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                                 Post Mortem, Teil 3
                                 Psychotoxic
                                 Chronik einer Odyssee
                                                       Woran Spiele scheitern: Bei der Planung, Finanzierung und Entwicklung des
                                                       Shooters Psychotoxic ist fast alles schiefgelaufen, was schieflaufen kann. Ein
                                                       ungewöhnlicher Rückblick auf ein ungewöhnliches Spiel.




                           Frank Fitzner                A       m letzten Tag des Jahres 2009 wurde bü-
                                                                rokratisch unspektakulär die NuClearVi-
                                                                                                          geht Psychotoxic im Jahr 2001 »richtig« in Pro-
                                                                                                          duktion. Publisher und Finanzier ist CDV. Doch
                                                       sion Entertainment GmbH aufgelöst, ein Ent-        technische Probleme mit der Vulpine-Engine
                                                       wicklerstudio aus Braunschweig, dessen Existenz    und Querelen im Team machen die Arbeit zur
                           ist Entertainment           für die meisten genauso nebulös erscheinen mag     Achterbahnfahrt. 2003 musste CDV schließlich
                           D
                           ­ esigner mit dem
                                                       wie die Tatsache, dass ich diese Firma gründete    Insolvenz anmelden und unser Team einen neu-
                           Schwerpunkt Games.
                                                       und bis zu ihrer Auflösung ihr Geschäftsführer     en Publisher suchen. Nach vielen Absagen und
Frank ist Dipl. Des. Industrial Design und seit 1995   war. Doch das Ende dieser Firma ist nur ein Teil   kurz vor der drohenden Studio-Insolvenz fand
in der Entertainment-Branche tätig. Er konzipierte     einer seltsamen Geschichte rund um die Realisie-   sich Anfang 2004 mit dem kleinen Hamburger
und realisierte Lernspiele für Kinder, war Wissen-     rung einer Vision: eines Computerspiels, das ge-   Unternehmen Vidis doch noch ein Publisher,
schaftlicher Mitarbeiter an der HbK Braunschweig       nau wie sein Entwickler bei den meisten Men-       der unser Spiel auf den Markt bringen wollte.
und Geschäftsführer der NuClearVision Entertain-
                                                       schen längst in Vergessenheit geraten ist.         Am 2. August stellten wir unser Baby pünktlich
ment GmbH, bei der er unter anderem das Level-,
Grafik- und Mediendesign verantwortete.                                                                   zur Games Convention endlich fertig.
                                                       Was bisher geschah

                www          makinggames.de
                                                       Die Entstehungsgeschichte von Psychotoxic von
                                                       der Konzepterstellung im Jahr 1998 bis zur Ab-
                                                       gabe der Goldmaster 2004 konnten Sie in den
                                                                                                          Showdown in Leipzig
                                                                                                          Mit Spannung fuhren wir Ende August 2004 auf
                                                                                                          die Games Convention, um die Reaktionen auf
                   	Teil 1 & 2 des Psychotoxic-        letzten beiden Ausgaben von Making Games           Psychotoxic hautnah zu erleben. Und obwohl
                   Post-Mortems
                                                       nachlesen. Hier die Kurzzusammenfassung für        wir durch die vielen Verzögerungen nun direkt
                                                       alle, die es verpasst haben: Nach langem           gegen Doom 3 antreten mussten, gab es sie – die
                                                       Schwangergehen mit Spielwelt und -konzept          Fans, die morgens durch die legendären Glastun-




                                                        444                                                             Making Games Magazin 06/2010
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nel der Leipziger Messehallen liefen, um direkt
am Vidis-Stand als allererste Psychotoxic spielen
zu können. Nach diesem verheißungsvollen
Start geschah etwas, das bezeichnend für die
spätere Beurteilung des Spiels war: Gleich am
e
­ rsten Messetag erfuhren wir, dass Psychotoxic
zum PC-Spiel des Monats in der Computer BILD
Spiele gekürt werden sollte. Doch der anfängli­
che Enthusiasmus verflog schnell, denn im An-
schluss teilte man uns mit, dass uns die Game-
Star im Zuge einer härteren Gangart und eines
neu definierten Wertungssystems nur 50% ge-
geben hatte, was eine relativ verheerende Wer-
tung darstellt. Dieses Auf und Ab zog sich wie
ein roter Faden später durch sämtliche Reviews.
