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Detecon//AGILEBeyondBuzzwordBingo
Beyond
Buzzword
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Detecon International GmbH
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Christian Till Roga (Vorsitz)
Geschäftsführung:
Ralf Pichler (Vorsitz)
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Handelsregister:
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Impressum: Redaktion:
Christine Wolters
christine.wolters@detecon.com
Design:
Ernst Formes
Detecon // AGILE! I 1
Liebe Leserinnen und Leser,
„Wir müssen agiler werden…“ – bestimmt ist dieser Satz schon
mehrfach in einem Ihrer Meetings gefallen. Aber wie sieht die Rea-
lität in den Unternehmen aus, wenn es um die Umsetzung von Agi-
lität geht? Vor welchen Herausforderungen stehen Führungskräfte
und Mitarbeiter und wo liegen möglicherweise auch die Grenzen
von agilen Konzepten? Was also bedeutet „Agile beyond buzzword
bingo“?
Agile Prinzipien zielen darauf ab, die Reaktionsfähigkeit eines Un-
ternehmens zu verbessern, um schneller unerwartete Herausfor-
derungen zu bewältigen, aber auch Chancen zu nutzen. Die ent-
scheidenden Komponenten für den Erfolg sind das Mindset und
die geteilten Werte von Führungskräften und Mitarbeitern. Genau
deshalb gibt es agile Konzepte auch nicht von der Stange. Sich mit
den Umsetzungserfahrungen anderer auseinanderzusetzen kann
aber inspirieren und mitunter auch helfen. Diesen Austausch haben
wir im Frühling im Rahmen unseres Eventformats „Detecon Expert
Talk“ angestoßen und setzen ihn mit dieser Magazin-Ausgabe fort.
Neben einem großen Erfahrungsschatz und einem Überblick über
die gängigen Methoden zeigen wir mit unserem Ansatz Company
ReBuilding, wie Unternehmen ihre bestehenden Erfahrungen und
Stärken nutzen können und dabei gleichzeitig sehr innovations­
fähige und anpassungsfähige – man könnte sagen agile – Strukturen
hervorbringen. Mit dem Appell an die „gute Kinderstube“ möchten
wir jeden Einzelnen ermuntern, durch das Achten der Regeln des
Miteinanderauskommens zu Vertrauen und Respekt beizutragen.
Die Bereitschaft, über die agile Transformation im eigenen Unter-
nehmen zu sprechen, war bei allen Interviewpartnern und Kunden,
über deren Projekt wir berichten dürfen, sehr groß. An dieser Stelle
möchte ich mich dafür herzlich bedanken. Der Erkenntnisgewinn
macht mir Mut: Es gibt Anfangshürden, es gibt Schwierigkeiten im
laufenden Transformationsprozess – aber es gibt keinen einzigen,
der die agile Transformation nicht noch einmal anstoßen würde.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre.
Ihr
Marc Wagner
Managing Partner
und Head of Functional Practice Company Rebuilding
AGILE
2 I Detecon // AGILE!
INHALT
Von der IT-Methodik zur Universalwaffe
Was wirklich hinter
dem Begriff „Agile“steckt
4
Company Rebuilding
Wie das Prinzip der Zellteilung große
Unternehmen beweglich macht
10
Mit Agilität und Magenta-Herzblut
gegen Bürokratiemonster
Interview mit Birgit Bohle,
CHRO der Deutschen Telekom
16
ReThink Agile!
Wie die Umsetzung im
Konzern gelingen kann
20
Agil ist kein Ort, sondern eine Richtung
Interview mit Tord Overå,
Ingenieur, Agile Coach/Marketeer, Telenor
26
Mauern überwinden
Einblick in die agile Transformation
der Gothaer Systems
32
Digital Transformation Ecosystem
Anpassungsfähigkeit und
Flexibilität mit einem neuen
Transformationsansatz
erreichen
38
„Agil heißt für mich:
Den Mitarbeitern Power geben!“
Interview mit Peter Lorenz,
Senior Vice President und ­Leiter der
Portfolio Unit Digital Solutions ­T-Systems
42
„Beratern liegt agiles Arbeiten im Blut“
Im Profil: Ralf Pichler, CEO Detecon
48
Act Beyond Agile Leadership
Anspruchsvolle Mentalität und nachhaltige
Implementierung für organisationsweite
agile Führungskompetenz
52
levelUP!:
Wie man Führungskräften Mut machen kann,
Neues auszuprobieren
Interview mit Christina Schulte-Kutsch,
Vice President Leadership Development &
Culture, Deutsche Telekom
56
Vorwärts ist, wenn alle in die
gleiche Richtung rudern
Wie Unternehmen mit der
OKR-Methode schnell, flexibel
und trotzdem abgestimmt agieren
60
Ohne Schmuck am Nachthemd
Interview mit Alfred Lohbeck,
Geschäftsführer
Human Resources/Arbeitsdirektor
Deutsche Telekom IT GmbH
64
Skills vor Rollen
Skillmanagement in agilen Organisationen
70
Detecon // AGILE! I 3
Inhalt
Keine erfolgreiche Business
Transformation ohne erfolgreiche People
Transformation
Interview mit Georg Pepping,
Geschäftsführer Personal
und Arbeitsdirektor, T-Systems
76
Vergütung ist mehr als Geld
In unterschiedlichen Währungen
agil bezahlen
80
„Neue Arbeitswelten erfolgreich etablieren“
Interview mit Anna Kopp,
Leiterin IT bei Microsoft Deutschland
&
Ulrike Volejnik
Mitglied der Geschäftsleitung der
T-Systems Multimedia Solutions GmbH
86
Vom Officer zum Orchestrator
Rollenbild CIO
90
Proaktiv zusätzliche
Verantwortung übernehmen
Interview mit Nicolas Schornoz,
CFO & COO Vestergaard
94
DevQOps
Teamwork mit Qualitätsanspruch
98
„Vor dem Framework kommt das Mindset“
Interview mit Jörg Holleck,
Division Manager Application Development,
Rhenus CIT
102
Von Wasserfall zu DevOps
Wie sich die Softwareentwicklung in der
Automobilindustrie transformiert
108
„Anforderungsänderungen im Projekt
kurzfristig umsetzen“
Interview mit Thomas Kräker,
Leiter Digital Sales, Daimler Mobility AG
112
Agile Produktentwicklung
Der Tribe IntraSelect entwickelt das
schnellste SD-WAN der Welt
116
Agilität: Herausforderung im
„Wasserfall“-Alltag und Schlüssel im
Innovationsmanagment
Interview mit Steffen Kuhn,
Leiter Digital Engineering Center Detecon
&
Markus Willner, Agile Coach
122
Wie kann man das agile
Arbeiten im Spiel testen?
Ergebnisse aus einem interaktiven
Workshop an der Technischen Hochschule
Ingolstadt
128
Kinderstube
Auslaufmodell oder USP im digitalen Zeitalter?
132
4 I Detecon // AGILE!
Von der IT-METHODIK
zur UNIVERSALWAFFE
Um es gleich vorwegzunehmen: „Agile“ ist von Haus aus keine ab-
gedroschene Phrase aus dem Management- oder Beratersprech!
Trotzdem wird dieser Begriff gerade in jüngster Zeit als Weich-
macher missbraucht. Detecon-Experte und Agile Coach Michael
Spiller zeigt, was wirklich hinter dem Begriff „Agile“ steckt und
welche agile Methoden Sie kennen sollten.
Detecon // AGILE! I 5
Fehlt die Agenda für die Besprechung? Kein Problem, dann
wird es eben ein „agiles Meeting“. Woher diese drastische Fehl-
interpretation kommt, weiß keiner. Tatsächlich stehen jedoch
hinter dem Begriff „Agile“ sehr klar definierte Prinzipien und
Praktiken, mit denen Organisationen effizienter, schneller und
flexibler Wert realisieren. Anders ausgedrückt: Agilität setzt gera-
dezu auf Disziplin, um die Anpassungsfähigkeit und Lernfähig-
keit zu verbessern.
Agile Methoden wurden zuerst in der IT-Branche eingesetzt und
sind dort auch am weitesten verbreitet. Dennoch adaptieren seit
einigen Jahren Unternehmen anderer Branchen agile Vorgehens-
weisen. Dafür gibt es mehrere Gründe:
•	 Im Zeitalter der Digitalisierung gehören zu fast jedem Produkt
IT-Bestandteile.
•	 Viele Branchen stehen vor den gleichen Herausforderungen
wie die IT-Branche: Kundenbedürfnisse, die sich sehr schnell
ändern, sowie technische Lösungen, deren Komplexität und
Vielfalt exponentiell anwächst.
•	 Die über Jahrzehnte gewachsenen Unternehmensstrukturen
und -kulturen können mit den Anforderungen, die sich durch
die rasante Geschwindigkeit und Dynamik des Zeitalters der
Digitalisierung ergeben, nicht mehr mithalten.
Agile Methoden fördern eine lernende und sich ständig verbes-
sernde Organisation, die sich kontinuierlich an neue Umstän-
de anpassen kann. Dabei wird Verschwendung reduziert und
der Förderung von Motivation und Kreativität der Mitarbeiter
Raum gegeben. Dies zielt auf Fähigkeiten, die universell gültige
Erfolgskriterien für Unternehmen darstellen. Aber wo kommen
die agilen Methoden eigentlich her?
Produktentwicklung nach “Rugby”
Agile Methoden wurden zwar zum ersten Mal in IT-Projekten
eingesetzt. Die Ursprünge liegen aber tatsächlich ganz woanders:
in der Automobilbranche! Getrieben durch den damaligen Pro-
duktionsleiter Taiichi Ohno wurde ab dem Jahre 1948 das Toyo-
ta Production System (TPS) geschaffen mit dem Ziel, überflüssi-
ge Tätigkeiten („Verschwendung“) zu vermeiden und eine hohe
Produktivität bei höchster Qualität und kurzen Durchlaufzeiten
zu erreichen. Das TPS gilt als „der“ Vorgänger von „Lean“.
Im Jahr 1986 wurde der Artikel „The New New Product
­Development Game‘1
im Harvard Business Review veröffent-
licht, der einen neuen Ansatz zur Entwicklung von neuen
Produkten vorstellte. Die Autoren proklamieren ein Produkt-
entwicklungsvorgehen, bei dem die Entwicklungsphasen über-
lappen und gesamtheitlich durch ein interdisziplinäres Team ge-
trieben und abgearbeitet werden – ähnlich wie beim Rugby. Im
Artikel wird sogar der Begriff „Scrum“ erwähnt – er bezeichnet
eine Standardsituation im Rugby, bei dem beide Teams in einem
„Gedränge (Scrum)“ versuchen, den Ball nach einem kleinen
Regelverstoß oder einer Aussituation wiederzuerlangen. „Scrum“
als Bezeichnung für eine agile Produktentwicklungsmethode war
damit geboren.
1988 wurde der Begriff „Lean“ durch einen Artikel zu einer
MIT-Studie2
über die bei japanischen Automobilherstellern
vorgefundene, systematisierte Produktionsorganisation geprägt
(„Lean Manufacturing“, „Lean Production“). In den Folgejah-
ren sind auf dieser Basis Denkprinzipien, Methoden und Verfah-
rensweisen zur effizienten Gestaltung der gesamten Wertschöp-
fungskette entstanden. „Lean“-Ansätze zielen darauf ab, alle
Aktivitäten, die für die Wertschöpfung notwendig sind, optimal
abzustimmen und überflüssige Tätigkeiten („Verschwendung“)
zu vermeiden. Eingang in die Überlegungen finden sowohl die
Sicht des Kunden als auch die des Unternehmens.
Die Idee aus „The New New Product Development Game“
wurde schließlich von Ken Schwaber und Jeff Sutherland auf-
genommen. Sie stellten ihre mittlerweile weltbekannte agile Pro-
jektmanagementmethode „Scrum“ im Jahr 1995 auf der „Object
Oriented Programming, Systems, Languages and Applications“
(OOPSLA) Konferenz in Austin, Texas, vor. Scrum wird schnell
zu populärsten und bekanntesten agilen Methode, die von ihren
beiden Erfindern kontinuierlich weiterentwickelt und frei ver-
fügbar über den Scrum Guide3
veröffentlicht wird.
Das agile Manifest – kulturelles Fundamt
jedes agilen Ansatzes
Im Februar 2001 trafen sich 17 Softwareentwickler in Utah,
um leichtgewichtige Entwicklungsmethoden zu besprechen.
Allen gemein ist ihre Frustration über die Unproduktivität bis
dato vorherrschender Methoden. Allerdings fehlt ein konträres
Verständnis darüber, wie ein besserer Ansatz konkret aussehen
könnte. Sie einigen sich auf neue Leitlinien für die produktivere
Entwicklung von Softwarebedarf – das „Agile Manifest“ mit vier
Werten und zwölf Prinzipien.
Damit sind nicht nur die Grundlagen der agilen Zusammenar-
beitskultur definiert, sondern auch das Fundament aller Ansätze,
die diese Kultur in Form von Methoden und Rahmenwerken in-
stitutionalisieren wollen. Existierende, mit dem Manifest kom-
patible Methoden wie eXtreme Programming (kurz: XP) oder
Scrum werden ab sofort als „agile“ Methoden bezeichnet. In den
folgenden Jahren werden die Ansätze von Lean, welche gezielt
auf die Effizienzsteigerung der Wertschöpfungskette abzielen,
mit denen der Agilität, welche eher die Arbeitsweise einer Or-
ganisation im Kontext Veränderung adressieren, vereint. Es ent-
stehen unter anderem Lean Software Development, Lean Startup
und Kanban.
1	https://hbr.org/1986/01/the-new-new-product-development-game 2	https://www.lean.org/downloads/MITSloan.pdf
3	https://www.scrumguides.org/
6 I Detecon // AGILE!
Seit dem agilen Manifest ist „Agile“ der Oberbegriff für alle Me-
thoden, die mit den Werten und Prinzipien des Agilen Mani-
fests im Einklang stehen. Leider ist dieses Verständnis durch den
schnellen Erfolg agiler Methoden längst nicht überall präsent.
Dadurch entstehen (bewusste) missverstandene Anwendungen
von „Agile“ in Unternehmen, die dazu führen, dass der Begriff
als abgedroschene Phrase missbraucht wird. Viele Praktiken,
­Methoden oder Prozessvorgehen sind einfach nicht „agil“, ob-
wohl sie so tituliert wurden.
Ein Überblick über 50 agile Methoden und Werkzeuge
Agilen Methoden gemein sind die Vermittlung der Ziele, die
Verinnerlichung der agilen Werte und die Nutzung vorhandener
Werkzeuge und Modelle, die Teilbereiche einer agilen Organisa-
tion abdecken. Allen Ansätzen zugrunde liegen darüber hinaus
die oben beschriebenen Werte und Prinzipien aus dem Agilen
Manifest und den Lean-Ansätzen.
Mittlerweile existiert eine Vielzahl agiler Methoden mit unter-
schiedlichen Bekanntheitsgraden und verschiedenen Einsatzbe-
reichen. Der australische Agile Coach Craig Smith hat 2015 eine
Zusammenstellung agiler Methoden erstellt.4
Diese haben wir
mit den Entwicklungen der vergangenen Jahre zu einer ­aktuellen
Übersicht agiler Methoden und Werkzeuge (Abbildung 1) er-
gänzt. In der Übersicht ist zu sehen, dass es mindestens 50 agile
Ansätze gibt. Nur wenige agile Berater und Coaches kennen diese
Vielzahl an nützlichen Praktiken, Methoden und Tools aus die-
sen Ansätzen. Im Folgenden haben wir die Ansätze in die fünf
Kategorien Softwareentwicklung, Produktentwicklung, Vor-
gehensweisen, Aufbau- und Ablauforganisation sowie Führung
gruppiert und fassen die wesentlichen Inhalte zusammen.
Softwareentwicklung
Die meisten agilen Entwicklungspraktiken und -werkzeuge zie-
len auf Bereiche der Softwareentwicklung, zum Beispiel Anfor-
derungsmanagement, Design, Modellierung, Coding, Testing,
Planung, Risiko Management, Softwareentwicklungs- und be-
triebsprozesse oder Qualitätsicherung. Agile Softwarenentwi-
cklung umfasst Praktiken und Werkzeuge, die den gesamten
Softwarelebenszyklusprozess effizienter gestalten.
Der DevOps-Ansatz fasst die Betrachtungsfelder im
CALMS-Rahmenwerk in fünf Disziplinen zusammen:
Culture: Es wird eine Kultur der geteilten Verantwortung und
effektiven Zusammenarbeit aller Beteiligten vor allem aus Ent-
wicklung, Betrieb und immer mehr auch aus dem Fachbereich
etabliert. Dieser Kulturwandel zielt auf die eine schnellere und
zuverlässige Entwicklung und Lieferung von IT-Lösungen ab.
Automation: Teams suchen nach Möglichkeiten, um so viele
Aufgaben wie möglich zu automatisieren, und leben die Idee der
kontinuierlichen Integration und Bereitstellung. Damit sollen
schnelle Lieferung, schnelleres Lernen, schnellere Reaktion auf
Marktanforderungen und Kundenfeedback, hohe Produktivität
und Sicherheit ermöglicht werden. Automatisierung beinhaltet
auch die Erstellung wiederholbarer Umgebungen und Prozesse,
die sich selbst dokumentieren und daher leichter zu verstehen, zu
verbessern, abzusichern und zu überwachen sind.
Lean: Teams können laufende Arbeiten (WIP: Work in Progress)
visualisieren, Losgrößen reduzieren und Warteschlangen verwal-
ten. Damit soll ein kontinuierlicher Fluss an Wertlieferung, das
heißt schnellere Lieferung neuer Funktionalität und damit kür-
zere Markteinführungszeiten, erreicht werden.
Measurement: Teams messen möglichst alles im Softwarelebens-
zyklus und haben volle Transparenz über die erhobenen Messda-
ten. Messungen in der kontinuierlichen Lieferkette (Continous
Delivery Pipeline) zielen darauf ab, während der Entwicklung
und im Betrieb schnell auf Abweichungen aufmerksam zu wer-
den. Echtzeitdaten sollen automatisiert zur Performance von
IT-Lösungen erfasst und ausgewertet werden. Somit sollen Aus-
wirkungen von Änderungen am System schnell bewertbar und
im Problemfall lösbar sein. Neben der technischen Leistung
einer IT-Lösung soll aber auch die tatsächliche Nutzung durch
die User gemessen werden, um Nutzungshypothesen zu evaluie-
ren und Potenziale von Verbesserungen der Nutzererfahrung zu
identifizieren.
Sharing: Benutzerfreundliche Kommunikationskanäle fördern
die ständige Kommunikation zwischen Entwicklung, Betrieb
und Fachseite, um ein einheitliches Nutzenverständnis zu för-
dern. Wissensaustausch und Zusammenarbeit sind entscheidend
für die konstruktive und iterative Basis, die angestrebt wird. Wis-
sens- und Erfahrungsaustausch auch über die eigenen Team- und
sogar Unternehmensgrenzen hinweg soll einen Blick über den
eigenen Tellerrand hinaus fördern.
Das agile Organisationsrahmenwerk SAFe betont noch eine wei-
tere Disziplin:5
Recovery: Teams sind in der Lage, Probleme nach einer Auslie-
ferung schnellstmöglich zu beheben. IT-Lösungen werden be-
ginnend bei der Konzeption und Architektur über die gesamte
Lieferkette hinweg für Bereitstellungsfähigkeit, Freigabefähigkeit
und schnelle Wiederherstellung nach Betriebsstörungen opti-
miert. Damit sollen Releases so risikoarm wie möglich werden,
um die kontinuierliche Bereitstellung zu ermöglichen und eine
bedarfsgerechte Freigabe von Funktionalität an den Nutzer zu
unterstützen.
4	https://craigsmith.id.au/2015/12/03/yow-2015-40-agile-methods-in-40-
minutes/
5	https://scaledagileframework.com/devops/
Detecon // AGILE! I 7
Die in Abbildung 1 aufgeführten Ansätze unterstützen die Um-
setzung der vom DevOps-Ansatz definierten Disziplinen. Me-
thoden wie eXtreme Programming bringen darüber hinaus auch
viele Werkzeuge zum Einsatz in agilen Vorgehensweisen (siehe
Abschnitt „Vorgehensweisen“).
Produktentwicklung
Neben den auf Softwareentwicklung fokussierten Ansätzen
gibt es auch agile Methoden und Werkzeuge für die allgemei-
ne Produktentwicklung. Hier geht es im Kern darum, Produkt-
entwicklungszyklen zu verkürzen und so effizient wie möglich
auszugestalten. Es soll schnell herausgefunden werden, ob ein
vorgeschlagenes Geschäftsmodell funktioniert, anzupassen oder
gar einzustellen ist („fail fast“). Weiterhin wird der Wert für den
Nutzer als auch für das eigene Unternehmen ins Zentrum gestellt
und ein Verständnis darüber geschaffen, welche Probleme und
Bedarfe Produkte und Produktteile adressieren. Ist das erreicht,
soll auch die Priorisierung und damit die Sequenzierung der Ent-
wicklung auf Basis einer objektiven, auf Wertschaffung im Ver-
hältnis zum Aufwand basierenden Metrik erfolgen.
Vorgehensweisen
Agile Vorgehensweisen, häufig auch als agile Projektmanage-
mentmethoden bezeichnet, zielen auf die schnellere, flexiblere
und effizientere Abarbeitung eines Vorhabens. Daher eignen sie
sich sowohl für langfristige Aufträge, zum Beispiel die Begleitung
des gesamten Produktlebenszyklus, als auch für zeitlich limitierte
Umfänge, zum Beispiel Projektmanagement. Längst haben Vor-
gehensweisen ihre anfängliche Ausrichtung auf Software über-
wunden und lassen sich branchen- und themenübergreifend
einsetzen. Fast alle agilen Vorgehensweisen sind iterativ-inkre-
mentell: in festen zeitlichen Intervallen von wenigen Wochen
(Iterationen) werden möglichst voll funktionsfähige Produktteile
(Produktinkremente) erstellt. Eine Produktvision gibt dabei die
Zielrichtung vor. Am Ende einer Iteration werden die erstell-
ten Produktinkremente dem Fachbereich und noch besser dem
Kunden vorgestellt, Feedback eingeholt und auf dessen Basis die
nächste Iteration geplant. Dadurch sind Anpassungen aufgrund
von Erkenntnisgewinn zulässig und sogar gewünscht. Einmal ge-
startete Iterationen sollen sich vom Umfang her möglichst nicht
ändern, um neben der Flexibilität auch Fokussierung und Lie-
ferfähigkeit sicherzustellen. Im Regelfall wird die Arbeit einer
Iteration visualisiert und die Menge der gleichzeitig laufenden
Arbeiten (WIP: work in progress) limitiert, um einen schnellen
Wertfluss zu ermöglichen.
Agile Vorgehensweisen fördern selbstorganisierte Hochleistungs-
teams. Die Teamzusammenarbeit wird mindestens einmal in je-
der Iteration verbessert. Durch höhere Autonomie und Entschei-
dungskompetenz soll die Motivation und Handlungsfähigkeit
des Teams gestärkt werden. Kommunikation, Abstimmung und
Synchronisation imTeam wird durch schlanke Planungs- und Er-
gebnispräsentationstermine sowie prägnante Fortschrittsabstim-
mungen gefördert. Ist mehr als ein Team mit der Arbeit beschäf-
tigt, stimmen sich Teams mit Abhängigkeiten regelmäßig ab und
können über eine übergeordnete Produktvision auf ein gemein-
sames Ziel hin ausgerichtet sein. Um den Lösungsraum nicht zu
früh einzuschränken, werden Anforderungen aus Nutzersicht
und unter Beschreibung des Nutzerbedarfs definiert. Mittlerwei-
le haben sich hierzu „User Stories“ etabliert – ein ursprünglich
aus eXtreme Programming entstammendes Werkzeug. Mit der
Zeit haben sich auch Schätzverfahren wie Planning Poker oder
White Elephant Sizing entwickelt, damit Aufwandsschätzungen
vom Team selbst und möglichst effizient getroffen werden kön-
nen. Agile Vorgehen priorisieren nach dem Verhältnis von Wert
zu Aufwand und fördern in diesem Kontext Gespräche zwischen
Entwicklung und Fachbereich über den wirtschaftlichen Umfang
der Produktinkremente. Am häufigsten arbeiten agile Teams der-
zeit mit Scrum, Kanban oder Weiterentwicklungen von diesen
Ansätzen.
Abbildung 1: Überblick über agile Ansätze
Quelle: Detecon
Softwareentwicklung Produktentwicklung Vorgehensweisen Aufbau-/Ablauforganisation Führung
• DevOps
• Externe Programming (XP)
• Adaptive Software
• Development (ASD)
• Lean Software
• Development (LSD)
• TDD/ATDD/BDD/SBE
• Software, Faster
• Mikado Method
• Mob Programming
• Context Driven Testing
• Agile Modelling
• Scrum
• Kanban
• Personal Kanban
• Hybrid Agile (Scrumban,
Xanpan, Nonban,
Water-Scrum-Fall)
• Chrystel
•Nexus Framework
• Scrum of Scrums
• Dynamic Systems Develop-
ment Method (DSDM)
• Agile Unified Process (AUP)
• Programmer Anarchy
• Mobile Programming
• Agile Estimating Techniques
• Lean User Experience
• (Produkt Development) Flow
• Design Thinking
• Lean Startup
• eXtreme Manufacturing
• Servant Leadership
• Objectives & Key Results (OKR)
• Management 3.0
• Holocracy
• Lean Management/
Lean Enterprise
• Evidence Based Management
• Beyond Budgeting
• Radical Management
• Stoos Network
• Theory of Constraints
• Deming‘s System of Profound
• Knowledge Rightshifting
• Adaptive Leadership
• Vanguard Method
• Scaled Agile Framework (SAFe)
• Large Scale Scrum (LeSS)
• Spotify/Squadification
• Scrum@Scale
• Disciplined Agile Delivery (DAD)
• Enterprise Scrum
• Team Of Teams
• Agile Portfolio Management
• Enterprise Transition
Framework ETF)
• Enterprise Unified Process (EUP)
Lean (Manufacturing) Agiles Manifest
8 I Detecon // AGILE!
Aufbau- und Ablauforganisation
Während die gerade vorgestellten agilen Vorgehensweisen nur ein
oder wenige Teams betrachten, geht es bei agilen Methoden zur
Aufbau- und Ablauforganisation darum, die agilen Werte und
Prinzipien auf größere Organisationsteile oder sogar die Gesamt-
organisation zu erweitern. Die in diese Kategorie fallenden An-
sätze werden häufig auch als „agile Skalierungsrahmenwerke“
bezeichnet. Im Wesentlichen unterscheiden sich die Ansätze in
ihrer Skalierbarkeit und in ihrer Komplexität oder dem Umfang
an Artefakten. Eine Gegenüberstellung gängiger Skalierungsrah-
menwerke und Vorgehensweisen nach diesen beiden Kriterien
haben wir in Abbildung 2 vorgenommen.
