Warum aus der klassischen Kunde-Dienstleister-Kombination nie was Gescheites rauskommen kann.
„Projekte, bei denen Kunden sich Dienstleister für die coolen Ideen mieten, müssen scheitern. Ich erkläre, warum das so ist und zeige Wege, wie es trotzdem klappen kann.“
2. Also, wir erwarten schon, dass Sie passende Vorschläge
erarbeiten und wir nur bei den letzten 10% noch
Anmerkungen machen müssen.
Da hätten wir
gehen sollen!
Ich erzähle heute über ein Projektphänomen, dass uns zum Glück nur noch sehr selten betrifft. Das Verhältnis von Kunde und Dienstleister im Rahmen von Projekten.
Letztens ist es uns doch passiert, dass wir in einem Kick-off-Meeting saßen und sich rausstellte, dass der Kunde eine eher „klassische“ Einstellung in Bezug auf Dienstleister hatte. Das hat sich durch das gesamte Projekt gezogen und wir waren froh, als das Projekt zu Ende war.
Hier ist mal der typische Verlauf von Kommunikationsprojekten.
Am Anfang trifft der Kunde auf „die Agentur“. Am besten auch noch in einem Pitch, wo die Agenturen vortanzen und der Kunde auswählt.
Als Erstes kommt immer ein mehr oder weniger umfassendes Briefing. Meistens entstehen dadurch mehr Fragen als dass es Antworten gibt.
Unser Dienstleister versucht sich dann an einem „Rebriefing“. Hier werden die Fragen angesprochen und das Verständnis der Aufgabe dargestellt. Meist auch nicht sonderlich detailliert. Wenn es gut läuft, werden die Fragen in einem ersten Workshop besprochen.
Dann geht es im Grunde los.
Die Agentur wird kreativ und erarbeitet die perfekte Lösung. Wenn es gut läuft, haben auch ein/zwei Workshops stattgefunden…
Die Lösung ist dann auf den Punkt und trifft die Erwartungen des Kunden. Vielleicht noch einige kleinere Anmerkungen, die aber unkritisch sind.
Zack zack umgesetzt und dem Kunden wieder zur Abstimmung geschickt.
Der Kunde ist zufrieden. Projekt zuende.
Der Beginn einer langen und glücklichen Beziehung.
Manchmal klappt das auch. Bei klar umrissenen Aufgaben, bei denen es wenig Schnittstellen gibt und auch nur geringe Anforderungen und Rahmenbedingungen.
Aber meist geht es spätestens beim ersten Kunden-Feedback schief. Die entwickelte Lösung stößt nicht auf Begeisterung, sondern auf Unverständnis. Die Gründe sind vielfältig und hier nicht Thema.
Besonders bei digitalen Projekten funktioniert der geschilderte Projektablauf überhaupt nicht. Das liegt an der Natur von digitalen Projekten.
Dummerweise sind inzwischen eigentlich alle Projekte mehr oder weniger digital.
Hier kommt der Projektablauf noch mal. Diesmal mit den Problemen, die im wahren Leben entstehen.
Es geht direkt damit los, dass es sowohl beim Kunden als auch beim Dienstleister Fachwissen gibt, das ins Projekt einfließen muss.
Dieses Wissen lässt sich aber nicht in ein Briefing-Dokument schreiben. Und Verständnis entsteht über ein PDF-Dokument auch nicht.
Wenn man dann versucht, alle Überlegungen und Fragen in ein zweites Dokument zu schreiben, verbrennt man auch nur wertvolle Zeit und Motivation. Klären lassen sich die Fragen so nämlich auf keinen Fall. Vor allem da die möglichen Lösungsansätze sich häufig widersprechen.
Im Prinzip fehlt damit zum Projektstart immer noch das gemeinsame Verständnis.
Deshalb macht es auch keinen Sinn, wenn nur die Hälfte des Fachwissens (nämlich die Agentur) alleine loslegt. Dann fehlen Anforderungen, Rahmenbedingungen, Erwartungen und Lösungsansätze, die nicht in die Ideenfindung eingehen. Das Ergebnis kann nur scheitern.
