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Deutschland€7,50Al
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SLO:€8,50CHsfr13,50GB£6,50
LEARN GERMAN  |  ESTUDIAR ALEMÁN |  APPRENDRE L’ALLEMAND |  IMPARARE IL TEDESCO | 
NAUKA NIEMIECKIEGO |  УЧИМ НЕМЕЦКИЙ  |  ALMANCA Ö ˘GRENMEK
03
4196828507503
Deutschland,wohin?
Ein Land sucht
seinen Weg
Deutschland,
wohin?
Zertifikat B1
Wie gut verstehen Sie
gesprochenes Deutsch?
Quedlinburg
Kleine Stadt,
große Architektur
Kult
Warum US-Nerds ein altes
Spiel aus Deutschland lieben
Geld
Wie viel verdienen
die Deutschen?
Übung macht
den Meister!
Das Übungsheft zu Ihrem Sprachmagazin:
Die Extra-Dosis Sprachtraining – flexibel & e≤zient!
Neu:
Mit Hör-
training!
Bestellen Sie jetzt!
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3/16
Editorial
FOTO:BLENDE11FOTOGRAFEN
Fantastisch: Im Januarheft haben wir
Sie um Ihre Meinung gebeten – und
2253 Leserinnen und Leser haben darauf
reagiert, so viele wie noch nie. Das ist
eine ideale Basis, um dieses Heft noch
besser zu machen. Spannend waren die
Resultate. Nicht nur, weil sie sehr posi­
tiv waren (danke dafür genauso wie für
die konstruktive Kritik an unserer Arbeit).
Eine Freude war es auch, wieder zu
sehen, wie bunt die Welt der Deutsch­
lerner ist.
60 verschiedene Muttersprachen haben die Teil­
nehmer unserer Umfrage. Viele davon kommen aus
Ländern, die von Deutschland weit entfernt sind: zum
Beispiel Amharisch (Äthiopien), Bambara (Westafrika),
Urdu (Indien und Pakistan) und Japanisch. In dieser
Frage sind die Unterschiede groß. In anderen nicht.
Wie müssen wir uns den typischen Leser vorstellen?
Die Statistik sagt: weiblich, am wahrscheinlichsten aus
Italien stammend und um die 40. Sie hat studiert und
lernt Deutsch, weil sie sich generell für diese Sprache
interessiert.
Übrigens: Deutsch perfekt wird immer öfter auch
von Flüchtlingen gelesen, nicht selten in Deutschkur­
sen. Das freut uns sehr, denn wir sind stolz auf die
Willkommenskultur. Ein halbes Jahr ist es her, dass
Angela Merkel zum ersten Mal ihr optimistisches Man­
tra sprach: „Wir schaffen das!“ Zeit für eine Bilanz:
Hunderttausende Flüchtlinge versorgen und inte­
grieren, schafft Deutschland das wirklich? Sicher ist:
Durch die Gesellschaft geht inzwischen ein Graben –
oft trennt er Freunde und Familien. „Wenn man privat
diskutiert, sind die Gräben sofort zu sehen“, sagt die
Autorin unserer Titelgeschichte, Josefine Janert. Ihre
Erfahrung: „Leute, die sich ganz gut verstehen, strei­
ten plötzlich über das Flüchtlingsthema.“ Was sagen
beide Seiten? Antworten ab Seite 14.
PS.: Wir gratulieren den Teilnehmern der Leserumfrage, die einen der
21 Sprachkurse und Bücher gewonnen haben: Claudio Wye, Mariann
Makrai, Raúl Ena Vinués, Jadwiga Ksiazek, Chiara Versino, Guy Bonin,
Ilse Gerster, Barbara Kymmell-Schmiderer, Johan Goris, Mark Stebbins,
Rodolfo Maureira Sáez, Michela Moro, Evan Dembskey, Paola Pedullà,
Slobodan Zoric, Elif Özyer, Claudio Vindimian, Luciana Favaro, Hana
Kubálková, Jean-Philippe Humbert und Alexander Robinson.