Im Mittelpunkt dieser Ansätze stehen die Koordination und Syn-
chronisation von Zielen, Arbeit und Abhängigkeiten zwischen
agilen Teams. Dabei werden zunächst Wertströme betrachtet,
also alle Aufgaben und Akteure, die zur Entwicklung, Lieferung
und zum Betrieb von Produkten benötigt werden. Diese Wert-
ströme werden durch alle benötigen Fähigkeiten in Form von
agilen Teams operationalisiert. Dahinter steht das Prinzip, dass
in einer agilen Organisation die Arbeit zu den Mitarbeitern und
nicht die Mitarbeiter zu der Arbeit gebracht werden. Projekte
werden somit obsolet und deren administrativer Aufwand (Bud-
getierung, Personalbesetzung) massiv reduziert.
Die fachliche Zieldefinition und Synchronisation findet durch
Produktverantwortliche auf mehreren Abstraktionsebenen wie
Gesamtprodukt, Systemebenen oder Komponentenebenen statt.
Manche Ansätze definieren Expertengruppen oder Rollen für die
Definition und Kommunikation von Leitplanken zu Architek-
tur, Entwicklung und User Experience. Damit soll sichergestellt
werden, dass der Nutzer das Gefühl von einem durchgehenden
Produkt erhält und alle Produktteile zusammenpassen.
In einer agilen Organisation wird der Wert in Form von zu
­adressierenden Nutzerbedarfen hinterfragt und als Kontext-
information in Form von Visionen, Roadmaps und Anforde-
rungsbeschreibungen, beispielsweise durch Epics, Features und
User Stories, bis zum agilen Team transportiert. Durch effiziente
Schätzungen von Fach- und Entwicklungsexperten wird auf allen
Ebenen durch Priorisierung sichergestellt, dass an den richtigen
Themen zur richtigen Zeit gearbeitet wird. Manche Rahmen-
werke adressieren auch die Strategie- und Portfolioebene, auf der
ebenfalls durch Zusammenarbeit von Expertengruppen schlanke
Geschäftsmodelle aufgestellt, in Produktinkremente herunter-
gebrochen und kontinuierlich über Feedbackzyklen priorisiert
werden. Dabei kommen Ansätze aus den agilen Produktentwick-
lungsansätzen wie das Minimum Viable Product (MVP), also der
geringstmögliche Produktumfang zum Erlangen von qualifizier-
tem Feedback, und das Minimum Marketable Feature (MMF),
der minimale für den Marktangang erforderliche Funktionsum-
fang, zum Einsatz. Ziel ist es, möglichst schnell die technische
Realisierbarkeit sowie die Marktfähigkeit zu prüfen, um umge-
hend darauf reagieren zu können. Daher fördern agile Organi-
sationen auch Kommunikation, Transparenz, Abstimmung und
Synchronisation auf und zwischen allen Ebenen bei gleichzeitiger
Beschränkung dieser auf das nötigste.
Die aktuell bekanntesten und bei unseren Kunden am häufigsten
eingesetzten Rahmenwerke sind SAFe und LeSS. Das Scaled Agi-
le Framework (SAFe) zeichnet sich durch die hohe Skalierbarkeit,
den großen Umfang und die Berücksichtigung einer Vielzahl von
agilen Methoden und Werkzeugen aus. Dadurch besteht aller-
dings die Gefahr, zu sehr auf den Vorgaben des Rahmenwerks zu
verharren und die eigene Adaption zu vernachlässigen. Es ist aus
unserer Sicht wichtig, SAFe als umfangreichen Werkzeugkasten
anzusehen, dabei aber die Flexibilität sowie weitere Werkzeuge
aus anderen Rahmenwerken nicht aus den Augen zu verlieren.
Abbildung 2: Vergleich bekannter agiler Rahmenwerke
Quelle: Detecon
Scrum
@
Scale
Kanban
Scrum
Nexus
LeSS DAD
SAFE
Skalierbarkeit
Portfolio/Strategie
Abteilung/Programm
Team/Projekt
Gering			 Mittel		 Hoch
Komplexität/
Umfang
Detecon // AGILE! I 9
Rahmenwerke wie Large Scale Scrum (LeSS) oder Scrum@Scale
sind weitaus schlanker als SAFe und damit leichter adaptierbar.
Sie erfordern dadurch aus unserer Sicht einen höheren Reifegrad
der Organisation in agiler Zusammenarbeit und Selbstorganisa-
tion. Darüber hinaus ist die Adaption mit Aufwand verbunden,
der häufig bei einer agilen Transformation nicht gesehen und da-
mit auch nicht eingeplant wird.
Das Spotify-Modell wird übrigens häufig missverstanden: Es
handelt sich hierbei nicht um ein Rahmenwerk, sondern um
ein Beispiel beziehungsweise eine Momentaufnahme von Er-
fahrungswerten, wie eine agile Organisation für ein spezifisches
Unternehmen und dessen Geschäftsmodell aussehen kann. Das
heißt, dass Anregungen aus dem Modell herausgezogen werden
können, für die eigentliche Ausgestaltung und damit den Start-
punkt eines eigenen Ansatzes aber Rahmenwerke mit ihrem grö-
ßeren Freiraum geeigneter sind.
Führung
Es gibt mittlerweile eine Vielzahl an Ansätzen, die lean-agile
Werte und Prinzipien auch in der Führung von Organisationen
verankern. Grundsätzlich geht es darum, dass Führung in fach-
liche Führung und personelle Förderung und Entwicklung auf-
geteilt wird. Zielsetzung ist dabei, die gesamte Unternehmung
systemisch so auszugestalten, dass die Mitarbeiter optimal an der
Wertschöpfung arbeiten können und Verschwendung kontinu-
ierlich reduziert wird. Die fachliche Führung konzentriert sich
dabei auf:
•	Wertorientierung: Führungskräfte sind für die Exploration
und Evaluation von wertschöpfenden Vorhaben auf allen Ebe-
nen verantwortlich. Diese werden in Form von Zielen und
Messkriterien – zum Beispiel mittels Objective and Key Re-
sults (OKRs) – kommuniziert. Budgetierung wird auf Wert-
ströme und damit Produkte vorgenommen. Ständiges Lernen
heißt, dass Vorhaben kontinuierlich evaluiert und an Erkennt-
nisgewinne angepasst werden.
•	(Intrinsische) Motivation: Führungskräfte vermitteln den
Mitarbeiten die Sinnhaftigkeit von Vorhaben durch ständige
Entwicklung und Kommunikation von Visionen und Missio-
nen. Die Dezentralisierung von Entscheidungskompetenz und
das Ausräumen von Hindernissen tragen zusätzlich dazu bei.
Bei der personellen Führung steht die Mitarbeiterentwicklung
im Vordergrund. Führungskräfte definieren gemeinsam mit dem
Mitarbeiter individuelle Karriereentwicklungen und unterstüt-
zen diese fortlaufend. Dabei geht es um das Hochhalten von Ver-
änderungsbereitschaft und den individuellen Aufbau von passen-
den Fähigkeiten und Fertigkeiten.
Einzelne Verantwortungen von Führungsrollen sollen dezentra-
lisiert und in die einzelnen Wertströme oder Teams übergeben
werden. Mitarbeiter werden stärker in Entscheidungsprozesse
eingebunden. Führungskräfte sind dafür aber stärker zum Ver-
ständnis des Marktes sowie der Ableitung von Bedarfen und Be-
wertung von Lösungsideen gefordert. Strategische, langfristige
und weitreichende Entscheidungen werden weiterhin zentral ge-
fällt. Dies sollte aber verstärkt durch Expertengruppen erfolgen.
Alle anderen Arten von Entscheidungen werden dezentral durch
die jeweiligen Rollen und Mitarbeiter mit dem benötigten Wis-
sen getroffen.
Da die Anforderungen an Führung in lean-agilen Organisation
die bisherige Ausprägung des Managers als Verwalter obsolet
macht, handelt es sich hierbei um eine der größten Herausforde-
rungen der agilen Transformation in vielen Unternehmen.
Fazit: Agil kann nur helfen, wenn es verstanden wird
Agile ist also kein Modewort, sondern eine stetig umfangreicher
werdende Sammlung von funktionierenden Rahmenwerken,
Methoden und Werkzeugen zur Optimierung aller Organisa-
tionsebenen in Richtung flexible und effiziente Wertschöpfung.
Die Ansätze sind dann agil, wenn sie den Werten und Prinzipien
des agilen Manifests sowie des Lean (Manufacturing) entspre-
chen. Vor dem Einsatz dieser mächtigen Ansätze ist es wichtig,
dass ein Unternehmen versteht, was Agilität exakt bedeutet und
welche Probleme es damit lösen will oder in welchen Diszipli-
nen es besser werden möchte oder muss. Leider reicht es nicht
aus, bestehende Rahmenwerke eins zu eins zu übernehmen. Eine
agile Transformation ist langfristig nur dann erfolgreich, wenn
sie maßgeschneidert auf die Anforderungen des Unternehmens
erfolgt.
Michael Spiller ist Agile Coach und Managing ­Consultant.
Er arbeitet seit mehr als acht Jahren mit agilen
­Methoden. Als Scrum Master oder „Servant Leader“ in
Projekten unterschiedlichster Art hat er agile Teams
­aufgebaut und begleitet. Seit mehr als vier Jahren coacht
er branchenweit Unternehmen bei der Gestaltung und
Etablierung agiler Organisationen.
10 I Detecon // AGILE!
Company Rebuilding
Detecon // AGILE! I 11
Wettbewerbsfähige Unternehmen sind ­heute
anpassungsfähig, beweglich und vernetzt.
Doch wie wird ein eher schwerfällig anmuten-
der Konzern agil? Langwierige Konzern-Trans-
formationsprogramme ziehen hier nicht mehr.
Der Gegenentwurf heißt Company Rebuilding.
Die Orientierung an agilen Prinzipien spielt
dabei ebenso eine Rolle wie Traditionen und
Werte, denn die Historie und die ­vorhandenen
Ressourcen einer Organisation werden als
Stärke verstanden und nach bestimmten
­Regeln in das neue System übertragen.
Die Zeit für diesen Ansatz ist reif!
Wie das Prinzip der
Z E L L T E I L U N G
große Unternehmen
beweglich macht
12 I Detecon // AGILE!
Versuchen Sie doch einmal, eine Gruppe von zehn erfahre-
nen Data Scientists zu rekrutieren. Und nein, Sie können dabei
nicht auf einen schillernden Markennamen wie Google, Face-
book, Amazon oder Alibaba zurückgreifen. Ich schätze, es wird
schwierig. Warum? Der Markt hat sich völlig gedreht: Talente
suchen sich heute ihren Arbeitgeber aus, nicht umgekehrt. Und
sie stehen für Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens, weil
ein immer größerer Wertschöpfungsanteil auf dieses knappe Gut
entfällt. Doch wie können etablierte Unternehmen diese Talente
für sich gewinnen?
Technologien und Talente:
Der Markt hat sich gedreht!
Technologie hingegen mutiert zu einem nahezu freien Gut und
stellt keine signifikante Markteintrittsbarriere mehr dar. Vorbei
die Zeit von Abschottung, Patenten und lokalen Wettbewerbsbe-
schränkungen. Wir leben in einer Ökonomie der Open Source,
Co-Kreation und Co-Innovation, in der durch eine optima-
le Kombination von Talenten und Technologie immer wieder
neue Stars entstehen. Marktseitig bieten die (freie) Nutzung und
­Rekombination von Technologie sowie der Aufbau digitaler Ge-
schäftsmodelle ein enormes Potenzial. Doch wie können große
Unternehmen davon profitieren?
Auf beide Fragen lautet unsere Antwort: Nutzt den Compa-
ny-Rebuilding-Ansatz, um organisatorisch neue Wege zu gehen
und agilitätshemmenden Ballast abzuwerfen! Wo früher „Big
is beautiful“ galt, weil man durch Größenvorteile schnell eine
­dominante Marktposition einnehmen konnte, entstanden um-
fangreiche hierarchische Strukturen, eine Vielzahl an Managern
und jede Menge Overhead, oft verbunden mit einer immer
­größeren Entfernung vom ursprünglichen Unternehmenszweck:
einen spezifischen Kundennutzen erzeugen. Es folgten Effizienz-
und Restrukturierungsprojekte, bei denen primär dort gespart
wurde, wo die meiste Wertschöpfung entsteht: in Service- und
Markteinheiten, bei einer oftmals parallelen Stärkung der nicht
wertschöpfenden Funktionen (= Zentrale). Gleichzeitig sanken
Agilität und Anpassungsfähigkeit, da letztlich jeder Spielraum
für Kreativität und radikale Innovationen im Effizienzwahn
­„herausgeschwitzt“ wurde. Kein guter Nährboden, weder für
­Talente noch für den gewinnbringenden Einsatz von Technolo-
gien. Wie also funktioniert der Ansatz von Company Rebuilding?
Größe vs. Netzwerk: Es zählt
die maximale Nutzerzentrierung
Hier hilft uns erst einmal der Anthropologe Robin Dunbar. ­Seine
gleichnamige Dunbar-Zahl besagt nämlich, dass Menschen mit
maximal 150 Personen in der Lage sind, stabile soziale Bezie-
Marc Wagner ist Mitglied des Management
Boards der Detecon. Er verantwortet die
­Practice ­Company ­Rebuilding und begleitet
Unternehmen bei der ­digitalen ­Transformation
rund um die Themen digitale Öko­systeme,
Innovation und zukunftsfähige Arbeitsorga-
nisationen. Er war zuvor in unterschiedlichen
Leitungsfunktionen für die Themenkomplexe
Restrukturierung, Financial Management,
CHRO-Advisory und People Management
verantwortlich und startete seine berufliche
Laufbahn als Gründer eines IT-Startups. Marc
Wagner ist Herausgeber diverser Studien und
Publikationen rund um New Work und Innova-
tionskultur sowie Mitautor des Buches „New
Work – auf dem Weg zur neuen Arbeitswelt“.
Detecon // AGILE! I 13
hungen einzugehen. Danach bedarf es entsprechender Hilfs-
konstrukte. Und in Unternehmen sind dies Hierarchien, formale
Strukturen, Governance und eine komplexe funktionale Struk-
tur. In der Vergangenheit nahm man dies hin, um über den Auf-
bau von Assets und Personal skalieren und Größenvorteile erzie-
len zu können. Heute hängt die Skalierung einer Geschäftsidee
nicht mehr von der Unternehmensgröße ab, sondern vielmehr
von der Fähigkeit, Netzeffekte, maximale Nutzerzentrierung
(und Einbindung) sowie smarte Kundenangänge mit einer mög-
lichst großen Nutzerbasis zu schaffen und die durch Interaktion
generierten Daten für die weitere Optimierung des Produktes zu
nutzen. Erreicht das Unternehmen eine Größe, welche formale
und nicht kundenzentrierte Strukturen erfordert, bildet sich eine
neue, autonome Einheit, die mit allen übrigen Einheiten über
entsprechende Plattformen zusammenarbeitet.
Auf dem Weg
zum erfolgreichen Ökosystem
Der Company-Rebuilding-Ansatz basiert in diesem Sinne
auf dem Prinzip der Zellteilung, bei dem das organisatorische
Wachstum über Plattformen gesteuert wird. Diese bilden die
Basis für die Erneuerung und die Schaffung einer Innovations-
kultur. Bei der Schaffung jeder neuen Zelle beziehungsweise Ein-
heit werden klare Regeln der organisatorischen Zusammenarbeit,
ein gemeinsames Wertegerüst sowie insbesondere Regeln für die
Bildung neuer Zellen übertragen. Dabei tragen alle organisch ge-
schaffenen Einheiten quasi ein- und dieselbe DNA, die Kunden
und Mitarbeiter gleichermaßen im Auge hat und sicherstellt, dass
jegliche Art von nicht-wertschöpfenden Strukturen und Aktivi-
täten unmittelbar beseitigt werden.
1. Der Nukleus
Es ist entscheidend, dass die Unternehmenslenker einen ausrei-
chenden Handlungsdruck verspüren. Den Startpunkt bildet jetzt
zunächst das Recruiting des Nukleus-Teams. Die Basis für den
weiteren Erfolg bildet dieses Team – nicht ein schon vorgefertig-
tes Business Model oder ein Projektplan. Der Nukleus setzt sich
aus einem Gründerteam und Experten zusammen, welche die
Umsetzung erster Produkte und Prototypen ermöglichen.
2. Die Vision
Hat sich dieses Team gebildet, gilt es, eine Vision, eine Idee zu
formulieren und mit einem konkreten Kundennutzen zu hinter-
legen. Dies ist quasi die Geburtsstunde eines neuen Ökosystems.
Hier bietet es sich an, auf einen Ecosystem Canvas oder ähnliche
Tools zurückzugreifen. Dabei ist ganz entscheidend, den spezifi-
schen Nutzen so attraktiv herauszuarbeiten, dass dieser zum An-
ziehungspunkt für weitere Wertschöpfungspartner wie Kunden,
Talente und Topexperten wird.
3. Die Spielregeln
Ein wichtiger Schritt bei der Bildung des Nukleus und dem Auf-
bau der Organisation besteht nun darin, klare Regeln für das
weitere Wachstum festzulegen – der Einstieg in einen organisato-
rischen Blue-Print der Zelle. Dies betrifft insbesondere Themen
wie
>	 Unternehmenskultur und Werte,
>	Organisationsstrukturen, die sich an New-Work-Prinzipien
orientieren,
>	 klare Kommunikationswege und Regeln der Zusammenarbeit
innerhalb einer Einheit und mit Stakeholdern außerhalb der
Einheit,
>	 Kontrollmechanismen, die regelmäßig Mitarbeiter- oder Kun-
dennutzen überprüfen. Und sollten diese nicht vorliegen: ein
klarer Prozess zum Abmanagen. Zero Overhead ist hier das
klare Ziel.
Lassen Sie sich dabei nicht von den vielen Organisationsan­sätzen
wie Holacracy täuschen, die von demokratischen Strukturen
ohne jegliches Regelwerk schwärmen. Ohne klare Regeln endet
die Zusammenarbeit gerade hier oft im Chaos.
4. Die Zellteilung
Es ist ganz wesentlich, klar zu definieren, ab welchem Punkt die
organisatorische Aufteilung (Company Rebuilding) erfolgen soll.
Dabei bieten sich nach unserer Erfahrung und nach neuesten
wissenschaftlichen Erkenntnissen folgende Regeln an:
>	 Eine quantitative Bildungsregel, bei der wir uns an der oben
beschriebenen Dunbar-Zahl orientieren (maximal 150 Inter-
aktionspartner).
>	 Eine kundenorientiert-anlassbezogene Bildungsregel, bei der
sich neue Einheiten um einen neuen Kundenbedarf herum
bilden und entsprechend individuell ausprägen – bis dann
eine entsprechende Komplexitätsgrenze erreicht ist, die dann
eine quantitative Teilung erfordert.
Wichtig ist, dass dieser organisatorische Blue Print bei jedem
Teilungsprozess übertragen wird und den gemeinsamen Nenner
aller organisch gewachsenen Einheiten bildet.
5. Die Adaption
Die konkrete Ausprägung jeder neuen Einheit erfolgt – analog
biologischer Zellen – angepasst an das jeweilige Umfeld. So wird
sichergestellt, dass zum Beispiel lokale Gegebenheiten oder spezi-
fische Kundenbedarfe berücksichtigt werden und nicht nach dem
Gießkannenprinzip suboptimale Angebote durch die Konzern-
14 I Detecon // AGILE!
von New-Work-Prinzipien entscheidend – letztlich bildet die-
se die Grundlage für alle weiteren Zellen des Ökosystems.
>	 Gerne werden Kunden- und Mitarbeiterzentrierung als Ge-
gensätze dargestellt. Da wird beispielsweise von „Employee
first, Client second“ gesprochen oder von konsequenter Aus-
richtung am Kunden. Dies ist aus meiner Sicht ein Trug-
schluss. Vielmehr sollten alle Aktivitäten der Einheit darauf
ausgerichtet sein, Kunden- und Mitarbeiterwert zu erzeugen.
>	 In einer Diskussion mit einem Künstlerteam haben wir ein-
mal die Frage gestellt, welches Bild den Künstlern beim Com-
pany-Rebuilding-Ansatz einfällt. Die spontane Antwort war:
ein Magnet. Und dies trifft den Nagel auf den Kopf. Denn die
Vision des Ökosystems muss so attraktiv und erstrebenswert
sein, dass sie Kunden, Talente und Partner wie einen Magne-
ten anzieht.
>	 Zero Overhead bedeutet nicht, dass sich in den Einheiten
keine operativen beziehungsweise nicht direkt mit dem Wert-
schöpfungsprozess in Verbindung stehenden Aufgaben mehr
vorfinden. Vielmehr werden diese Aufgaben – Recruiting oder
kaufmännische Themen – als Rollen auf die Mitarbeiter ver-
teilt. Und hierbei gilt ein klarer, stärkenbasierter Ansatz.
>	 Lassen Sie sich bei aller Agilität nicht fehlleiten: Company
Rebuilding bedeutet nicht kreatives Chaos, sondern klare Re-
geln. Und dies betrifft nicht nur die Zusammenarbeit inner-
halb der Zellen, sondern insbesondere auch die mit weiteren
Zellen oder externen Wertschöpfungspartnern.
Die Großen sind in der
Pole Position
Wer trotzdem aus der Konzernetage neidvoll auf die viel gelob-
te Innovationskultur und Agilität von Startups schaut, vergisst,
dass auch große Unternehmen einen enormen Vorteil besitzen,
der bislang einfach nur viel zu wenig ausgespielt wurde: Sie be-
sitzen Ressourcen! Nicht nur monetärer Art, sondern insbeson-
dere Umsetzungserfahrungen und Fähigkeiten, die erforderlich
sind, um aus der Idee ein vom Kunden akzeptiertes Produkt zu
generieren. Dieses Wissen macht der Ansatz von Company Re-
building sichtbar – und damit nutzbar.
Mit Company Rebuilding sind Unternehmen definitiv in der
Lage, ihre starren Organisationsstrukturen und Lehmschichten
aufzubrechen. Wer den erforderlichen Mut und die Konsequenz
mitbringt, diesen Weg zu gehen, der wird belohnt: Agilitäts-
killern wie Hierarchien, ineffizienten Prozessen und sperrigen
Kontrollsystemen wird auf diesem Weg in kurzer Zeit der Garaus
gemacht – zugunsten einer Beweglichkeit, die der eines schlag-
kräftigen Startups in nichts nachsteht.
zentrale vorgegeben werden. Der zentrale McDonalds-Ansatz hat
beispielsweise dazu geführt, dass KFC in China die Pole Position
eingenommen hat, da sich diese auf die lokalen Essgewohnheiten
eingestellt haben.
6. Die Rückkopplung
Allen organisch gewachsenen Einheiten ist gemein, dass sie
­regelmäßig relevante Veränderungen des Marktes zurückmelden,
um im Zweifelsfall eine Anpassung der Vision herbeizuführen.
„Embrace change“, so Jack Ma, ist die einzige Konstante. Die
Zeiten der klassischen Visions- und Strategieentwicklung für
die nächsten zehn Jahre sind vorbei und bedürfen regelmäßiger
Rückkopplung.
Erfolgsfaktoren
für Company Rebuilding
Der Company-Rebuilding-Ansatz bietet insbesondere Großun-
ternehmen und Konzernen einen entscheidenden Wettbewerbs-
vorteil gegenüber Startups und Neugründungen. Dies ist aller-
dings an folgende Erfolgsfaktoren gebunden:
>	 Stellen Sie das Nukleus-Team klar in den Fokus Ihrer Über-
legungen. Achten Sie hierbei auf ein ausreichendes Maß an
Diversität. Denn nur ein echtes High-Performing Team wird
in der Lage sein, disruptive Innovativen hervorzubringen.
>	 Auch wenn es fast schon trivial klingt: Gerade im Konzern
gilt es, den neu geschaffenen Zellkern vor dem Immunsystem
der Restorganisation zu schützen. Der Ressourcenzugriff sollte
daher nur in eine Richtung erfolgen können – vom ­Nukleus
in Richtung Konzern – und das Topmanagement muss für
einen entsprechenden Schutz und maximale Gestaltungs-
freiheit sorgen. Ein Kraftakt, allerdings entscheidend für den
­nachhaltigen Erfolg.
>	 Der Fokus liegt auf der Exekution. Aber nicht nur nach dem
Prinzip „Ideas are cheap, implementation matters“, sondern
„Execution of scalable ideas matters.“ Dass die Umsetzungs-
orientierung entscheidend ist, ist mittlerweile ähnlich ab-
gedroschen wie der Ruf nach mehr Unternehmertum. Al-
lerdings reicht es für ein erfolgreiches Company Rebuilding
nicht, Ideen auf die Straße zu bringen. An diesem Irrglauben
scheitern viele der von Corporate Inkubatoren hervorgebrach-
ten Startups. Vielmehr geht es darum, von Anfang an sicher-
zustellen, dass es sich dabei um tatsächlich skalierbare Ideen
handelt. Also: Exekution und Skalierungsfähigkeit.
>	 Auch wenn viele New-Work-Initiativen zu kurz springen, so
ist die konsequente Definition des kulturellen Kerns entlang
Detecon // AGILE! I 15
Impulse, Trends,
Hintergründe und Geschichten
zu Company Rebuilding finden
Sie auf unsere Website unter:
www.detecon.com/de/wissen#companyrebuilding
16 I Detecon // AGILE!
Mit Agilität und
Magenta-Herzblut
gegen ...
... Bürokratie-
	 monster
Detecon // AGILE! I 17
Ein Gespräch mit Birgit Bohle, CHRO der Deutschen Telekom
Birgit Bohle wechselte im Januar 2019 von der Deutschen Bahn in den
Vorstand der Deutschen Telekom. Im Interview mit Detecon-­Partner
Marc Wagner spricht die Personalvorständin und Arbeitsdirektorin über
aktuelle Themen, die sie als Personalerin umtreiben: Unternehmens­
kultur, Agilität und New Skilling. Aber auch über ­Werkstolz,
­Komfortzonen und Schnürsenkel.
Detecon: Frau Bohle, Sie sind seit acht Monaten Mitglied des
Telekom-Vorstands. Was waren Ihre Highlights?
Birgit Bohle: Ein großes Highlight war für mich mein Start.
Ich wurde mit offenen Armen empfangen, egal wo. Die Will-
kommenskultur bei der Telekom hat es mir leichtgemacht anzu-
kommen. Schon im August, als die Entscheidung für den ­Posten
gerade erst amtlich war, habe ich einen handgeschriebenen Brief
und magentafarbene Schnürsenkel nach Hause geschickt be-
kommen von einem Kollegen, den ich noch gar nicht kannte.
Und auch heute spüre ich das Magenta-Herzblut in so vielen
Netzwerken und Initiativen. Das ist sehr wertvoll für die Arbeit
eines Personalers und für das ganze Unternehmen.
