2. 2 | Neue Wege in der Energiebeschaffung
Inhaltsverzeichnis
Editorial 3
Kernergebnisse 4
Survey-Design und -Methodik 6
1 Markttrends 8
2 Strategie und Organisation 16
3 Digitalisierung und IT 22
Empfehlungen 32
Glossar 36
Ihre Ansprechpartner 39
3. Neue Wege in der Energiebeschaffung | 3
Die aktuellen Megatrends – Digitalisie-
rung, Dekarbonisierung, Dezentralität
und Demokratisierung – transformie-
ren den Energiemarkt in einer bisher
nicht bekannten Geschwindigkeit.
Künstliche Intelligenz revolutioniert
Kurzfristprognosen, Klimaabkommen
stellen die Weichen für den Einsatz
konventioneller Erzeugungsanlagen,
die Verfügbarkeit von Windkraft- und
PV-Anlagen löst Brennstoffkosten als
die marktpreisbestimmenden Fakto-
ren ab und der Stromfluss wird durch
Prosumer immer häufiger bidirektio-
nal. Kurz, Eckpfeiler der Energiewirt
schaft fallen und werden durch eine
Vielzahl neuer Entwicklungen
ersetzt.
DieEnergiebeschaffung,alsverbinden-
des Stück innerhalb der Wertschöp-
fungskette, steht in einem besonderen
Spannungsfeld aus steigenden Anfor-
derungen aufseiten von Erzeugung
und Vertrieb und gleichzeitig zuneh-
mendem Kostendruck. Die Beschaf-
fungsfunktion muss sich diesen Her-
ausforderungen stellen und sich ent-
sprechend neu ausrichten.
Während sich die Kernaufgaben der
Beschaffung in den letzten Jahren
kaum weiterentwickelt haben, hat sich
das Marktumfeld radikal verändert.
So hat der massive Ausbau erneuer-
barer Energien die erforderliche
Reaktionszeit des Energiemanage-
ments und der Energievermarktung
signifikant verkürzt. Gleichzeitig haben
sich die Märkte substanziell entwickelt,
sodass die Margen spürbar zurückge-
gangen sind. Im Oktober 2018 wurde
die deutsch-österreichische Preiszone
aufgetrennt und damit der Stein für
weitere Anpassungen des Markt
designs ins Rollen gebracht. Darüber
hinaus erhöhte sich die Preisvolatilität
in den letzten Jahren deutlich, und
nachdem die Großhandelspreise über
viele Jahre kontinuierlich sanken, trat
2016 eine Trendwende ein.
Die Digitalisierung stellt Schlüssel-
technologienbereit,umdiesenHeraus-
forderungen zu begegnen. So ermög-
lichen Robotic Process Automation
und Desktop Automation erhebliche
Effizienzgewinne im Energiehandel.
Darüber hinaus eröffnen das sich
ändernde Marktdesign und die Digi
talisierung Potenziale für die Erschlie-
ßung neuer Erlösströme. Alle Faktoren
führen schließlich dazu, dass die Kar-
ten auf dem Energiemarkt neu ge-
mischt werden. Wie im Folgenden zu
sehen ist, sind die Survey-Teilnehmer
optimistisch, diese Herausforderungen
zu bewältigen.
Wie Beschaffungsorganisationen in
diesem fordernden energiewirtschaft-
lichen Umfeld agieren, wurde in keiner
jüngeren Studie breit untersucht. EY
und der BDEW haben deshalb einen
repräsentativen Survey in der Fokus-
region Deutschland, Österreich und
der Schweiz mit 90 Teilnehmern
durchgeführt, um herauszufinden,
wie sich die Beschaffung bis zum Jahr
2022 entwickeln wird. Wir wünschen
Ihnen viel Spaß beim Lesen. Sollten
Sie Rückfragen haben oder möchten
Sie einzelne Themenkomplexe disku-
tieren, sprechen Sie uns bitte an.
Editorial
4. 4 | Neue Wege in der Energiebeschaffung
Digitalisierung und Großhandelsregulierung sind bis 2022
die größten Trends in der Energiebeschaffung. Unter aus-
gewählten Geschäftsfeldern erwartet ein Drittel der Be-
fragten ein Wachstum bis 2022 – dezentrales Plattform-
management1
ragt dabei heraus. Die Bereitstellung von
Dienstleistungen für Dritte steht dagegen unter Druck.
Hierzu passt, dass die Survey-Teilnehmer mehrheitlich er-
warten, dass ein hoher Margendruck dazu führt, dass Be-
schaffungseinheiten ihr externes Dienstleistungsportfolio
bereinigen und sich als Dienstleister für den eigenen Ver-
trieb positionieren.
Kernergebnisse
Wir haben 90 Experten in Deutschland, Österreich und der Schweiz zur Entwicklung der
Energiebeschaffung bis zum Jahr 2022 befragt. Wie die folgenden Kernergebnisse zeigen,
blicken die Befragten überwiegend optimistisch in die Zukunft der Energiebeschaffung.
Wir haben bezüglich der drei Fokusthemen Markttrends, Strategie und Organisation
sowie Digitalisierung und IT folgende Erkenntnisse gewonnen:
1 Markttrends
Trotz anhaltender Unsicherheitsfaktoren wie der mögli-
chen weiteren Aufteilung von Preiszonen im Strommarkt
und der Marktgebietszusammenlegung im Gas steigen die
Handelsvolumina auf Spot- und Terminmärkten konstant.
Während die Börsenvolumina im Terminhandel eine Sätti-
gung erreichen, steigen die Spotvolumina als Folge des
sinkenden Vermarktungsvorlaufs in der Kurzfristbewirt-
schaftung rasant. Der Over-the-counter-Handel (OTC-Han-
del) nimmt den Börsen dagegen im Terminhandel Marktan-
teile ab, was unter anderem auf ein starkes Wachstum
digitaler Plattformen zurückzuführen ist.
Die Geschäftsfelder in der Energiebeschaffung befinden sich im Umbruch – Marktteilnehmer spezialisieren sich auf
der Basis eigener Stärken
5. Neue Wege in der Energiebeschaffung | 5
1
plattformbasierte Schnittstelle zum zentralisierten Großhandel: Aggregation dezentraler Erzeugungsanlagen/Speicher, Elektromobile etc.
Entgegen oft geäußerten Bedenken bleibt die Vielfalt der
Teilnehmer in der Energiebeschaffung erhalten. Energie-
versorger betreiben ihre Beschaffungsorganisationen –
überwiegend aus strategischen Gründen wie dem Erhalt
von Know-how im Unternehmen – weiter. Sie investieren
dabei gezielt, um neue Geschäftsfelder zu erschließen und
auf veränderte Marktanforderungen – insbesondere in der
Kurzfristbewirtschaftung – zu reagieren.
2 Strategie und Organisation
Der Blick auf die Entwicklung der Eigenleistungstiefe bis
2022 bestätigt, dass Energieversorger ihre Beschaffung
auf breiter Front weiterbetreiben und gezielt investieren.
Insbesondere Marktprozesse, welche der Entwicklung
neuer Geschäftsfelder dienen, werden bis 2022 verstärkt
in der eigenen Beschaffungseinheit durchgeführt. Dem
steht eine Tendenz zur Prozessauslagerung im Bereich der
Marktfolgeprozesse gegenüber.
Eine überwältigende Mehrheit der Survey-Teilnehmer
bestätigt, dass sie unter „Digitalisierung“ den Aufbau von
Geschäftsmodellen verstehen, die erst durch digitale Tech-
nologien möglich sind. Digitale Schlüsseltechnologien wie
Robotic Process Automation (RPA) und künstliche Intelli-
genz setzen sich mit atemberaubender Geschwindigkeit
durch: Bis 2022 werden die relevanten Technologien bei
der Mehrheit der Energieversorger als Marktstandard
etabliert sein. Einzige Ausnahme bildet hierbei die Block-
chain-Technologie.
3 Digitalisierung und IT
Das größte Hindernis für Digitalisierungsinitiativen besteht
im Bereich „People“: Vor allem die Erhöhung der Anzahl
und die verstärkte digitale Ausbildung der eigenen Mitar-
beiter ist in den Beschaffungseinheiten erforderlich. Feh-
lende Budgets oder mangelnde technologische Reifegrade
sind demgegenüber relevante, aber untergeordnete
Hürden.
EVU investieren in ihre Beschaffung, um Marktchancen in einem sich wandelnden Marktumfeld zu ergreifen und
wertvolles Know-how im Unternehmen zu halten
Digitalisierung ist die Grundlage für neue Geschäftsmodelle in der Energiebeschaffung – die größte Hürde bei der
Umsetzung sind nicht die Technologien selbst
6. Survey-Design und -Methodik
6 | Neue Wege in der Energiebeschaffung
Der vorliegende Survey basiert auf
einer Online-Befragung, die EY und
der BDEW zwischen November 2018
und Januar 2019 durchgeführt haben.
Ziel war die Untersuchung der Energie-
beschaffung von Energieversorgungs-
unternehmen (EVU) in Deutschland,
Österreich und der Schweiz. Da keine
allgemeingültige Definition des Be-
griffs „Energiebeschaffung“ bzw.
„Energiehandel“ existiert (im Folgen-
den „Energiebeschaffung“), haben
wir die Abgrenzung durch die Survey-
Teilnehmer in Form eines Prozess-
schaubilds abgefragt.
Das in Abb. 1 dargestellte EY/BDEW-
Funktionsmodell zeigt die Ablauf
organisation einer typischen Beschaf-
fungseinheit. Kern der operativen
Marktprozesse ist der Handel, in dem
Positionen bestimmt und zerlegt so-
wie der Marktzugang ausgeübt wird.
Zu den weiteren Kernfunktionen zählen
die marktnahen Prozesse für Planung
und operativen Einsatz der zu bewirt-
schaftenden Assets sowie die Modell-
entwicklung und Analyse zur Unter-
stützung der Handelsentscheidung.
Die Marktfolgeprozesse Logistik, zur
Abwicklung des Beschaffungsvor-
gangs, Risiko- und Positionsüber
wachung sowie -reporting werden
ebenfalls als Kernfunktionen einge-
schätzt.
