche Personennahverkehr ist
eingestellt, selbst kleine Kioske schlossen sofort und manche Bewohner wollten
sich durch Hamsterkäufe auf mehrtägige Proteste vorbereiten. Mehrere Autos und
Busse wurden angezündet. Es kam zu mehreren Verletzten durch
Schussverletzungen. Die Universitäten haben Prüfungen verschoben und der Karachi Stock Exchange Index
fiel kurzzeitig um 780 Punkte auf 29000. Die Industrie- und Handelskammer Karatschi forderte, die Stadt
unter Militärverwaltung zu stellen. "Geschäfte sowie Restaurants verrammelten ihre Türen. Die Straßen
waren voll von Autos und Menschen, die nach Hause hasteten, um sich dort in Sicherheit zu bringen. Die
Menschen waren erfüllt von einer Mischung aus Furcht, Angst und extremer Unsicherheit in Hinblick auf
eine mögliche Eskalation der Lage.", berichtet der Mitarbeiter der FNF-Partnerorganisation SHEHRI –
CITIZENS FOR A BETTER ENVIRONEMNT und Karatschi-Kenner Farhan Anwar.
Altaf Hussain lebt seit 1991 in England. Er hatte nach einem Mordanschlag auf ihn 1992 um politisches
Asyl gebeten und ist britischer Staatsbürger geworden. Von Nord-London aus hatte er die letzten zwei
Jahrzehnte nicht nur die Geschicke der Partei, sondern auch politische Geschehnisse per Telefon gelenkt.
Sein Stil ist diktatorisch und seine Partei inklusive dazugehöriger gewaltbereiter Gangs gilt als äußerst strikt,
innerparteilich undemokratisch und nach dem Führerprinzip aufgebaut. In Pakistan wie England munkelt
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man, dass ein Parteiaustritt nur durch Tod möglich sei. So soll pakistanischen Analysten zufolge auch das
führende MQM-Mitglied und Mitbegründer Imran Farooq geplant haben, sich mit einer Gruppe von der
Partei abzuspalten, bevor er ermordet wurde. Schon damals im Juni 2013 hatte die Londoner Polizei Altaf
Hussain in Verdacht, dessen Anwesen durchsucht und dabei eine größere Summe Bargeld gefunden. In
Kanada hatte 2006 ein Gericht die Partei als terroristische Organisation eingestuft und die Einreise von
Mitgliedern verboten.
Der gebürtige Karatschite Hussain hatte 1984 die Partei MQM gegründet, die in erster Linie die Interessen
der sogenannten muhajir (Arab./Urdu: Auswanderer) vertritt. Dabei handelt es sich um die Pakistanis, die bei
Staatsgründung 1947 nach Pakistan gekommen waren. Diese hatten in der Regel keinen Landbesitz und
keine lokalen Bindungen, waren aber oft umso nationalbewusster eingestellt. Sie sahen sich in der neuen
Umgebung lange als diskriminiert und unterdrückt an. Die MQM konnte ihnen einen quasi mafiaähnlichen
Schutz geben und als Sprachrohr fungieren. Denn seit den späten 1980ern ist die MQM die zweitstärkste
Partei in der Provinz Sindh und zudem führend in Karatschi. Bei den letzten Wahlen musste sie jedoch vor
allem durch die Partei PAKISTAN TEHREEK-E INSAF (PTI) des Ex-Cricketstars Imran Khan
Stimmverluste hinnehmen. Dabei wurde auch der Wahlbetrug der MQM offenkundig. Die Verhaftung
Hussains lasten nun manche MQM-Mitglieder einer Verschwörung von Imran Khan an, der wiederum wie
auch andere pakistanische Politiker seine Sympathie mit den MQM-Mitgliedern "in dieser schwierigen Zeit"
ausdrückte.
Altaf Hussains Verhaftung könnte nicht nur die Partei selbst in eine ernsthafte Krise bringen, da sie nach
dem Führerprinzip aufgebaut ist, sondern infolgedessen auch Pakistans politische Landschaft. Gerüchte um
die Nachfolge tauchten sofort auf. Eine längere Verhaftung und sofortige Verurteilung ist allerdings auch
aufgrund von Hussains schlechten Gesundheitszustands eher unwahrscheinlich. Warum die Verhaftung
genau jetzt erfolgte, diese Frage stellt sich bei pakistanischen Medienrezipienten sofort. Dabei ist jedoch eher
von genügend Verdachtsmomenten der Londoner Polizei und einer derzeit politisch ruhigen Zeit in Pakistan
auszugehen als von anderen Motiven.
Die Lage in Karatschi entspannte sich am Folgetag etwas – vor allem aufgrund eines entsprechenden
Aufrufs der obersten MQM-Führung. Nach Urteil des Bürgerrechtsaktivisten Farhan Anwar trugen andere
Stimmen ebenfalls dazu bei: "Sehr zu begrüßen war die sofortige Forderung des Expräsidenten Pakistans
Asif Ali Zardar an die britische Regierung, die Angelegenheit behutsam anzugehen, da extreme politische
Empfindlichkeiten damit verbunden sind. Der Premierminister Nawaz Sharif hat sich mit ähnlichen
Bedenken geäußert." Nichtsdestotrotz wirkt sich in der Hauptwirtschaftsmetropole des Landes eine
Stilllegung des öffentlichen Lebens und der wirtschaftlicher Tätigkeiten sofort nachteilig für die ganze
Nation und die Wirtschaft aus, die sich gerade mühsam zu erholen sucht.
Olaf Kellerhoff ist Leiter des Referates Asien und Menschenrechte in Potsdam.
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Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF)
Bereich Internationale Politik
Referat für Querschnittsaufgaben
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