   Psychotoxic polarisierte die Leute – aber nicht
auf die klare, vermarktungstaugliche »Man liebt
es oder hasst es«-, sondern auf diese seltsam
diffuse »Soll ich es nun gut oder schlecht
finden?«-Art. Oftmals wurden dieselben Ele-
mente des Spiels aus den Bereichen Gameplay          Mit vielen Physikeffekten wurde versucht, die schon etwas angestaubte Technik aufzubrezeln.
oder Grafik komplett gegensätzlich bewertet.
Tendenziell wurde jedoch fast immer kritisiert,
was einfach nicht zu leugnen war: Psychotoxic
kam viel zu spät auf den Markt.
   Als ob diese Ereignisse nicht enttäuschend ge-
nug gewesen wären, wurden wir während der
Messe auch noch vor unserem zukünftigen in-
ternationalen Publisher – mit dem wir ja bereits
einen Vorvertrag hatten – gewarnt. GMX Media,
die es heute längst nicht mehr gibt, entpuppte
sich als recht windiges Zwei-Mann-Unterneh-
men, das zum einen nur virtuelle Büroräume
vorzuweisen hatte und zum anderen auch gern
mal vereinbarte Zahlungen an Entwickler ver-
gaß. Die Konsequenz war Routine: Anwalt anru-
fen, Vertrag anfechten, juristisches Geplänkel,
Anwalt bezahlen, neuen Publisher suchen.

Endlich im Regal
Der 3. September 2004 war der Tag, an dem Psy-
chotoxic endlich in die Regale kam. Ich erinnere     Am 3. September 2004 liegt Psychotoxic endlich in den Läden – häufig neben einem
mich, dass ich irgendwann später zum lokalen         deprimierend großen Stapel aus Doom-3-Kartons.
MediaMarkt fuhr, und dass mich der Anblick
des kleinen Psychotoxic-Stapels angesichts der       Beim »Einbau« des StarForce-Kopierschutzes
Unmengen an Doom-3-Schachteln daneben ir-            wurde von uns zu Testzwecken gleichzeitig eine
gendwie traurig machte.                              interne Fehlermeldung implementiert, die im
  Im Oktober 2004 unterzeichneten wir einen          Falle eines Problems ausgegeben werden sollte.
Vertrag mit Whiptail Interactive, einem kleinen      Und was fast unmöglich schien, geschah! Es
spanisch-amerikanischen Publisher. Natürlich         kam zu Problemen mit dem Kopierschutz, und
waren wir diesmal noch vorsichtiger und infor-       zwar fatalerweise in Serie. Die Kontrollspur auf
mierten uns sehr genau über unseren zukünf-          der DVD war bei vielen Kopien ab Presswerk de-
tigen Partner. Doch Whiptail hatte einen guten       fekt. Angeblich gab es Schwankungen in der
Ruf und wir vereinbarten einen Deal über             Materialstärke. Viele Laufwerke konnten die
140.000 Dollar. Dass wir nicht alle drei verein-     Kontrollspur schlichtweg nicht lesen. Der Ko-
barten Raten bekamen, versteht sich von selbst.      pierschutz schlussfolgerte, dass es sich um eine
                                                     illegale Kopie handelte und bewies, dass er ein-
Kopierschutzprobleme                                 wandfrei funktionierte: Er beendete das Spiel
Nach dem Release kam zum Unglück auch noch           wie geplant nach einer Viertelstunde. Unglück-
Pech hinzu. Nachdem die erste Probecharge von        licherweise meldete sich jetzt aber auch gleich-
Psychotoxic auf allen Testrechnern einwandfrei       zeitig unsere interne Kontrollroutine mit der
lief, gab Vidis grünes Licht an das Presswerk, um    Fehlermeldung »opengl error #436«. Diese Mel-
mit der Massenproduktion der DVDs zu begin-          dung war seinerzeit willkürlich gewählt wor-
nen. Die zweite Charge löste eine Kettenreakti-      den, weil sie eigentlich nur im Falle einer illega-
on aus, die ebenso grotesk wie kompliziert war.      len Kopie hätte auftauchen dürfen. Doch damit




Making Games Magazin 06/2010                                                                        445