Abb.1: Welche der folgenden Funktionen sind nach Ihrem Verständnis Kernfunktionen
bzw. erweiterte Funktionen in der Beschaffung?
2
inkl. Limite
3
inkl. therm. KW, virtuelles Kraftwerk, Speicher
4
Preis-/Risiko-/Prognosemodelle/Einsatzplanungstools etc.
■ Kern-Beschaffungsfunktionen ■ Erweiterte Beschaffungsfunktionen Zustimmung Kernbeschaffungsfunktion
1. Management
2.1
Risikostrategie
entwickeln2
2.2
Positionen
überwachen
2.3
Reporting
durchführen
2.4
Produkte und Ge-
schäfte freigeben
2.5
Geschäftsprozesse
freigeben
2.6
Ext. Berichtswesen
durchführen
2.7
Operative Risiken
managen
2.8
Marktpreisrisiken
managen
2.9
...
1.3
Unternehmensstrategie
unterstützen
2. Risiko-
management
1.1
Handelsstrategie
entwickeln
1.2
Geschäftsentwicklung
durchführen
9. IT
8. Backoffice
7. Modellentwicklung
und Analyse
6. Logistik
5. Vertrieb
4. Handel
3. KW-Speicher-
Einsatz
9.3
Berechtigungen
managen
8.3
Vertragsmanagement
durchführen
7.3
Wetterdaten
analysieren
6.3
Bilanzkreise
managen
5.3
Abgabepreise
bestimmen
4.3
Eigenhandel
durchführen
3.3
Operativen Einsatz
durchführen (Dispatch)
8.4
...
7.4
...
5.4
...
4.4
...
3.4
...
9.1
IT-Strategie
entwickeln
8.1
Handelsgeschäfte
validieren
7.1
Modelle entwickeln
und pflegen4
6.1
Bilanzkreismanagement
aufsetzen
5.1 Key-
Account-Management
vorbereiten
4.1
Position
bestimmen
3.1
Einsatzplanung
durchführen3
9.2
IT-Handelssysteme
betreiben
8.2
Geschäftsbestätigung
durchführen
7.2
Märkte
analysieren
6.2
Fahrpläne
managen
5.2
Vertriebsposition
bestimmen
4.2
Position
zerlegen
3.2
Kapazitäten managen
und buchen
1.4
...
6.4
...
9.4
...
7. Neue Wege in der Energiebeschaffung | 7
Das Ergebnis zeigt eindeutig, dass die
befragten Unternehmen besonders
marktnahe Prozesse als Kernfunktion
der Beschaffung bewerten. Basierend
auf dieser Erkenntnis und der Beurtei-
lung des Status quo sowie der Trends
in den nächsten drei Jahren beleuch-
tet der Survey folgende Fokusthemen:
• Markttrends
• Strategie und Organisation
• Digitalisierung und IT5
Das Jahr 2022 als Wegweiser in der
deutschen Energiewirtschaft
Für den Survey wurde der Zeitraum
bis zum Jahr 2022 als Untersuchungs-
horizont gewählt, da bis dahin weit
reichende Veränderungen und Um-
brüche in der Energiewirtschaft ins
besondere bei der Stromerzeugung
erfolgen. Allen voran werden in die-
sem Jahr in Deutschland die letzten
Kernkraftwerke vom Netz genommen.
Weiterhin wird der Prozess der Verän-
derung im Stromerzeugungsmix ins-
besondere durch die Bestimmungen
der Kohlekommission – also Verrin
gerung der Erzeugungskapazität aus
Kohlekraftwerken um 12,5 GW6
–
strukturell vorangetrieben und die Be-
deutung von Gaskraftwerken enorm
ansteigen. Gleichzeitig wird erstmals
ein bedeutender Anteil existierender
EEG-Anlagen aus dem Fördermecha-
nismus herausfallen und sich teilweise
in den nicht geförderten Erzeugungs-
mix einreihen. Auch wenn 2022 diese
Veränderungen nicht abgeschlossen
sein werden, geben sie zu diesem
Zeitpunkt eine neue Richtung für die
weitere Entwicklung der Energiewirt-
schaft vor.
5
Siehe das jeweilige Kapitel für genaue Begriffsdefinitionen. Da eine Vielzahl von Begriffen im Bereich Energiebeschaffung mit unterschiedlichem Verständnis
verwendet wird, findet sich im Anhang ein Glossar.
6
Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, Abschlussbericht.
7
Die befragten deutschen und österreichischen Unternehmen repräsentieren rund 50 % der EEX-Teilnehmer im Terminhandel.
8
Zwei Teilnehmer machten keine Angabe.
Abb. 2: Survey-Teilnehmer nach Umsatzgröße und Mitarbeiteranzahl
90 Teilnehmer haben am Beschaf-
fungs-Survey teilgenommen – mit
einem repräsentativen Mix an Be-
schaffungseinheiten teilnehmender
EVU
90 Teilnehmer – davon 6 aus Öster-
reich und 12 aus der Schweiz – nahmen
an der Befragung teil. Dabei handelte
es sich überwiegend um Geschäfts-
führer oder Mitarbeiter in leitender
Funktion innerhalb der Handels- bzw.
Beschaffungsorganisationen von
EVU. Abb. 2 zeigt eine Aufschlüsse-
lung der teilnehmenden Unternehmen
nach Umsatzgröße und Mitarbeiter
anzahl. Da Umsatz, Mitarbeiteranzahl
und Herkunft der Teilnehmer ein
breites Marktspektrum7
abdecken,
ist dieser Survey repräsentativ für die
Energiebeschaffung und -vermarktung
im deutschsprachigen Raum.
unter 100
100–500
über 500
28
16
46
Unternehmensumsatz (Mio. EUR)
1–5
6–10
11–25
26–50
51–100
über 100
28
6
21
17
8
8
Mitarbeiter je Beschaffungseinheit (Anzahl8
)
8. 8 | Neue Wege in der Energiebeschaffung
1
Markttrends
Die Geschäftsfelder in der Energiebeschaffung befinden sich
im Umbruch – Marktteilnehmer spezialisieren sich auf der
Basis eigener Stärken
9. Neue Wege in der Energiebeschaffung | 9
Über alle Wertschöpfungsstufen hinweg haben Branchen- und Technologietrends
radikale Veränderungen der Energiewirtschaft zur Folge. Nationale CO2
-Reduktions-
ziele untermauern den Trend zu einer immer CO2
-ärmeren Stromerzeugung unter
Einbezug neuer Technologien. Endkunden bauen eigene Erzeugungskapazitäten auf,
werden von reinen Abnehmern zu Prosumern und damit Treiber energiewirtschaft
licher Geschäftsmodelle. Gleichzeitig erreicht eine Vielzahl digitaler Technologien und
innovativer Methoden eine breite Marktreife. In diesem Umfeld, welches auch für die
Beschaffung steigenden Wettbewerb bedeutet, prüfen viele Energieversorger ihre
Beschaffungsstrategie.
Dieses Kapitel untersucht die Bedeutung von Megatrends im Beschaffungsmarkt bis
2022, die Attraktivität ausgewählter Geschäftsfelder, die Positionierung von Energie-
versorgern und die Entwicklung von Handelsvolumina.
Digitalisierung ist der prägende Trend der Beschaffung in den
kommenden Jahren
Die Strukturierung der energiewirt-
schaftlichen Megatrends erfolgt oft
über die „4 D“: Digitalisierung, Dekar-
bonisierung, Dezentralität und Demo-
kratisierung (s. Glossar). Abb. 3 zeigt,
dass diese Megatrends im Vergleich
zu anderen für die Beschaffung rele-
vanten Entwicklungen höchst unter-
schiedlich bewertet werden. Der be-
deutendste Trend mit Blick auf das
Jahr 2022 ist die Digitalisierung. 90 %
der Befragten weisen ihr eine sehr
hohe bis hohe Relevanz zu. Kapitel 3
beleuchtet die Digitalisierung in der
Beschaffung im Detail.
Bemerkenswert ist, dass knapp zwei
Drittel der EVU der Großhandelsregu-
lierung in den nächsten drei Jahren
eine hohe Relevanz zuweisen, obwohl
der regulatorische Rahmen in Form
von EMIR, REMIT und MiFID II (siehe
Glossar) usw. bereits vollständig in
Kraft ist. Dies zeigt, dass auch die
Verfeinerung von Regularien (z. B.
Anpassung der REMIT-Meldetabellen)
und periphere Entwicklungen (Markt-
kommunikation 2020, Brexit etc.)
eine hohe Bedeutung für Beschaf-
fungseinheiten haben. Der Demokra
tisierung, also der zunehmenden
Marktpartizipation von Endkunden
als Prosumer, schreiben die Befragten
als einzigem Trend eine mehrheitlich
geringe Bedeutung zu. Damit stellen
professionell organisierte EVU auch
in den nächsten Jahren die einzigen
relevanten Marktakteure in der
Energiebeschaffung dar. Der Ausbau
dezentraler Erzeugungskapazität und
steuerbarer Lasten hat für die Mehr-
heit der Befragten eine hohe Relevanz,
wie die Bewertung des Trends „Dezen-
tralität“ zeigt.
10. 10 | Neue Wege in der Energiebeschaffung
Abb. 3: Welche der ausgewählten Trends haben eine hohe
Relevanz für die Beschaffung?
Im Hinblick auf die Energiebeschaf-
fung wird häufig ein schwieriges
Marktumfeld mit rückläufigen Margen
beschrieben, was Abb. 4 eindrucksvoll
bekräftigt. Demnach geht die Mehr-
heit der Marktteilnehmer – über alle
Größenklassen hinweg – davon aus,
dass Beschaffungsorganisationen ihr
externes Leistungsportfolio konsoli-
dieren und sich vordergründig als
Dienstleister für den eigenen Vertrieb
positionieren werden. 14 % bzw. 16 %
der Befragten rechnen damit, dass
EVU ihr bestehendes Portfolio der
extern angebotenen Dienstleistungen
erweitern oder sich neu als Dienst
leister aufstellen werden. Die Kombi-
nation aus breiter Konsolidierung und
geringfügigem Ausbau der Leistungs-
portfolios lässt erwarten, dass sich
Beschaffungsorganisationen gemäß
ihren relativen Stärken spezialisieren.