Das klingt nach dem berühmten Telekom #Werkstolz.
Absolut. Ich glaube daran, dass Kultur von Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern als Marken- und Wertebotschafter transpor-
tiert wird – nach außen wie nach innen. Wir sind da auf einem
guten Weg, aber ich glaube auch, dass noch viel Potenzial in uns
schlummert.
Im Rahmen eines Events für Telekom-Führungskräfte sagten
Sie, das Thema Customer First sei entscheidend für den Unter-
nehmenserfolg. Aber was ist mit Employee First? Geht beides
zusammen?
Der Sinn unserer Tätigkeit als Unternehmen ist es, unseren
Kunden ein tolles Produkt, eine hervorragende Leistung, einen
­exzellenten Service zu bieten. Darauf müssen wir uns ­fokussieren.
Gleichzeitig bin ich fest davon überzeugt, dass unsere Mitarbei-
terinnen und Mitarbeiter den Unterschied machen. Egal ob im
Service-Center, im Shop oder bei unseren Technikern. Das sind
die Menschen, die im direkten Kontakt zu unseren Kunden ste-
hen. Und wenn diese ihren Job motiviert und engagiert machen,
spiegelt sich das direkt im Unternehmensergebnis wider. Voraus-
setzung für zufriedene Kunden sind neben tollen Produkten und
Technologien immer auch zufriedene und engagierte Mitarbei-
ter. Aber im Zentrum steht der Kunde.
Viele Unternehmen setzen bei Sparprogrammen eher im Kun-
denservice an, also dort, wo eigentlich das Geld verdient wird.
Brauchen wir da nicht ein Umdenken und vielleicht sogar ein
Umdrehen der Pyramide?
Ich glaube, dass wir viel zu aufwändige Prozesse haben. Das hat
aktuell auch unsere Living Culture-Befragung gezeigt. Die Zeit,
die wir mit internen Prozesse verbringen, sollten wir besser in
die Menschen da draußen investieren, die sich mit dem Kunden
beschäftigen. Zum Beispiel ist es wichtig, mehr Verantwortung
dorthin zu verlagern, wo der direkte Kundenkontakt stattfindet.
Denn die Mitarbeiter dort wissen am besten, wie ihre Kunden
ticken. T-Mobile US hat uns vorgemacht, dass es sich im Kun-
denservice auszahlt, die Verantwortlichkeit für ein Einzugsgebiet
in die Teams vor Ort zu geben. Dieses Modell werden wir auch
in Deutschland übernehmen.
18 I Detecon // AGILE!
Birgit Bohle war von 2007 bis Ende 2018 in verschie-
denen Management-Positionen bei der Deutschen Bahn
AG tätig. Von August 2015 bis Oktober 2018 war sie Vor-
sitzende des Vorstands der DB Fernverkehr AG. In dieser
Zeit hat das Unternehmen mehr als 15 Mio. neue Fahr-
gäste gewonnen und das Ergebnis deutlich gesteigert.
In den Jahren 2010 bis 2015 war sie Geschäftsführerin
bei der DB Vertrieb GmbH. Unter ihrer Führung wurde
der Ticket-Verkauf via Internet und Mobile massiv aus-
gebaut, der DB-Navigator entwickelte sich zu einer der
am meisten heruntergeladenen Apps in Deutschland.
Detecon // AGILE! I 19
Was ist der Beitrag von HR, und somit auch von Birgit Bohle,
zu diesem Wandel?
Zunächst einmal haben wir den Bürokratiemonstern den Kampf
angesagt, um unsere Prozesse zu vereinfachen. Dazu müssen wir
konsequent auch an der Digitalisierung und Automatisierung im
Personalbereich arbeiten. Ein kleines Beispiel ist unsere Reise­
kosten-App, mit der Mitarbeiter wesentlich schneller ihre Ab-
rechnung erledigen können. Denn wenn wir weniger Zeit mit
administrativen Prozessen verbringen, haben wir mehr Zeit für
unsere Kunden. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Investition
in Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter. Die Fachaus-
bildung ist Aufgabe der Geschäftsbereiche, unsere Aufgabe als
Personaler ist die Bereitstellung von innovativen Plattformen und
Tools.
Bei diesem Wandel rückt das Thema Lernen immer stärker in
den Fokus. Dabei spielen Lernbereitschaft, -fähigkeit und -um-
feld eine Rolle. Was wollen Sie Ihren Mitarbeitern dahingehend
bieten?
Ich sehe diese drei Facetten und ich sage immer: Der Mitarbei-
ter ist der eigene CEO seiner Entwicklung. Das ist eine Frage
der Haltung. Ich investiere als Mitarbeiter nicht nur in meine
Zukunft bei der Telekom, sondern auch in meine persönliche
Entwicklung, möglicherweise auch außerhalb der Telekom. Die
Bereitschaft zu lernen hat oft aber auch etwas mit der Fähigkeit
zu lernen zu tun. Wir müssen unseren Mitarbeitern Angebote
machen, die ihnen dabei helfen, ihre Komfortzone zu verlassen
und Barrieren abzubauen. Und das kann auch mal ein steiniger
Weg sein. Ich erinnere mich zum Beispiel an die Zeit, als ich das
Kraulen lernte. Da habe ich am Anfang unglaublich viel Wasser
geschluckt. Aber es lohnt sich, sich durch diese schwierige An-
fangsphase durchzubeißen. Und nicht von vornherein zu sagen:
ich kann nicht kraulen oder ich bin kein Data Scientist, sondern
sich auf die Learning Journey einzulassen. Da gilt der Satz: “We
are a bunch of know-it-all but we need to be a bunch of learn-
it-all.”
…gerade in Zeiten, wo die Halbwertszeit von Wissen bei etwa
drei Jahren liegt.
Richtig. Deshalb ist lebenslanges Lernen ja so wichtig.
Wie wollen Sie die Fähigkeit zu lernen fördern?
Mir ist wichtig, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Freu-
de am Lernen haben. Dafür schaffen wir Anreize mit neuen, in-
novativen Formaten, die Spaß machen. Es braucht nicht immer
die Schulung im Tagungshotel. Viel wichtiger sind flexible Lern-
formate und -zeiten. Dabei helfen uns digitale Trainingsangebote
als ergänzende Elemente.
Darüber hinaus ist Skillmanagement ein essenzieller Bestandteil
unserer strategischen Personalplanung. Wir benötigen neue Fä-
higkeiten, um die aktuellen und künftigen Herausforderungen zu
meistern, und die gilt es aufzubauen. Das heißt, den Menschen,
die jetzt in Jobs sind, die an Bedeutung verlieren oder in Zukunft
nicht mehr gebraucht werden, eine Möglichkeit zu bieten, sich
in ihrem Job fortzubilden oder sich für eine ganz neue Aufga-
be zu qualifizieren. Wir haben zum Beispiel gerade analysiert,
dass wir 500 Kolleginnen und Kollegen aus der IT zum Software
­Engineer ausbilden müssen. Dazu haben wir eine Software Aca-
demy gegründet, die digitales Lernen mit klassischen Präsenz-
trainings kombiniert. Beim Launch unserer neuen Lernplattform
youlearn in Österreich wurde am ersten Tag so viel gelernt wie im
ganzen letzten Jahr nicht. Wir müssen Customer Centricity eben
auch in Richtung Mitarbeiter leben und einfache, integrierte
Lernmodelle anbieten. Die vielen unterschiedlichen Lernportale,
über die wir heute verfügen, sind echte ‚Liebe­stöter‘. Bis man
sich da zurechtfindet, hat man keine Lust mehr zu ­lernen.
Was ist in puncto Lernen Ihre Erwartung an Führungskräfte?
Ich erwarte, dass Führungskräfte gegenüber ihren Mitarbeitern
als Coach auftreten. Ein Coach hört zu, motiviert, sucht das per-
sönliche Gespräch, begleitet und nimmt sich Zeit, gemeinsam
mit dem Mitarbeiter seine Interessen und Fähigkeiten – und
damit auch Lernpotenziale – zu identifizieren. Führungskräfte
sollten ihren Mitarbeitern auch Zeit einräumen, sich zu ent­
wickeln. Coach zu sein bedeutet für mich aber auch, regelmäßig
Feedback zu geben, nicht nur im Jahresendgespräch, sondern vor
allem situativ und spezifisch. So wird Lernen zu einer täglichen
Erfahrung.
Die Telekom hat ihre Führungskräfte im Jahr 2019 auf das ­Motto
‚Leading Agile‘ eingestimmt. Was bedeutet Agilität für Sie?
Agilität umfasst nicht nur ein Set an neuen Tools und Methoden.
Es ist vor allem auch ein Mindset und damit ein wesentlicher
Treiber zur Veränderung der Unternehmenskultur. Agilität ge-
winnt deshalb so stark an Bedeutung, weil der Kunde ins Zen-
trum gestellt wird und der Mitarbeiter die Ende-zu-Ende-Ver-
antwortung für ein Produkt trägt. Bei der Telekom setzen wir
Scrum Master und Agile Coaches in allen Konzerneinheiten ein
und bilden regelmäßig neue aus.
Wenn Sie drei Jahre in die Zukunft denken, woran möchten Sie
Ihren Erfolg gemessen wissen?
An vier Themen: Erstens am New Skilling, also dem erfolgreichen
Aufbau von zukunftsfähigen Kompetenzen bei unseren Mitarbei-
tern. Zweitens am Erreichen unserer Ziele bei der Rekrutierung
von Experten und Talenten. Drittens an der Transformation zu
einem agilen Unternehmen. Und natürlich daran, dass weiterhin
Magenta-Blut unsere Herzen zum Schlagen bringt.
Vielen herzlichen Dank für dieses offene Gespräch
und weiterhin viel Erfolg für Sie in der Magenta-Welt.
20 I Detecon // AGILE!
Wie die Umsetzung
im Konzern gelingen kann
ReThink
Agile!
Detecon // AGILE! I 21
Anaïs Fabinger,
Vice President Agile Operations
HR Digital & Innovation
Deutsche Telekom
Agilität ist kein neuer Trend, sondern
die Zukunft. Und doch ist es ins-
besondere in Konzernen schwierig,
­Agilität nachhaltig umzusetzen. Anaïs
­Fabinger kennt dieses Problem, denn
sie begleitet agile Transformationen
bei der Deutschen Telekom. Die Erfah-
rungen, die sie sowohl im Rahmen der
strategischen Beratung als auch bei
der agilen Transformation ihres eige-
nen Bereichs gesammelt hat, bündelt
sie in acht Erfolgsfaktoren.
Neues Konzept? Keinesfalls! In der Organisationstheorie ist Agi-
lität schon seit über 30 Jahren als eine Form der flexiblen, schlan-
ken und kundenorientierten Organisationsgestaltung bekannt.
Auch das agile Manifest, das die Arbeitsweise der IT-Branche
­revolutioniert hat, ist bereits 20 Jahre alt. Neu aber ist, dass Agili-
tät sich den Weg rein in die Tiefen der Großkonzerne gebahnt
hat. Von der Rechts- über die Personalabteilung bis hin zu kom-
pletten Landesgesellschaften – der Konzern Deutsche Telekom
kann einen regelrechten Boom an agilen Transformationen ver-
zeichnen. Doch was muss ein Konzern bei der Umsetzung be-
achten?
Widrigkeiten und Herausforderungen erschweren
die Umsetzung von Agilität in der Praxis
Die einschlägige Wirtschaftspresse ist sich einig, dass Agilität die
Grundvoraussetzung ist, um in einer sich ständig wandelnden
­digitalen Welt überleben zu können, und liefert die Best-­Practice-
Beispiele à la Spotify gleich mit. Was jedoch kaum erwähnt wird,
ist die Tatsache, dass die Einführung eines Betriebsmodells, das
auf konsequent kundenorientierten, selbstorganisierten und
funktionsübergreifenden Teams basiert, keine einfache Angele-
genheit ist – schon gar nicht in einem Großkonzern mit mehr als
230.000 Mitarbeitern. Es gibt viele Gründe, die die Umsetzung
in großen Unternehmen erschweren:
22 I Detecon // AGILE!
> Agilität umfasst mehr als das Arbeiten nach Scrum. Wenn wir Agi-
lität als die Fähigkeit verstehen, schnell und flexibel auf sich ver-
ändernde Rahmenbedingungen zu reagieren, dann hat die Um-
setzung Auswirkungen auf insgesamt sechs Dimensionen, die wir
im agilen Kompass zusammengefasst haben (siehe Abbildung).
> Unsere vielen tausend Kollegen sind routiniert darin, in altein-
gesessenen Strukturen mit ausgeprägtem Hierarchiedenken zu arbei-
ten. Auch mit den vielen Pflichten, Regeln sowie gesetz­lichen
Bestimmungen, die wir vor allem in deutschen Unternehmen
kennen, scheinen sie sich abgefunden zu haben. So sinnhaft diese
auch sind, so deutlich zeigt sich in der Praxis, dass genau dieses
Korsett uns oft daran hindert oder es zumindest erschwert, flexi-
bel und schnell zu agieren.
> Die Veränderung in den Köpfen ist aufwendig und benötigt Zeit.
Das gilt umso mehr bei einem Thema wie Agilität, das in vielen
Organisationen ein echtes Umdenken erfordert. Eine Haltung
zu verändern ist in jedem Fall nicht durch Einreden guter Ar-
gumente möglich. Erfolgsversprechender ist es, den Betroffenen
die Möglichkeit zu geben, agiles Arbeiten selbst auszuprobieren,
neue Erfahrungen zu machen und damit die alte Haltung durch
neue Muster zu ersetzen.
> Im Schnitt führen wir in großen Unternehmen alle zwei Jahre
eine Transformation durch. Auch weil die Halbwertszeit von vie-
len Veränderungen relativ kurz ist, kann der Eindruck entstehen,
uns würde schlichtweg die Zeit fehlen, Konzepte konsequent
umzusetzen und in eine nachhaltige Veränderung der Haltung zu
investieren. Dies führt dazu, dass wir Parallelwelten kultivieren.
Viel zu oft beobachte ich auch, dass Kollegen Veränderungen lie-
ber aussitzen, als sie aktiv mitzugestalten.
> Wir hinterfragen die One-size-fits-all-Ansätze unserer Berater zu
selten, nehmen also keine Anpassungen an unsere spezifischen
Rahmenbedingungen vor, sondern übernehmen diese blind.
Abbildung: Der agile Kompass der Deutschen Telekom
Quelle: Deutsche Telekom
People
Org.-Design
Governance
Way of
Working
Work
Environment
Leadership
and MindsetBUSINESS
PURPOSE
Lifelong learning,
Motivation & Engagement
•	 Employees learn from each other’s failures
& successes
•	 Multiple flexible career paths exist in open
architecture
•	 Expert and management paths are perceived
and compensated at same level  
•	 Performance objectives and key results are set on a team
level, and monitored & adjusted during the year
•	 Performance evaluations are based on multiple inputs
(e.g., peers, leaders); feedback on results and behavior is
daily normal
Teams with focus on customer value
•	 Hierarchies are flat with decision on lowest
possible organizational level
•	 Individuals work in self-steering teams with
clear end-to-end responsibility and focus on
customer value
•	 Teams have all required resources,
competences & capabilities
•	 Teams are formed and dissolved based on
most strategic priorities
•	 The “What” and “how” are clearly separated1
•	 Employees are freed up from line roles/responsi-
bilities and 100% dedicated to agile mission
Collaboration support
•	 Teams have enough dedicated, well
equipped and sized working spaces
•	 Collaborative working environments
allow informal exchange
•	 Teams have easy access to reserve rooms
or floors with clear rules how to use them
•	 Everyone uses state-of-the-art digital platforms and tools
to collaborate in co-located and distributed teams
•	 Teams have access to standardized toolbox with
flexibility for additional tools as needed
Quicker reactions to changes of requirements
•	 Objectives and key results (OKRs) and resource
needs are cascaded from strategy to team level
•	 Priorities and OKRs are reviewed during Quarterly
Business Reviews and allow detailed re-allocation
of resources as needed
•	 Agile teams decide autonomously how to
achieve the set targets with the allocated capacity
•	 Resources are reallocated seamlessly based on
changes in requirements
Faster and better output
•	 Agile meetings are in place with clear
objectives and stan-dardized format (e.g.,
sprint planning, check-in, retrospective)
•	 Core value-creating processes are
standardized with common language and
tools
•	 Agile methods/frameworks are used with
user centric approach and
fast-paced iterations/experiments
•	 Technology tools are updated in
small time intervals
Strengthened sense of responsibility
•	 Leaders are visionary and coaches and
focus on people development and
empowerment
•	 Leaders practice servant leadership
•	 Leaders are role models who apply
DT leadership principles (innovation,
collaboration and empowerment) on
a daily basis
•	 Teams establish a spirit of winning and
losing together with high level of informa-
tion transparency
•	 Employees act as entrepreneurs and
aim for best possible results
Detecon // AGILE! I 23
Bevor überhaupt irgendetwas passiert, sollte man sich darüber klarwerden, was
man eigentlich erreichen will. Von dieser Erkenntnis ausgehend kann man dann
den Fokus setzen und seine Mannschaft hinter einem gemeinsamen „Warum“
versammeln. Was steht also im Vordergrund: die Beschleunigung interner Ab-
läufe, die Steigerung der Effektivität oder doch eher die Mitarbeiterzufrieden-
heit? Beantwortet diese Frage nicht allein, sondern bindet Eure Kollegen ein,
um bei ihnen nicht nur das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Verände-
rung, sondern auch die Bereitschaft, diese aktiv mitzugestalten, zu steigern.
Egal ob Scrum, SAFe oder das sogenannte Spotify-Modell – was alle Agili-
tätskonzepte eint, ist ein ähnliches Set an Werten und Prinzipien, die in den
meisten Organisationen ein radikales Umdenken erfordern würden:
> Mitarbeiter, die es gewohnt sind, von ihrem Chef genaue Anweisungen zu
bekommen, sind nun gefragt, eigenverantwortlich und auch unternehmerisch
zu denken und zu handeln.
> Führungskräfte haben nicht mehr das alleinige Sagen, noch können sie ihre
Macht über exklusives Herrschaftswissen absichern. Stattdessen werden ein
Großteil der Entscheidungen nun von den Projektteams selbst getroffen, die
von ihren Führungskräften „nur noch“ coachend unterstützt werden.
> Gewachsene Reporting-Strukturen werden aufgebrochen und weichen den
Ritualen agiler Zusammenarbeitsmodelle.
> Der Umgang mit Unsicherheit und Veränderung ist plötzlich das tägliche
Brot, Teams beispielsweise formieren sich abhängig von den Projekten, Zielen
und benötigten Kompetenzen stetig neu.
Um eine agile Transformation erfolgreich umsetzen zu können, muss nicht nur
das Bewusstsein für den erforderlichen Kulturwandel existieren, sondern dieser
auch mit einer entsprechenden Priorität und einem entsprechenden Zeitinvest-
ment angegangen werden.
Wir nutzen beispielsweise bewährte Ansätze wie Holacracy oder auch Loop
als Inspirationen. Und um die Welt nicht ständig neu zu erfinden, bedienen wir
uns aus den dazugehörigen Werkzeugkoffern und kombinieren unterschiedliche
Vorgehensweisen und Artefakte unserem spezifischen Bedarf entsprechend. Der
von uns entwickelte Kompass (siehe Abbildung) gibt uns darüber hinaus Orien-
tierung und hilft uns dabei zu sortieren: Woran muss ich alles denken? Worauf
können wir aufbauen? Was fehlt?
Seid kreativ, um das Korsett, das nun einmal da ist, aufzuweichen! Ein pas-
sendes Beispiel aus meiner Praxis ist das Thema Budget, wo es uns sehr wich-
tig war, im Sinne einer flexiblen Ressourcenverteilung unsere Planung den sich
ändernden Rahmenbedingungen anpassen zu können. Unser Workaround sah
deshalb so aus: Wir haben als Führungsteam eine grobe Budgetplanung vorge-
nommen und den Controllern termingerecht vorgelegt. Maßgeblich für unser
Team ist aber unsere Verabredung, das zur Verfügung stehende Budget unter-
jährig und abhängig vom realen Bedarf, der sich fortlaufend ändern kann, zu
verteilen. Dazu haben wir einen wöchentlichen Budget-Call eingerichtet, zu
dem alle Mitarbeiter eingeladen sind, und es liegt nun in der Verantwortung der
Product Owner, ihren Bedarf dort anzumelden und vor einem repräsentativen
Querschnitt unseres Teams zu pitchen. Damit ist die Budgetentscheidung nicht
nur flexibilisiert, sondern auch demokratisiert. Das Führungsteam greift ledig-
lich als Eskalationsinstanz in den Prozess ein und überwacht die Budgettreue.
Macht Euch klar,
was Ihr mit Agil
erreichen wollt, und
kommuniziert!
Nutzt Frameworks, um
Euch zu sortieren!
Statt Methoden
oberflächlich
einzuführen, geht
den Kulturwandel
an!
Findet Workarounds, die
trotzdem regelkonform sind!
1.
4.
3.
Acht Erfolgsfaktoren aus meiner Praxis
				
für das Gelingen einer agilen Transformation!
2.
24 I Detecon // AGILE!
Anaïs Fabinger begleitet und gestaltet ­agile
Transformationen im Konzern Deutsche
­T­elekom AG. Als sie im Herbst 2018 in das Füh-
rungsteam des HR Digital & Innovation ­Bereichs
aufgestiegen ist, war ihr Anspruch klar: Kein
„Command and control“ und auch kein „Wissen
ist Macht“, sondern ­Augenhöhe, völlige Transpa-
renz und Kooperation auf allen Ebenen. Als Vice
President Agile ­Operations ist sie verantwort-
lich für die Entwicklung eines Betriebsmodells,
das ihre Kollegen in die Lage versetzt, maximal
selbstorganisiert zu arbeiten – und agile Prinzi-
pien wie Kundenorientierung, crossfunktionale
Zusammenarbeit und Eigenverantwortung zum
Leben erweckt. Dabei sind ihre umfassenden
Erfahrungen aus interna­tionalen Innovations-
und Transformations­projekten miteingeflossen,
die sie auch gerne über Bereichs- und Unterneh-
mensgrenzen hinweg teilt.
Wendet agile Prinzipien auf
den Transformationsprozess
selbst an!
5.
Für uns heißt das vor allem Kundenorientierung im Sinne einer frühzeitigen
Einbeziehung der Menschen, die von einer Transformation betroffen sind. Statt
Lösungen im stillen Kämmerlein zu entwickeln, ermuntern wir unserTeam, sich
an der Transformation aktiv zu beteiligen. Arbeitsstände sind über ­OneNote für
jeden im Team zu jeder Zeit einsehbar. Gleichzeitig verstehen wir es als unsere
vordergründige Aufgabe, ein Auge und Ohr auf das Team zu haben, um konti-
nuierlich deren Bedürfnisse identifizieren und bei Bedarf Maßnahmen ­initiieren
zu können.
Agile Prinzipien anzuwenden heißt aber auch, sich iterativ einer Antwort zu
nähern. Das heißt, schnell greifbare Ergebnisse zu erzielen, damit zu experi-
mentieren, Erfahrungen zu machen – und erst auf Basis dieser praktischen Er-
fahrungen zu iterieren und zu überlegen, welche Anpassungen notwendig sind.
Detecon // AGILE! I 25
Wir müssen die Welt nicht neu erfinden – das ist der große Vorteil, den Kon-
zerne ausspielen können. Konzerne haben tausende von Mitarbeitern und die
Wahrscheinlichkeit, dass es darunter jemanden gibt, der vor ähnlichen Proble-
men steht und dafür bereits eine Lösung gefunden hat, ist extrem hoch. Dieses
Wissen im Konzern gilt es zu nutzen: direkt und persönlich, über interne soziale
Plattformen oder auch bei Veranstaltungen. Auch beim Austausch mit anderen
Unternehmen zeigt sich immer wieder, dass wir trotz aller Größen- und auch
Branchenunterschiede doch vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Der Aus-
tausch von Meinungen und Erfahrungen kann daher nicht nur als wertvolle
Inspiration dienen, sondern auch bei der Lösung der eigenen Probleme hilfreich
sein.
Klingt trivial, wird aber nach meiner Erfahrung in der Praxis viel zu selten ge-
macht. Dies zeigt sich zum Beispiel beim Umgang mit den Objectives and Key
Results (OKRs), einem Zielmanagementsystem, das in agilen Organisationen
derzeit viel Beachtung findet. Meistens wird das Konzept in Reinform adaptiert
und viel zu spät bemerkt, dass es in dieser Form gar nicht passt. Wir haben uns
daher einen externen Experten gesucht, der uns zunächst in das Gesamtkonzept
eingeführt hat, damit wir alle das gleiche Verständnis haben. Parallel dazu haben
wir einen Kollegen in unserem Team zum Experten in diesem Thema weiterent-
wickelt. Mit dem gesamten Team haben wir dann herausgearbeitet, was für uns
die Kernelemente sind, wo wir Chancen sehen, existierende Spannungen über
das Konzept zu lösen, und welche Elemente Risiken bergen. Auf der Grundlage
dieser Diskussion haben wir das Konzept für unsere Bedürfnisse adaptiert und
testen es jetzt in einem iterativen Vorgehen in unserem Team.
Inwiefern eine agile Transformation gelingt, hängt maßgeblich vom Verhalten
und Mindset der involvierten Führungskräfte ab. Manager müssen weg von der
noch immer weit verbreiteten Haltung „Alles hört auf mein Kommando“ hin zu
einem modernen Führungsverständnis, nach dem Führungskräfte eine Vielzahl
von dienenden Rollen in sich vereinen, zum Beispiel:
> die des Navigators, der seinen Blick stets nach außen richtet und das Team mit
einer Vision versorgt,
> die des Sparringspartners, der ansprechbar ist, wenn das Team seine Hilfe
benötigt, und mit den richtigen Fragen seine Kollegen dabei unterstützt, die
richtigen Antworten zu finden,
> die des „Knowledge Breakers“, der dafür sorgt, dass das Team Zugang zu allen
relevanten Informationen hat,
> die des Personalentwicklers, der durch regelmäßiges Feedback jeden einzelnen
dabei unterstützt, sein individuelles Potential zu entfalten und seine Aufgabe
darin sieht, die Teammitglieder immer besser zu machen, oder auch
> die des Problemlösers, der sich dafür verantwortlich fühlt, Hindernisse und
auch Denkbarrieren aus dem Weg zu räumen, die den Erfolg des Teams beein-
trächtigen könnten.
Natürlich sollten Manager auch selbst konsequent die im Team vereinbarten
Spielregeln einhalten. Nur so können eine gewisse Ernsthaftigkeit und Glaub-
würdigkeit vermittelt werden. Der Mut, Neues auszuprobieren, erfordert auch
das Aushalten von nicht-erfüllten Erwartungen bei relevanten Stakeholdern
oder sogar Misserfolgen. Hier sind Führungskräfte gefordert, sich vor das Team
zu stellen, souverän mit Fehlern umzugehen und es vor möglichen Beeinträch-
tigungen zu schützen. Auch dies ist eine Grundvorrausetzung, um agilen Teams
die Möglichkeit zu geben, erfolgreich neue Wege zu beschreiten.