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                                                     nicht genug: Auf Rechnern mit ATI-x800- und         stellte sich doch im Juni letztendlich heraus,
                                                     9700-Pro-Karten kam es zu Shader-Problemen          dass Whiptail ohnehin insolvent war. Die Firma
                                                     mit den aktuellsten Treibern, die Psychotoxic       wollte das Geld für die letzte Rate durch die Erlö-
                                                     ähnlich abrupt beendeten wie der Kopierschutz.      se der Abverkäufe von Psychotoxic erwirtschaf-
                                                                                                         ten. Weil sie jedoch schon im Vorfeld nicht mehr
                                                     Schlechter Ruf wegen »Bugs«                         in der Lage waren, das Spiel adäquat am Markt
                                                     So hatten wir direkt nach Release einen fälsch-     zu platzieren, war das Vorhaben im Grunde
                                                     lich gemeldeten OpenGL-Fehler, der durch den        hoffnungslos. So hatte Whiptail ihr letztes Geld
                                                     funktionierenden Kopierschutz einer legalen,        für einen guten Anwalt ausgegeben und uns
                                                     aber defekten DVD verursacht wurde. Außer-          letztendlich gezwungen, dasselbe zu tun. Mit
                                                     dem hatten wir einen Grafikkartenfehler, gegen      offenen Karten gespielt, hätten sie allen
                                                     den wir nichts machen konnten, der aber in ei-      Beteilig­ en viel Zeit und Geld ersparen können.
                                                                                                                  t
                                                     nen Topf mit dem vermeintlichen OpenGL-Feh-         Zwar gingen nun alle Rechte an Psychotoxic
                                                     ler geworfen wurde. Es bildete sich schnell die     wieder an uns zurück, doch eine erneute Publis-
                                                     landläufige Meinung, Psychotoxic sei komplett       hersuche war für uns kein Thema mehr.
                                                     verbuggt, was in Wahrheit nicht stimmte.              Im Juli 2005 gab es noch einmal einen interes-
                                                     Kleinere Bugs gab es, doch die hatten wir           santen Kontakt zum Bastei Verlag, der uns ein
                                                     schnell mit zwei Patches ausgebügelt. Vidis bot     letztes Mal für ein paar Wochen zu altem Elan
                                                     nun an, defekte DVDs kostenlos gegen neue           beflügelte. Doch erneut arbeitete die Zeit gegen
                                                     Scheiben zu tauschen, diese Aktion war dem ne-      uns, das Projekt geriet ins Stocken und wir be-
Auf der Games Convention 2004 war Psychotoxic am     gativen Ruf aber nicht besonders zuträglich. Wer    schlossen Ende September einvernehmlich, die
Stand von Vidis zu sehen.                            verschickt schon gern frisch erworbene DVDs?        Ära NuClearVision Entertainment zu beenden,
                                                     Die bessere Lösung wäre gewesen, den Kopier-        denn scheinbar war das Schicksal der Firma zu
                                                     schutz einfach mit einem Patch zu deaktivieren,     eng mit dem Schicksal Psychotoxics verbunden.