Dies wird dadurch gestützt, dass
große Player eher die Chancenper
spektive einnehmen, während mittel-
große und kleine EVU überpropor
tional der Konsolidierungsthese zu-
stimmen.
Infolge des steigenden Margendrucks bereinigen Dienstleister
ihr externes Leistungsportfolio – spezialisierten Anbietern
eröffnen sich neue Geschäftsfelder
Digitalisierung
Großhandels-
regulierung
Dekarbonisierung
Marktkopplung
Dezentralität
Neue
Wettbewerber
Demokratisierung
■ geringe bis sehr geringe Relevanz ■ mittlere Relevanz ■ hohe bis sehr hohe Relevanz
90 % 64 % 62 % 55 % 55 % 36 % 10 %
8 %
13 % 13 %
24 % 18 %
31 %
34 %
2 %
23 % 25 % 21 %
27 %
33 %
56 %
11. Neue Wege in der Energiebeschaffung | 11
Abb. 4: Welcher Hypothese zur Entwicklung der Anbieter-
landschaft handelsnaher Dienstleistungen bis zum
Jahr 2022 stimmen Sie am ehesten zu?
In einem Umfeld der Spezialisierung
bzw. Konsolidierung stellt sich zwangs-
läufig die Frage, welche Geschäfts
felder innerhalb der Energiewirtschaft
zukünftig profitabel sein werden. Wir
haben die Teilnehmer befragt, in wel-
chen Geschäftsfeldern heute bzw.
2022 positive Deckungsbeiträge er-
wirtschaftet werden können (Abb. 5).
Demnach glauben die Befragten, dass
sich gegenwärtig in acht der zwölf
ausgewählten Geschäftsfelder mehr-
heitlich positive Deckungsbeiträge
erwirtschaften lassen. Bis zum Jahr
2022 wird nur zwei Geschäftsfeldern
ein Wachstumspotenzial von mehr als
5 Prozentpunkten zugeschrieben –
allen voran das Management dezent-
raler Plattformen für Prosumer-
Modelle (+45 Prozentpunkte). Dies ist
insoweit bemerkenswert, als dem
Trend der Demokratisierung, d. h.
der Partizipation von Prosumern am
Energiemarkt, nur eine geringe Be-
deutung für die Energiebeschaffung
beigemessen wurde. Dieser schein-
bare Widerspruch kann so interpre-
tiert werden, dass dem Peer-to-Peer-
Handel im B2C9
-Bereich kein Potenzial
zugesprochen wird, B2B10
-Geschäfts-
modellen, in denen Marktteilnehmer
als zentrale Aggregatoren auftreten,
dagegen schon. Weitere Wachstums-
felder sind die Übernahme langfristi-
ger Risiken11
(+20 Prozentpunkte) und
Risikomanagement für Dritte (+4 Pro-
zentpunkte). In acht der zwölf unter-
suchten Geschäftsfelder sehen die
Teilnehmer eine sinkende Wahrschein-
lichkeit, auch im Jahr 2022 positive
Deckungsbeiträge zu erwirtschaften,
wobei dem Portfoliomanagement (–11
Prozentpunkte) bzw. dem Bilanzkreis-
management (–10 Prozentpunkte) für
Dritte der höchste Attraktivitätsver-
lust zugeschrieben wird.
9
Business to Customer
10
Business to Business
11
zum Beispiel nicht nach EEG geförderte erneuerbare Energien oder Ü20-Anlagen mit auslaufender
EEG-Förderung
Konsolidierung der Anbieter von Dienst-
leistungen durch Margendruck – EVU bereinigen
ihr externes Leistungsporfolio
Es tritt eine Vielzahl von EVU in den Markt für
Energiehandelsdienstleistungen ein – zusätzlich
bauen etablierte Anbieter ihr Produktportfolio aus
Aufgrund zunehmender Marktchancen
erweitern viele Anbieter von Energiehandels-
dienstleistungen ihr Produktportfolio
Die Anzahl von Handelsdienstleistern
sowie deren Produktportfolio bleibt im
Wesentlichen unverändert
Der Beschaffungsmarkt entwickelt
sich anbieterseitig zu einem Oligopol
(wenige zentrale Aggregatoren)
51 %
16 %
14 %
13 %
6 %
12. 12 | Neue Wege in der Energiebeschaffung
Abb. 5: In welchen ausgewählten Geschäftsfeldern können gegenwärtig bzw. im Jahr 2022
positive Deckungsbeiträge erwirtschaftet werden?
Die Relevanz dezentraler Assets steigt im Unterschied zur
Bewirtschaftung von Vertriebsportfolios stark an
Wie Abb. 6 verdeutlicht, verändert
sich die Struktur der von den Sur-
vey-Teilnehmern bewirtschafteten As-
sets bis 2022 stark. Dabei verschiebt
sich der Fokus von den Vertriebsport-
folios auf die dezentralen Assets. Die
Bedeutung der Bewirtschaftung von
Vertriebsportfolios sinkt: im B2B-
bzw. B2C-Bereich um 19 bzw. 11 Pro-
zentpunkte. Auf der Erzeugungsseite
werden die Auswirkungen der Dezent-
ralisierung deutlich. Während die Be-
wirtschaftung dezentraler flexibler
Assets bis 2022 signifikant steigt,
verlieren thermische Kraftwerke an
Relevanz. Besonders kräftig fällt das
Wachstum in den Geschäftsfeldern
ungeförderte EE-Anlagen, Batterie-
speicher und flexible Verbraucher
aus.
Status quo 2022
0 %20 %40 %60 %80 % 20 % 40 % 60 % 80 %
11 %
10 %
5 %
7 %
1 %
2 %
3 %
1 %
4 %
1 %
20 %
45 %
Portfoliomanagement für Dritte
Bilanzkreismanagement für Dritte
Marktzugang für Dritte
Bewirtschaftung von Absatzportfolios
Asset-Vermarktung für Dritte
Direktvermarktung EE
Beratung
Pooling und Vermarktung von Regelenergie
Risikomanagement für Dritte
Spekulativer Handel
Übernahme langfristiger Risiken (z. B. PPA)
Dezentrales Plattformmanagement
13. Neue Wege in der Energiebeschaffung | 13
Handelsvolumina für Strom und Gas steigen bis 2022 –
Energiebörsen mit starkem Wachstum im Spothandel und
stagnierenden Volumina im Termingeschäft
Die Handelsvolumina im Energiehandel
sind in den letzten 20 Jahren rasant
gestiegen. In jüngster Vergangenheit
prägten Herausforderungen den
Terminhandel, im Strommarkt vor
allem durch die Teilung der deutsch-
österreichischen Preiszone und die
Diskussion über eine Zerlegung der
einheitlichen deutschen Preiszone,
während im Gasmarkt die Zusammen-
legung der beiden Marktgebiete vor-
angetrieben wird. Der Spothandel ver-
zeichnete ein konstantes Wachstum.
Wir haben die zukünftige Entwicklung
der Handelsvolumina im Strom- und
Gashandel auf der Basis der Survey-
Ergebnisse untersucht (s. Abb. 7 für
die Auswertung des deutschen
Markts). Während die Strom- und Gas-
Terminhandelsvolumina für Deutsch-
land bis 2022 stagnieren, erwarten
die Survey-Teilnehmer im börslichen
Spothandel eine Fortsetzung des
Trends der letzten Jahre mit hohem
Wachstum von 17 % bzw. 14 %. Für
den außerbörslichen Termin- und
Spothandel für Strom und Gas wird
ein Wachstum zwischen 5 % und 9 %
erwartet. Für Broker- und Digitalplatt-
formen wird im Terminhandel ein star-
kes Wachstum prognostiziert (s. Kapi-
tel 3) – es ist davon auszugehen, dass
den Energiebörsen und konventionel-
len Brokerplattformen somit Marktan-
teile abgenommen werden.
Die Ergebnisse für die Schweiz und
Österreich zeigen andere Muster. Für
die Schweiz wird erwartet, dass die
Terminhandelsvolumina für Strom
und Gas um ca. 10 % steigen, während
der OTC-Handel stagniert. Dies
könnte ein Hinweis darauf sein, dass
digitale Plattformen in der Schweiz
noch nicht etabliert sind. Der börsli-
che Strom-Spothandel steigt bei ei-
nem leicht schrumpfenden außerbörs-
lichen Handel um 17 % an.
Österreichische Survey-Teilnehmer
erwarten im Stromhandel einen Bör-
sen- und OTC-Volumenanstieg von ca.
10 % bzw. 6 % und ein Wachstum des
börslichen Spothandels von 29 %.
Abb. 6: Welche Assets bewirtschaftet Ihr Unternehmen?
Status quo 2022
0 %20 %40 %60 %80 %100 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
19 %
11 %
3 %
13 %
2 %
13 %
22 %
0 %
27 %
B2B-Vertriebsportfolio
B2C-Vertriebsportfolio
EE-Anlagen mit Förderung
(Direktvermarktung)
Thermische Kraftwerke (inkl. KWK)
Heizwerke und/oder Wärmespeicher
Flexible Industrieverbraucher
EE-Anlagen ohne Förderung
Gasspeicher
Batteriespeicher
14. 14 | Neue Wege in der Energiebeschaffung
Abb. 7: Wie schätzen Sie die Entwicklung der Handelsvolumina im Energiegroßhandel bis
2022 ein?12
12
Vgl. EEX (17.01.2019): EEX Group erreicht Rekordvolumina an Strom- und Emissionsmärkten; BNetzA: Monitoringbericht 2018
Produktinnovationen setzen sich bis 2022 nicht an
Energiebörsen durch
Jenseits etablierter Base-/Peakload-
Standardprodukte haben Energie
börsen in den vergangenen Jahren
zahlreiche innovative Terminhandels-
produkte eingeführt, um eine markt-
gerechte Absicherung langfristiger
PreisrisikenfürErneuerbare-Energien-
Portfolios zu ermöglichen. Wie Abb. 8
verdeutlicht, glaubt nur jeder fünfte
Survey-Teilnehmer an einen liquiden
Börsenhandel komplexer Produkte im
Jahr 2022. Intraday-Produkte mit
Real-Time-Erfüllung, d. h. einem Gate
Closure unmittelbar vor der physischen
Lieferung, stellen das einzige Kurz-
fristhandelsprodukt in unserer Auf-
zählung dar. Knapp die Hälfte der
Befragten ordnet diesem eine rege
Handelsaktivität im Jahr 2022 zu.