Vernetzt Euch mit anderen und
erfindet die Welt nicht ständig neu!
Nehmt Eure Vorbildfunktion wahr!
7.
8.
Setzt Euch mit Konzepten selbst
auseinander und nutzt die Intelligenz
Eurer Organisationen!
6.
26 I Detecon // AGILE!
Interview mit Tord Overå,
Ingenieur, Agile Coach / Marketeer, Telenor
Agil ist kein Ort,
sondern eine Richtung
Agilität als Wunderpille für Unternehmen? Ganz so einfach ist es nicht, sagt Tord Overå, Agile
Coach bei Telenor. Doch agile Arbeitsformen funktionieren – mit Durchhaltevermögen und Hunger.
Detecon // AGILE! I 27
	 etecon: Was ist Ihrer Meinung nach der Grund dafür,
dass das Thema Agilität aktuell so gehypt wird?
Tord Overå: Alle Änderungen, Umbrüche oder Disruptionen,
die sich in Wirtschaftsbereichen vollziehen, werden von eini-
gen wenigen First Movern angestoßen. Bei unseren derzeitigen
Branchen-Giganten wie Facebook, Spotify oder Google handelt
es sich zumeist um junge Unternehmen, die schon frühzeitig
neue Arbeitswege eingeschlagen haben, um besser auf die sich
schnell ändernden Kundenbedürfnisse reagieren zu können. Ich
will damit nicht sagen, dass diese Unternehmen die ersten Mover
waren, aber sie waren die ersten, die in großem Umfang agile
Prinzipien angewendet haben.
Und was passiert, wenn einige wenige Unternehmen so unglaub-
lich erfolgreich sind? Der Rest der Unternehmenswelt nimmt
sie unter die Lupe und begibt sich auf die Suche nach einem
­gemeinsamen Nenner. Agilität wurde als Hauptbestandteil her-
ausgefiltert, um sich in diesem neuen Zeitalter der ständigen Ver-
änderungen auf der Erfolgsspur bewegen zu können. Agilität ist
der Inbegriff von all dem geworden, was Branchen-Giganten und
schnell wachsenden Startups Wohlstand beschert. Entstanden ist
daraus die „Wunderpille“, die Sie Ihrem Unternehmen verschrei-
ben können, damit es sich von den sinkenden Marktchancen er-
holt oder die nächste Runde zur Unternehmenstransformation
einläutet, um den Investoren gefällig zu sein.
D
28 I Detecon // AGILE!
Aber diejenigen unter uns, die aktiv damit befasst sind, Awaren-
ess zu entwickeln und zu implementieren und somit die Grund-
lage für eine Unternehmenskultur zu errichten, die für den Er-
folg der Agilität ausschlaggebend ist, wissen, dass es nicht ganz so
einfach ist. Es bedeutet weitaus mehr als nur eine neue Arbeits-
weise oder Struktur des Tagesgeschäfts. In vielen Fällen erfordert
Agilität eine grundlegende Änderung der Kulturebene und des
individuellen Mindsets, insbesondere an der Unternehmensspit-
ze. Nachdem ich es jedoch sowohl außerhalb als auch innerhalb
der Zellen meines eigenen Unternehmens in Aktion gesehen
habe, weiß ich, dass es funktioniert, Und das allein ist natürlich
der wahre Grund für diesen Hype.
Detecon: Wie wird Agilität bei Telenor definiert?
Tord Overå: Um nachvollziehen zu können, wie Agilität bei Te-
lenor verstanden, angewendet und definiert wird, muss man zu-
nächst wissen, wie Telenor funktioniert. Ein wesentlicher Grund
für Telenors Erfolg in den vergangenen Jahrzehnten ist, dass es
unseren Unternehmenseinheiten, zum Beispiel Telenor Norway,
Telenor Pakistan, gestattet wurde, sich mit einem großen Maß
an Freiheit selbst zu verwalten und in Einklang mit den Markt-
bedingungen vor Ort zu optimieren.
Die Anpassung der Arbeitsweise an lokale Gegebenheiten und
die Verantwortung für diese Arbeitsweise ist dementsprechend
hoch. Dies macht es zwar schwierig, Agilität bei Telenor unter-
nehmensweit umzusetzen, denn was für den einen Geschäftsbe-
reich anwendbar war, muss für den nächsten nicht unbedingt zu-
treffen. An dieser Stelle versuchen wir jedoch ganz deutlich den
Unterschied zwischen Methoden und Prinzipien herauszustellen.
Prinzipien sind die Essenz der Agilität. Prinzipien spiegeln eben-
falls einen bestimmten Mindset wider. Die zentralen Prinzipien,
die wir bei der Zusammenstellung neuer agiler Teams befolgen,
sind: funktionsübergreifendes Team, durchgehende Use-­Case-
Verantwortung, 100%ige Besetzung mit Teammitgliedern, ver-
stärkte, unternehmensweite Transparenz, Aufgeschlossenheit ge-
genüber Änderungen und Learnings, Anstrengungen priorisieren
und fokussieren und ein eng zusammenarbeitendes Team. Dies
ist unsere Vision einer neuen Art des Arbeitens.
Methoden sind spezielle Wege dafür, wie Sie Ihr Team organi-
sieren können: Empfehlungen über Teamgröße, ­Sprint-Länge,
­Zeremonie-Agenden, Team-Rollen, Squad-/Tribe-/­Chapter-
Struktur. Wenn der Grundsatz die Vision von agil ist, dann sind
unsere Methoden das Benutzerhandbuch.
Bei Telenor konzentrieren wir uns darauf, dieselben Prinzipien
in all unseren agilen Setups der Geschäftsbereiche beizubehalten.
Wir lassen unsere neuen agilen Teams gewöhnlich mit derselben
Methode – ein Telenor Twist des Spotify-Modells – starten. So-
bald sie aber die Prinzipien gut verinnerlicht haben und auf dem
neuesten Stand sind, ermutigen wir sie zu lokalen Anpassungen.
Man kann also sagen, dass wir agil gemäß den vorgenannten
Prinzipien definieren und lokale Methodenanpassungen ermög-
lichen.
Detecon: Bei Telenor haben Sie in Sachen Agilität bereits eine
Menge ausprobiert. Wie bringen Sie ein Unternehmen wieder
auf Spur? Dazu ganz konkret: Wie übersetzen Sie elementare
agile Prinzipien in erfolgreiche Abläufe?
Tord Overå: Gute Frage, und ich bin mir sicher, dass Sie hierzu
genauso viele unterschiedliche Antworten bekommen wie Leute,
die Sie fragen. Aber das ist meine Einstellung dazu:
„Es gibt keine, und es wird auch nie eine Liste über Scrum Best
Practices geben, weil Team und Projektkontext alle anderen Er-
wägungen übertreffen. Statt Best Practices benötigen wir ‚Good
Practices‘ und die Kontexte, in denen diese erfolgreich waren.“
– Mike Cohn, User Stories Applied.
Ich finde dieses Zitat hervorragend, weil darin die Notwendigkeit
für die Anpassung agiler Methoden – Scrum gehört zu den an-
erkanntesten – treffend zum Ausdruck gebracht wird. Es ist eines
der ersten Dinge, die ich vorbringe, wenn ich bei Telenor mit
Führungskräften zusammentreffe, weil eine ihrer ersten Fragen
normalerweise „Wie geht das?“ lautet. Lassen Sie mich einen mu-
tigen Schritt vorwärts wagen und darlegen, welche Vorgehens-
weise ich Unternehmen X empfehlen würde, um es wieder auf
Spur zu bringen:
1.	 Entwickeln Sie in Ihrem Unternehmen zuerst eine extrem er-
folgreiche Zelle. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Anpas-
sung an agile Arbeitsformen nicht mit einem Top-Down-, Big-
Bang- oder Alles-auf-einmal-Ansatz durchgeführt werden kann.
Der Ausgangspunkt sollte die Bildung eines kleinen Tribes mit
drei Squads sein, insgesamt zirka 20 Personen mit 100%igem
­Engagement innerhalb dieses Tribes. Überantworten Sie diesen
In vielen Fällen erfordert Agilität eine grundlegende
Änderung der Kulturebene und des individuellen
Mindsets, insbesondere an der Unternehmensspitze.
I
Detecon // AGILE! I 29
Personen einen klar definierten geschäftlichen Anwendungsfall
mit potenziell starker Auswirkung, lassen Sie sie völlig selbststän-
dig agieren, um ihnen so eine Ende-zu-Ende-Lösung ihrer Auf-
gabe (kein Wasserfall-Weitergabe-Verfahren!) zu ermöglichen,
und setzen Sie die besten Mitarbeiter unterschiedlicher Fachge-
biete für die Lösung ihres Anwendungsfalls ein – keine Projekt-
manager, nur „Macher“.
2.	 Lösen Sie einen Hype aus (genau: einen Hype!). Sowie der vor-
genannte Tribe die Arbeit aufnimmt, beginnen die anderen Be-
reiche des Unternehmens damit, Fragen zu stellen: „Was machen
diese Typen?“, „Warum ist es ihnen gestattet, Ende-zu-­Ende-
Lösungen zu erbringen?“ Nutzen Sie diese Aufmerksamkeit und
teilen Sie im gesamten Unternehmensbereich sämtliche Informa-
tionen darüber, was dieser Tribe liefert, initiieren Sie Einladun-
gen zu Demos und Sitzungen, in denen diese Erfahrungen geteilt
werden. Falls Sie bei Facebook arbeiten, ist die Erstellung kurzer
Mashup-Videos, die die Energie und Stimmung der Personen in
dem Tribe einfangen, ebenfalls eine hervorragende Möglichkeit,
um unmittelbar Awareness zu erzeugen.
3.	 Zum Zweck der Skalierung nutzen Sie den Hype aus 2.
zusammen mit den Learnings aus 1. Bilden Sie noch ein paar
weitere Tribes, die einen größeren Teil Ihres gesamten Business
Outputs abdecken, und nutzen Sie für die Bildung der weiteren
Tribes die Learnings aus dem ersten Tribe. Wenden Sie dieselben
Prinzipien an wie zuvor, aber überlegen Sie, welche Learnings zu
welcher Methode in Ihrem Kontext und Ihrer Kultur am besten
passen.
Das obige Rezept basiert darauf, was in unseren Unternehmen
gut funktioniert. Es ist nicht leicht und auf keinen Fall reibungs-
los, aber es funktioniert. Und ich glaube, dass es bei Ihnen genau-
so sein wird.
Detecon: Welches sind die größten Stolpersteine bei der Imple-
mentierung agiler Methoden?
Tord Overå: Zu wenig Durchhaltevermögen und Hunger. Mil-
lionen von Dingen erweisen sich bei einer agilen Transformation
als schwierig, aber wenn man über ein ausreichendes Durchhalte-
Tord Overå: „Bevor ich meine Masterarbeit über die
­Innovation von Geschäftsmodellen in etablierten
­Unternehmen im Vergleich zu Neugründungen ­verfasst
habe, habe ich an der Technisch-Naturwissenschaft-
lichen Universität Norwegens (NTNU) die Fächer „Lean
Production“ und „Industrialization“ studiert.
Ich hatte schon immer die Absicht, mein eigenes
­Unternehmen zu gründen, wollte mich aber vor ­diesem
Schritt intensiv mit der Marktdynamik verschiedener
Märkte befassen. Telenor Digital hat deshalb perfekt zu
meinem Vorhaben gepasst. Während der letzten Jahre
habe ich Telenors Weg in die Digitalisierung in vielen
Aspekten begleitet und war zunehmend involviert in
die Transformation der ­Arbeitsweisen der unterschied-
lichen Teams.
Aktuell unterstütze ich DTACs, eine Tochtergesellschaft
von Telenor in Thailand, bei der agilen ­Transformation
als Agile Coach.“
30 I Detecon // AGILE!
vermögen verfügt, um die Änderungen zu überstehen, und den
Hunger auf Neues behält, um das Unternehmen kontinuierlich
zu verbessern, dann sind das die zentralen Erfolgselemente.
Ich habe Beispiele erfolgreicher Inangriffnahmen von Agilität
beobachten können, aber wenn die erste Phase nicht schnell ge-
nug die erwarteten Erfolge brachte, dann wurde – statt Abläufe
zu wiederholen und zu verbessern – das Ende eingeläutet. Man
muss gerade in der Anfangszeit unbedingt über das entsprechen-
de Durchhaltevermögen verfügen, unermüdlich weitermachen
und die suboptimalen Elemente verbessern.
Speziell den Hungeraspekt finde ich besonders wichtig, und
häufig ist dieser Aspekt ausschlaggebend dafür, ob Sie die agilen
Prinzipien vollständig verstanden haben oder nicht. Ich habe an
vielen agilen Konferenzen und Treffen teilgenommen, auf denen
Führungskräfte über den Anteil der Mitarbeiter prahlten, die in
ihrem Unternehmen agil arbeiten. Mein erster Gedanke, wenn
ich Aussagen wie diese höre, ist immer: „Sie haben keine Ah-
nung, was agil bedeutet“. Wenn es um dieses Thema geht, sind
wir bei Telenor allerdings auch nicht ganz unschuldig. Den aus-
gereiftesten agilen Setup, der bei Telenor existiert, finden wir bei
Telenor Schweden, und zwar in Bezug auf Skalierung und Mind-
set. Ich war kürzlich dort, um mich darüber zu informieren, wie
der Skalierungsprozess läuft und mit welchen Herausforderun-
gen sie zu kämpfen haben. Es war interessant und erfrischend zu
hören, dass jeder, mit dem ich gesprochen habe – vom Designer
und Absatzmittler über die Tribe-Leitung bis zum CMO –, geäu-
ßert hat, dass es noch eine ganze Weile dauern würde, bis sie sich
selbst als agil einschätzen würden. Agil ist kein Ort, sondern eine
Richtung. Das heißt, dass es völlig egal ist, wie hoch der Anteil
Ihrer Mitarbeiter ist, die agile Arbeitsformen beherrschen. Um
das wirklich nachvollziehen zu können, muss man einen Blick
hinter die Kulissen werfen und prüfen, wie stark das Bestreben in
Bezug auf kontinuierliche Verbesserung ist.
Detecon: Gelten klassische Projektmanagementmethoden und
-ansätze bei Telenor als völlig veraltet?
Tord Overå: Meine Vision der künftigen Telenor ist, dass unsere
Tribes und Squads in der Lage sein sollten, 99 Prozent der An-
wendungsfälle für unsere Kunden – einschließlich neu entstehen-
der Kundenbedürfnisse – abdecken zu können. In einem solchen
Setup wäre der Bedarf an separaten Projekten zu vernachlässigen.
Allerdings vermute ich, dass diese Vision noch Zukunftsmusik ist
und dass agile Tribes und das herkömmliche Projektmanagement
in naher Zukunft noch nebeneinander bestehen werden. Das
Projektmanagement entwickelt sich, und Methoden wie Prince2
Agile sind dabei, branchenweit Fuß zu fassen. Ich glaube deshalb,
dass beide Arbeitsformen noch länger koexistieren werden.
an muss gerade in der Anfangszeit
­unbedingt über das entsprechende Durch-
haltevermögen verfügen, unermüdlich
­weitermachen und die suboptimalen
­Elemente verbessern.
M
Detecon // AGILE! I 31
Detecon: Wieder und wieder wird betont, dass nicht die
­Methoden, sondern der Mindset für Agilität ausschlaggebend
ist. Aber wie sehen die Bestandteile eines „agilen Mindsets“ aus?
Tord Overå: Wenn wir bei Telenor über agil sprechen, dann mei-
nen wir damit häufig „agil verfahren“ oder „agil sein“. Agil verfah-
ren beinhaltet visuelle Dinge, wie beispielsweise ein Scrum Board
verwenden, eine Retrospektive erstellen, einen Product Owner
und ein Backlog haben. Das sind die ganz einfachen Dinge, die
sich in nur ein paar Tagen erledigen lassen. Agil sein ist dagegen
schwierig, weil damit Ihre Ansichten über Geschäftsstrukturen
total infrage gestellt werden und in einigen Fällen sogar Ihre per-
sönlichen Wertvorstellungen, insbesondere, wenn Sie stark an
hierarchische Strukturen und Wasserfalllösungen gewöhnt sind.
Es ist wesentlich schwieriger zu prüfen, ob einer agil ist, aber es
gibt da so einige Enthüllungen bei näherer Betrachtung: ­Wagen
es die Teammitglieder, den Product Owner herauszufordern,
wenn sie den Backlog priorisieren? Verändert sich das Format agi-
ler Zeremonien und Artefakte im Laufe der Zeit? Ist der Sprint-
Plan hinsichtlich der zeitgerechten Erledigung grundsätzlich zu
umfangreich? Es gibt noch viele weitere Aspekte bezüglich der
Teams, die in eine wirklich agile Richtung weisen, nachstehend
aber einige Dinge, die die grundlegenden Aspekte darstellen.
Dazu fällt mir ein wirklich inspirierendes Buch mit dem Titel
„Team of Teams“ von US-General Stanley McChrystal ein, in
dem er schildert, wie ein Gebilde – die US-Armee – aus extrem
hierarchischen Strukturen nicht nur von erhöhter Transparenz
und funktionsübergreifender Teamarbeit profitierte, sondern
vollständig davon abhängig war, um in strategischen Kampf-
handlungen den Feind zu besiegen. In dem Buch wird auf den
Begriff „agil“ nicht allzu tief eingegangen, aber es visualisiert den
Einsatz agiler Prinzipien und eines agilen Mindset in der Praxis.
Wenn es Personen gelingt, ihren Vorgesetzten angstfrei gegen-
über zu treten und sie allmählich den größeren Zusammenhang
ihrer Rolle im Unternehmen erfassen, dann bewirkt dieser Um-
stand einen besseren Informationsfluss und gezieltere Handlun-
gen mit dem Ergebnis, dass sich die Bedeutung Ihres Unterneh-
mensbereichs erheblich verstärkt. Unterschätzen Sie jedoch nicht
die Zeit, die Personen benötigen, um einen agilen Mindset voll-
ständig zu übernehmen und zum Bestandteil ihres Handelns zu
machen. Und noch einmal zur Erinnerung: Sie brauchen Durch-
haltevermögen und Hunger.
Detecon: Wie kann ich konkret den Erfolg des „agilen
­Arbeitens“ messen?
Tord Overå: Ganz ehrlich – kein organisatorischer Wandel ist
wirklich erfolgreich, wenn er nicht mittelfristig geschäftliches
Wachstum erbringt. Aber was sind die Treiber für geschäftliches
Wachstum? Manche würden in diesem Zusammenhang enga-
gierte Mitarbeiter nennen, andere die richtigen Tools, und wie-
derum andere würden auf Kundendialog und Tests abstellen. Sie
hätten alle recht, und tatsächlich konnten wir feststellen, dass
agile Arbeitsformen alle drei Treiber optimieren.
Mitarbeiterengagement: Mitarbeiter, denen mehr Verantwortung
übertragen wird, wenden einen größeren Teil ihrer Zeit für ihr
Sachgebiet auf und sehen eine deutliche Verbindung zwischen ih-
rer Arbeit und dem Kundenwert und sind daher stärker engagiert.
Das sorgt nicht nur für mehr Effizienz, sondern bewirkt auch,
dass das Employer Branding enorm an Attraktivität gewinnt.
Aus einem internen Beispiel einer unserer Telenor-Geschäftsbe-
reiche lässt sich nachweisen, dass dieser nach Anwendung agiler
Arbeitsformen von einem der unattraktivsten Arbeitgeber zum
attraktivsten Arbeitgeber nicht nur innerhalb der Telco-Branche,
sondern branchenweit aufgestiegen war. Wenn Sie die Auffas-
sung vertreten, dass Ihre Mitarbeiter das absolut wichtigste Gut
sind, dann beginnen Sie mit Ihrer Bewertung beziehungsweise
Einschätzung am besten sofort.
Die richtigen Tools: Der Erwerb eines glitzernden Ferraris macht
Sie nicht unbedingt zum schnelleren Fahrer. Mit der Einführung
agiler Arbeitsformen in einen neuen Geschäftsbereich war es für
uns stets das Wichtigste, zunächst die Ausstattung zu verwenden,
die aktuell vorlag, und danach den Technologie-Stack schritt-
weise zu verbessern – und nicht umgekehrt. Man findet wesent-
lich leichter heraus, welche Tools und Software erforderlich sind,
welche Probleme diese lösen und wie sie alle zusammenpassen,
wenn die Mitarbeiter, die diese auch benutzen, einen direkten
und kontinuierlichen Input darüber geben, was sie benötigen.
Beginnen Sie damit, festzustellen, wie viel von Ihrem Stack von
wie vielen Ihrer Mitarbeiter genutzt wird und nicht, wie viele
und schnelle Tools Sie haben.
Kundeninteraktionen: Sie sind grundlegend dafür, wie wir unse-
re agilen Squads organisieren, und da sie Ergebnisse für Kunden-
anwendungsfälle liefern, lässt sich dadurch leichter herausfinden,
welchen Wert unsere Arbeitsstunden erzeugt haben – ein zusätz-
licher Treiber für das Engagement. Diese Art der Organisation
bewirkt, dass es innerhalb des Teams verstärkt zu Nachfragen
kommt, die darauf abzielen, die Bedürfnisse der Kunden besser
zu verstehen. Vorher war es so, dass der Marketeer der IT ein
Änderungsanliegen per Mail sendet, wobei die Umsetzung die-
ser Änderung nur so gut sein würde wie die Mail, aus der diese
abgeleitet wurde. Jetzt ist es so, dass alles innerhalb des Teams
erfolgt. Der Marketeer hat eine Idee, gibt diese sofort über den
Tisch an den Front-End-Entwickler weiter, der sie aufgreift und
einen Vorschlag liefert, der technisch leichter umsetzbar ist, aber
dasselbe Problem löst. In vielen Fällen könnten sie Testläufe für
zwei Ideen durchführen, um herauszufinden, welche Lösung der
Kunde bevorzugt.
Das Gespräch führte Andreas Penkert, Associate Partner,
Detecon.
32 I Detecon // AGILE!
Einblick in die agile Transformation der Gothaer Systems
Mauern
überwinden
Detecon // AGILE! I 33
Die Gothaer Systems hat ihre
Organisation neu aufgestellt, um
die Zusammenarbeit intern und
mit dem Konzern zu verbessern.
Der DevOps-Ansatz sowie agile
Methoden unterstützen die Trans-
formation. Christof Strohkark hat
das Projekt für Detecon in Teilen
begleitet und wirft einen Blick
auf Vorgehensweise und Erfolgs­
faktoren.
Auf den ersten Blick scheint sich bei der Gothaer Systems (Go-
Sys), dem IT-Dienstleister des Gothaer Versicherungskonzerns,
in den letzten Jahren wenig verändert zu haben. Dieselben – et-
was in die Jahre gekommenen – Räumlichkeiten in der Nähe des
Kölner Südstadions, geprägt durch lange Gänge, von denen aus-
gehend sich ein Zweierbüro an das andere reiht, eine recht kon-
stante Personalzahl und viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
die schon seit langem für das Unternehmen arbeiten. Selbstver-
ständlich hat die GoSys auch weiterhin – und wenig überra-
schend – dieselben Kunden, nämlich die Einheiten des Gothaer
Versicherungskonzerns, der mit einer Beitragssumme von mehr
als 4,4 Milliarden Euro und rund 4,3 Millionen Mitgliedern zu
den großen deutschen Versicherungsgruppen gehört.
TRANSFORMATIONSANSTOSS:
ALTLASTEN ABBAUEN
Den Begriff „Kunden“ hört der Geschäftsführer der Gothaer Sys-
tems, Burkhard Oppenberg, der von einer Strategieberatung zur
Gothaer kam, für die Empfänger der Services der GoSys übrigens
nicht gerne. Er möchte die GoSys im Gothaer-Konzern als einen
Partner auf Augenhöhe positionieren, der die Gothaer als Bera-
ter und „Enabler“ dabei unterstützt, den Weg der Digitalisierung
weiterzugehen, ihre Geschäftsmodelle zu digitalisieren sowie
schneller, flexibler und anpassungsfähiger – „agiler“ – zu werden.
Die GoSys ist daher dabei, ihre Altlasten abzubauen. Wie bei
fast allen Versicherern waren und sind die IT-Systeme überaltert,
die IT-Landschaft durch selbstentwickelte Applikationen und
starre Plattformen – Stichwort „Großrechner“ – geprägt und die
Fertigungstiefe hoch. Vor allem war der Innovationsgrad jahr-
zehntelang gering. Das hat auch damit zu tun, dass Versicherer
sich über lange Zeiträume sehr einseitig darum bemüht haben,
ihre IT-Kosten zu senken, und wenig finanzielle Spielräume für
Innovationen zuließen. Das Ergebnis: Die IT-Kostenquote ist
zwar im Branchenvergleich sehr gering – so ist die der Banken
im Durchschnitt fast doppelt so hoch –, der Investitionsstau ist
jedoch groß.
Diese Erkenntnis führt aber selbstverständlich nicht dazu, dass
Versicherer nun ein Füllhorn über der IT ausschütten und ihre
IT-Abteilungen oder IT-Dienstleister sich alle Wünsche erfüllen
dürfen. Vielmehr geht es darum, die vorhandenen Budgets besser
als vorher zu nutzen und sich dabei neben neuen Technologien
auch neuer Organisationsformen und Zusammenarbeitsmodel-
le zu bedienen. Schlüsselbegriffe zu den beiden letztgenannten
Punkten sind Agilität und DevOps.
Agilität und DevOps haben viel mit dem Überwinden von Mau-
ern zu tun. Diese Mauern bestanden einerseits zwischen den
Fachbereichen des Gothaer Konzerns und den Entwicklungsein-
heiten der GoSys und zeigten sich in fehlenden gemeinsamen
Zielen sowie nicht ausreichender Kommunikation und Zu-
sammenarbeit. Andererseits bestanden diese Hürden aber auch
innerhalb der GoSys, nämlich zwischen den jeweils als „Silos“
wahrgenommenen Entwicklungseinheiten einerseits und dem
IT-Betrieb andererseits. Diese Strukturen führten – wie bei fast
allen großen und größeren Versicherungskonzernen – dazu, dass
Vorhaben häufig viel länger dauerten und viel teurer wurden als
geplant, dass die notwendige Time-to-market und die Flexibilität
bei der Einführung neuer Produkte oder Tarife zu groß war und
regulatorische Anforderungen nur mit großem Aufwand fristge-
recht umgesetzt werden konnten. Auch war in der GoSys immer
das Gefühl verbreitet, viel zu wenig Ressourcen zur Verfügung zu
haben, um die zahlreichen Anforderungen des Konzerns in der
gewünschten Qualität umsetzen zu können. „Wir waren schlecht
im Umsetzen“, sagt Claudia Hartmann-Machelett, die bei der
GoSys wichtige und große Programme leitet.