                                                     doch diese Entscheidung lag nicht bei uns.          Das Team verstreute sich in alle Himmelsrich-
                                                                                                         tungen, und an einem strahlend schönen Mon-
                                                     Auflösungserscheinungen                             tag, dem 31. Oktober 2005 (Halloween) ver-
                                                     Ende 2004 begann das Team, sich langsam zu          brachte ich den letzten Tag in jenen Räumen, in
                                                     zerstreuen. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt we-      denen ich mit einer Handvoll Enthusiasten eine
                                                     der ein Designdokument noch einen Prototyp          Vision realisierte, die sieben Jahre zuvor ent-
                                                     für ein neues Projekt in der Hinterhand. Ich hat-   stand. Mit der Liquidierung der NuClearVision
                                                     te zwar mehr als genug originelle Ideen für         Entertainment GmbH, die dann noch weitere
                                                     Spiele, doch die vielen Monate hatten uns ermü-     vier Jahre als Papiertiger existierte, endet dann
                                                     det und wir befanden uns in einer gefährlichen      auch die Geschichte eines Spiels, das vor allem
                                                     Stasis. Die Verkaufszahlen blieben wie befürch-     eines war: außergewöhnlich.
                                                     tet weit unter den Erwartungen, und Vidis wür-
                                                     de noch nicht einmal den Break Even erreichen.      Fazit
                                                        Mitte Dezember 2004 bestätigten wir schrift-     Jetzt, am Ende unserer Zeitreise, fehlt nur noch
                                                     lich eine Preissenkung Psychotoxics auf 30 Euro –   das Fazit. Denn Jahre, die (zumindest materiell)
                                                     diese Summe hätten wir gern schon am Release-       nicht lohnenswert waren, sind nur dann auch
                                                     Tag gesehen. Eine Woche vor Weihnachten beka-       verschwendete Jahre, wenn man keine Lehre
                                                     men wir dann einen Brief, der uns anhand einer      daraus zieht. Also: Wer sich vorgenommen hat,
                                                     eigenartigen Rechnung Glauben machen wollte,        hierzulande Spiele zu entwickeln, dem sollte
                                                     dass wir aufgrund unserer Zustimmung bezüg-         klar sein, dass er keine Kreuzfahrt mit Außenka-
Die Reaktionen der Games-Convention-Besucher         lich Preissenkung keine Ansprüche mehr auf die      bine gebucht hat, sondern einen Abenteuertrip
waren durchaus positiv, ein paar Fans stürmten
                                                     letzte Rate hätten. Nach einem kurzen Blick in      unter freien Himmel. Er bewegt sich in einer
gleich nach der Messe-Eröffnung zu unserem Stand.
                                                     den Vertrag war uns aber klar, dass es hier nicht   Branche, in der manchmal ein rauer und biswei-
                                                     mit rechten Dingen zuging: Anwalt anrufen, auf      len kalter Wind weht. Er wird vor allem die inte-
                                                     Vertrag pochen, angemessenem Vergleich zu-          ressantesten Leute treffen, aber nicht immer
                                                     stimmen, Anwalt bezahlen.                           Freunde. Er braucht die üblichen Eigenschaften
                                                                                                         eines Unternehmers, allerdings im Doppelpack:
                                                     Letztes Aufbäumen in den USA                        Mut, Optimismus, Enthusiasmus. Empfehlens-
                                                     Am 8. März 2005 wurde Psychotoxic in den USA        wert sind darüber hinaus ein dickes Fell und ein
                                                     veröffentlicht und konnte sich dort aus den         verträgliches Maß an Vorsicht. Die Tipps zum
                                                     g
                                                     ­ leichen Gründen so wenig etablieren wie im        Selbstausprobieren sind nun verteilt, also bleibt
                                                     deutschsprachigen Raum. Auch Whiptail hatte         die unausweichliche Frage: Würde ich Psycho-
                                                     keinerlei Marketing Budget, wie wir bald            toxic noch einmal machen wollen? Nein, be-
                                                     schmerzhaft feststellen sollten. Die ersten bei-    stimmt nicht! Würde ich heute, mit meinem jet-
                                                     den Raten wurden immerhin von Whiptail an-          zigen Wissen, ein anderes Spiel machen wollen?