Dennoch steht die Mehrheit der Markt-
teilnehmer (55 %) auch dieser Ent-
wicklung skeptisch gegenüber. Setzen
sich Produkte mit immer kürzeren
Fristigkeiten durch, so führt dies ins-
besondere im Regelenergiemarkt für
Strom zu einem Bedeutungsverlust
gegenüber dem Status quo. Bilanz-
kreisabweichungen, die heute noch
durch Regelleistung ausgeglichen wer-
den, würden in Zukunft durch die
Marktteilnehmer mit kurzfristigen
Produkten selbst eliminiert werden.
Mit Fortschreiten dieser Entwicklung
könnte die von den Übertragungsnetz-
betreibern vorgehaltene Leistungs
kapazität sukzessive abgebaut werden,
wodurch die Verantwortung für die
Netzstabilität teilweise auf die Markt-
teilnehmer übertragen würde. Dies
erfordert jedoch umfassende Anpas-
sungen des bestehenden Marktdesigns.
börslich außerbörslich
■ Status quo ■ 2022
börslich außerbörslich
Strom
Terminbörse
Strom
Spotbörse
Strom
Termin-OTC
Strom
Spot-OTC
Gas
Terminbörse
Gas
Spotbörse
Gas
Termin-OTC
Gas
Spot-OTC
6.000
4.000
2.000
0
600
400
200
0
+3 %
+17 %
+3 %
+14 %
+7 %
+9 %
+5 %
+5 %
Terminhandel[TWh/a]Spothandel[TWh/a]
15. Neue Wege in der Energiebeschaffung | 15
38 %
26 %
18 %
21 %
22 %
16 %
17 %
30 %
23 %
15 %
19 %
45 %
44 %
60 %
64 %
59 %
72 %11 %
Abb. 8: Welche innovativen Börsenprodukte sind im Jahr
2022 liquide handelbar?
Wie Abb. 9 zeigt, verhindert ein Mix
aus internen und externen Faktoren
die Marktdurchdringung innovativer
Börsenprodukte. Knapp drei Viertel
der Befragten nehmen es als großes
Hindernis wahr, dass der Handel
innovativer Börsenprodukte eine zu
geringe Liquidität aufweist. Erschwe-
rend kommt hier hinzu, dass innova-
tive Börsenprodukte eine Standardi-
sierung von naturgemäß nicht
standardisierten Produkten erfordern
– die geringe Passfähigkeit der Pro-
dukte zum eigenen Risikoprofil nen-
nen 59 % der Teilnehmer als größere
Hürde. Da die Mehrheit der Marktak-
teure zusätzlich vor erheblichen inter-
nen Herausforderungen (Schwierig-
keiten bei der Bewertung, restriktive
Handelsstrategien) steht, ergibt sich
eine Henne-Ei-Problematik: Ohne
starke Nachfrage aus dem Markt wird
es für Börsen enorm schwierig, maß-
geschneiderte Produkte mit liquiden
Handelsvolumina anzubieten. Zusätz-
lich führt knapp die Hälfte der Befrag-
ten an, dass gegebene IT-Systeme
nicht flexibel genug seien, um
Nicht-Standardprodukte zu erfassen,
und dass keine ausreichenden Res-
sourcen für eine Handelsaktivität zur
Verfügung stehen.
Abb. 9: Was hindert Marktteilnehmer aus Ihrer Sicht daran, innovative komplexere
Börsenprodukte (z. B. Wetterderivate, PPAs13
) zu handeln?
13
PPAs sind bilaterale langfristige Stromlieferverträge, die zwischen einem Intermediär (EVU/Börse) und einem Endkunden (z. B. Industrieunternehmen)
bzw. Anlagenbetreiber geschlossen werden. Im allgemeinen Verständnis umfassen PPA-Verträge die Lieferung von Strom aus erneuerbaren Energien.
Wetterderivate
Cap-Futures
PPAs(PowerPurchase
Agreements)
Intraday-Produktemit
Real-Time-Erfüllung■ illiquider Handel ■ liquider Handel
18 % 17 % 18 % 45 %
82 % 83 % 82 %
55 %
■ geringes Hindernis
■ mittleres Hindernis
■ großes Hindernis
intern
extern
Geringe Flexibilität der IT-Systeme
Zu wenig Ressourcen (Mitarbeiter/Budget)
Restriktive Handelsstrategie
Unzureichende methodische Fähigkeit
(z. B. Bewertung/Risikomessung)
Geringe Passfähigkeit der Produkte zum eigenen
Risikoprofil (Kontraktspezifikation)
Zu geringe Liquidität
16. 16 | Neue Wege in der Energiebeschaffung
2
Strategie und
Organisation
EVU investieren in ihre Beschaffung, um Marktchancen in
einem volatilen Marktumfeld zu ergreifen und wertvolles
Know-how im Unternehmen zu halten
17. Neue Wege in der Energiebeschaffung | 17
Kapitel 1 zeigte, dass Beschaffungsorganisationen in einem sich wandelnden Umfeld
agieren, weshalb viele Marktteilnehmer ihre strategische Ausrichtung überdenken.
Sowohl Technologie- als auch Branchentrends haben eine hohe Relevanz für EVU. 2022
entwickelt sich zu einem Meilenstein im neuen Energiemarkt: Wie bereits erläutert, wird
der Ausstieg aus der Kernkraft vollzogen und die kohlebasierte Erzeugungskapazität
reduziert, während eine höhere Bedeutung von Gaskraftwerken absehbar ist. Vor dem
Hintergrund des stetig steigenden Anteils von Anlagen mit fluktuierender Einspeisung,
deren Energieerzeugung nur mit kurzen Vorlaufzeiten prognostizierbar ist, verlagert sich
der Schwerpunkt weiter auf den Kurzfristhandel.
Dieses Kapitel untersucht die Reaktionen der Beschaffungsorganisationen auf eine
sich wandelnde Wettbewerbssituation. Ein weiterer Themenfokus liegt auf der Ablauf-
und Aufbauorganisation von Energiebeschaffungseinheiten. Hierbei haben wir uns
auf die Untersuchung der Eigenleistungstiefe und der Bereitschaft zur Auslagerung
nichtstrategischer Funktionen („Make or Buy“) fokussiert.
74 % der EVU betreiben ihre eigene Beschaffung auf Basis
langfristiger Überlegungen weiter
Abb. 10 zeigt die Unternehmensstrate-
gien im Spannungsfeld zwischen Aus-
und Rückbau der eigenen Beschaf-
fungseinheit. Wie zu Beginn des Kapitels
erwähnt, steuert die Energiewirtschaft
auf einen bedeutenden Meilenstein im
Jahr 2022 zu – 40 % bzw. 34 % der
Befragten möchten in diesem Umfeld
Marktchancen wahrnehmen bzw. stra-
tegisch wichtiges Know-how im Unter-
nehmen halten. Nur jeder Siebte gibt
an, dass die eigene Beschaffung bis
zum Jahr 2022 deutlich gegenüber
dem Status quo ausgebaut sein wird.
Andererseits verfolgen nur sehr
wenige Teilnehmer eine Abschöpfungs-
strategie, die als Vorbote für ein Des-
investment interpretiert werden kann.
Abb. 10: Welche der folgenden Aussagen trifft in Bezug auf Ihre Organisation für 2022
erwartungsgemäß am ehesten zu?
■ eigene Beschaffung weitertreiben, um sinkende positive Deckungsbeiträge
bei ausbleibenden Investitionen abzuschöpfen
■ eigene Beschaffung weitertreiben, um im Zuge des Abbaus konventioneller
Erzeugungskapazitäten Marktchancen zu realisieren
■ eigene Beschaffung aus strategischen Gründen offenhalten (z. B. um
wertvolles Know-how im Unternehmen zu halten)
■ Beschaffung aufbauen/signifikant ausbauen, um Marktchancen zu realisieren
■ Beschaffung erfolgt über Dienstleister
4 %
40 %
8 %
14 %
34 %
18. 18 | Neue Wege in der Energiebeschaffung
Die geplanten strategischen Maß-
nahmen werden von Initiativen zur
Ausdehnung des Geschäftsvolumens
(Erhöhung der sogenannten Top Line)
angeführt (Abb. 11). Unabhängig von
der Unternehmensgröße streben vier
von fünf EVU das Erschließen neuer
Geschäftsfelder an. Auch Kooperatio-
nen erfreuen sich mit 60 % großer
Beliebtheit. Investitionen in digitale
Technologien oder funktionale IT-
Systeme haben für 86 % bzw. 59 %
der Befragten eine hohe Bedeutung.
Maßnahmen zur Erhöhung der Profi-
tabilität (Bottom Line, z. B. Effizienz-
programme) stehen bei den Befragten
weniger im Fokus. Immerhin plant
knapp jede dritte Beschaffungsorgani-
sation die Aufgabe nicht rentabler
Geschäftsfelder oder einen Umbau
der eigenen Organisationsstrukturen.
Abb. 11: Welche strategischen Maßnahmen planen Sie in den kommenden Jahren zur
Erhaltung Ihrer Wettbewerbsfähigkeit?
Einführung digitaler Technologien
Einführung neuer IT-Systeme
Erschließung neuer Geschäftsfelder
Kooperationen
Internationalisierung
Insourcing
Änderung Aufbau-/Ablauforganisation
Aufgabe nicht rentabler Geschäftsfelder
Effizienz-Benchmarking
Outsourcing
86 %
59 %
79 %
60 %
16 %
35 %
31 %
24 %
15 %
14 %
41 %
21 %
40 %
84 %
92 %
65 %
69 %
76 %
85 %
■ Maßnahme geplant
■ Maßnahme nicht geplant
Top Line
hybrid
Bottom Line
8 %
19. Neue Wege in der Energiebeschaffung | 19
14
Unternehmen mit Real-Time-Bewirtschaftung verfügen über interne Prozesse, die eine unmittelbare
Reaktion auf Änderungen der Vertriebs- und Erzeugungsposition ermöglichen.