DAS PROGRAMM IT-EFFIZIENZ UND DIE NEUE
ZIELORGANISATION
Burkhard Oppenberg und sein Management-Team waren es,
die im Herbst 2016 das Programm IT-Effizienz (ITE) gestartet
haben, um die GoSys effizienter aufzustellen. Neben Maßnah-
men, die vorrangig die Technologie betrafen, zum Beispiel neue
Virtualisierungs- und Datenbankstrategien oder die Java-Op-
timierung, ging es zum einen darum, die innerhalb der GoSys
bestehenden Silostrukturen aufzubrechen, schneller zu werden
und das große Potenzial der Mitarbeiter besser zu nutzen. Zum
zweiten sollte das Programm auch den Anstoß dazu geben, die
Zusammenarbeit mit dem Konzern zu verbessern, um die hier
bestehenden „Mauern“ zu überwinden. Drei Punkte gilt es be-
sonders hervorzuheben:
1. Top-down meets bottom-up
Der Anstoß für die Transformation kam „von oben“, aber bei
der Definition des Ziels und des Weges dahin wurden die Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter in einer Weise und Intensität ein-
gebunden, die im Gothaer-Konzern bis dahin unbekannt war.
Sie konnten bereits an der Entwicklung der Leitplanken und
Grundprinzipien des Programms mitwirken, und – gefördert
durch zahlreiche unterschiedliche Formate – Optimierungsideen
entwickeln und einbringen, die aufgegriffen, bewertet und nach
einer Freigabe auch selbständig weiterbearbeitet wurden. „Keine
Denkverbote“ war oberste Maxime. Eine weitere wichtige Prä-
misse war Transparenz. Daher wurden alle Ergebnisse, aber auch
Zwischenstände, im GoSys-WIKI veröffentlicht und konnten
von allen eingesehen und auch kommentiert werden.
34 I Detecon // AGILE!
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  • 2. Herausgeber: Detecon International GmbH Sternengasse 14-16 50676 Köln www.detecon.com info@detecon.com Aufsichtsrat: Christian Till Roga (Vorsitz) Geschäftsführung: Ralf Pichler (Vorsitz) Sven Erdmann Handelsregister: Amtsgericht Köln HRB 76144 Sitz der Gesellschaft: Köln Druck: AC medienhaus GmbH Ostring 13 65205 Wiesbaden-Nordenstadt Fotos: Getty Images, Pexels, EFO Impressum: Redaktion: Christine Wolters christine.wolters@detecon.com Design: Ernst Formes
  • 3. Detecon // AGILE! I 1 Liebe Leserinnen und Leser, „Wir müssen agiler werden…“ – bestimmt ist dieser Satz schon mehrfach in einem Ihrer Meetings gefallen. Aber wie sieht die Rea- lität in den Unternehmen aus, wenn es um die Umsetzung von Agi- lität geht? Vor welchen Herausforderungen stehen Führungskräfte und Mitarbeiter und wo liegen möglicherweise auch die Grenzen von agilen Konzepten? Was also bedeutet „Agile beyond buzzword bingo“? Agile Prinzipien zielen darauf ab, die Reaktionsfähigkeit eines Un- ternehmens zu verbessern, um schneller unerwartete Herausfor- derungen zu bewältigen, aber auch Chancen zu nutzen. Die ent- scheidenden Komponenten für den Erfolg sind das Mindset und die geteilten Werte von Führungskräften und Mitarbeitern. Genau deshalb gibt es agile Konzepte auch nicht von der Stange. Sich mit den Umsetzungserfahrungen anderer auseinanderzusetzen kann aber inspirieren und mitunter auch helfen. Diesen Austausch haben wir im Frühling im Rahmen unseres Eventformats „Detecon Expert Talk“ angestoßen und setzen ihn mit dieser Magazin-Ausgabe fort. Neben einem großen Erfahrungsschatz und einem Überblick über die gängigen Methoden zeigen wir mit unserem Ansatz Company ReBuilding, wie Unternehmen ihre bestehenden Erfahrungen und Stärken nutzen können und dabei gleichzeitig sehr innovations­ fähige und anpassungsfähige – man könnte sagen agile – Strukturen hervorbringen. Mit dem Appell an die „gute Kinderstube“ möchten wir jeden Einzelnen ermuntern, durch das Achten der Regeln des Miteinanderauskommens zu Vertrauen und Respekt beizutragen. Die Bereitschaft, über die agile Transformation im eigenen Unter- nehmen zu sprechen, war bei allen Interviewpartnern und Kunden, über deren Projekt wir berichten dürfen, sehr groß. An dieser Stelle möchte ich mich dafür herzlich bedanken. Der Erkenntnisgewinn macht mir Mut: Es gibt Anfangshürden, es gibt Schwierigkeiten im laufenden Transformationsprozess – aber es gibt keinen einzigen, der die agile Transformation nicht noch einmal anstoßen würde. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre. Ihr Marc Wagner Managing Partner und Head of Functional Practice Company Rebuilding AGILE
  • 4. 2 I Detecon // AGILE! INHALT Von der IT-Methodik zur Universalwaffe Was wirklich hinter dem Begriff „Agile“steckt 4 Company Rebuilding Wie das Prinzip der Zellteilung große Unternehmen beweglich macht 10 Mit Agilität und Magenta-Herzblut gegen Bürokratiemonster Interview mit Birgit Bohle, CHRO der Deutschen Telekom 16 ReThink Agile! Wie die Umsetzung im Konzern gelingen kann 20 Agil ist kein Ort, sondern eine Richtung Interview mit Tord Overå, Ingenieur, Agile Coach/Marketeer, Telenor 26 Mauern überwinden Einblick in die agile Transformation der Gothaer Systems 32 Digital Transformation Ecosystem Anpassungsfähigkeit und Flexibilität mit einem neuen Transformationsansatz erreichen 38 „Agil heißt für mich: Den Mitarbeitern Power geben!“ Interview mit Peter Lorenz, Senior Vice President und ­Leiter der Portfolio Unit Digital Solutions ­T-Systems 42 „Beratern liegt agiles Arbeiten im Blut“ Im Profil: Ralf Pichler, CEO Detecon 48 Act Beyond Agile Leadership Anspruchsvolle Mentalität und nachhaltige Implementierung für organisationsweite agile Führungskompetenz 52 levelUP!: Wie man Führungskräften Mut machen kann, Neues auszuprobieren Interview mit Christina Schulte-Kutsch, Vice President Leadership Development & Culture, Deutsche Telekom 56 Vorwärts ist, wenn alle in die gleiche Richtung rudern Wie Unternehmen mit der OKR-Methode schnell, flexibel und trotzdem abgestimmt agieren 60 Ohne Schmuck am Nachthemd Interview mit Alfred Lohbeck, Geschäftsführer Human Resources/Arbeitsdirektor Deutsche Telekom IT GmbH 64 Skills vor Rollen Skillmanagement in agilen Organisationen 70
  • 5. Detecon // AGILE! I 3 Inhalt Keine erfolgreiche Business Transformation ohne erfolgreiche People Transformation Interview mit Georg Pepping, Geschäftsführer Personal und Arbeitsdirektor, T-Systems 76 Vergütung ist mehr als Geld In unterschiedlichen Währungen agil bezahlen 80 „Neue Arbeitswelten erfolgreich etablieren“ Interview mit Anna Kopp, Leiterin IT bei Microsoft Deutschland & Ulrike Volejnik Mitglied der Geschäftsleitung der T-Systems Multimedia Solutions GmbH 86 Vom Officer zum Orchestrator Rollenbild CIO 90 Proaktiv zusätzliche Verantwortung übernehmen Interview mit Nicolas Schornoz, CFO & COO Vestergaard 94 DevQOps Teamwork mit Qualitätsanspruch 98 „Vor dem Framework kommt das Mindset“ Interview mit Jörg Holleck, Division Manager Application Development, Rhenus CIT 102 Von Wasserfall zu DevOps Wie sich die Softwareentwicklung in der Automobilindustrie transformiert 108 „Anforderungsänderungen im Projekt kurzfristig umsetzen“ Interview mit Thomas Kräker, Leiter Digital Sales, Daimler Mobility AG 112 Agile Produktentwicklung Der Tribe IntraSelect entwickelt das schnellste SD-WAN der Welt 116 Agilität: Herausforderung im „Wasserfall“-Alltag und Schlüssel im Innovationsmanagment Interview mit Steffen Kuhn, Leiter Digital Engineering Center Detecon & Markus Willner, Agile Coach 122 Wie kann man das agile Arbeiten im Spiel testen? Ergebnisse aus einem interaktiven Workshop an der Technischen Hochschule Ingolstadt 128 Kinderstube Auslaufmodell oder USP im digitalen Zeitalter? 132
  • 6. 4 I Detecon // AGILE! Von der IT-METHODIK zur UNIVERSALWAFFE Um es gleich vorwegzunehmen: „Agile“ ist von Haus aus keine ab- gedroschene Phrase aus dem Management- oder Beratersprech! Trotzdem wird dieser Begriff gerade in jüngster Zeit als Weich- macher missbraucht. Detecon-Experte und Agile Coach Michael Spiller zeigt, was wirklich hinter dem Begriff „Agile“ steckt und welche agile Methoden Sie kennen sollten.
  • 7. Detecon // AGILE! I 5 Fehlt die Agenda für die Besprechung? Kein Problem, dann wird es eben ein „agiles Meeting“. Woher diese drastische Fehl- interpretation kommt, weiß keiner. Tatsächlich stehen jedoch hinter dem Begriff „Agile“ sehr klar definierte Prinzipien und Praktiken, mit denen Organisationen effizienter, schneller und flexibler Wert realisieren. Anders ausgedrückt: Agilität setzt gera- dezu auf Disziplin, um die Anpassungsfähigkeit und Lernfähig- keit zu verbessern. Agile Methoden wurden zuerst in der IT-Branche eingesetzt und sind dort auch am weitesten verbreitet. Dennoch adaptieren seit einigen Jahren Unternehmen anderer Branchen agile Vorgehens- weisen. Dafür gibt es mehrere Gründe: • Im Zeitalter der Digitalisierung gehören zu fast jedem Produkt IT-Bestandteile. • Viele Branchen stehen vor den gleichen Herausforderungen wie die IT-Branche: Kundenbedürfnisse, die sich sehr schnell ändern, sowie technische Lösungen, deren Komplexität und Vielfalt exponentiell anwächst. • Die über Jahrzehnte gewachsenen Unternehmensstrukturen und -kulturen können mit den Anforderungen, die sich durch die rasante Geschwindigkeit und Dynamik des Zeitalters der Digitalisierung ergeben, nicht mehr mithalten. Agile Methoden fördern eine lernende und sich ständig verbes- sernde Organisation, die sich kontinuierlich an neue Umstän- de anpassen kann. Dabei wird Verschwendung reduziert und der Förderung von Motivation und Kreativität der Mitarbeiter Raum gegeben. Dies zielt auf Fähigkeiten, die universell gültige Erfolgskriterien für Unternehmen darstellen. Aber wo kommen die agilen Methoden eigentlich her? Produktentwicklung nach “Rugby” Agile Methoden wurden zwar zum ersten Mal in IT-Projekten eingesetzt. Die Ursprünge liegen aber tatsächlich ganz woanders: in der Automobilbranche! Getrieben durch den damaligen Pro- duktionsleiter Taiichi Ohno wurde ab dem Jahre 1948 das Toyo- ta Production System (TPS) geschaffen mit dem Ziel, überflüssi- ge Tätigkeiten („Verschwendung“) zu vermeiden und eine hohe Produktivität bei höchster Qualität und kurzen Durchlaufzeiten zu erreichen. Das TPS gilt als „der“ Vorgänger von „Lean“. Im Jahr 1986 wurde der Artikel „The New New Product ­Development Game‘1 im Harvard Business Review veröffent- licht, der einen neuen Ansatz zur Entwicklung von neuen Produkten vorstellte. Die Autoren proklamieren ein Produkt- entwicklungsvorgehen, bei dem die Entwicklungsphasen über- lappen und gesamtheitlich durch ein interdisziplinäres Team ge- trieben und abgearbeitet werden – ähnlich wie beim Rugby. Im Artikel wird sogar der Begriff „Scrum“ erwähnt – er bezeichnet eine Standardsituation im Rugby, bei dem beide Teams in einem „Gedränge (Scrum)“ versuchen, den Ball nach einem kleinen Regelverstoß oder einer Aussituation wiederzuerlangen. „Scrum“ als Bezeichnung für eine agile Produktentwicklungsmethode war damit geboren. 1988 wurde der Begriff „Lean“ durch einen Artikel zu einer MIT-Studie2 über die bei japanischen Automobilherstellern vorgefundene, systematisierte Produktionsorganisation geprägt („Lean Manufacturing“, „Lean Production“). In den Folgejah- ren sind auf dieser Basis Denkprinzipien, Methoden und Verfah- rensweisen zur effizienten Gestaltung der gesamten Wertschöp- fungskette entstanden. „Lean“-Ansätze zielen darauf ab, alle Aktivitäten, die für die Wertschöpfung notwendig sind, optimal abzustimmen und überflüssige Tätigkeiten („Verschwendung“) zu vermeiden. Eingang in die Überlegungen finden sowohl die Sicht des Kunden als auch die des Unternehmens. Die Idee aus „The New New Product Development Game“ wurde schließlich von Ken Schwaber und Jeff Sutherland auf- genommen. Sie stellten ihre mittlerweile weltbekannte agile Pro- jektmanagementmethode „Scrum“ im Jahr 1995 auf der „Object Oriented Programming, Systems, Languages and Applications“ (OOPSLA) Konferenz in Austin, Texas, vor. Scrum wird schnell zu populärsten und bekanntesten agilen Methode, die von ihren beiden Erfindern kontinuierlich weiterentwickelt und frei ver- fügbar über den Scrum Guide3 veröffentlicht wird. Das agile Manifest – kulturelles Fundamt jedes agilen Ansatzes Im Februar 2001 trafen sich 17 Softwareentwickler in Utah, um leichtgewichtige Entwicklungsmethoden zu besprechen. Allen gemein ist ihre Frustration über die Unproduktivität bis dato vorherrschender Methoden. Allerdings fehlt ein konträres Verständnis darüber, wie ein besserer Ansatz konkret aussehen könnte. Sie einigen sich auf neue Leitlinien für die produktivere Entwicklung von Softwarebedarf – das „Agile Manifest“ mit vier Werten und zwölf Prinzipien. Damit sind nicht nur die Grundlagen der agilen Zusammenar- beitskultur definiert, sondern auch das Fundament aller Ansätze, die diese Kultur in Form von Methoden und Rahmenwerken in- stitutionalisieren wollen. Existierende, mit dem Manifest kom- patible Methoden wie eXtreme Programming (kurz: XP) oder Scrum werden ab sofort als „agile“ Methoden bezeichnet. In den folgenden Jahren werden die Ansätze von Lean, welche gezielt auf die Effizienzsteigerung der Wertschöpfungskette abzielen, mit denen der Agilität, welche eher die Arbeitsweise einer Or- ganisation im Kontext Veränderung adressieren, vereint. Es ent- stehen unter anderem Lean Software Development, Lean Startup und Kanban. 1 https://hbr.org/1986/01/the-new-new-product-development-game 2 https://www.lean.org/downloads/MITSloan.pdf 3 https://www.scrumguides.org/
  • 8. 6 I Detecon // AGILE! Seit dem agilen Manifest ist „Agile“ der Oberbegriff für alle Me- thoden, die mit den Werten und Prinzipien des Agilen Mani- fests im Einklang stehen. Leider ist dieses Verständnis durch den schnellen Erfolg agiler Methoden längst nicht überall präsent. Dadurch entstehen (bewusste) missverstandene Anwendungen von „Agile“ in Unternehmen, die dazu führen, dass der Begriff als abgedroschene Phrase missbraucht wird. Viele Praktiken, ­Methoden oder Prozessvorgehen sind einfach nicht „agil“, ob- wohl sie so tituliert wurden. Ein Überblick über 50 agile Methoden und Werkzeuge Agilen Methoden gemein sind die Vermittlung der Ziele, die Verinnerlichung der agilen Werte und die Nutzung vorhandener Werkzeuge und Modelle, die Teilbereiche einer agilen Organisa- tion abdecken. Allen Ansätzen zugrunde liegen darüber hinaus die oben beschriebenen Werte und Prinzipien aus dem Agilen Manifest und den Lean-Ansätzen. Mittlerweile existiert eine Vielzahl agiler Methoden mit unter- schiedlichen Bekanntheitsgraden und verschiedenen Einsatzbe- reichen. Der australische Agile Coach Craig Smith hat 2015 eine Zusammenstellung agiler Methoden erstellt.4 Diese haben wir mit den Entwicklungen der vergangenen Jahre zu einer ­aktuellen Übersicht agiler Methoden und Werkzeuge (Abbildung 1) er- gänzt. In der Übersicht ist zu sehen, dass es mindestens 50 agile Ansätze gibt. Nur wenige agile Berater und Coaches kennen diese Vielzahl an nützlichen Praktiken, Methoden und Tools aus die- sen Ansätzen. Im Folgenden haben wir die Ansätze in die fünf Kategorien Softwareentwicklung, Produktentwicklung, Vor- gehensweisen, Aufbau- und Ablauforganisation sowie Führung gruppiert und fassen die wesentlichen Inhalte zusammen. Softwareentwicklung Die meisten agilen Entwicklungspraktiken und -werkzeuge zie- len auf Bereiche der Softwareentwicklung, zum Beispiel Anfor- derungsmanagement, Design, Modellierung, Coding, Testing, Planung, Risiko Management, Softwareentwicklungs- und be- triebsprozesse oder Qualitätsicherung. Agile Softwarenentwi- cklung umfasst Praktiken und Werkzeuge, die den gesamten Softwarelebenszyklusprozess effizienter gestalten. Der DevOps-Ansatz fasst die Betrachtungsfelder im CALMS-Rahmenwerk in fünf Disziplinen zusammen: Culture: Es wird eine Kultur der geteilten Verantwortung und effektiven Zusammenarbeit aller Beteiligten vor allem aus Ent- wicklung, Betrieb und immer mehr auch aus dem Fachbereich etabliert. Dieser Kulturwandel zielt auf die eine schnellere und zuverlässige Entwicklung und Lieferung von IT-Lösungen ab. Automation: Teams suchen nach Möglichkeiten, um so viele Aufgaben wie möglich zu automatisieren, und leben die Idee der kontinuierlichen Integration und Bereitstellung. Damit sollen schnelle Lieferung, schnelleres Lernen, schnellere Reaktion auf Marktanforderungen und Kundenfeedback, hohe Produktivität und Sicherheit ermöglicht werden. Automatisierung beinhaltet auch die Erstellung wiederholbarer Umgebungen und Prozesse, die sich selbst dokumentieren und daher leichter zu verstehen, zu verbessern, abzusichern und zu überwachen sind. Lean: Teams können laufende Arbeiten (WIP: Work in Progress) visualisieren, Losgrößen reduzieren und Warteschlangen verwal- ten. Damit soll ein kontinuierlicher Fluss an Wertlieferung, das heißt schnellere Lieferung neuer Funktionalität und damit kür- zere Markteinführungszeiten, erreicht werden. Measurement: Teams messen möglichst alles im Softwarelebens- zyklus und haben volle Transparenz über die erhobenen Messda- ten. Messungen in der kontinuierlichen Lieferkette (Continous Delivery Pipeline) zielen darauf ab, während der Entwicklung und im Betrieb schnell auf Abweichungen aufmerksam zu wer- den. Echtzeitdaten sollen automatisiert zur Performance von IT-Lösungen erfasst und ausgewertet werden. Somit sollen Aus- wirkungen von Änderungen am System schnell bewertbar und im Problemfall lösbar sein. Neben der technischen Leistung einer IT-Lösung soll aber auch die tatsächliche Nutzung durch die User gemessen werden, um Nutzungshypothesen zu evaluie- ren und Potenziale von Verbesserungen der Nutzererfahrung zu identifizieren. Sharing: Benutzerfreundliche Kommunikationskanäle fördern die ständige Kommunikation zwischen Entwicklung, Betrieb und Fachseite, um ein einheitliches Nutzenverständnis zu för- dern. Wissensaustausch und Zusammenarbeit sind entscheidend für die konstruktive und iterative Basis, die angestrebt wird. Wis- sens- und Erfahrungsaustausch auch über die eigenen Team- und sogar Unternehmensgrenzen hinweg soll einen Blick über den eigenen Tellerrand hinaus fördern. Das agile Organisationsrahmenwerk SAFe betont noch eine wei- tere Disziplin:5 Recovery: Teams sind in der Lage, Probleme nach einer Auslie- ferung schnellstmöglich zu beheben. IT-Lösungen werden be- ginnend bei der Konzeption und Architektur über die gesamte Lieferkette hinweg für Bereitstellungsfähigkeit, Freigabefähigkeit und schnelle Wiederherstellung nach Betriebsstörungen opti- miert. Damit sollen Releases so risikoarm wie möglich werden, um die kontinuierliche Bereitstellung zu ermöglichen und eine bedarfsgerechte Freigabe von Funktionalität an den Nutzer zu unterstützen. 4 https://craigsmith.id.au/2015/12/03/yow-2015-40-agile-methods-in-40- minutes/ 5 https://scaledagileframework.com/devops/
  • 9. Detecon // AGILE! I 7 Die in Abbildung 1 aufgeführten Ansätze unterstützen die Um- setzung der vom DevOps-Ansatz definierten Disziplinen. Me- thoden wie eXtreme Programming bringen darüber hinaus auch viele Werkzeuge zum Einsatz in agilen Vorgehensweisen (siehe Abschnitt „Vorgehensweisen“). Produktentwicklung Neben den auf Softwareentwicklung fokussierten Ansätzen gibt es auch agile Methoden und Werkzeuge für die allgemei- ne Produktentwicklung. Hier geht es im Kern darum, Produkt- entwicklungszyklen zu verkürzen und so effizient wie möglich auszugestalten. Es soll schnell herausgefunden werden, ob ein vorgeschlagenes Geschäftsmodell funktioniert, anzupassen oder gar einzustellen ist („fail fast“). Weiterhin wird der Wert für den Nutzer als auch für das eigene Unternehmen ins Zentrum gestellt und ein Verständnis darüber geschaffen, welche Probleme und Bedarfe Produkte und Produktteile adressieren. Ist das erreicht, soll auch die Priorisierung und damit die Sequenzierung der Ent- wicklung auf Basis einer objektiven, auf Wertschaffung im Ver- hältnis zum Aufwand basierenden Metrik erfolgen. Vorgehensweisen Agile Vorgehensweisen, häufig auch als agile Projektmanage- mentmethoden bezeichnet, zielen auf die schnellere, flexiblere und effizientere Abarbeitung eines Vorhabens. Daher eignen sie sich sowohl für langfristige Aufträge, zum Beispiel die Begleitung des gesamten Produktlebenszyklus, als auch für zeitlich limitierte Umfänge, zum Beispiel Projektmanagement. Längst haben Vor- gehensweisen ihre anfängliche Ausrichtung auf Software über- wunden und lassen sich branchen- und themenübergreifend einsetzen. Fast alle agilen Vorgehensweisen sind iterativ-inkre- mentell: in festen zeitlichen Intervallen von wenigen Wochen (Iterationen) werden möglichst voll funktionsfähige Produktteile (Produktinkremente) erstellt. Eine Produktvision gibt dabei die Zielrichtung vor. Am Ende einer Iteration werden die erstell- ten Produktinkremente dem Fachbereich und noch besser dem Kunden vorgestellt, Feedback eingeholt und auf dessen Basis die nächste Iteration geplant. Dadurch sind Anpassungen aufgrund von Erkenntnisgewinn zulässig und sogar gewünscht. Einmal ge- startete Iterationen sollen sich vom Umfang her möglichst nicht ändern, um neben der Flexibilität auch Fokussierung und Lie- ferfähigkeit sicherzustellen. Im Regelfall wird die Arbeit einer Iteration visualisiert und die Menge der gleichzeitig laufenden Arbeiten (WIP: work in progress) limitiert, um einen schnellen Wertfluss zu ermöglichen. Agile Vorgehensweisen fördern selbstorganisierte Hochleistungs- teams. Die Teamzusammenarbeit wird mindestens einmal in je- der Iteration verbessert. Durch höhere Autonomie und Entschei- dungskompetenz soll die Motivation und Handlungsfähigkeit des Teams gestärkt werden. Kommunikation, Abstimmung und Synchronisation imTeam wird durch schlanke Planungs- und Er- gebnispräsentationstermine sowie prägnante Fortschrittsabstim- mungen gefördert. Ist mehr als ein Team mit der Arbeit beschäf- tigt, stimmen sich Teams mit Abhängigkeiten regelmäßig ab und können über eine übergeordnete Produktvision auf ein gemein- sames Ziel hin ausgerichtet sein. Um den Lösungsraum nicht zu früh einzuschränken, werden Anforderungen aus Nutzersicht und unter Beschreibung des Nutzerbedarfs definiert. Mittlerwei- le haben sich hierzu „User Stories“ etabliert – ein ursprünglich aus eXtreme Programming entstammendes Werkzeug. Mit der Zeit haben sich auch Schätzverfahren wie Planning Poker oder White Elephant Sizing entwickelt, damit Aufwandsschätzungen vom Team selbst und möglichst effizient getroffen werden kön- nen. Agile Vorgehen priorisieren nach dem Verhältnis von Wert zu Aufwand und fördern in diesem Kontext Gespräche zwischen Entwicklung und Fachbereich über den wirtschaftlichen Umfang der Produktinkremente. Am häufigsten arbeiten agile Teams der- zeit mit Scrum, Kanban oder Weiterentwicklungen von diesen Ansätzen. Abbildung 1: Überblick über agile Ansätze Quelle: Detecon Softwareentwicklung Produktentwicklung Vorgehensweisen Aufbau-/Ablauforganisation Führung • DevOps • Externe Programming (XP) • Adaptive Software • Development (ASD) • Lean Software • Development (LSD) • TDD/ATDD/BDD/SBE • Software, Faster • Mikado Method • Mob Programming • Context Driven Testing • Agile Modelling • Scrum • Kanban • Personal Kanban • Hybrid Agile (Scrumban, Xanpan, Nonban, Water-Scrum-Fall) • Chrystel •Nexus Framework • Scrum of Scrums • Dynamic Systems Develop- ment Method (DSDM) • Agile Unified Process (AUP) • Programmer Anarchy • Mobile Programming • Agile Estimating Techniques • Lean User Experience • (Produkt Development) Flow • Design Thinking • Lean Startup • eXtreme Manufacturing • Servant Leadership • Objectives & Key Results (OKR) • Management 3.0 • Holocracy • Lean Management/ Lean Enterprise • Evidence Based Management • Beyond Budgeting • Radical Management • Stoos Network • Theory of Constraints • Deming‘s System of Profound • Knowledge Rightshifting • Adaptive Leadership • Vanguard Method • Scaled Agile Framework (SAFe) • Large Scale Scrum (LeSS) • Spotify/Squadification • Scrum@Scale • Disciplined Agile Delivery (DAD) • Enterprise Scrum • Team Of Teams • Agile Portfolio Management • Enterprise Transition Framework ETF) • Enterprise Unified Process (EUP) Lean (Manufacturing) Agiles Manifest