                                                     standslos bezahlt, doch als im Mai die dritte und   Ja, Psychotoxic 2 mit meinem altem Team, der
                                                     letzte Rate von 60.000 Dollar gezahlt werden        Vision Engine und einem neuen Publisher –
                                                     sollte, bekamen wir statt einer Überweisung ein     aber diesmal richtig!               Frank Fitzner
                Die US-Box von Psychotoxic. Auch     anwaltliches Schreiben. Dessen Inhalt erspare
                unseren amerikanischen Distributor   ich uns jetzt, zumal die darauf folgende juris­
                ereilte schließlich die Insolvenz.   tische Taktiererei vollkommen überflüssig war;




                                                      446                                                               Making Games Magazin 06/2010

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Mg Psychotoxic Post Mortem 03

  • 1. Business | Post Mortem Post Mortem, Teil 3 Psychotoxic Chronik einer Odyssee Woran Spiele scheitern: Bei der Planung, Finanzierung und Entwicklung des Shooters Psychotoxic ist fast alles schiefgelaufen, was schieflaufen kann. Ein ungewöhnlicher Rückblick auf ein ungewöhnliches Spiel. Frank Fitzner A m letzten Tag des Jahres 2009 wurde bü- rokratisch unspektakulär die NuClearVi- geht Psychotoxic im Jahr 2001 »richtig« in Pro- duktion. Publisher und Finanzier ist CDV. Doch sion Entertainment GmbH aufgelöst, ein Ent- technische Probleme mit der Vulpine-Engine wicklerstudio aus Braunschweig, dessen Existenz und Querelen im Team machen die Arbeit zur ist Entertainment für die meisten genauso nebulös erscheinen mag Achterbahnfahrt. 2003 musste CDV schließlich D ­ esigner mit dem wie die Tatsache, dass ich diese Firma gründete Insolvenz anmelden und unser Team einen neu- Schwerpunkt Games. und bis zu ihrer Auflösung ihr Geschäftsführer en Publisher suchen. Nach vielen Absagen und Frank ist Dipl. Des. Industrial Design und seit 1995 war. Doch das Ende dieser Firma ist nur ein Teil kurz vor der drohenden Studio-Insolvenz fand in der Entertainment-Branche tätig. Er konzipierte einer seltsamen Geschichte rund um die Realisie- sich Anfang 2004 mit dem kleinen Hamburger und realisierte Lernspiele für Kinder, war Wissen- rung einer Vision: eines Computerspiels, das ge- Unternehmen Vidis doch noch ein Publisher, schaftlicher Mitarbeiter an der HbK Braunschweig nau wie sein Entwickler bei den meisten Men- der unser Spiel auf den Markt bringen wollte. und Geschäftsführer der NuClearVision Entertain- schen längst in Vergessenheit geraten ist. Am 2. August stellten wir unser Baby pünktlich ment GmbH, bei der er unter anderem das Level-, Grafik- und Mediendesign verantwortete. zur Games Convention endlich fertig. Was bisher geschah www makinggames.de Die Entstehungsgeschichte von Psychotoxic von der Konzepterstellung im Jahr 1998 bis zur Ab- gabe der Goldmaster 2004 konnten Sie in den Showdown in Leipzig Mit Spannung fuhren wir Ende August 2004 auf die Games Convention, um die Reaktionen auf Teil 1 & 2 des Psychotoxic- letzten beiden Ausgaben von Making Games Psychotoxic hautnah zu erleben. Und obwohl Post-Mortems nachlesen. Hier die Kurzzusammenfassung für wir durch die vielen Verzögerungen nun direkt alle, die es verpasst haben: Nach langem gegen Doom 3 antreten mussten, gab es sie – die Schwangergehen mit Spielwelt und -konzept Fans, die morgens durch die legendären Glastun- 444 Making Games Magazin 06/2010