Die Energiebeschaffung für Strom
bewegt sich mit hoher Geschwindigkeit
auf eine Real-Time-Bewirtschaftung zu –
EVU reagieren hierauf mit massiven
Investitionen in ihre Kurzfristbeschaffung
Gerade im Stromhandel gibt es hohe
Anreize für Unternehmen, ihre Last-
prognose genau einzustellen.
Dieser Anreiz zur sogenannten Bilanz-
kreistreue ist ein wichtiger Treiber für
den kurzfristigen Handel. Bei der Be-
wirtschaftung von Kurzfristportfolios
ermöglichen bessere Prognosen so-
wie die Automatisierung der Intraday-
Prozesse und der Betrieb von 24/7-
Schichten eine immer weitere Annä-
herung des Handels an die physische
Lieferung. Wie Abb. 12 aufzeigt, ent-
wickelt sich die kurzfristige Vermark-
tung von Vertriebs- und Erzeugungs-
portfolios bis maximal 15 Minuten vor
der physischen Lieferung zum Markt-
standard und reizt damit das aktuelle
Marktdesign weitestgehend aus. Zwei
Drittel aller Befragten geben an, bis
2022 ihren Vermarktungsvorlauf
reduzieren zu wollen. Da sich 7 % der
Survey-Teilnehmer bereits in der Real-
Time-Bewirtschaftung14
befinden,
plant nur ein Viertel einen Verbleib
im Status quo.
Abb. 12: Was ist der kürzeste Vorlauf Ihrer Positions-
bewirtschaftung im Spothandel (Strom)?
Status quo
■ Real-Time-Bewirt-
schaftung
■ kontinuierlicher Intra-
day-Handel bis 1/4 h
vor Lieferung
■ kontinuierlicher Intra-
day-Handel bis 1 h vor
Lieferung
■ kontinuierlicher Intra-
day-Handel bis 4 h vor
Lieferung
■ Intraday-Auktion
■ Day-Ahead-Auktion
7 %
36 %
16 %
16 %
4 %
21 %
2022
46 %
6 %
8 %
6 %
8 %
25 %
20. 20 | Neue Wege in der Energiebeschaffung
Bis 2022 erhöhen EVU die Eigenleistungstiefe bei Markt-
prozessen –‒ Marktfolgeprozesse werden ausgelagert
Die Auslagerung von Prozessen ist für
Beschaffungseinheiten ein probates
Mittel zur Senkung von Kosten, Auf-
wand und Komplexität, insbesondere
wenn hierbei standardisierte und
statische Anforderungen bestehen.
Abb. 14 zeigt die Selbsteinschätzung
zur Eigenleistungstiefe von Kernbe-
schaffungsfunktionen. Wir sehen,
dass Beschaffungsorganisationen
im Durchschnitt ca. 80 % der Kern-
funktionen selbst bedienen. Über alle
Größenklassen hinweg besteht ein
Trend zur Auslagerung von Prozessen
im Bereich der Marktfolge (Back
office). In anderen Bereichen zeigt
sich eine umgekehrte Tendenz: Für
Marktprozesse (Portfoliomanagement
und Marktzugang) verstärkt sich bis
2022 die Eigendurchführung
(Insourcing).
Diese Beobachtungen entsprechen
den Markterwartungen zur Profita
bilität einzelner Geschäftsfelder
(Abb. 5): In Kernfunktionen wie der
Ausübung des Marktzugangs und
dem Bilanzkreismanagement besteht
gleichzeitig eine sinkende Profitabi
lität und ein Trend zum Insourcing,
während für das Risikomanagement
jeweils die umgekehrte Tendenz gilt.
Wie Abb. 13 zeigt, betrifft die fort-
schreitende Dezentralisierung nahezu
alle EVU: 98 % der Befragten geben
an, Investitionen im Bereich der Kurz-
fristbewirtschaftung zu planen. Die
größte Bedeutung wird Modellen zur
Vorhersage der Kurzfristposition und
den Fähigkeiten der eigenen Mitarbei-
ter zugeschrieben: Hier planen jeweils
79 % der Befragten Investitionen.
Insgesamt 77 % der Befragten wollen
neue Software kaufen oder beste-
hende Lösungen erweitern. Führend
sind hierbei Auto-/Algo-Trading-
Systeme mit 68 %.
Abb. 13: Welche Investitionen müssen Beschaffungseinheiten aus Marktperspektive Ihrer
Meinung nach vornehmen, um Herausforderungen der Dezentralisierung und der
steigenden Bedeutung des Kurzfristhandels zu bewältigen?
Modelle zur Kurzfristprognose
Investitionen geplant?
Fähigkeiten der Mitarbeiter
IT-Systeme für das Auto-Trading bzw. Algo-Trading
IT-Systeme zur Erfassung von Handelsgeschäften
IT-Infrastruktur
IT-Systeme für die Kraftwerkseinsatzplanung
79 %
79 %
68 %
60 %
61 %
41 %
98 %
21 %
21 %
32 %
40 %
39 %
59 %
2 %
Art der Investition:
■ ja ■ nein
■ Investition notwendig
■ Investition nicht notwendig
21. Neue Wege in der Energiebeschaffung | 21
Abb. 14: Welche der ausgewählten Funktionen führen Sie gegenwärtig und voraussichtlich
im Jahr 2022 selbst durch?
Auf der Basis der Umfrageergebnisse
ließe sich die Hypothese aufstellen,
dass Beschaffungsorganisationen be-
sonders die Prozesse auslagern, die
sie nicht als erfolgskritisch betrachten.
Wie Abb. 15 zeigt, lässt sich diese
These nur bedingt halten. Mittelgroße
und kleine EVU stehen der Aussage
vordergründig neutral gegenüber,
während sie von der Hälfte der großen
Player sogar abgelehnt wird. 12 % der
Befragten aus letzterer Gruppe wider-
sprechen dem Ansatz des maximalen
Outsourcings. Dies unterstreicht die
Notwendigkeit, bei komplexen Ab
läufen die gesamte Prozesskette
unter Kontrolle zu behalten.
Abb. 15: Inwiefern stimmen Sie der Aussage „Für unsere Organisation gilt die Prämisse:
‚Alle Funktionen, die nicht strategisch sind und auslagert werden können, werden
ausgelagert‘“ zu?
Status quo 2022
70 %75 %80 %85 %90 %95 % 75 % 80 % 85 % 90 % 95 %
Märkte analysieren
Last-/Erzeugungsprognose erstellen
Position bestimmen und zerlegen
Marktzugang ausüben
Operativen Einsatz durchführen (Dispatch)
Handelsgeschäfte validieren und bestätigen
Marktpreis- und Kreditrisiken
managen
Bilanzkreise managen
Reporting durchführen
Externes Berichtswesen durchführen
Markt
Markt-
folge
TradeLifeCycle
unter 100 Mio. Euro 100 bis 500 Mio. Euro über 500 Mio. Euro
■ stimme voll zu
■ stimme eher zu
■ neutral
■ stimme eher nicht zu
■ stimme gar nicht zu
5 % 6 % 5 %
25 % 25 % 24 %
40 % 38 %
24 %
25 % 31 %
36 %
5 %
12 %
Größenklassen der EVU (nach Umsatz)
3 %
2 %
1 %
3 %
1 %
2 %
4 %
1 %
0 %
0 %
22. 22 | Neue Wege in der Energiebeschaffung
3
Digitalisierung und IT
Digitalisierung ist die Grundlage für neue Geschäftsmodelle
in der Energiebeschaffung – die größte Hürde bei der
Umsetzung sind nicht die Technologien selbst
23. Neue Wege in der Energiebeschaffung | 23
Bereits die Auswertung der Markttrends in Kapitel 1 zeigte, dass die Digitalisierung den
Top-Trend in der Energiebeschaffung darstellt. In Erwartung einer hohen Bedeutung
der Digitalisierung und angesichts eines Mangels an belastbaren Untersuchungen ihrer
Rolle in der Energiebeschaffung wurde das Thema bereits bei der Survey-Konzeption als
Schwerpunkt festgelegt.
Das nachfolgende Kapitel beleuchtet das Verständnis des Digitalisierungsbegriffs inner-
halb der Energiebeschaffung, die Reife von Digitalisierungsstrategien und den Einsatz
digitaler Schlüsseltechnologien.
Die „digitale Beschaffung“ führt neue Technologien
ein und erschließt digitale Geschäftsmodelle
Das Verständnis des inflationär
gebrauchten Schlagwortes „Digitali-
sierung“ wurde für die Energiebe-
schaffung bislang nur unzureichend
untersucht. Diese Lücke soll erstmals
durch diesen repräsentativen Survey
geschlossen werden. Beschaffungs-
einheiten verfügen im Umgang mit
Informationstechnologien historisch
bedingt über große Erfahrung, da
sämtliche Prozesse in hohem Maße
systemgestützt sind. Wie in Abb. 16
dargestellt, versteht eine signifikante
Mehrheit der Befragten unter Digitali-
sierung die Abschaffung analoger,
also i. d. R. bestehender Prozesse
durch neue Technologien wie Desktop
Automation oder künstliche Intelligenz.
Eine ähnliche Bedeutung kommt der
Entwicklung von Geschäftsmodellen
zu, die durch digitale Technologien
überhaupt erst möglich werden.
Immerhin knapp zwei Drittel der Be-
fragten ordnen auch die Einführung
einer modernen IT-Infrastruktur der
Digitalisierung zu.
Überraschenderweise fällt nur für
eine Minderheit die Anwendung agiler
Methoden unter den Digitalisierungs-
Abb. 16: Was verstehen Sie unter Digitalisierung in der Beschaffung?
begriff. Ursprünglich als Innovations-
methode im Software Engineering
eingeführt, werden die Vorzüge dieses
Ansatzes in vielen Branchen genutzt,
um der hohen Marktdynamik im Zeit-
alter der Digitalisierung zu begegnen.
In unserer täglichen Projektarbeit
sehen wir, dass Handelseinheiten, die
agile Methoden zielgerichtet einsetzen,
eine hohe Erfolgsquote bei der Um-
setzung digitaler Projekte haben.