Spätestens beim Feedback kommt dann das böse Erwachen. Die Lösung überrascht den Kunden und ist zu radikal. Noch schlimmer wird es, wenn wichtige fachliche Rahmenbedingungen nicht berücksichtigt wurden, weil sie schlicht nicht bekannt waren. Dann ist die erste Runde komplett für die Tonne.
Und ab hier wird es anstrengend, wenn die Arbeitsweise nicht komplett geändert wird.
Und der Ritt in den Sonnenuntergang fällt aus.
Gründe dafür
digital ist komplex
Es gibt extrem viele Faktoren, die mit reinspielen (Nutzer, Technik, Legal, Wettbewerb, Produkt, Ressourcen, Zeit…)
digital ist ein Kompromiss
Im Ergebnis entsteht immer ein Kompromiss. Die hohe Kunst ist es, den richtigen Kompromiss zu finden mit den richtigen Prioritäten. Da kommt dann der „Product Owner“ ins Spiel. Bauen wir etwas Tolles für die Kunden oder etwas, das schnell umzusetzen ist. Über Product Owner kann man auch lange sprechen…
digital ist Kunst
Hier wird es jetzt ganz schwierig für die HIPPOs. Letztendlich steckt in den wirklich guten Sachen immer auch ein Schuss Genialität. Das kann man dann nicht mehr rational ableiten. Da muss man einfach dran glauben.
Darum haben Künstler auch keine Abnahme-Meetings.
Das geht leichter, wenn man bei der Entstehung der Idee dabei war. Aus dem Grund gibt es auch so wenig kreative Marketing-Kampagnen. Viele Gewinner goldener Löwen oder ADC-Nägeln sind oft Projekte, die nur deswegen gestartet wurden. Wir machen was richtig kreatives für dich (für umsonst), aber du musst uns auch machen lassen.
Und etwas Diktatur ist auch dabei: Manchmal gibt es ein, zwei Köpfe mit einer sehr klaren Vorstellung über den Service. Die sorgen dann dafür, dass die Richtung beibehalten wird und der Kompromiss sich auf die unvermeidlichen Dinge beschränkt. Das sind die Künstler, die dafür sorgen, dass die ganzen Kompromisse die Grundidee nicht zerstören.
ein paar Lösungsansätze gibt es natürlich auch.
Was ja klar ist: Man kann nur gemeinsam im Team arbeiten. Die Trennung Kunde vs. Dienstleister gibt es eigentlich nicht mehr. Es sind eher die unterschiedlichen Kompetenzen, die jeder mit einbringt.
Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass es im Projekt unerlässlich ist, dass sich die Projektmitglieder duzen. Das klappt eigentlich auch meistens. Ich werde in Zukunft Projekte ablehnen, wo das nicht so ist.
Typische Steuerkreise kann es dann auch nicht mehr geben.
Dazu sagen heute ja noch viele Leute was. Aber ich hab auch noch ein paar Punkte dazu:
Ich werde immer skeptisch, wenn Innovation als Anforderung definiert wird. Innovation ist ja kein Selbstzweck, sondern idealerweise das Ergebnis einer nutzerorientierten und kreativen Arbeitsweise. Wenn am Ende nichts Innovatives da steht, sondern „nur“ eine bestehende Technologie perfekt genutzt wird, dann kann das auch sehr erfolgreich sein.
Das ist leichter gesagt als getan. Besonders die Unternehmensmitarbeiter kommen schnell in ein Mindset, das sich schlecht anpassen lässt. Dinge werden als gegeben hingenommen und nicht mehr hinterfragt. Das ist tödlich.
Da hilft es sehr, sich immer wieder die Nutzersicht zu Eigen zu machen. Durch Interviews, Beobachtungen und schlichten gesunden Menschenverstand.
Noch etwas: Ich höre ganz oft „xy macht das doch auch so. Das können wir übernehmen.“ Das geht eigentlich nie, da die Rahmenbedingungen immer unterschiedlich sind. Klar, etablierte Pattern sollte man schon nutzen, aber bei der genauen Umsetzung ergeben sich immer Möglichkeiten, etwas besser zu machen.
Es gibt noch jede Menge Themen, die ich hier nicht anschneide. Das tun hoffentlich die anderen Vorträge. Oder ich beim nächsten Mal.
Und ich freue mich über Kontakte über die üblichen Kanäle.