  • 10. 8 I Detecon // AGILE! Aufbau- und Ablauforganisation Während die gerade vorgestellten agilen Vorgehensweisen nur ein oder wenige Teams betrachten, geht es bei agilen Methoden zur Aufbau- und Ablauforganisation darum, die agilen Werte und Prinzipien auf größere Organisationsteile oder sogar die Gesamt- organisation zu erweitern. Die in diese Kategorie fallenden An- sätze werden häufig auch als „agile Skalierungsrahmenwerke“ bezeichnet. Im Wesentlichen unterscheiden sich die Ansätze in ihrer Skalierbarkeit und in ihrer Komplexität oder dem Umfang an Artefakten. Eine Gegenüberstellung gängiger Skalierungsrah- menwerke und Vorgehensweisen nach diesen beiden Kriterien haben wir in Abbildung 2 vorgenommen. Im Mittelpunkt dieser Ansätze stehen die Koordination und Syn- chronisation von Zielen, Arbeit und Abhängigkeiten zwischen agilen Teams. Dabei werden zunächst Wertströme betrachtet, also alle Aufgaben und Akteure, die zur Entwicklung, Lieferung und zum Betrieb von Produkten benötigt werden. Diese Wert- ströme werden durch alle benötigen Fähigkeiten in Form von agilen Teams operationalisiert. Dahinter steht das Prinzip, dass in einer agilen Organisation die Arbeit zu den Mitarbeitern und nicht die Mitarbeiter zu der Arbeit gebracht werden. Projekte werden somit obsolet und deren administrativer Aufwand (Bud- getierung, Personalbesetzung) massiv reduziert. Die fachliche Zieldefinition und Synchronisation findet durch Produktverantwortliche auf mehreren Abstraktionsebenen wie Gesamtprodukt, Systemebenen oder Komponentenebenen statt. Manche Ansätze definieren Expertengruppen oder Rollen für die Definition und Kommunikation von Leitplanken zu Architek- tur, Entwicklung und User Experience. Damit soll sichergestellt werden, dass der Nutzer das Gefühl von einem durchgehenden Produkt erhält und alle Produktteile zusammenpassen. In einer agilen Organisation wird der Wert in Form von zu ­adressierenden Nutzerbedarfen hinterfragt und als Kontext- information in Form von Visionen, Roadmaps und Anforde- rungsbeschreibungen, beispielsweise durch Epics, Features und User Stories, bis zum agilen Team transportiert. Durch effiziente Schätzungen von Fach- und Entwicklungsexperten wird auf allen Ebenen durch Priorisierung sichergestellt, dass an den richtigen Themen zur richtigen Zeit gearbeitet wird. Manche Rahmen- werke adressieren auch die Strategie- und Portfolioebene, auf der ebenfalls durch Zusammenarbeit von Expertengruppen schlanke Geschäftsmodelle aufgestellt, in Produktinkremente herunter- gebrochen und kontinuierlich über Feedbackzyklen priorisiert werden. Dabei kommen Ansätze aus den agilen Produktentwick- lungsansätzen wie das Minimum Viable Product (MVP), also der geringstmögliche Produktumfang zum Erlangen von qualifizier- tem Feedback, und das Minimum Marketable Feature (MMF), der minimale für den Marktangang erforderliche Funktionsum- fang, zum Einsatz. Ziel ist es, möglichst schnell die technische Realisierbarkeit sowie die Marktfähigkeit zu prüfen, um umge- hend darauf reagieren zu können. Daher fördern agile Organi- sationen auch Kommunikation, Transparenz, Abstimmung und Synchronisation auf und zwischen allen Ebenen bei gleichzeitiger Beschränkung dieser auf das nötigste. Die aktuell bekanntesten und bei unseren Kunden am häufigsten eingesetzten Rahmenwerke sind SAFe und LeSS. Das Scaled Agi- le Framework (SAFe) zeichnet sich durch die hohe Skalierbarkeit, den großen Umfang und die Berücksichtigung einer Vielzahl von agilen Methoden und Werkzeugen aus. Dadurch besteht aller- dings die Gefahr, zu sehr auf den Vorgaben des Rahmenwerks zu verharren und die eigene Adaption zu vernachlässigen. Es ist aus unserer Sicht wichtig, SAFe als umfangreichen Werkzeugkasten anzusehen, dabei aber die Flexibilität sowie weitere Werkzeuge aus anderen Rahmenwerken nicht aus den Augen zu verlieren. Abbildung 2: Vergleich bekannter agiler Rahmenwerke Quelle: Detecon Scrum @ Scale Kanban Scrum Nexus LeSS DAD SAFE Skalierbarkeit Portfolio/Strategie Abteilung/Programm Team/Projekt Gering Mittel Hoch Komplexität/ Umfang
  • 11. Detecon // AGILE! I 9 Rahmenwerke wie Large Scale Scrum (LeSS) oder Scrum@Scale sind weitaus schlanker als SAFe und damit leichter adaptierbar. Sie erfordern dadurch aus unserer Sicht einen höheren Reifegrad der Organisation in agiler Zusammenarbeit und Selbstorganisa- tion. Darüber hinaus ist die Adaption mit Aufwand verbunden, der häufig bei einer agilen Transformation nicht gesehen und da- mit auch nicht eingeplant wird. Das Spotify-Modell wird übrigens häufig missverstanden: Es handelt sich hierbei nicht um ein Rahmenwerk, sondern um ein Beispiel beziehungsweise eine Momentaufnahme von Er- fahrungswerten, wie eine agile Organisation für ein spezifisches Unternehmen und dessen Geschäftsmodell aussehen kann. Das heißt, dass Anregungen aus dem Modell herausgezogen werden können, für die eigentliche Ausgestaltung und damit den Start- punkt eines eigenen Ansatzes aber Rahmenwerke mit ihrem grö- ßeren Freiraum geeigneter sind. Führung Es gibt mittlerweile eine Vielzahl an Ansätzen, die lean-agile Werte und Prinzipien auch in der Führung von Organisationen verankern. Grundsätzlich geht es darum, dass Führung in fach- liche Führung und personelle Förderung und Entwicklung auf- geteilt wird. Zielsetzung ist dabei, die gesamte Unternehmung systemisch so auszugestalten, dass die Mitarbeiter optimal an der Wertschöpfung arbeiten können und Verschwendung kontinu- ierlich reduziert wird. Die fachliche Führung konzentriert sich dabei auf: • Wertorientierung: Führungskräfte sind für die Exploration und Evaluation von wertschöpfenden Vorhaben auf allen Ebe- nen verantwortlich. Diese werden in Form von Zielen und Messkriterien – zum Beispiel mittels Objective and Key Re- sults (OKRs) – kommuniziert. Budgetierung wird auf Wert- ströme und damit Produkte vorgenommen. Ständiges Lernen heißt, dass Vorhaben kontinuierlich evaluiert und an Erkennt- nisgewinne angepasst werden. • (Intrinsische) Motivation: Führungskräfte vermitteln den Mitarbeiten die Sinnhaftigkeit von Vorhaben durch ständige Entwicklung und Kommunikation von Visionen und Missio- nen. Die Dezentralisierung von Entscheidungskompetenz und das Ausräumen von Hindernissen tragen zusätzlich dazu bei. Bei der personellen Führung steht die Mitarbeiterentwicklung im Vordergrund. Führungskräfte definieren gemeinsam mit dem Mitarbeiter individuelle Karriereentwicklungen und unterstüt- zen diese fortlaufend. Dabei geht es um das Hochhalten von Ver- änderungsbereitschaft und den individuellen Aufbau von passen- den Fähigkeiten und Fertigkeiten. Einzelne Verantwortungen von Führungsrollen sollen dezentra- lisiert und in die einzelnen Wertströme oder Teams übergeben werden. Mitarbeiter werden stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden. Führungskräfte sind dafür aber stärker zum Ver- ständnis des Marktes sowie der Ableitung von Bedarfen und Be- wertung von Lösungsideen gefordert. Strategische, langfristige und weitreichende Entscheidungen werden weiterhin zentral ge- fällt. Dies sollte aber verstärkt durch Expertengruppen erfolgen. Alle anderen Arten von Entscheidungen werden dezentral durch die jeweiligen Rollen und Mitarbeiter mit dem benötigten Wis- sen getroffen. Da die Anforderungen an Führung in lean-agilen Organisation die bisherige Ausprägung des Managers als Verwalter obsolet macht, handelt es sich hierbei um eine der größten Herausforde- rungen der agilen Transformation in vielen Unternehmen. Fazit: Agil kann nur helfen, wenn es verstanden wird Agile ist also kein Modewort, sondern eine stetig umfangreicher werdende Sammlung von funktionierenden Rahmenwerken, Methoden und Werkzeugen zur Optimierung aller Organisa- tionsebenen in Richtung flexible und effiziente Wertschöpfung. Die Ansätze sind dann agil, wenn sie den Werten und Prinzipien des agilen Manifests sowie des Lean (Manufacturing) entspre- chen. Vor dem Einsatz dieser mächtigen Ansätze ist es wichtig, dass ein Unternehmen versteht, was Agilität exakt bedeutet und welche Probleme es damit lösen will oder in welchen Diszipli- nen es besser werden möchte oder muss. Leider reicht es nicht aus, bestehende Rahmenwerke eins zu eins zu übernehmen. Eine agile Transformation ist langfristig nur dann erfolgreich, wenn sie maßgeschneidert auf die Anforderungen des Unternehmens erfolgt. Michael Spiller ist Agile Coach und Managing ­Consultant. Er arbeitet seit mehr als acht Jahren mit agilen ­Methoden. Als Scrum Master oder „Servant Leader“ in Projekten unterschiedlichster Art hat er agile Teams ­aufgebaut und begleitet. Seit mehr als vier Jahren coacht er branchenweit Unternehmen bei der Gestaltung und Etablierung agiler Organisationen.
  • 12. 10 I Detecon // AGILE! Company Rebuilding
  • 13. Detecon // AGILE! I 11 Wettbewerbsfähige Unternehmen sind ­heute anpassungsfähig, beweglich und vernetzt. Doch wie wird ein eher schwerfällig anmuten- der Konzern agil? Langwierige Konzern-Trans- formationsprogramme ziehen hier nicht mehr. Der Gegenentwurf heißt Company Rebuilding. Die Orientierung an agilen Prinzipien spielt dabei ebenso eine Rolle wie Traditionen und Werte, denn die Historie und die ­vorhandenen Ressourcen einer Organisation werden als Stärke verstanden und nach bestimmten ­Regeln in das neue System übertragen. Die Zeit für diesen Ansatz ist reif! Wie das Prinzip der Z E L L T E I L U N G große Unternehmen beweglich macht
  • 14. 12 I Detecon // AGILE! Versuchen Sie doch einmal, eine Gruppe von zehn erfahre- nen Data Scientists zu rekrutieren. Und nein, Sie können dabei nicht auf einen schillernden Markennamen wie Google, Face- book, Amazon oder Alibaba zurückgreifen. Ich schätze, es wird schwierig. Warum? Der Markt hat sich völlig gedreht: Talente suchen sich heute ihren Arbeitgeber aus, nicht umgekehrt. Und sie stehen für Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens, weil ein immer größerer Wertschöpfungsanteil auf dieses knappe Gut entfällt. Doch wie können etablierte Unternehmen diese Talente für sich gewinnen? Technologien und Talente: Der Markt hat sich gedreht! Technologie hingegen mutiert zu einem nahezu freien Gut und stellt keine signifikante Markteintrittsbarriere mehr dar. Vorbei die Zeit von Abschottung, Patenten und lokalen Wettbewerbsbe- schränkungen. Wir leben in einer Ökonomie der Open Source, Co-Kreation und Co-Innovation, in der durch eine optima- le Kombination von Talenten und Technologie immer wieder neue Stars entstehen. Marktseitig bieten die (freie) Nutzung und ­Rekombination von Technologie sowie der Aufbau digitaler Ge- schäftsmodelle ein enormes Potenzial. Doch wie können große Unternehmen davon profitieren? Auf beide Fragen lautet unsere Antwort: Nutzt den Compa- ny-Rebuilding-Ansatz, um organisatorisch neue Wege zu gehen und agilitätshemmenden Ballast abzuwerfen! Wo früher „Big is beautiful“ galt, weil man durch Größenvorteile schnell eine ­dominante Marktposition einnehmen konnte, entstanden um- fangreiche hierarchische Strukturen, eine Vielzahl an Managern und jede Menge Overhead, oft verbunden mit einer immer ­größeren Entfernung vom ursprünglichen Unternehmenszweck: einen spezifischen Kundennutzen erzeugen. Es folgten Effizienz- und Restrukturierungsprojekte, bei denen primär dort gespart wurde, wo die meiste Wertschöpfung entsteht: in Service- und Markteinheiten, bei einer oftmals parallelen Stärkung der nicht wertschöpfenden Funktionen (= Zentrale). Gleichzeitig sanken Agilität und Anpassungsfähigkeit, da letztlich jeder Spielraum für Kreativität und radikale Innovationen im Effizienzwahn ­„herausgeschwitzt“ wurde. Kein guter Nährboden, weder für ­Talente noch für den gewinnbringenden Einsatz von Technolo- gien. Wie also funktioniert der Ansatz von Company Rebuilding? Größe vs. Netzwerk: Es zählt die maximale Nutzerzentrierung Hier hilft uns erst einmal der Anthropologe Robin Dunbar. ­Seine gleichnamige Dunbar-Zahl besagt nämlich, dass Menschen mit maximal 150 Personen in der Lage sind, stabile soziale Bezie- Marc Wagner ist Mitglied des Management Boards der Detecon. Er verantwortet die ­Practice ­Company ­Rebuilding und begleitet Unternehmen bei der ­digitalen ­Transformation rund um die Themen digitale Öko­systeme, Innovation und zukunftsfähige Arbeitsorga- nisationen. Er war zuvor in unterschiedlichen Leitungsfunktionen für die Themenkomplexe Restrukturierung, Financial Management, CHRO-Advisory und People Management verantwortlich und startete seine berufliche Laufbahn als Gründer eines IT-Startups. Marc Wagner ist Herausgeber diverser Studien und Publikationen rund um New Work und Innova- tionskultur sowie Mitautor des Buches „New Work – auf dem Weg zur neuen Arbeitswelt“.
  • 15. Detecon // AGILE! I 13 hungen einzugehen. Danach bedarf es entsprechender Hilfs- konstrukte. Und in Unternehmen sind dies Hierarchien, formale Strukturen, Governance und eine komplexe funktionale Struk- tur. In der Vergangenheit nahm man dies hin, um über den Auf- bau von Assets und Personal skalieren und Größenvorteile erzie- len zu können. Heute hängt die Skalierung einer Geschäftsidee nicht mehr von der Unternehmensgröße ab, sondern vielmehr von der Fähigkeit, Netzeffekte, maximale Nutzerzentrierung (und Einbindung) sowie smarte Kundenangänge mit einer mög- lichst großen Nutzerbasis zu schaffen und die durch Interaktion generierten Daten für die weitere Optimierung des Produktes zu nutzen. Erreicht das Unternehmen eine Größe, welche formale und nicht kundenzentrierte Strukturen erfordert, bildet sich eine neue, autonome Einheit, die mit allen übrigen Einheiten über entsprechende Plattformen zusammenarbeitet. Auf dem Weg zum erfolgreichen Ökosystem Der Company-Rebuilding-Ansatz basiert in diesem Sinne auf dem Prinzip der Zellteilung, bei dem das organisatorische Wachstum über Plattformen gesteuert wird. Diese bilden die Basis für die Erneuerung und die Schaffung einer Innovations- kultur. Bei der Schaffung jeder neuen Zelle beziehungsweise Ein- heit werden klare Regeln der organisatorischen Zusammenarbeit, ein gemeinsames Wertegerüst sowie insbesondere Regeln für die Bildung neuer Zellen übertragen. Dabei tragen alle organisch ge- schaffenen Einheiten quasi ein- und dieselbe DNA, die Kunden und Mitarbeiter gleichermaßen im Auge hat und sicherstellt, dass jegliche Art von nicht-wertschöpfenden Strukturen und Aktivi- täten unmittelbar beseitigt werden. 1. Der Nukleus Es ist entscheidend, dass die Unternehmenslenker einen ausrei- chenden Handlungsdruck verspüren. Den Startpunkt bildet jetzt zunächst das Recruiting des Nukleus-Teams. Die Basis für den weiteren Erfolg bildet dieses Team – nicht ein schon vorgefertig- tes Business Model oder ein Projektplan. Der Nukleus setzt sich aus einem Gründerteam und Experten zusammen, welche die Umsetzung erster Produkte und Prototypen ermöglichen. 2. Die Vision Hat sich dieses Team gebildet, gilt es, eine Vision, eine Idee zu formulieren und mit einem konkreten Kundennutzen zu hinter- legen. Dies ist quasi die Geburtsstunde eines neuen Ökosystems. Hier bietet es sich an, auf einen Ecosystem Canvas oder ähnliche Tools zurückzugreifen. Dabei ist ganz entscheidend, den spezifi- schen Nutzen so attraktiv herauszuarbeiten, dass dieser zum An- ziehungspunkt für weitere Wertschöpfungspartner wie Kunden, Talente und Topexperten wird. 3. Die Spielregeln Ein wichtiger Schritt bei der Bildung des Nukleus und dem Auf- bau der Organisation besteht nun darin, klare Regeln für das weitere Wachstum festzulegen – der Einstieg in einen organisato- rischen Blue-Print der Zelle. Dies betrifft insbesondere Themen wie > Unternehmenskultur und Werte, > Organisationsstrukturen, die sich an New-Work-Prinzipien orientieren, > klare Kommunikationswege und Regeln der Zusammenarbeit innerhalb einer Einheit und mit Stakeholdern außerhalb der Einheit, > Kontrollmechanismen, die regelmäßig Mitarbeiter- oder Kun- dennutzen überprüfen. Und sollten diese nicht vorliegen: ein klarer Prozess zum Abmanagen. Zero Overhead ist hier das klare Ziel. Lassen Sie sich dabei nicht von den vielen Organisationsan­sätzen wie Holacracy täuschen, die von demokratischen Strukturen ohne jegliches Regelwerk schwärmen. Ohne klare Regeln endet die Zusammenarbeit gerade hier oft im Chaos. 4. Die Zellteilung Es ist ganz wesentlich, klar zu definieren, ab welchem Punkt die organisatorische Aufteilung (Company Rebuilding) erfolgen soll. Dabei bieten sich nach unserer Erfahrung und nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen folgende Regeln an: > Eine quantitative Bildungsregel, bei der wir uns an der oben beschriebenen Dunbar-Zahl orientieren (maximal 150 Inter- aktionspartner). > Eine kundenorientiert-anlassbezogene Bildungsregel, bei der sich neue Einheiten um einen neuen Kundenbedarf herum bilden und entsprechend individuell ausprägen – bis dann eine entsprechende Komplexitätsgrenze erreicht ist, die dann eine quantitative Teilung erfordert. Wichtig ist, dass dieser organisatorische Blue Print bei jedem Teilungsprozess übertragen wird und den gemeinsamen Nenner aller organisch gewachsenen Einheiten bildet. 5. Die Adaption Die konkrete Ausprägung jeder neuen Einheit erfolgt – analog biologischer Zellen – angepasst an das jeweilige Umfeld. So wird sichergestellt, dass zum Beispiel lokale Gegebenheiten oder spezi- fische Kundenbedarfe berücksichtigt werden und nicht nach dem Gießkannenprinzip suboptimale Angebote durch die Konzern-
  • 16. 14 I Detecon // AGILE! von New-Work-Prinzipien entscheidend – letztlich bildet die- se die Grundlage für alle weiteren Zellen des Ökosystems. > Gerne werden Kunden- und Mitarbeiterzentrierung als Ge- gensätze dargestellt. Da wird beispielsweise von „Employee first, Client second“ gesprochen oder von konsequenter Aus- richtung am Kunden. Dies ist aus meiner Sicht ein Trug- schluss. Vielmehr sollten alle Aktivitäten der Einheit darauf ausgerichtet sein, Kunden- und Mitarbeiterwert zu erzeugen. > In einer Diskussion mit einem Künstlerteam haben wir ein- mal die Frage gestellt, welches Bild den Künstlern beim Com- pany-Rebuilding-Ansatz einfällt. Die spontane Antwort war: ein Magnet. Und dies trifft den Nagel auf den Kopf. Denn die Vision des Ökosystems muss so attraktiv und erstrebenswert sein, dass sie Kunden, Talente und Partner wie einen Magne- ten anzieht. > Zero Overhead bedeutet nicht, dass sich in den Einheiten keine operativen beziehungsweise nicht direkt mit dem Wert- schöpfungsprozess in Verbindung stehenden Aufgaben mehr vorfinden. Vielmehr werden diese Aufgaben – Recruiting oder kaufmännische Themen – als Rollen auf die Mitarbeiter ver- teilt. Und hierbei gilt ein klarer, stärkenbasierter Ansatz. > Lassen Sie sich bei aller Agilität nicht fehlleiten: Company Rebuilding bedeutet nicht kreatives Chaos, sondern klare Re- geln. Und dies betrifft nicht nur die Zusammenarbeit inner- halb der Zellen, sondern insbesondere auch die mit weiteren Zellen oder externen Wertschöpfungspartnern. Die Großen sind in der Pole Position Wer trotzdem aus der Konzernetage neidvoll auf die viel gelob- te Innovationskultur und Agilität von Startups schaut, vergisst, dass auch große Unternehmen einen enormen Vorteil besitzen, der bislang einfach nur viel zu wenig ausgespielt wurde: Sie be- sitzen Ressourcen! Nicht nur monetärer Art, sondern insbeson- dere Umsetzungserfahrungen und Fähigkeiten, die erforderlich sind, um aus der Idee ein vom Kunden akzeptiertes Produkt zu generieren. Dieses Wissen macht der Ansatz von Company Re- building sichtbar – und damit nutzbar. Mit Company Rebuilding sind Unternehmen definitiv in der Lage, ihre starren Organisationsstrukturen und Lehmschichten aufzubrechen. Wer den erforderlichen Mut und die Konsequenz mitbringt, diesen Weg zu gehen, der wird belohnt: Agilitäts- killern wie Hierarchien, ineffizienten Prozessen und sperrigen Kontrollsystemen wird auf diesem Weg in kurzer Zeit der Garaus gemacht – zugunsten einer Beweglichkeit, die der eines schlag- kräftigen Startups in nichts nachsteht. zentrale vorgegeben werden. Der zentrale McDonalds-Ansatz hat beispielsweise dazu geführt, dass KFC in China die Pole Position eingenommen hat, da sich diese auf die lokalen Essgewohnheiten eingestellt haben. 6. Die Rückkopplung Allen organisch gewachsenen Einheiten ist gemein, dass sie ­regelmäßig relevante Veränderungen des Marktes zurückmelden, um im Zweifelsfall eine Anpassung der Vision herbeizuführen. „Embrace change“, so Jack Ma, ist die einzige Konstante. Die Zeiten der klassischen Visions- und Strategieentwicklung für die nächsten zehn Jahre sind vorbei und bedürfen regelmäßiger Rückkopplung. Erfolgsfaktoren für Company Rebuilding Der Company-Rebuilding-Ansatz bietet insbesondere Großun- ternehmen und Konzernen einen entscheidenden Wettbewerbs- vorteil gegenüber Startups und Neugründungen. Dies ist aller- dings an folgende Erfolgsfaktoren gebunden: > Stellen Sie das Nukleus-Team klar in den Fokus Ihrer Über- legungen. Achten Sie hierbei auf ein ausreichendes Maß an Diversität. Denn nur ein echtes High-Performing Team wird in der Lage sein, disruptive Innovativen hervorzubringen. > Auch wenn es fast schon trivial klingt: Gerade im Konzern gilt es, den neu geschaffenen Zellkern vor dem Immunsystem der Restorganisation zu schützen. Der Ressourcenzugriff sollte daher nur in eine Richtung erfolgen können – vom ­Nukleus in Richtung Konzern – und das Topmanagement muss für einen entsprechenden Schutz und maximale Gestaltungs- freiheit sorgen. Ein Kraftakt, allerdings entscheidend für den ­nachhaltigen Erfolg. > Der Fokus liegt auf der Exekution. Aber nicht nur nach dem Prinzip „Ideas are cheap, implementation matters“, sondern „Execution of scalable ideas matters.“ Dass die Umsetzungs- orientierung entscheidend ist, ist mittlerweile ähnlich ab- gedroschen wie der Ruf nach mehr Unternehmertum. Al- lerdings reicht es für ein erfolgreiches Company Rebuilding nicht, Ideen auf die Straße zu bringen. An diesem Irrglauben scheitern viele der von Corporate Inkubatoren hervorgebrach- ten Startups. Vielmehr geht es darum, von Anfang an sicher- zustellen, dass es sich dabei um tatsächlich skalierbare Ideen handelt. Also: Exekution und Skalierungsfähigkeit. > Auch wenn viele New-Work-Initiativen zu kurz springen, so ist die konsequente Definition des kulturellen Kerns entlang
  • 17. Detecon // AGILE! I 15 Impulse, Trends, Hintergründe und Geschichten zu Company Rebuilding finden Sie auf unsere Website unter: www.detecon.com/de/wissen#companyrebuilding
  • 18. 16 I Detecon // AGILE! Mit Agilität und Magenta-Herzblut gegen ... ... Bürokratie- monster
  • 19. Detecon // AGILE! I 17 Ein Gespräch mit Birgit Bohle, CHRO der Deutschen Telekom Birgit Bohle wechselte im Januar 2019 von der Deutschen Bahn in den Vorstand der Deutschen Telekom. Im Interview mit Detecon-­Partner Marc Wagner spricht die Personalvorständin und Arbeitsdirektorin über aktuelle Themen, die sie als Personalerin umtreiben: Unternehmens­ kultur, Agilität und New Skilling. Aber auch über ­Werkstolz, ­Komfortzonen und Schnürsenkel. Detecon: Frau Bohle, Sie sind seit acht Monaten Mitglied des Telekom-Vorstands. Was waren Ihre Highlights? Birgit Bohle: Ein großes Highlight war für mich mein Start. Ich wurde mit offenen Armen empfangen, egal wo. Die Will- kommenskultur bei der Telekom hat es mir leichtgemacht anzu- kommen. Schon im August, als die Entscheidung für den ­Posten gerade erst amtlich war, habe ich einen handgeschriebenen Brief und magentafarbene Schnürsenkel nach Hause geschickt be- kommen von einem Kollegen, den ich noch gar nicht kannte. Und auch heute spüre ich das Magenta-Herzblut in so vielen Netzwerken und Initiativen. Das ist sehr wertvoll für die Arbeit eines Personalers und für das ganze Unternehmen. Das klingt nach dem berühmten Telekom #Werkstolz. Absolut. Ich glaube daran, dass Kultur von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als Marken- und Wertebotschafter transpor- tiert wird – nach außen wie nach innen. Wir sind da auf einem guten Weg, aber ich glaube auch, dass noch viel Potenzial in uns schlummert. Im Rahmen eines Events für Telekom-Führungskräfte sagten Sie, das Thema Customer First sei entscheidend für den Unter- nehmenserfolg. Aber was ist mit Employee First? Geht beides zusammen? Der Sinn unserer Tätigkeit als Unternehmen ist es, unseren Kunden ein tolles Produkt, eine hervorragende Leistung, einen ­exzellenten Service zu bieten. Darauf müssen wir uns ­fokussieren. Gleichzeitig bin ich fest davon überzeugt, dass unsere Mitarbei- terinnen und Mitarbeiter den Unterschied machen. Egal ob im Service-Center, im Shop oder bei unseren Technikern. Das sind die Menschen, die im direkten Kontakt zu unseren Kunden ste- hen. Und wenn diese ihren Job motiviert und engagiert machen, spiegelt sich das direkt im Unternehmensergebnis wider. Voraus- setzung für zufriedene Kunden sind neben tollen Produkten und Technologien immer auch zufriedene und engagierte Mitarbei- ter. Aber im Zentrum steht der Kunde. Viele Unternehmen setzen bei Sparprogrammen eher im Kun- denservice an, also dort, wo eigentlich das Geld verdient wird. Brauchen wir da nicht ein Umdenken und vielleicht sogar ein Umdrehen der Pyramide? Ich glaube, dass wir viel zu aufwändige Prozesse haben. Das hat aktuell auch unsere Living Culture-Befragung gezeigt. Die Zeit, die wir mit internen Prozesse verbringen, sollten wir besser in die Menschen da draußen investieren, die sich mit dem Kunden beschäftigen. Zum Beispiel ist es wichtig, mehr Verantwortung dorthin zu verlagern, wo der direkte Kundenkontakt stattfindet. Denn die Mitarbeiter dort wissen am besten, wie ihre Kunden ticken. T-Mobile US hat uns vorgemacht, dass es sich im Kun- denservice auszahlt, die Verantwortlichkeit für ein Einzugsgebiet in die Teams vor Ort zu geben. Dieses Modell werden wir auch in Deutschland übernehmen.