90 %
84 %
63 %
33 %
25 %
10 %
16 %
37 %
67 %
75 %
■ Zustimmung
■ keine Zustimmung
Digitalisierung bestehender Geschäftsmodelle/
Prozesse auf der Basis neuer Technologien
Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle
Einführung einer zukunftsfähigen IT-Infrastruktur
Anwendung agiler Methoden
Digitale Schulung und Weiterbildung
24. 24 | Neue Wege in der Energiebeschaffung
Abb. 17: Welchen Top-Nutzen versprechen Sie sich von der Digitalisierung?
Abb. 17 zeigt, welchen Top-Nutzen
sich die Befragten von der Digitalisie-
rung versprechen. Die Antworten
hierauf sind äußerst unterschiedlich:
Große und mittelgroße EVU beab
sichtigen primär die Steigerung ihrer
Performance (Umsatzsteigerung),
gleichzeitig aber auch eine Effizienz-
erhöhung (Kostensenkung). Für
kleine EVU steht die Erschließung
neuer Geschäftsfelder im Vorder-
grund. Sie sind aber auch die einzige
Gruppe, in der Einzelvertreter der
Digitalisierung in einem höheren
Maß keine Relevanz zuschreiben. Nur
mittelgroße und kleine EVU bauen
Know-how aus strategischen Über
legungen auf. Dies lässt sich so deuten,
dass die Beschaffung aufgrund der
bereits umfassenden IT-Infrastruktur
und IT-nahen Prozesslandschaft als
Katalysator für die Digitalisierung im
eigenen Unternehmen angesehen
wird.
unter 100 Mio. Euro 100 bis 500 Mio. Euro über 500 Mio. Euro
■ Steigerung der Performance
■ Steigerung der Effizienz
■ Aufbau neuer Geschäftsmodelle
■ Aufbau von Know-how (strategisch)
■ Digitalisierung hat keine wesentliche Relevanz
4 %
32 %
38 % 36 %
42 %
19 %
36 %
11 %
5 %
26 %
2 %
Größenklassen der EVU (nach Umsatz)
11 %
38 %
25. Neue Wege in der Energiebeschaffung | 25
Abb. 18: Verfügt Ihre Beschaffungseinheit über eine Digitalisierungsstrategie?
Erwartungsgemäß beschäftigen sich
Beschaffungsorganisationen mit
zunehmender Umsatzhöhe intensiver
mit der Erarbeitung einer strukturier-
ten Digitalisierungsstrategie. Abb. 18
bestätigt dies: Zwei Drittel der befrag-
ten EVU – insbesondere mittelgroße
und kleine Beschaffungseinheiten –
verfügen nach eigener Aussage über
eine grundlegende (jedoch nicht aus-
gereifte) Strategie. Dies deutet dar-
auf hin, dass die große Mehrheit der
Beschaffungseinheiten über keine
belastbare Roadmap für die Digitali-
sierung verfügt. Trotz des aktuellen
Zustandes plant weniger als ein
Fünftel der Befragten bis 2022 die
Neu- oder Weiterentwicklung der
eigenen Digitalisierungsstrategie.
Bis 2022 verfügt nur die Minderheit
der EVU über eine belastbare
Digitalisierungs-Roadmap für die
Beschaffung
unter 100 Mio. Euro 100 bis 500 Mio. Euro über 500 Mio. Euro
■ ausgereifte Strategie wurde entwickelt
■ ausgereifte Strategie bis 2022 geplant
■ einfache Strategie wurde entwickelt
■ einfache Strategie bis 2022 geplant
■ allgemeine Digitalisierungstrategie vorgegeben
■ keine Strategie entwickelt oder in Planung
5 %
39 % 38 %
10 %
6 %
31 %
13 %
17 %
23 %
3 %
Größenklassen der EVU (nach Umsatz)
33 %
8 %
15 %
8 %
28 %
23 %
26. 26 | Neue Wege in der Energiebeschaffung
Die Digitalisierung in der Beschaffung wird nach dem
Top-down-Prinzip vorangetrieben
Die Umsetzung der Digitalisierung ist
in Beschaffungsorganisationen Chef-
sache. In 66 % bzw. 73 % der EVU sind
Vorstände bzw. Leiter der Beschaf-
fung für die Digitalisierung zuständig
(Abb. 19). Die eigene IT nimmt diese
Rolle nur zu 39 % wahr. Demnach
erfolgt die Digitalisierung der Energie-
beschaffung vor allem auf der Basis
von Geschäftsanforderungen und
wird selten unmittelbar von den
IT-Verantwortlichen getrieben. Den-
noch sind knapp zwei Drittel der ge-
nannten Treiber intern.
Bemerkenswerterweise sind die eige-
nen Kunden nur bei 29 % der Befrag-
ten Impulsgeber für ihre Digitalisie-
rung. Häufig werden entsprechende
Kundenanfragen direkt an den Be-
schaffungsleiter adressiert, der sie
dann umsetzt.
Abb. 19: Wer treibt in Ihrem Unternehmen die Digitalisierung in der Beschaffung voran?
Leiter Beschaffung/Handel
Vorstand/Geschäftsführung
Interne IT
Marktplatz (z. B. Börse)
Kunden
IT-Kooperation
Externer IT-Dienstleister
Start-ups (z. B. Kooperationen)
Unternehmensberater
Commodity-Lieferanten
Verbände
73 %
66 %
39 %
30 %
29 %
15 %
14 %
27 %
34 %
61 %
70 %
71 %
85 %
86 %
87 %
91 %
96 %
99 %
■ Treiber
■ kein Treiber
extern
intern
13 %
9 %
4 %
1 %
27. Neue Wege in der Energiebeschaffung | 27
Digitale Schlüsseltechnologien entwickeln sich bis 2022
zum Marktstandard in der Beschaffung – die Blockchain
noch nicht
Die Survey-Teilnehmer bewerten das
Automatisierungspotenzial in den
Marktfolge- bzw. Marktprozessen
ihrer Organisation zu 61 % bzw. 56 %
als hoch. Lediglich 4 % sehen in ihrer
Beschaffung kein weiteres Automati-
sierungspotenzial. Gegenwärtig setzt
nur eine Minderheit der EVU digitale
Schlüsseltechnologien wie Analytics,
RPA oder künstliche Intelligenz in der
Energiebeschaffung ein (Abb. 20).
Dies wird sich bis 2022 fundamental
ändern: Nahezu alle Technologien
werden bei der Mehrheit der befragten
Unternehmen entweder vollständig
oder als Pilot implementiert sein. Die
Automatisierungstechnologien Desk-
top Automation und RPA werden dann
bei 82 % bzw. 60 % der Unternehmen
umgesetzt sein.
Auch künstliche Intelligenz (die
„Automation der Automation“) ist
2022 bei der Mehrheit der Beschaf-
fungseinheiten im Einsatz. Das größte
relative Wachstum verzeichnen Analy-
tics-Anwendungen, also die Verarbei-
tung großer Datenmengen (+46 Pro-
zentpunkte gegenüber dem Status
quo). Die einzige Technologie, die sich
nicht durchsetzen kann, ist die Block-
chain-Technologie, welche lange in al-
ler Munde war. Obwohl zahlreiche Pi-
lotprojekte in der Energiewirtschaft
angestoßen wurden, plant nur ein
Viertel der Befragten im Jahr 2022
ihren Einsatz – hierunter fallen fast
ausschließlich große Beschaffungs
einheiten mit mehr als 50 Mitarbei-
tern. Es scheint, als stünde mit der
Blockchain ein mächtiges Werkzeug
zur Verfügung, für das in der Ener
giebeschaffung jedoch die breiten
Anwendungsfälle fehlen.
Abb. 20: Welche digitalen Schlüsseltechnologien werden im Jahr 2022 erwartungsgemäß
in Ihrem Unternehmen implementiert sein?
Desktop
Automation
Desktop
Automation
(2022)
Analytics Analytics
(2022)
RPA RPA
(2022)
Künstliche
Intelligenz
Künstliche
Intelligenz
(2022)
Blockchain Blockchain
(2022)
47 % 25 % 19 % 60 % 42 % 27 %10 %71 %82 %
6 %
10 %
9 %
8 %
3 %
5 %
5 %
8 %
13 %
12 %
11 %
8 %
15 %
17 %
12 %
14 %
22 %
20 %
22 %
10 %
12 %
14 %
30 %
25 %
30 %
40 %
56 %
19 % 20 %
36 %
43 %
8 %
8 %
8 %
8 %
■ Technologie nicht im Einsatz ■ Analyse in Arbeit ■ Konzeptphase abgeschlossen ■ Pilotphase abgeschlossen ■ Implementierungsphase abgeschlossen
6 %
11 %
6 %
3 %
2 %
2 %
28. 28 | Neue Wege in der Energiebeschaffung
Größtes Hindernis der Digitalisierung ist die unzureichende
Anzahl entsprechend spezialisierter Mitarbeiter und nicht die
Technologien selbst
Wie sich herausgestellt hat, setzen
sich digitale Technologien überra-
schend schnell durch. Doch was sind
die Hürden, die Digitalisierungsinitia
tiven entgegenstehen? Das Umfrage
ergebnis (Abb. 21) zeigt eindeutig:
Der Themenkomplex „People“ lähmt
Unternehmen stärker als „Strategy“
oder „Technology“. Demnach besteht
das Top-Hindernis darin, dass inner-
halb der eigenen Organisation zu
wenig Mitarbeiter verfügbar sind bzw.
zu wenige, die über eine ausreichende
Qualifizierung verfügen. Es lässt sich
erkennen, dass die Hürden für digitale
Technologien eher wirtschaftlich und
nicht technologisch sind. Kein einziger
Survey-Teilnehmer bewertete das
Tempo des extern getriebenen tech-
nologischen Fortschritts als zu hoch –
eher scheitert es an der unter
nehmensinternen Umsetzung
aufgrund von mangelndem Daten-
schutz oder antiquierten IT-Struktu-
ren. Im Bereich der Strategie fehlen
am häufigsten ein Zielbild („Was wol-
len wir erreichen?“) oder das Budget.
Abb. 21: Welche wesentlichen Hindernisse für Digitalisierungsinitiativen bestehen
für Ihre Beschaffungseinheit?