  • 2. Business | Post Mortem nel der Leipziger Messehallen liefen, um direkt am Vidis-Stand als allererste Psychotoxic spielen zu können. Nach diesem verheißungsvollen Start geschah etwas, das bezeichnend für die spätere Beurteilung des Spiels war: Gleich am e ­ rsten Messetag erfuhren wir, dass Psychotoxic zum PC-Spiel des Monats in der Computer BILD Spiele gekürt werden sollte. Doch der anfängli­ che Enthusiasmus verflog schnell, denn im An- schluss teilte man uns mit, dass uns die Game- Star im Zuge einer härteren Gangart und eines neu definierten Wertungssystems nur 50% ge- geben hatte, was eine relativ verheerende Wer- tung darstellt. Dieses Auf und Ab zog sich wie ein roter Faden später durch sämtliche Reviews. Psychotoxic polarisierte die Leute – aber nicht auf die klare, vermarktungstaugliche »Man liebt es oder hasst es«-, sondern auf diese seltsam diffuse »Soll ich es nun gut oder schlecht finden?«-Art. Oftmals wurden dieselben Ele- mente des Spiels aus den Bereichen Gameplay Mit vielen Physikeffekten wurde versucht, die schon etwas angestaubte Technik aufzubrezeln. oder Grafik komplett gegensätzlich bewertet. Tendenziell wurde jedoch fast immer kritisiert, was einfach nicht zu leugnen war: Psychotoxic kam viel zu spät auf den Markt. Als ob diese Ereignisse nicht enttäuschend ge- nug gewesen wären, wurden wir während der Messe auch noch vor unserem zukünftigen in- ternationalen Publisher – mit dem wir ja bereits einen Vorvertrag hatten – gewarnt. GMX Media, die es heute längst nicht mehr gibt, entpuppte sich als recht windiges Zwei-Mann-Unterneh- men, das zum einen nur virtuelle Büroräume vorzuweisen hatte und zum anderen auch gern mal vereinbarte Zahlungen an Entwickler ver- gaß. Die Konsequenz war Routine: Anwalt anru- fen, Vertrag anfechten, juristisches Geplänkel, Anwalt bezahlen, neuen Publisher suchen. Endlich im Regal Der 3. September 2004 war der Tag, an dem Psy- chotoxic endlich in die Regale kam. Ich erinnere Am 3. September 2004 liegt Psychotoxic endlich in den Läden – häufig neben einem mich, dass ich irgendwann später zum lokalen deprimierend großen Stapel aus Doom-3-Kartons. MediaMarkt fuhr, und dass mich der Anblick des kleinen Psychotoxic-Stapels angesichts der Beim »Einbau« des StarForce-Kopierschutzes Unmengen an Doom-3-Schachteln daneben ir- wurde von uns zu Testzwecken gleichzeitig eine gendwie traurig machte. interne Fehlermeldung implementiert, die im Im Oktober 2004 unterzeichneten wir einen Falle eines Problems ausgegeben werden sollte. Vertrag mit Whiptail Interactive, einem kleinen Und was fast unmöglich schien, geschah! Es spanisch-amerikanischen Publisher. Natürlich kam zu Problemen mit dem Kopierschutz, und waren wir diesmal noch vorsichtiger und infor- zwar fatalerweise in Serie. Die Kontrollspur auf mierten uns sehr genau über unseren zukünf- der DVD war bei vielen Kopien ab Presswerk de- tigen Partner. Doch Whiptail hatte einen guten fekt. Angeblich gab es Schwankungen in der Ruf und wir vereinbarten einen Deal über Materialstärke. Viele Laufwerke konnten die 140.000 Dollar. Dass wir nicht alle drei verein- Kontrollspur schlichtweg nicht lesen. Der Ko- barten Raten bekamen, versteht sich von selbst. pierschutz