  • 20. 18 I Detecon // AGILE! Birgit Bohle war von 2007 bis Ende 2018 in verschie- denen Management-Positionen bei der Deutschen Bahn AG tätig. Von August 2015 bis Oktober 2018 war sie Vor- sitzende des Vorstands der DB Fernverkehr AG. In dieser Zeit hat das Unternehmen mehr als 15 Mio. neue Fahr- gäste gewonnen und das Ergebnis deutlich gesteigert. In den Jahren 2010 bis 2015 war sie Geschäftsführerin bei der DB Vertrieb GmbH. Unter ihrer Führung wurde der Ticket-Verkauf via Internet und Mobile massiv aus- gebaut, der DB-Navigator entwickelte sich zu einer der am meisten heruntergeladenen Apps in Deutschland.
  • 21. Detecon // AGILE! I 19 Was ist der Beitrag von HR, und somit auch von Birgit Bohle, zu diesem Wandel? Zunächst einmal haben wir den Bürokratiemonstern den Kampf angesagt, um unsere Prozesse zu vereinfachen. Dazu müssen wir konsequent auch an der Digitalisierung und Automatisierung im Personalbereich arbeiten. Ein kleines Beispiel ist unsere Reise­ kosten-App, mit der Mitarbeiter wesentlich schneller ihre Ab- rechnung erledigen können. Denn wenn wir weniger Zeit mit administrativen Prozessen verbringen, haben wir mehr Zeit für unsere Kunden. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Investition in Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter. Die Fachaus- bildung ist Aufgabe der Geschäftsbereiche, unsere Aufgabe als Personaler ist die Bereitstellung von innovativen Plattformen und Tools. Bei diesem Wandel rückt das Thema Lernen immer stärker in den Fokus. Dabei spielen Lernbereitschaft, -fähigkeit und -um- feld eine Rolle. Was wollen Sie Ihren Mitarbeitern dahingehend bieten? Ich sehe diese drei Facetten und ich sage immer: Der Mitarbei- ter ist der eigene CEO seiner Entwicklung. Das ist eine Frage der Haltung. Ich investiere als Mitarbeiter nicht nur in meine Zukunft bei der Telekom, sondern auch in meine persönliche Entwicklung, möglicherweise auch außerhalb der Telekom. Die Bereitschaft zu lernen hat oft aber auch etwas mit der Fähigkeit zu lernen zu tun. Wir müssen unseren Mitarbeitern Angebote machen, die ihnen dabei helfen, ihre Komfortzone zu verlassen und Barrieren abzubauen. Und das kann auch mal ein steiniger Weg sein. Ich erinnere mich zum Beispiel an die Zeit, als ich das Kraulen lernte. Da habe ich am Anfang unglaublich viel Wasser geschluckt. Aber es lohnt sich, sich durch diese schwierige An- fangsphase durchzubeißen. Und nicht von vornherein zu sagen: ich kann nicht kraulen oder ich bin kein Data Scientist, sondern sich auf die Learning Journey einzulassen. Da gilt der Satz: “We are a bunch of know-it-all but we need to be a bunch of learn- it-all.” …gerade in Zeiten, wo die Halbwertszeit von Wissen bei etwa drei Jahren liegt. Richtig. Deshalb ist lebenslanges Lernen ja so wichtig. Wie wollen Sie die Fähigkeit zu lernen fördern? Mir ist wichtig, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Freu- de am Lernen haben. Dafür schaffen wir Anreize mit neuen, in- novativen Formaten, die Spaß machen. Es braucht nicht immer die Schulung im Tagungshotel. Viel wichtiger sind flexible Lern- formate und -zeiten. Dabei helfen uns digitale Trainingsangebote als ergänzende Elemente. Darüber hinaus ist Skillmanagement ein essenzieller Bestandteil unserer strategischen Personalplanung. Wir benötigen neue Fä- higkeiten, um die aktuellen und künftigen Herausforderungen zu meistern, und die gilt es aufzubauen. Das heißt, den Menschen, die jetzt in Jobs sind, die an Bedeutung verlieren oder in Zukunft nicht mehr gebraucht werden, eine Möglichkeit zu bieten, sich in ihrem Job fortzubilden oder sich für eine ganz neue Aufga- be zu qualifizieren. Wir haben zum Beispiel gerade analysiert, dass wir 500 Kolleginnen und Kollegen aus der IT zum Software ­Engineer ausbilden müssen. Dazu haben wir eine Software Aca- demy gegründet, die digitales Lernen mit klassischen Präsenz- trainings kombiniert. Beim Launch unserer neuen Lernplattform youlearn in Österreich wurde am ersten Tag so viel gelernt wie im ganzen letzten Jahr nicht. Wir müssen Customer Centricity eben auch in Richtung Mitarbeiter leben und einfache, integrierte Lernmodelle anbieten. Die vielen unterschiedlichen Lernportale, über die wir heute verfügen, sind echte ‚Liebe­stöter‘. Bis man sich da zurechtfindet, hat man keine Lust mehr zu ­lernen. Was ist in puncto Lernen Ihre Erwartung an Führungskräfte? Ich erwarte, dass Führungskräfte gegenüber ihren Mitarbeitern als Coach auftreten. Ein Coach hört zu, motiviert, sucht das per- sönliche Gespräch, begleitet und nimmt sich Zeit, gemeinsam mit dem Mitarbeiter seine Interessen und Fähigkeiten – und damit auch Lernpotenziale – zu identifizieren. Führungskräfte sollten ihren Mitarbeitern auch Zeit einräumen, sich zu ent­ wickeln. Coach zu sein bedeutet für mich aber auch, regelmäßig Feedback zu geben, nicht nur im Jahresendgespräch, sondern vor allem situativ und spezifisch. So wird Lernen zu einer täglichen Erfahrung. Die Telekom hat ihre Führungskräfte im Jahr 2019 auf das ­Motto ‚Leading Agile‘ eingestimmt. Was bedeutet Agilität für Sie? Agilität umfasst nicht nur ein Set an neuen Tools und Methoden. Es ist vor allem auch ein Mindset und damit ein wesentlicher Treiber zur Veränderung der Unternehmenskultur. Agilität ge- winnt deshalb so stark an Bedeutung, weil der Kunde ins Zen- trum gestellt wird und der Mitarbeiter die Ende-zu-Ende-Ver- antwortung für ein Produkt trägt. Bei der Telekom setzen wir Scrum Master und Agile Coaches in allen Konzerneinheiten ein und bilden regelmäßig neue aus. Wenn Sie drei Jahre in die Zukunft denken, woran möchten Sie Ihren Erfolg gemessen wissen? An vier Themen: Erstens am New Skilling, also dem erfolgreichen Aufbau von zukunftsfähigen Kompetenzen bei unseren Mitarbei- tern. Zweitens am Erreichen unserer Ziele bei der Rekrutierung von Experten und Talenten. Drittens an der Transformation zu einem agilen Unternehmen. Und natürlich daran, dass weiterhin Magenta-Blut unsere Herzen zum Schlagen bringt. Vielen herzlichen Dank für dieses offene Gespräch und weiterhin viel Erfolg für Sie in der Magenta-Welt.
  • 22. 20 I Detecon // AGILE! Wie die Umsetzung im Konzern gelingen kann ReThink Agile!
  • 23. Detecon // AGILE! I 21 Anaïs Fabinger, Vice President Agile Operations HR Digital & Innovation Deutsche Telekom Agilität ist kein neuer Trend, sondern die Zukunft. Und doch ist es ins- besondere in Konzernen schwierig, ­Agilität nachhaltig umzusetzen. Anaïs ­Fabinger kennt dieses Problem, denn sie begleitet agile Transformationen bei der Deutschen Telekom. Die Erfah- rungen, die sie sowohl im Rahmen der strategischen Beratung als auch bei der agilen Transformation ihres eige- nen Bereichs gesammelt hat, bündelt sie in acht Erfolgsfaktoren. Neues Konzept? Keinesfalls! In der Organisationstheorie ist Agi- lität schon seit über 30 Jahren als eine Form der flexiblen, schlan- ken und kundenorientierten Organisationsgestaltung bekannt. Auch das agile Manifest, das die Arbeitsweise der IT-Branche ­revolutioniert hat, ist bereits 20 Jahre alt. Neu aber ist, dass Agili- tät sich den Weg rein in die Tiefen der Großkonzerne gebahnt hat. Von der Rechts- über die Personalabteilung bis hin zu kom- pletten Landesgesellschaften – der Konzern Deutsche Telekom kann einen regelrechten Boom an agilen Transformationen ver- zeichnen. Doch was muss ein Konzern bei der Umsetzung be- achten? Widrigkeiten und Herausforderungen erschweren die Umsetzung von Agilität in der Praxis Die einschlägige Wirtschaftspresse ist sich einig, dass Agilität die Grundvoraussetzung ist, um in einer sich ständig wandelnden ­digitalen Welt überleben zu können, und liefert die Best-­Practice- Beispiele à la Spotify gleich mit. Was jedoch kaum erwähnt wird, ist die Tatsache, dass die Einführung eines Betriebsmodells, das auf konsequent kundenorientierten, selbstorganisierten und funktionsübergreifenden Teams basiert, keine einfache Angele- genheit ist – schon gar nicht in einem Großkonzern mit mehr als 230.000 Mitarbeitern. Es gibt viele Gründe, die die Umsetzung in großen Unternehmen erschweren:
  • 24. 22 I Detecon // AGILE! > Agilität umfasst mehr als das Arbeiten nach Scrum. Wenn wir Agi- lität als die Fähigkeit verstehen, schnell und flexibel auf sich ver- ändernde Rahmenbedingungen zu reagieren, dann hat die Um- setzung Auswirkungen auf insgesamt sechs Dimensionen, die wir im agilen Kompass zusammengefasst haben (siehe Abbildung). > Unsere vielen tausend Kollegen sind routiniert darin, in altein- gesessenen Strukturen mit ausgeprägtem Hierarchiedenken zu arbei- ten. Auch mit den vielen Pflichten, Regeln sowie gesetz­lichen Bestimmungen, die wir vor allem in deutschen Unternehmen kennen, scheinen sie sich abgefunden zu haben. So sinnhaft diese auch sind, so deutlich zeigt sich in der Praxis, dass genau dieses Korsett uns oft daran hindert oder es zumindest erschwert, flexi- bel und schnell zu agieren. > Die Veränderung in den Köpfen ist aufwendig und benötigt Zeit. Das gilt umso mehr bei einem Thema wie Agilität, das in vielen Organisationen ein echtes Umdenken erfordert. Eine Haltung zu verändern ist in jedem Fall nicht durch Einreden guter Ar- gumente möglich. Erfolgsversprechender ist es, den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, agiles Arbeiten selbst auszuprobieren, neue Erfahrungen zu machen und damit die alte Haltung durch neue Muster zu ersetzen. > Im Schnitt führen wir in großen Unternehmen alle zwei Jahre eine Transformation durch. Auch weil die Halbwertszeit von vie- len Veränderungen relativ kurz ist, kann der Eindruck entstehen, uns würde schlichtweg die Zeit fehlen, Konzepte konsequent umzusetzen und in eine nachhaltige Veränderung der Haltung zu investieren. Dies führt dazu, dass wir Parallelwelten kultivieren. Viel zu oft beobachte ich auch, dass Kollegen Veränderungen lie- ber aussitzen, als sie aktiv mitzugestalten. > Wir hinterfragen die One-size-fits-all-Ansätze unserer Berater zu selten, nehmen also keine Anpassungen an unsere spezifischen Rahmenbedingungen vor, sondern übernehmen diese blind. Abbildung: Der agile Kompass der Deutschen Telekom Quelle: Deutsche Telekom People Org.-Design Governance Way of Working Work Environment Leadership and MindsetBUSINESS PURPOSE Lifelong learning, Motivation & Engagement • Employees learn from each other’s failures & successes • Multiple flexible career paths exist in open architecture • Expert and management paths are perceived and compensated at same level   • Performance objectives and key results are set on a team level, and monitored & adjusted during the year • Performance evaluations are based on multiple inputs (e.g., peers, leaders); feedback on results and behavior is daily normal Teams with focus on customer value • Hierarchies are flat with decision on lowest possible organizational level • Individuals work in self-steering teams with clear end-to-end responsibility and focus on customer value • Teams have all required resources, competences & capabilities • Teams are formed and dissolved based on most strategic priorities • The “What” and “how” are clearly separated1 • Employees are freed up from line roles/responsi- bilities and 100% dedicated to agile mission Collaboration support • Teams have enough dedicated, well equipped and sized working spaces • Collaborative working environments allow informal exchange • Teams have easy access to reserve rooms or floors with clear rules how to use them • Everyone uses state-of-the-art digital platforms and tools to collaborate in co-located and distributed teams • Teams have access to standardized toolbox with flexibility for additional tools as needed Quicker reactions to changes of requirements • Objectives and key results (OKRs) and resource needs are cascaded from strategy to team level • Priorities and OKRs are reviewed during Quarterly Business Reviews and allow detailed re-allocation of resources as needed • Agile teams decide autonomously how to achieve the set targets with the allocated capacity • Resources are reallocated seamlessly based on changes in requirements Faster and better output • Agile meetings are in place with clear objectives and stan-dardized format (e.g., sprint planning, check-in, retrospective) • Core value-creating processes are standardized with common language and tools • Agile methods/frameworks are used with user centric approach and fast-paced iterations/experiments • Technology tools are updated in small time intervals Strengthened sense of responsibility • Leaders are visionary and coaches and focus on people development and empowerment • Leaders practice servant leadership • Leaders are role models who apply DT leadership principles (innovation, collaboration and empowerment) on a daily basis • Teams establish a spirit of winning and losing together with high level of informa- tion transparency • Employees act as entrepreneurs and aim for best possible results
  • 25. Detecon // AGILE! I 23 Bevor überhaupt irgendetwas passiert, sollte man sich darüber klarwerden, was man eigentlich erreichen will. Von dieser Erkenntnis ausgehend kann man dann den Fokus setzen und seine Mannschaft hinter einem gemeinsamen „Warum“ versammeln. Was steht also im Vordergrund: die Beschleunigung interner Ab- läufe, die Steigerung der Effektivität oder doch eher die Mitarbeiterzufrieden- heit? Beantwortet diese Frage nicht allein, sondern bindet Eure Kollegen ein, um bei ihnen nicht nur das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Verände- rung, sondern auch die Bereitschaft, diese aktiv mitzugestalten, zu steigern. Egal ob Scrum, SAFe oder das sogenannte Spotify-Modell – was alle Agili- tätskonzepte eint, ist ein ähnliches Set an Werten und Prinzipien, die in den meisten Organisationen ein radikales Umdenken erfordern würden: > Mitarbeiter, die es gewohnt sind, von ihrem Chef genaue Anweisungen zu bekommen, sind nun gefragt, eigenverantwortlich und auch unternehmerisch zu denken und zu handeln. > Führungskräfte haben nicht mehr das alleinige Sagen, noch können sie ihre Macht über exklusives Herrschaftswissen absichern. Stattdessen werden ein Großteil der Entscheidungen nun von den Projektteams selbst getroffen, die von ihren Führungskräften „nur noch“ coachend unterstützt werden. > Gewachsene Reporting-Strukturen werden aufgebrochen und weichen den Ritualen agiler Zusammenarbeitsmodelle. > Der Umgang mit Unsicherheit und Veränderung ist plötzlich das tägliche Brot, Teams beispielsweise formieren sich abhängig von den Projekten, Zielen und benötigten Kompetenzen stetig neu. Um eine agile Transformation erfolgreich umsetzen zu können, muss nicht nur das Bewusstsein für den erforderlichen Kulturwandel existieren, sondern dieser auch mit einer entsprechenden Priorität und einem entsprechenden Zeitinvest- ment angegangen werden. Wir nutzen beispielsweise bewährte Ansätze wie Holacracy oder auch Loop als Inspirationen. Und um die Welt nicht ständig neu zu erfinden, bedienen wir uns aus den dazugehörigen Werkzeugkoffern und kombinieren unterschiedliche Vorgehensweisen und Artefakte unserem spezifischen Bedarf entsprechend. Der von uns entwickelte Kompass (siehe Abbildung) gibt uns darüber hinaus Orien- tierung und hilft uns dabei zu sortieren: Woran muss ich alles denken? Worauf können wir aufbauen? Was fehlt? Seid kreativ, um das Korsett, das nun einmal da ist, aufzuweichen! Ein pas- sendes Beispiel aus meiner Praxis ist das Thema Budget, wo es uns sehr wich- tig war, im Sinne einer flexiblen Ressourcenverteilung unsere Planung den sich ändernden Rahmenbedingungen anpassen zu können. Unser Workaround sah deshalb so aus: Wir haben als Führungsteam eine grobe Budgetplanung vorge- nommen und den Controllern termingerecht vorgelegt. Maßgeblich für unser Team ist aber unsere Verabredung, das zur Verfügung stehende Budget unter- jährig und abhängig vom realen Bedarf, der sich fortlaufend ändern kann, zu verteilen. Dazu haben wir einen wöchentlichen Budget-Call eingerichtet, zu dem alle Mitarbeiter eingeladen sind, und es liegt nun in der Verantwortung der Product Owner, ihren Bedarf dort anzumelden und vor einem repräsentativen Querschnitt unseres Teams zu pitchen. Damit ist die Budgetentscheidung nicht nur flexibilisiert, sondern auch demokratisiert. Das Führungsteam greift ledig- lich als Eskalationsinstanz in den Prozess ein und überwacht die Budgettreue. Macht Euch klar, was Ihr mit Agil erreichen wollt, und kommuniziert! Nutzt Frameworks, um Euch zu sortieren! Statt Methoden oberflächlich einzuführen, geht den Kulturwandel an! Findet Workarounds, die trotzdem regelkonform sind! 1. 4. 3. Acht Erfolgsfaktoren aus meiner Praxis für das Gelingen einer agilen Transformation! 2.
  • 26. 24 I Detecon // AGILE! Anaïs Fabinger begleitet und gestaltet ­agile Transformationen im Konzern Deutsche ­T­elekom AG. Als sie im Herbst 2018 in das Füh- rungsteam des HR Digital & Innovation ­Bereichs aufgestiegen ist, war ihr Anspruch klar: Kein „Command and control“ und auch kein „Wissen ist Macht“, sondern ­Augenhöhe, völlige Transpa- renz und Kooperation auf allen Ebenen. Als Vice President Agile ­Operations ist sie verantwort- lich für die Entwicklung eines Betriebsmodells, das ihre Kollegen in die Lage versetzt, maximal selbstorganisiert zu arbeiten – und agile Prinzi- pien wie Kundenorientierung, crossfunktionale Zusammenarbeit und Eigenverantwortung zum Leben erweckt. Dabei sind ihre umfassenden Erfahrungen aus interna­tionalen Innovations- und Transformations­projekten miteingeflossen, die sie auch gerne über Bereichs- und Unterneh- mensgrenzen hinweg teilt. Wendet agile Prinzipien auf den Transformationsprozess selbst an! 5. Für uns heißt das vor allem Kundenorientierung im Sinne einer frühzeitigen Einbeziehung der Menschen, die von einer Transformation betroffen sind. Statt Lösungen im stillen Kämmerlein zu entwickeln, ermuntern wir unserTeam, sich an der Transformation aktiv zu beteiligen. Arbeitsstände sind über ­OneNote für jeden im Team zu jeder Zeit einsehbar. Gleichzeitig verstehen wir es als unsere vordergründige Aufgabe, ein Auge und Ohr auf das Team zu haben, um konti- nuierlich deren Bedürfnisse identifizieren und bei Bedarf Maßnahmen ­initiieren zu können. Agile Prinzipien anzuwenden heißt aber auch, sich iterativ einer Antwort zu nähern. Das heißt, schnell greifbare Ergebnisse zu erzielen, damit zu experi- mentieren, Erfahrungen zu machen – und erst auf Basis dieser praktischen Er- fahrungen zu iterieren und zu überlegen, welche Anpassungen notwendig sind.
  • 27. Detecon // AGILE! I 25 Wir müssen die Welt nicht neu erfinden – das ist der große Vorteil, den Kon- zerne ausspielen können. Konzerne haben tausende von Mitarbeitern und die Wahrscheinlichkeit, dass es darunter jemanden gibt, der vor ähnlichen Proble- men steht und dafür bereits eine Lösung gefunden hat, ist extrem hoch. Dieses Wissen im Konzern gilt es zu nutzen: direkt und persönlich, über interne soziale Plattformen oder auch bei Veranstaltungen. Auch beim Austausch mit anderen Unternehmen zeigt sich immer wieder, dass wir trotz aller Größen- und auch Branchenunterschiede doch vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Der Aus- tausch von Meinungen und Erfahrungen kann daher nicht nur als wertvolle Inspiration dienen, sondern auch bei der Lösung der eigenen Probleme hilfreich sein. Klingt trivial, wird aber nach meiner Erfahrung in der Praxis viel zu selten ge- macht. Dies zeigt sich zum Beispiel beim Umgang mit den Objectives and Key Results (OKRs), einem Zielmanagementsystem, das in agilen Organisationen derzeit viel Beachtung findet. Meistens wird das Konzept in Reinform adaptiert und viel zu spät bemerkt, dass es in dieser Form gar nicht passt. Wir haben uns daher einen externen Experten gesucht, der uns zunächst in das Gesamtkonzept eingeführt hat, damit wir alle das gleiche Verständnis haben. Parallel dazu haben wir einen Kollegen in unserem Team zum Experten in diesem Thema weiterent- wickelt. Mit dem gesamten Team haben wir dann herausgearbeitet, was für uns die Kernelemente sind, wo wir Chancen sehen, existierende Spannungen über das Konzept zu lösen, und welche Elemente Risiken bergen. Auf der Grundlage dieser Diskussion haben wir das Konzept für unsere Bedürfnisse adaptiert und testen es jetzt in einem iterativen Vorgehen in unserem Team. Inwiefern eine agile Transformation gelingt, hängt maßgeblich vom Verhalten und Mindset der involvierten Führungskräfte ab. Manager müssen weg von der noch immer weit verbreiteten Haltung „Alles hört auf mein Kommando“ hin zu einem modernen Führungsverständnis, nach dem Führungskräfte eine Vielzahl von dienenden Rollen in sich vereinen, zum Beispiel: > die des Navigators, der seinen Blick stets nach außen richtet und das Team mit einer Vision versorgt, > die des Sparringspartners, der ansprechbar ist, wenn das Team seine Hilfe benötigt, und mit den richtigen Fragen seine Kollegen dabei unterstützt, die richtigen Antworten zu finden, > die des „Knowledge Breakers“, der dafür sorgt, dass das Team Zugang zu allen relevanten Informationen hat, > die des Personalentwicklers, der durch regelmäßiges Feedback jeden einzelnen dabei unterstützt, sein individuelles Potential zu entfalten und seine Aufgabe darin sieht, die Teammitglieder immer besser zu machen, oder auch > die des Problemlösers, der sich dafür verantwortlich fühlt, Hindernisse und auch Denkbarrieren aus dem Weg zu räumen, die den Erfolg des Teams beein- trächtigen könnten. Natürlich sollten Manager auch selbst konsequent die im Team vereinbarten Spielregeln einhalten. Nur so können eine gewisse Ernsthaftigkeit und Glaub- würdigkeit vermittelt werden. Der Mut, Neues auszuprobieren, erfordert auch das Aushalten von nicht-erfüllten Erwartungen bei relevanten Stakeholdern oder sogar Misserfolgen. Hier sind Führungskräfte gefordert, sich vor das Team zu stellen, souverän mit Fehlern umzugehen und es vor möglichen Beeinträch- tigungen zu schützen. Auch dies ist eine Grundvorrausetzung, um agilen Teams die Möglichkeit zu geben, erfolgreich neue Wege zu beschreiten. Vernetzt Euch mit anderen und erfindet die Welt nicht ständig neu! Nehmt Eure Vorbildfunktion wahr! 7. 8. Setzt Euch mit Konzepten selbst auseinander und nutzt die Intelligenz Eurer Organisationen! 6.
  • 28. 26 I Detecon // AGILE! Interview mit Tord Overå, Ingenieur, Agile Coach / Marketeer, Telenor Agil ist kein Ort, sondern eine Richtung Agilität als Wunderpille für Unternehmen? Ganz so einfach ist es nicht, sagt Tord Overå, Agile Coach bei Telenor. Doch agile Arbeitsformen funktionieren – mit Durchhaltevermögen und Hunger.