Zu geringe Anzahl an Ressourcen
Unzureichende Qualität der Mitarbeiter
Mitarbeitervorbehalte
Fehlender Business Case
Fehlendes Zielbild
Fehlendes Budget
Hemmnisse in der Aufbauorganisation
Fehlende Kooperationspartner
Fehlende Steuermodelle
Technologie nicht ausgereift
Mangel an Use Cases
Datenschutzanforderungen
Antiquierte IT-Infrastruktur
Technischer Fortschritt zu schnell
65 %
38 %
14 %
41 %
31 %
30 %
24%
35 %
62 %
86 %
59 %
69 %
70 %
76 %
85 %
96 %
69 %
77 %
77 %
80 %
100 %
■ Hindernis
■ kein Hindernis
Strategy
People
15 %
4 %
31 %
23 %
23 %
20 %
Technology
29. Abb. 22: Welchen Hypothesen über digitale Plattformen in der Beschaffung stimmen Sie zu?
Neue Wege in der Energiebeschaffung | 29
Die Bedeutung digitaler Plattformen in der Energiebeschaffung
steigt
Digitale Plattformen stellen inner-
halb der Energiebeschaffung einen
aktuellen Trend dar. Seit Anfang 2017
etablierten sich mehrere Beschaf-
fungsplattformen, die ihre (ursprüng-
lich vor allem Nicht-Standardprodukte
umfassende) Produktpalette konti
nuierlich erweiterten. Abb. 22 zeigt,
dass die Survey-Teilnehmer Platt
formen ein hohes Potenzial zuschrei-
ben. 62 % der Befragten erwarten
stark steigende Handelsvolumina für
digitale Plattformen. Großes Potenzial
wird besonders dem Handel mit Stan-
dardprodukten zugeschrieben – damit
greifen digitale Plattformen Energie-
börsen in deren Kerngeschäft an. Es
wird deutlich, dass Plattformen eine
Bereicherung für den Beschaffungs-
markt darstellen, aber die Spielregeln
des Marktes nicht grundsätzlich um-
wälzen. Einerseits erwarten nur 5 %,
dass gegenüber etablierten Beschaf-
fungsmodellen kein Mehrwert besteht,
andererseits glauben lediglich 14 %
der Befragten an radikale Kostensen-
kungen durch Plattformangebote.
Die über digitale Plattformen gehandelten
Volumina steigen bis 2022 sehr stark
Digitale Plattformen bieten gegenüber etablier-
ten Beschaffungsmodellen einen Mehrwert
Digitale Plattformen sind für den Handel von
Standardprodukten besonders geeignet
Digitale Plattformen sind für den Handel von
Nicht-Standardprodukten besonders geeignet
Bis 2022 werden Handelsvolumina von Energie-
börsen auf digitale Plattformen transferiert
62 %
54 %
35 %
30 %
95 %
38 %
46 %
65 %
70 %
5 %
■ Zustimmung
■ keine Zustimmung
Digitale Plattformen repräsentieren einen
vollkommen neuartigen Beschaffungskanal
Digitale Plattformen senken die Beschaffungs-
kosten enorm
30 %
14 %
70 %
86 %
30. 30 | Neue Wege in der Energiebeschaffung
Abb. 23: Wird Ihr Unternehmen im Jahr 2022 IT-Systeme für die Beschaffung in einer
Cloud betreiben?
Wird im Zuge der Digitalisierung von
modernen IT-Strukturen gesprochen,
dann sind vordergründig Cloud-Tech-
nologien im Fokus. Diese zeichnen
sich z. B. durch Vorteile wie Skalier-
barkeit, Kostenreduktion und Hoch-
verfügbarkeit von Systemen aus.
80 % der Survey-Teilnehmer nutzen
Cloud-Technologien bereits aktiv
oder planen ihren Einsatz. Abb. 23
schlüsselt den Einsatz nach Unterneh-
mensgröße auf. Wenig überraschend
korreliert der Einsatz von Cloud-Tech-
nologien stark mit der Unternehmens-
größe. 8 % der EVU mit einem Umsatz
über 100 Mio. Euro betreiben sogar
sämtliche IT-Systeme in der Cloud.
Bei mittelgroßen und kleinen EVU
scheitert der Einsatz von Cloud-
Technologien vordergründig an
Sicherheitsbedenken.
unter 100 Mio. Euro 100 bis 500 Mio. Euro über 500 Mio. Euro
■ kein Cloud-Betrieb aufgrund von
Sicherheitsrisiken
■ kein Cloud-Betrieb aufgrund fehlender
Anforderung aus Geschäftsprozessen
■ Cloud-Betrieb bis 2022 in Erwägung (für alle/
einzelne IT-Systeme)
■ Cloud-Betrieb bis 2022 fest geplant (für alle/
einzelne IT-Systeme)
■ Cloud-Betrieb einzelner IT-Systeme erfolgt
bereits
■ Cloud-Betrieb aller IT-Systeme erfolgt bereits
8 % 23 %
38 %
8 %
36 %
Größenklassen der EVU (nach Umsatz)
25 %
8 %
8 %
23 %
17 %
11 %
34 %
25 %
8 %
25 %
3 %
31. Neue Wege in der Energiebeschaffung | 31
Etablierte Player erwarten keinen
Markteintritt von Technologiekonzernen
wie Amazon und Google
Seit geraumer Zeit wird prognosti-
ziert, dass es nur eine Frage der Zeit
sei, bis Technologiekonzerne wie
Amazon oder Google in der Energie-
wirtschaft Fuß fassen. Tatsächlich ist
es durchaus vorstellbar, dass diese
Unternehmen ihren Kunden Strom-
und Gastarife per „One-Klick“-Option
als Bündelprodukt mit anderen Pro-
dukten (insbesondere im Bereich
Smart Home) anbieten werden. Bei
der Entschlossenheit, die man von
Technologiekonzernen beim Eintritt in
andere Geschäftsfelder kennt, ist zu
erwarten, dass sie auch im Beschaf-
fungsmarkt ein hohes Tempo vorlegen
und somit eigene Beschaffungsorga-
nisationen aufbauen, anstatt über
Dienstleister im Markt aktiv zu werden.
Wie Abb. 24 verdeutlicht, glauben die
Marktteilnehmer jedoch nicht an eine
solche Entwicklung: Nur 31 % der Be-
fragten äußerten ihre volle oder überwie-
gende Zustimmung zu dieser Aussage.
Abb. 24: Inwiefern stimmen Sie der Aussage „Technologie-
unternehmen (z. B. Amazon, Google, Apple)
werden sich im Jahr 2022 im Beschaffungsmarkt
(inkl. Commodity-Vertrieb) etabliert haben“ zu?
Stimme voll zu
Stimme eher zu
Neutral
Stimme eher nicht zu
Stimme gar nicht zu
6 %
25 %
25 %
33 %
11 %
32. 32 | Neue Wege in der Energiebeschaffung
Empfehlungen
Die Ergebnisse des Beschaffungs-Surveys liegen auf der Hand: Die Anzahl der aktiven
Marktteilnehmer in der Beschaffung bleibt konstant, während die Digitalisierung
mit hohem, aber beherrschbarem Tempo voranschreitet. Darüber hinaus wird sich
der Vermarktungsvorlauf so stark verkürzen, dass die voranschreitende Real-Time-
Bewirtschaftung primär regulatorische statt technologische Hürden überwinden muss.
Unabhängig von der Unternehmensgröße stehen EVU bei der Bewältigung der vorge-
stellten Trends und Marktentwicklungen vor vergleichbaren Herausforderungen. Wir
schlagen daher vor, den Fahrplan für die digitale Energiebeschaffung anhand des in
Abb. 25 dargestellten Rahmens zu reflektieren.
33. Neue Wege in der Energiebeschaffung | 33
15
Die Value Proposition stellt den spezifischen Nutzen bzw. Mehrwert eines Unternehmens dar, den ein
Kunde durch dessen Produkte oder Services erhält.
Abb. 25: EY-Management-Framework für die digitale
Energiebeschaffung
Strategie
Die Beschaffungsstrategie umfasst
das Zielsystem inkl. aller Maßnahmen
zur Sicherung des langfristigen Unter-
nehmenserfolgs. Die Implikationen
der in Kapitel 1 genannten Trends
sind genau zu prüfen. Digitalisierung
ist der führende Markttrend in der
Energiebeschaffung – das Vorliegen
einer belastbaren Digitalisierungs-
Roadmap ist dennoch kein selbstver-
ständlicher Teil der Strategie von
Beschaffungsorganisationen. Die
externe Sicht ist mit der internen
Perspektive zu verknüpfen – wie unser
Survey zeigt, prüfen EVU auf der Ba-
sis ihrer Value Proposition15
, welche
Dienstleistungen zum eigenen Portfo-
lio passen. Es ist unverzichtbar, dass
die Beschaffungsstrategie dokumen-
tiert und kommuniziert ist. Bei größe-
ren Richtungswechseln ist ein ange-
messenes Change-Management
sicherzustellen.
Organisation
Die Heterogenität von Beschaffungs-
organisationen lässt keine allgemein-
gültigen Erfolgsformeln zu, jedoch
erfordert die Geschwindigkeit des
digitalen Zeitalters schnelle Entschei-
dungswege. Daher müssen die inter-
nen Strukturen auch bei komplexen
Sachverhalten reibungslose Abläufe
ohne Kompetenzkonflikte garantie-
ren. Es ist unerlässlich, „end to end“
zu denken, d. h. vom Kundenbe
dürfnis bis zur fertigen Produktlösung
(inkl. IT). Im Moment spezifizieren
betroffene Abteilungen ihre Anforde-
rungen in der Regel auf der Basis der
gegebenen Prozess- und Systemland-
schaft. Zur Entwicklung neuer digitaler
Lösungen ist es sinnvoll, die Gesamt-
verantwortung an einen Digitalisie-
rungsmanager zu übertragen, der
sowohl die Geschäfts- als auch die
IT-Perspektive im Blick hat.
Systeme und IT
Beschaffungseinheiten beschäftigen
sich seit jeher intensiv mit den The-
menkomplexen Prozesse, Software
und IT-Infrastruktur. Wie bereits in der
Erläuterung zu „Strategie“ beschrie-
ben, ist eine zeitnahe Prüfung digita-
ler Technologien und die Erstellung ei-
ner Roadmap unverzichtbar.