schlussfolgerte, dass es sich um eine illegale Kopie handelte und bewies, dass er ein- Kopierschutzprobleme wandfrei funktionierte: Er beendete das Spiel Nach dem Release kam zum Unglück auch noch wie geplant nach einer Viertelstunde. Unglück- Pech hinzu. Nachdem die erste Probecharge von licherweise meldete sich jetzt aber auch gleich- Psychotoxic auf allen Testrechnern einwandfrei zeitig unsere interne Kontrollroutine mit der lief, gab Vidis grünes Licht an das Presswerk, um Fehlermeldung »opengl error #436«. Diese Mel- mit der Massenproduktion der DVDs zu begin- dung war seinerzeit willkürlich gewählt wor- nen. Die zweite Charge löste eine Kettenreakti- den, weil sie eigentlich nur im Falle einer illega- on aus, die ebenso grotesk wie kompliziert war. len Kopie hätte auftauchen dürfen. Doch damit Making Games Magazin 06/2010 445
  • 3. Business | Post Mortem nicht genug: Auf Rechnern mit ATI-x800- und stellte sich doch im Juni letztendlich heraus, 9700-Pro-Karten kam es zu Shader-Problemen dass Whiptail ohnehin insolvent war. Die Firma mit den aktuellsten Treibern, die Psychotoxic wollte das Geld für die letzte Rate durch die Erlö- ähnlich abrupt beendeten wie der Kopierschutz. se der Abverkäufe von Psychotoxic erwirtschaf- ten. Weil sie jedoch schon im Vorfeld nicht mehr Schlechter Ruf wegen »Bugs« in der Lage waren, das Spiel adäquat am Markt So hatten wir direkt nach Release einen fälsch- zu platzieren, war das Vorhaben im Grunde lich gemeldeten OpenGL-Fehler, der durch den hoffnungslos. So hatte Whiptail ihr letztes Geld funktionierenden Kopierschutz einer legalen, für einen guten Anwalt ausgegeben und uns aber defekten DVD verursacht wurde. Außer- letztendlich gezwungen, dasselbe zu tun. Mit dem hatten wir einen Grafikkartenfehler, gegen offenen Karten gespielt, hätten sie allen den wir nichts machen konnten, der aber in ei- Beteilig­ en viel Zeit und Geld ersparen können. t nen Topf mit dem vermeintlichen OpenGL-Feh- Zwar gingen nun alle Rechte an Psychotoxic ler geworfen wurde. Es bildete sich schnell die wieder an uns zurück, doch eine erneute Publis- landläufige Meinung, Psychotoxic sei komplett hersuche war für uns kein Thema mehr. verbuggt, was in Wahrheit nicht stimmte. Im Juli 2005 gab es noch einmal einen interes- Kleinere Bugs gab es, doch die hatten wir santen Kontakt zum Bastei Verlag, der uns ein schnell mit zwei Patches ausgebügelt. Vidis bot letztes Mal für ein paar Wochen zu altem Elan nun an, defekte DVDs kostenlos gegen neue beflügelte. Doch erneut arbeitete die Zeit gegen Scheiben zu tauschen, diese Aktion war dem ne- uns, das Projekt geriet ins Stocken und wir be- Auf der Games Convention 2004 war Psychotoxic am gativen Ruf aber nicht besonders zuträglich. Wer schlossen Ende September einvernehmlich, die Stand von Vidis zu sehen. verschickt schon gern frisch erworbene DVDs? Ära NuClearVision Entertainment zu beenden, Die bessere Lösung wäre gewesen, den Kopier- denn scheinbar war das Schicksal der Firma zu schutz einfach mit einem Patch zu deaktivieren, eng mit dem Schicksal Psychotoxics verbunden. doch diese Entscheidung lag nicht bei uns. Das Team verstreute sich in alle Himmelsrich- tungen, und an einem strahlend schönen Mon- Auflösungserscheinungen tag, dem 31. Oktober 2005 (Halloween) ver- Ende 2004 begann das Team, sich langsam zu brachte ich den letzten Tag in jenen Räumen, in zerstreuen. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt we- denen ich mit einer Handvoll Enthusiasten eine der ein Designdokument noch einen Prototyp Vision realisierte, die sieben Jahre zuvor ent- für ein neues Projekt in der Hinterhand. Ich hat- stand. Mit der Liquidierung der NuClearVision te zwar mehr als genug originelle Ideen für Entertainment GmbH, die dann noch weitere Spiele, doch die vielen Monate hatten uns ermü- vier Jahre als Papiertiger existierte, endet dann det und wir befanden uns in einer gefährlichen auch die Geschichte eines Spiels, das vor allem Stasis. Die Verkaufszahlen blieben wie befürch- eines war: außergewöhnlich. tet weit unter den Erwartungen, und Vidis wür- de noch nicht einmal den Break Even erreichen. Fazit Mitte Dezember 2004 bestätigten wir schrift- Jetzt, am Ende unserer Zeitreise, fehlt nur noch lich eine Preissenkung Psychotoxics auf 30 Euro – das Fazit. Denn Jahre, die (zumindest materiell) diese Summe hätten wir gern schon am Release- nicht lohnenswert waren, sind nur dann auch Tag gesehen. Eine Woche vor Weihnachten beka- verschwendete Jahre, wenn man keine Lehre men wir dann einen Brief, der uns anhand einer daraus zieht. Also: Wer sich vorgenommen hat, eigenartigen Rechnung Glauben machen wollte, hierzulande Spiele zu entwickeln, dem sollte dass wir aufgrund unserer Zustimmung bezüg- klar sein, dass er keine Kreuzfahrt mit Außenka- Die Reaktionen der Games-Convention-Besucher lich Preissenkung keine Ansprüche mehr auf die bine gebucht hat, sondern einen Abenteuertrip waren durchaus positiv, ein paar Fans stürmten letzte Rate hätten. Nach einem kurzen Blick in unter freien Himmel. Er bewegt sich in einer gleich nach der Messe-Eröffnung zu unserem Stand. den Vertrag war uns aber klar, dass es hier nicht Branche, in der manchmal ein rauer und biswei- mit rechten Dingen zuging: Anwalt anrufen, auf len kalter Wind weht. Er wird vor allem die inte- Vertrag pochen, angemessenem Vergleich zu- ressantesten Leute treffen, aber nicht immer stimmen, Anwalt bezahlen. Freunde. Er braucht die üblichen Eigenschaften eines Unternehmers, allerdings im Doppelpack: Letztes Aufbäumen in den USA Mut, Optimismus, Enthusiasmus. Empfehlens- Am 8. März 2005 wurde Psychotoxic in den USA wert sind darüber hinaus ein dickes Fell und ein veröffentlicht und konnte sich dort aus den verträgliches Maß an Vorsicht. Die Tipps zum g ­ leichen Gründen so wenig etablieren wie im Selbstausprobieren sind nun verteilt, also bleibt deutschsprachigen Raum. Auch Whiptail hatte die unausweichliche Frage: Würde ich Psycho- keinerlei Marketing Budget, wie wir bald toxic noch einmal machen wollen? Nein, be- schmerzhaft feststellen sollten. Die ersten bei- stimmt nicht! Würde ich heute, mit meinem jet- den Raten wurden immerhin von Whiptail an- zigen Wissen, ein anderes Spiel machen wollen? standslos bezahlt, doch als im Mai die dritte und Ja, Psychotoxic 2 mit meinem altem Team, der letzte Rate von 60.000 Dollar gezahlt werden Vision Engine und einem neuen Publisher – sollte, bekamen wir statt einer Überweisung ein aber diesmal richtig! Frank Fitzner Die US-Box von Psychotoxic. Auch anwaltliches Schreiben. Dessen Inhalt erspare unseren amerikanischen Distributor ich uns jetzt, zumal die darauf folgende juris­ ereilte schließlich die Insolvenz. tische Taktiererei vollkommen überflüssig war; 446 Making Games Magazin 06/2010