  • 29. Detecon // AGILE! I 27 etecon: Was ist Ihrer Meinung nach der Grund dafür, dass das Thema Agilität aktuell so gehypt wird? Tord Overå: Alle Änderungen, Umbrüche oder Disruptionen, die sich in Wirtschaftsbereichen vollziehen, werden von eini- gen wenigen First Movern angestoßen. Bei unseren derzeitigen Branchen-Giganten wie Facebook, Spotify oder Google handelt es sich zumeist um junge Unternehmen, die schon frühzeitig neue Arbeitswege eingeschlagen haben, um besser auf die sich schnell ändernden Kundenbedürfnisse reagieren zu können. Ich will damit nicht sagen, dass diese Unternehmen die ersten Mover waren, aber sie waren die ersten, die in großem Umfang agile Prinzipien angewendet haben. Und was passiert, wenn einige wenige Unternehmen so unglaub- lich erfolgreich sind? Der Rest der Unternehmenswelt nimmt sie unter die Lupe und begibt sich auf die Suche nach einem ­gemeinsamen Nenner. Agilität wurde als Hauptbestandteil her- ausgefiltert, um sich in diesem neuen Zeitalter der ständigen Ver- änderungen auf der Erfolgsspur bewegen zu können. Agilität ist der Inbegriff von all dem geworden, was Branchen-Giganten und schnell wachsenden Startups Wohlstand beschert. Entstanden ist daraus die „Wunderpille“, die Sie Ihrem Unternehmen verschrei- ben können, damit es sich von den sinkenden Marktchancen er- holt oder die nächste Runde zur Unternehmenstransformation einläutet, um den Investoren gefällig zu sein. D
  • 30. 28 I Detecon // AGILE! Aber diejenigen unter uns, die aktiv damit befasst sind, Awaren- ess zu entwickeln und zu implementieren und somit die Grund- lage für eine Unternehmenskultur zu errichten, die für den Er- folg der Agilität ausschlaggebend ist, wissen, dass es nicht ganz so einfach ist. Es bedeutet weitaus mehr als nur eine neue Arbeits- weise oder Struktur des Tagesgeschäfts. In vielen Fällen erfordert Agilität eine grundlegende Änderung der Kulturebene und des individuellen Mindsets, insbesondere an der Unternehmensspit- ze. Nachdem ich es jedoch sowohl außerhalb als auch innerhalb der Zellen meines eigenen Unternehmens in Aktion gesehen habe, weiß ich, dass es funktioniert, Und das allein ist natürlich der wahre Grund für diesen Hype. Detecon: Wie wird Agilität bei Telenor definiert? Tord Overå: Um nachvollziehen zu können, wie Agilität bei Te- lenor verstanden, angewendet und definiert wird, muss man zu- nächst wissen, wie Telenor funktioniert. Ein wesentlicher Grund für Telenors Erfolg in den vergangenen Jahrzehnten ist, dass es unseren Unternehmenseinheiten, zum Beispiel Telenor Norway, Telenor Pakistan, gestattet wurde, sich mit einem großen Maß an Freiheit selbst zu verwalten und in Einklang mit den Markt- bedingungen vor Ort zu optimieren. Die Anpassung der Arbeitsweise an lokale Gegebenheiten und die Verantwortung für diese Arbeitsweise ist dementsprechend hoch. Dies macht es zwar schwierig, Agilität bei Telenor unter- nehmensweit umzusetzen, denn was für den einen Geschäftsbe- reich anwendbar war, muss für den nächsten nicht unbedingt zu- treffen. An dieser Stelle versuchen wir jedoch ganz deutlich den Unterschied zwischen Methoden und Prinzipien herauszustellen. Prinzipien sind die Essenz der Agilität. Prinzipien spiegeln eben- falls einen bestimmten Mindset wider. Die zentralen Prinzipien, die wir bei der Zusammenstellung neuer agiler Teams befolgen, sind: funktionsübergreifendes Team, durchgehende Use-­Case- Verantwortung, 100%ige Besetzung mit Teammitgliedern, ver- stärkte, unternehmensweite Transparenz, Aufgeschlossenheit ge- genüber Änderungen und Learnings, Anstrengungen priorisieren und fokussieren und ein eng zusammenarbeitendes Team. Dies ist unsere Vision einer neuen Art des Arbeitens. Methoden sind spezielle Wege dafür, wie Sie Ihr Team organi- sieren können: Empfehlungen über Teamgröße, ­Sprint-Länge, ­Zeremonie-Agenden, Team-Rollen, Squad-/Tribe-/­Chapter- Struktur. Wenn der Grundsatz die Vision von agil ist, dann sind unsere Methoden das Benutzerhandbuch. Bei Telenor konzentrieren wir uns darauf, dieselben Prinzipien in all unseren agilen Setups der Geschäftsbereiche beizubehalten. Wir lassen unsere neuen agilen Teams gewöhnlich mit derselben Methode – ein Telenor Twist des Spotify-Modells – starten. So- bald sie aber die Prinzipien gut verinnerlicht haben und auf dem neuesten Stand sind, ermutigen wir sie zu lokalen Anpassungen. Man kann also sagen, dass wir agil gemäß den vorgenannten Prinzipien definieren und lokale Methodenanpassungen ermög- lichen. Detecon: Bei Telenor haben Sie in Sachen Agilität bereits eine Menge ausprobiert. Wie bringen Sie ein Unternehmen wieder auf Spur? Dazu ganz konkret: Wie übersetzen Sie elementare agile Prinzipien in erfolgreiche Abläufe? Tord Overå: Gute Frage, und ich bin mir sicher, dass Sie hierzu genauso viele unterschiedliche Antworten bekommen wie Leute, die Sie fragen. Aber das ist meine Einstellung dazu: „Es gibt keine, und es wird auch nie eine Liste über Scrum Best Practices geben, weil Team und Projektkontext alle anderen Er- wägungen übertreffen. Statt Best Practices benötigen wir ‚Good Practices‘ und die Kontexte, in denen diese erfolgreich waren.“ – Mike Cohn, User Stories Applied. Ich finde dieses Zitat hervorragend, weil darin die Notwendigkeit für die Anpassung agiler Methoden – Scrum gehört zu den an- erkanntesten – treffend zum Ausdruck gebracht wird. Es ist eines der ersten Dinge, die ich vorbringe, wenn ich bei Telenor mit Führungskräften zusammentreffe, weil eine ihrer ersten Fragen normalerweise „Wie geht das?“ lautet. Lassen Sie mich einen mu- tigen Schritt vorwärts wagen und darlegen, welche Vorgehens- weise ich Unternehmen X empfehlen würde, um es wieder auf Spur zu bringen: 1. Entwickeln Sie in Ihrem Unternehmen zuerst eine extrem er- folgreiche Zelle. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Anpas- sung an agile Arbeitsformen nicht mit einem Top-Down-, Big- Bang- oder Alles-auf-einmal-Ansatz durchgeführt werden kann. Der Ausgangspunkt sollte die Bildung eines kleinen Tribes mit drei Squads sein, insgesamt zirka 20 Personen mit 100%igem ­Engagement innerhalb dieses Tribes. Überantworten Sie diesen In vielen Fällen erfordert Agilität eine grundlegende Änderung der Kulturebene und des individuellen Mindsets, insbesondere an der Unternehmensspitze. I
  • 31. Detecon // AGILE! I 29 Personen einen klar definierten geschäftlichen Anwendungsfall mit potenziell starker Auswirkung, lassen Sie sie völlig selbststän- dig agieren, um ihnen so eine Ende-zu-Ende-Lösung ihrer Auf- gabe (kein Wasserfall-Weitergabe-Verfahren!) zu ermöglichen, und setzen Sie die besten Mitarbeiter unterschiedlicher Fachge- biete für die Lösung ihres Anwendungsfalls ein – keine Projekt- manager, nur „Macher“. 2. Lösen Sie einen Hype aus (genau: einen Hype!). Sowie der vor- genannte Tribe die Arbeit aufnimmt, beginnen die anderen Be- reiche des Unternehmens damit, Fragen zu stellen: „Was machen diese Typen?“, „Warum ist es ihnen gestattet, Ende-zu-­Ende- Lösungen zu erbringen?“ Nutzen Sie diese Aufmerksamkeit und teilen Sie im gesamten Unternehmensbereich sämtliche Informa- tionen darüber, was dieser Tribe liefert, initiieren Sie Einladun- gen zu Demos und Sitzungen, in denen diese Erfahrungen geteilt werden. Falls Sie bei Facebook arbeiten, ist die Erstellung kurzer Mashup-Videos, die die Energie und Stimmung der Personen in dem Tribe einfangen, ebenfalls eine hervorragende Möglichkeit, um unmittelbar Awareness zu erzeugen. 3. Zum Zweck der Skalierung nutzen Sie den Hype aus 2. zusammen mit den Learnings aus 1. Bilden Sie noch ein paar weitere Tribes, die einen größeren Teil Ihres gesamten Business Outputs abdecken, und nutzen Sie für die Bildung der weiteren Tribes die Learnings aus dem ersten Tribe. Wenden Sie dieselben Prinzipien an wie zuvor, aber überlegen Sie, welche Learnings zu welcher Methode in Ihrem Kontext und Ihrer Kultur am besten passen. Das obige Rezept basiert darauf, was in unseren Unternehmen gut funktioniert. Es ist nicht leicht und auf keinen Fall reibungs- los, aber es funktioniert. Und ich glaube, dass es bei Ihnen genau- so sein wird. Detecon: Welches sind die größten Stolpersteine bei der Imple- mentierung agiler Methoden? Tord Overå: Zu wenig Durchhaltevermögen und Hunger. Mil- lionen von Dingen erweisen sich bei einer agilen Transformation als schwierig, aber wenn man über ein ausreichendes Durchhalte- Tord Overå: „Bevor ich meine Masterarbeit über die ­Innovation von Geschäftsmodellen in etablierten ­Unternehmen im Vergleich zu Neugründungen ­verfasst habe, habe ich an der Technisch-Naturwissenschaft- lichen Universität Norwegens (NTNU) die Fächer „Lean Production“ und „Industrialization“ studiert. Ich hatte schon immer die Absicht, mein eigenes ­Unternehmen zu gründen, wollte mich aber vor ­diesem Schritt intensiv mit der Marktdynamik verschiedener Märkte befassen. Telenor Digital hat deshalb perfekt zu meinem Vorhaben gepasst. Während der letzten Jahre habe ich Telenors Weg in die Digitalisierung in vielen Aspekten begleitet und war zunehmend involviert in die Transformation der ­Arbeitsweisen der unterschied- lichen Teams. Aktuell unterstütze ich DTACs, eine Tochtergesellschaft von Telenor in Thailand, bei der agilen ­Transformation als Agile Coach.“
  • 32. 30 I Detecon // AGILE! vermögen verfügt, um die Änderungen zu überstehen, und den Hunger auf Neues behält, um das Unternehmen kontinuierlich zu verbessern, dann sind das die zentralen Erfolgselemente. Ich habe Beispiele erfolgreicher Inangriffnahmen von Agilität beobachten können, aber wenn die erste Phase nicht schnell ge- nug die erwarteten Erfolge brachte, dann wurde – statt Abläufe zu wiederholen und zu verbessern – das Ende eingeläutet. Man muss gerade in der Anfangszeit unbedingt über das entsprechen- de Durchhaltevermögen verfügen, unermüdlich weitermachen und die suboptimalen Elemente verbessern. Speziell den Hungeraspekt finde ich besonders wichtig, und häufig ist dieser Aspekt ausschlaggebend dafür, ob Sie die agilen Prinzipien vollständig verstanden haben oder nicht. Ich habe an vielen agilen Konferenzen und Treffen teilgenommen, auf denen Führungskräfte über den Anteil der Mitarbeiter prahlten, die in ihrem Unternehmen agil arbeiten. Mein erster Gedanke, wenn ich Aussagen wie diese höre, ist immer: „Sie haben keine Ah- nung, was agil bedeutet“. Wenn es um dieses Thema geht, sind wir bei Telenor allerdings auch nicht ganz unschuldig. Den aus- gereiftesten agilen Setup, der bei Telenor existiert, finden wir bei Telenor Schweden, und zwar in Bezug auf Skalierung und Mind- set. Ich war kürzlich dort, um mich darüber zu informieren, wie der Skalierungsprozess läuft und mit welchen Herausforderun- gen sie zu kämpfen haben. Es war interessant und erfrischend zu hören, dass jeder, mit dem ich gesprochen habe – vom Designer und Absatzmittler über die Tribe-Leitung bis zum CMO –, geäu- ßert hat, dass es noch eine ganze Weile dauern würde, bis sie sich selbst als agil einschätzen würden. Agil ist kein Ort, sondern eine Richtung. Das heißt, dass es völlig egal ist, wie hoch der Anteil Ihrer Mitarbeiter ist, die agile Arbeitsformen beherrschen. Um das wirklich nachvollziehen zu können, muss man einen Blick hinter die Kulissen werfen und prüfen, wie stark das Bestreben in Bezug auf kontinuierliche Verbesserung ist. Detecon: Gelten klassische Projektmanagementmethoden und -ansätze bei Telenor als völlig veraltet? Tord Overå: Meine Vision der künftigen Telenor ist, dass unsere Tribes und Squads in der Lage sein sollten, 99 Prozent der An- wendungsfälle für unsere Kunden – einschließlich neu entstehen- der Kundenbedürfnisse – abdecken zu können. In einem solchen Setup wäre der Bedarf an separaten Projekten zu vernachlässigen. Allerdings vermute ich, dass diese Vision noch Zukunftsmusik ist und dass agile Tribes und das herkömmliche Projektmanagement in naher Zukunft noch nebeneinander bestehen werden. Das Projektmanagement entwickelt sich, und Methoden wie Prince2 Agile sind dabei, branchenweit Fuß zu fassen. Ich glaube deshalb, dass beide Arbeitsformen noch länger koexistieren werden. an muss gerade in der Anfangszeit ­unbedingt über das entsprechende Durch- haltevermögen verfügen, unermüdlich ­weitermachen und die suboptimalen ­Elemente verbessern. M
  • 33. Detecon // AGILE! I 31 Detecon: Wieder und wieder wird betont, dass nicht die ­Methoden, sondern der Mindset für Agilität ausschlaggebend ist. Aber wie sehen die Bestandteile eines „agilen Mindsets“ aus? Tord Overå: Wenn wir bei Telenor über agil sprechen, dann mei- nen wir damit häufig „agil verfahren“ oder „agil sein“. Agil verfah- ren beinhaltet visuelle Dinge, wie beispielsweise ein Scrum Board verwenden, eine Retrospektive erstellen, einen Product Owner und ein Backlog haben. Das sind die ganz einfachen Dinge, die sich in nur ein paar Tagen erledigen lassen. Agil sein ist dagegen schwierig, weil damit Ihre Ansichten über Geschäftsstrukturen total infrage gestellt werden und in einigen Fällen sogar Ihre per- sönlichen Wertvorstellungen, insbesondere, wenn Sie stark an hierarchische Strukturen und Wasserfalllösungen gewöhnt sind. Es ist wesentlich schwieriger zu prüfen, ob einer agil ist, aber es gibt da so einige Enthüllungen bei näherer Betrachtung: ­Wagen es die Teammitglieder, den Product Owner herauszufordern, wenn sie den Backlog priorisieren? Verändert sich das Format agi- ler Zeremonien und Artefakte im Laufe der Zeit? Ist der Sprint- Plan hinsichtlich der zeitgerechten Erledigung grundsätzlich zu umfangreich? Es gibt noch viele weitere Aspekte bezüglich der Teams, die in eine wirklich agile Richtung weisen, nachstehend aber einige Dinge, die die grundlegenden Aspekte darstellen. Dazu fällt mir ein wirklich inspirierendes Buch mit dem Titel „Team of Teams“ von US-General Stanley McChrystal ein, in dem er schildert, wie ein Gebilde – die US-Armee – aus extrem hierarchischen Strukturen nicht nur von erhöhter Transparenz und funktionsübergreifender Teamarbeit profitierte, sondern vollständig davon abhängig war, um in strategischen Kampf- handlungen den Feind zu besiegen. In dem Buch wird auf den Begriff „agil“ nicht allzu tief eingegangen, aber es visualisiert den Einsatz agiler Prinzipien und eines agilen Mindset in der Praxis. Wenn es Personen gelingt, ihren Vorgesetzten angstfrei gegen- über zu treten und sie allmählich den größeren Zusammenhang ihrer Rolle im Unternehmen erfassen, dann bewirkt dieser Um- stand einen besseren Informationsfluss und gezieltere Handlun- gen mit dem Ergebnis, dass sich die Bedeutung Ihres Unterneh- mensbereichs erheblich verstärkt. Unterschätzen Sie jedoch nicht die Zeit, die Personen benötigen, um einen agilen Mindset voll- ständig zu übernehmen und zum Bestandteil ihres Handelns zu machen. Und noch einmal zur Erinnerung: Sie brauchen Durch- haltevermögen und Hunger. Detecon: Wie kann ich konkret den Erfolg des „agilen ­Arbeitens“ messen? Tord Overå: Ganz ehrlich – kein organisatorischer Wandel ist wirklich erfolgreich, wenn er nicht mittelfristig geschäftliches Wachstum erbringt. Aber was sind die Treiber für geschäftliches Wachstum? Manche würden in diesem Zusammenhang enga- gierte Mitarbeiter nennen, andere die richtigen Tools, und wie- derum andere würden auf Kundendialog und Tests abstellen. Sie hätten alle recht, und tatsächlich konnten wir feststellen, dass agile Arbeitsformen alle drei Treiber optimieren. Mitarbeiterengagement: Mitarbeiter, denen mehr Verantwortung übertragen wird, wenden einen größeren Teil ihrer Zeit für ihr Sachgebiet auf und sehen eine deutliche Verbindung zwischen ih- rer Arbeit und dem Kundenwert und sind daher stärker engagiert. Das sorgt nicht nur für mehr Effizienz, sondern bewirkt auch, dass das Employer Branding enorm an Attraktivität gewinnt. Aus einem internen Beispiel einer unserer Telenor-Geschäftsbe- reiche lässt sich nachweisen, dass dieser nach Anwendung agiler Arbeitsformen von einem der unattraktivsten Arbeitgeber zum attraktivsten Arbeitgeber nicht nur innerhalb der Telco-Branche, sondern branchenweit aufgestiegen war. Wenn Sie die Auffas- sung vertreten, dass Ihre Mitarbeiter das absolut wichtigste Gut sind, dann beginnen Sie mit Ihrer Bewertung beziehungsweise Einschätzung am besten sofort. Die richtigen Tools: Der Erwerb eines glitzernden Ferraris macht Sie nicht unbedingt zum schnelleren Fahrer. Mit der Einführung agiler Arbeitsformen in einen neuen Geschäftsbereich war es für uns stets das Wichtigste, zunächst die Ausstattung zu verwenden, die aktuell vorlag, und danach den Technologie-Stack schritt- weise zu verbessern – und nicht umgekehrt. Man findet wesent- lich leichter heraus, welche Tools und Software erforderlich sind, welche Probleme diese lösen und wie sie alle zusammenpassen, wenn die Mitarbeiter, die diese auch benutzen, einen direkten und kontinuierlichen Input darüber geben, was sie benötigen. Beginnen Sie damit, festzustellen, wie viel von Ihrem Stack von wie vielen Ihrer Mitarbeiter genutzt wird und nicht, wie viele und schnelle Tools Sie haben. Kundeninteraktionen: Sie sind grundlegend dafür, wie wir unse- re agilen Squads organisieren, und da sie Ergebnisse für Kunden- anwendungsfälle liefern, lässt sich dadurch leichter herausfinden, welchen Wert unsere Arbeitsstunden erzeugt haben – ein zusätz- licher Treiber für das Engagement. Diese Art der Organisation bewirkt, dass es innerhalb des Teams verstärkt zu Nachfragen kommt, die darauf abzielen, die Bedürfnisse der Kunden besser zu verstehen. Vorher war es so, dass der Marketeer der IT ein Änderungsanliegen per Mail sendet, wobei die Umsetzung die- ser Änderung nur so gut sein würde wie die Mail, aus der diese abgeleitet wurde. Jetzt ist es so, dass alles innerhalb des Teams erfolgt. Der Marketeer hat eine Idee, gibt diese sofort über den Tisch an den Front-End-Entwickler weiter, der sie aufgreift und einen Vorschlag liefert, der technisch leichter umsetzbar ist, aber dasselbe Problem löst. In vielen Fällen könnten sie Testläufe für zwei Ideen durchführen, um herauszufinden, welche Lösung der Kunde bevorzugt. Das Gespräch führte Andreas Penkert, Associate Partner, Detecon.
  • 34. 32 I Detecon // AGILE! Einblick in die agile Transformation der Gothaer Systems Mauern überwinden
  • 35. Detecon // AGILE! I 33 Die Gothaer Systems hat ihre Organisation neu aufgestellt, um die Zusammenarbeit intern und mit dem Konzern zu verbessern. Der DevOps-Ansatz sowie agile Methoden unterstützen die Trans- formation. Christof Strohkark hat das Projekt für Detecon in Teilen begleitet und wirft einen Blick auf Vorgehensweise und Erfolgs­ faktoren.
  • 36. Auf den ersten Blick scheint sich bei der Gothaer Systems (Go- Sys), dem IT-Dienstleister des Gothaer Versicherungskonzerns, in den letzten Jahren wenig verändert zu haben. Dieselben – et- was in die Jahre gekommenen – Räumlichkeiten in der Nähe des Kölner Südstadions, geprägt durch lange Gänge, von denen aus- gehend sich ein Zweierbüro an das andere reiht, eine recht kon- stante Personalzahl und viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die schon seit langem für das Unternehmen arbeiten. Selbstver- ständlich hat die GoSys auch weiterhin – und wenig überra- schend – dieselben Kunden, nämlich die Einheiten des Gothaer Versicherungskonzerns, der mit einer Beitragssumme von mehr als 4,4 Milliarden Euro und rund 4,3 Millionen Mitgliedern zu den großen deutschen Versicherungsgruppen gehört. TRANSFORMATIONSANSTOSS: ALTLASTEN ABBAUEN Den Begriff „Kunden“ hört der Geschäftsführer der Gothaer Sys- tems, Burkhard Oppenberg, der von einer Strategieberatung zur Gothaer kam, für die Empfänger der Services der GoSys übrigens nicht gerne. Er möchte die GoSys im Gothaer-Konzern als einen Partner auf Augenhöhe positionieren, der die Gothaer als Bera- ter und „Enabler“ dabei unterstützt, den Weg der Digitalisierung weiterzugehen, ihre Geschäftsmodelle zu digitalisieren sowie schneller, flexibler und anpassungsfähiger – „agiler“ – zu werden. Die GoSys ist daher dabei, ihre Altlasten abzubauen. Wie bei fast allen Versicherern waren und sind die IT-Systeme überaltert, die IT-Landschaft durch selbstentwickelte Applikationen und starre Plattformen – Stichwort „Großrechner“ – geprägt und die Fertigungstiefe hoch. Vor allem war der Innovationsgrad jahr- zehntelang gering. Das hat auch damit zu tun, dass Versicherer sich über lange Zeiträume sehr einseitig darum bemüht haben, ihre IT-Kosten zu senken, und wenig finanzielle Spielräume für Innovationen zuließen. Das Ergebnis: Die IT-Kostenquote ist zwar im Branchenvergleich sehr gering – so ist die der Banken im Durchschnitt fast doppelt so hoch –, der Investitionsstau ist jedoch groß. Diese Erkenntnis führt aber selbstverständlich nicht dazu, dass Versicherer nun ein Füllhorn über der IT ausschütten und ihre IT-Abteilungen oder IT-Dienstleister sich alle Wünsche erfüllen dürfen. Vielmehr geht es darum, die vorhandenen Budgets besser als vorher zu nutzen und sich dabei neben neuen Technologien auch neuer Organisationsformen und Zusammenarbeitsmodel- le zu bedienen. Schlüsselbegriffe zu den beiden letztgenannten Punkten sind Agilität und DevOps. Agilität und DevOps haben viel mit dem Überwinden von Mau- ern zu tun. Diese Mauern bestanden einerseits zwischen den Fachbereichen des Gothaer Konzerns und den Entwicklungsein- heiten der GoSys und zeigten sich in fehlenden gemeinsamen Zielen sowie nicht ausreichender Kommunikation und Zu- sammenarbeit. Andererseits bestanden diese Hürden aber auch innerhalb der GoSys, nämlich zwischen den jeweils als „Silos“ wahrgenommenen Entwicklungseinheiten einerseits und dem IT-Betrieb andererseits. Diese Strukturen führten – wie bei fast allen großen und größeren Versicherungskonzernen – dazu, dass Vorhaben häufig viel länger dauerten und viel teurer wurden als geplant, dass die notwendige Time-to-market und die Flexibilität bei der Einführung neuer Produkte oder Tarife zu groß war und regulatorische Anforderungen nur mit großem Aufwand fristge- recht umgesetzt werden konnten. Auch war in der GoSys immer das Gefühl verbreitet, viel zu wenig Ressourcen zur Verfügung zu haben, um die zahlreichen Anforderungen des Konzerns in der gewünschten Qualität umsetzen zu können. „Wir waren schlecht im Umsetzen“, sagt Claudia Hartmann-Machelett, die bei der GoSys wichtige und große Programme leitet. DAS PROGRAMM IT-EFFIZIENZ UND DIE NEUE ZIELORGANISATION Burkhard Oppenberg und sein Management-Team waren es, die im Herbst 2016 das Programm IT-Effizienz (ITE) gestartet haben, um die GoSys effizienter aufzustellen. Neben Maßnah- men, die vorrangig die Technologie betrafen, zum Beispiel neue Virtualisierungs- und Datenbankstrategien oder die Java-Op- timierung, ging es zum einen darum, die innerhalb der GoSys bestehenden Silostrukturen aufzubrechen, schneller zu werden und das große Potenzial der Mitarbeiter besser zu nutzen. Zum zweiten sollte das Programm auch den Anstoß dazu geben, die Zusammenarbeit mit dem Konzern zu verbessern, um die hier bestehenden „Mauern“ zu überwinden. Drei Punkte gilt es be- sonders hervorzuheben: 1. Top-down meets bottom-up Der Anstoß für die Transformation kam „von oben“, aber bei der Definition des Ziels und des Weges dahin wurden die Mit- arbeiterinnen und Mitarbeiter in einer Weise und Intensität ein- gebunden, die im Gothaer-Konzern bis dahin unbekannt war. Sie konnten bereits an der Entwicklung der Leitplanken und Grundprinzipien des Programms mitwirken, und – gefördert durch zahlreiche unterschiedliche Formate – Optimierungsideen entwickeln und einbringen, die aufgegriffen, bewertet und nach einer Freigabe auch selbständig weiterbearbeitet wurden. „Keine Denkverbote“ war oberste Maxime. Eine weitere wichtige Prä- misse war Transparenz. Daher wurden alle Ergebnisse, aber auch Zwischenstände, im GoSys-WIKI veröffentlicht und konnten von allen eingesehen und auch kommentiert werden. 34 I Detecon // AGILE!