Selbstverständlich müssen nicht alle
Technologien im eigenen
Strategie
Organisation
Systeme und IT
Kultur
Personen
Fähigkeiten
Harte
Faktoren
Weiche
Faktoren
34. 34 | Neue Wege in der Energiebeschaffung
Unternehmen zur Anwendung kom-
men; konzeptionell sollten sich EVU
jedoch mit allen Schlüsseltechnolo-
gien befassen, um den Überblick be-
züglich neuer technologischer Ent-
wicklungen zu behalten. Aufgrund der
zunehmenden Bedeutung des Kurz-
fristhandels sind Auto- und Algo-Tra-
ding-Systeme wie auch Prognosemo-
delle auf dem Vormarsch. Häufig
auftretende Schnittstellenkonflikte
können auf der Basis von Automatisie
rungstechnologien wie Desktop Auto-
mation oder RPA behoben werden.
Kultur
In einer schnellen, vernetzten Welt
muss der Fokus darauf liegen, eine
Kooperationskultur (nicht nur auf
dem Papier) zu leben. Außerdem
erfordert dieses Umfeld eine hohe
Reaktionsfähigkeit, wie sie zum Bei-
spiel durch agile Arbeitsweisen er-
möglicht wird. Mit zunehmender Au-
tomatisierung wird der Fokus der
täglichen Arbeit eher auf der Überwa-
chung vieler statt auf der operativen
Durchführung weniger Aufgaben lie-
gen. Dadurch steigt die Anzahl der
Prozesse, in die einzelne Mitarbeiter
involviert sind. Dieses steigende Maß
an Verantwortung erfordert unter-
nehmerisches Denken bis auf die Ar-
beitsebene. Oft wird im Zuge der Digi-
talisierung zur Etablierung einer
expliziten Fehlerkultur geraten, in der
Lernerfahrungen durch Scheitern ge-
wonnen werden. Dies steht für Be-
schaffungseinheiten aufgrund ihrer
historischen IT-Erfahrungen nicht im
Fokus. In einem fordernden Marktum-
feld ist die Bereitstellung entspre-
chender Budgets ohnehin schwierig.
Personal
Für hochautomatisierte Beschaffungs-
einheiten zählt in Zeiten des Talent-
mangels Qualität statt Quantität: Es
ist nicht notwendig, Heerscharen an
„Digital Experts“ einzustellen – viel-
mehr muss alles dafür getan werden,
erfolgskritische Schlüsselpositionen
adäquat zu besetzen. Ist das richtige
Mindset nicht im eigenen Unterneh-
men zu finden, kann rekrutiert wer-
den. Weiterhin ist darauf zu achten,
dass bestehende Teams im Hinblick
auf Fähigkeiten, Altersstruktur und
Ausbildungshintergrund heterogen
aufgestellt sind. Zahlreiche Studien
35. Neue Wege in der Energiebeschaffung | 35
belegen, dass divers aufgestellte
Teams eine bessere Performance
aufweisen.
Fähigkeiten
Unter „Fähigkeiten“ sind die Kompe-
tenzen der Gesamtorganisation und
nicht diejenigen individueller Mit
arbeiter zu verstehen. Dies sind z. B.
die Tools und Modelle, die zur Be
wältigung der immer kürzeren Vor-
laufzeiten in der Portfoliobewirt
schaftung benötigt werden. Andere
Fragestellungen sind der Aufbau eines
bereichsübergreifenden Innovations-
managementsoderobfürdenThemen-
komplex „Intelligente Automatisierung“
unternehmensintern ein „Center of
Excellence“ aufgebaut werden soll.
Fragen wie diese können beantwortet
werden, indem hinterfragt wird, welche
Wettbewerbsvorteile durch die ent-
sprechenden Fähigkeiten zu erzielen
sind. Dennoch stehen auch funktio-
nale Fähigkeiten, z. B. ein adäquates
Risikomanagement, angesichts ver
änderter Marktanforderungen im
Fokus.
36. 36 | Neue Wege in der Energiebeschaffung
Glossar
Analytics
Bewirtschaftung mehrerer Verträge
Blockchain
Dekarbonisierung
Demokratisierung
Desktop Automation
dezentrales Plattformmanagement
Dezentralisierung
digitale Plattformen
Digitalisierung
EMIR
Großhandelsregulierung
Big-Data-Analysen, standardisierte Verarbeitung und Auswertung großer
Datenmengen
auch „Mehrlieferantenmodell“: Bezug der benötigten Energiemenge über
mehrere Lieferverträge von einem oder mehreren Anbietern, z. B. Kombination
aus Bandlieferung(en) und flexiblen Verträgen mit Bewirtschaftung im eigenen
Bilanzkreis
Technologie zur Abwicklung von Peer-to-Peer-Transaktionen, die Teilnehmern
gleichberechtigten Zugriff auf unveränderliche und fälschungssichere Daten
bietet
Umstellung der Energieerzeugung auf Technologien mit niedriger
Kohlenstoffemission
Stärkung der Bedeutung des Endkunden in der Energiewirtschaft, insbe
sondere über Prosumer-Modelle
Automatisierung repetitiver Tätigkeiten zur Verarbeitung strukturierter Daten
mittels Standardsoftware (z. B. ablaufbasiert durch Portfoliomanagement-
oder Auto-Trading-Systeme) oder Individuallösungen (z. B. Python, VBA)
plattformbasierte Schnittstelle zum zentralisierten Großhandel: Aggregation
dezentraler Erzeugungsanlagen/Speicher, Elektromobile etc.
verbrauchernahe Erzeugung von Energie, z. B. mittels Kleinkraftwerken oder
über den Ausbau regenerativer Technologien wie PV und Onshore-Wind
internetbasierter Marktplatz zur Durchführung und Abwicklung digitaler Inter-
aktionen und datenbasierter Transaktionen; im Rahmen dieser Befragung lag
der Fokus auf transaktionalen B2B-Beschaffungsplattformen, die Teilnehmer
im zentralisierten Energiehandel vernetzen, z. B. für den Handel von
Standardprodukten
Verbreitung digitaler Technologien (z. B. Big-Data-Anwendungen, Blockchain)
und fortschrittlicher IT-Infrastrukturen (z. B. Cloud)
die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Trans-
aktionsregister (Kurzbezeichnung „EMIR“, abgeleitet aus dem Englischen
„European Market Infrastructure Regulation“): eine europäische Finanzmarkt-
regulierung, die im Kern den OTC-Handel mit Derivaten und deren Clearing
behandelt und eine allgemeine Transaktionsmeldepflicht für Derivate einführte
Veränderung des Marktdesigns in der Energiebeschaffung, z. B. über Energie-
und Finanzmarktregulierung (EMIR, REMIT, MiFID II …)
37. Neue Wege in der Energiebeschaffung | 37
IT-Kooperationen
künstliche Intelligenz
Marktkopplung
MiFID II
neue Wettbewerber
REMIT
Robotic Process Automation (RPA)
strukturierte Beschaffung
Vollversorgung
die Bereitstellung von Hardware-, Software- oder IT-Betriebsdienstleistungen
über ein Unternehmen, an dem die Empfänger der Dienstleistungen eigentums-
rechtlich beteiligt sind
Ausführung kognitiver Tätigkeiten durch Maschinen (z. B. Lernen, Ent
scheidungsfindung unter Verwendung unstrukturierter Daten)
z. B. zunehmender Ausbau der Grenzübertragungskapazitäten, Konsolidierung
von Marktgebieten
die Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom
15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente (Kurzbezeichnung „MiFID II“,
abgeleitet aus dem Englischen „Markets in Financial Instruments Directive“):
eine europäische Finanzmarktregulierung zur Harmonisierung des Binnen
marktes für Finanzinstrumente und -dienstleistungen und zur Erweiterung des
Anlegerschutzes
Eintritt branchenfremder Unternehmen (z. B. Technologie-, Telekommunika
tionsunternehmen) in den Energiemarkt oder neue Marktteilnehmer aus der
Energiewirtschaft (z. B. Kooperation mehrerer EVU)
die Verordnung (EU) Nr. 1227/2011 des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 25. Oktober 2011 über die Integrität und Transparenz des Energie-
großhandelsmarktes (Kurzbezeichnung „REMIT“, abgeleitet aus dem Engli-
schen „Regulation on Wholesale Energy Market Integrity and Transparency“):
eine europäische Energiegroßhandelsregulierung, die den Umgang mit Insider-
information und Marktmanipulation umfasst und Marktteilnehmer zur Meldung
von Energiehandelsdaten verpflichtet
Automatisierung mittels spezifischer Automatisierungs-Software; die Daten
verarbeitung erfolgt dabei ohne Anpassung der bestehenden IT-Landschaft
Zerlegung der benötigten Energiemenge in Standardhandelsprodukte und
Beschaffung der Energiemenge am Markt (der Marktzugang kann dabei aus
gelagert sein); das Modell impliziert eine maximale Marktnähe und ein ausge-
prägtes Risiko-Chancen-Profil
Bezug der gesamten benötigten Energiemenge als Gesamtbedarfsdeckung
von einem Lieferanten in einem Subbilanzkreis/-konto des Lieferanten; Residual-
versorgung im Subbilanzkreis/-konto des Lieferanten aufgrund der Ähnlichkeit
im Liefermodell subsumiert
39. Neue Wege in der Energiebeschaffung | 39
Ihre Ansprechpartner
Carsten Buhl
Associate Partner | Energy | Trading, Generation, Heating
Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Forststraße 2a, 01099 Dresden, Deutschland
+49 351 4840 21596
carsten.buhl@de.ey.com
Marcel Steinbach
Abteilungsleiter Handel und Beschaffung
BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V.
Reinhardtstraße 32, 10117 Berlin, Deutschland
+49 30 300199 1550
marcel.steinbach@bdew.de
Lars Schmidt
Director | Energy | Trading, Generation, Heating
Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Grimmaische Straße 25, 04109 Leipzig, Deutschland
+49 341 2526 22701
lars.schmidt@de.ey.com
Mitwirkende
Franz Adler (EY), Lukas Schleupner (EY), Martin Ulrich (EY),
Katharina Stecker (BDEW), Natalie Lob (BDEW)
Bestellung
Anna Helfritz
+49 40 36 132 13401
anna.helfritz@de.ey.com
Herausgeber
Ernst & Young GmbH
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Bildnachweis
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