sp„nnend ↔ langweilig
s“ch vorstel-
len
hier: sich denken
st„mmen hier: kommen
¢m die 40 im Alter von circa 40 Jahren
der Fl•cht-
ling, -e
Person, die aus religiösen,
politischen oder ethnischen
Gründen aus ihrer Heimat
weggegangen ist / weggehen
musste
… her sein vor … gewesen sein
sch„ffen eine schwierige Aufgabe mit
Erfolg erledigen
vers¶rgen hier: alles geben, was man
zum Leben braucht
der Graben,
¿
≈ langer, tiefer Weg in der
Erde; hier: starker ideologi­
scher Unterschied
die Titelge-
schichte, -n
Text in einer Zeitung oder
Zeitschrift, zu dem es auf der
ersten Seite ein Bild gibt
der Ch¡fre-
dakteur, -e
franz.
Chef von allen Journalisten bei
einer Zeitung oder Zeitschrift
60 verschiedene
Muttersprachen haben
die Teilnehmer unserer
Umfrage.
Mehr Infos unter www.lextra.de
Weiterhin erhältlich: Grund- und
Aufbauwortschatz, passendes Übungsbuch
(A1 bis B1), Sprachkurse, Lektürenu.v.m.
Grammatik –
kein Problem!
ISBN978-3-589-01636-5
Kompaktgrammatik DaF
Regeln und Strukturen der deutschen
Grammatik im Überblick, Erläuterungen
an Beispielsätzen; Konjugationstabellen
und Stichwortregister, Niveau bis B1.
Verblexikon DaF
Rund 5.000 Verben mit Angabe
wichtiger Präpositionen; 166 durch-
konjugierte Verben in Tabelle, Rede-
wendungen, Beispielsätze.
ISBN978-3-589-01928-1
Jörg Walser
Chefredakteur
´
Die Themen des Monats März 2016
In diesem Heft: 16 Seiten Sprache & Service
36 	 Zertifikat B1
Teil 2 der Serie: Testen Sie Ihr Hörverstehen!
40 	 Grammatik
Adverbiale Angaben im Satzmittelfeld
42 	 Deutsch im Beruf
Verpackungen, Maße, Gewichte
44 	 Wörter lernen
Im Weltall
45 	 Schreiben • Sprechen • Verstehen
Sammelkarten Reklamation • Bestellen •
Parteien und ihre Farben
48 	 Übungen zu den Themen des Monats
Mehr Sicherheit mit Wörtern und Texten
49 	 Starthilfe
Extra-Service Übersetzungen in Englisch, Spanisch,
Französisch, Italienisch, Polnisch, Russisch, Türkisch
51 	 Raten Sie mal! • Comic
Rätsel zu einem Thema des Monats • Haiopeis
57 	 Lösungen • Kundenservice • Impressum
Lösungen der Übungen • Wer macht was bei Deutsch perfekt?
30 Leben im Denkmal
Mehr als 2000 historische Häuser, alte Kirchen, starke
Frauen: Das alles finden Besucher in Quedlinburg. Auch
die Einwohner lieben die Geschichte ihrer Stadt – und
kümmern sich um jedes Detail.
TITELFOTO:MAURITIUSIMAGES/ALAMY;FOTOS:SZPHOTO/STEFANRUMPF;PICTUREALLIANCE/DPA;MAURITIUSIMAGES/WESTEND61
6 	 Mein Deutschland-Bild
Daniel Bockwoldt über den populären Knut
8 	 Panorama
Neues, Namen und Zahlen
24 	 Debatte
Zahl der Flüchtlinge begrenzen?
26 	 Nachrichten
Aus Deutschland, Österreich und der Schweiz
35 	 Reisetipps
Wartburg • Rostock • Mainz
52 	 Kokain zum Spielen
Warum das German Game so populär ist
56 	 Mein erster Monat
Adrián Bazaldúa in Hamburg
62 	 Ein Bild und seine Geschichte
Gigant in der Luft
66 	 Kulturtipps
Kino • Lesung • Konzert • Ausstellung • Buch • Comic
68 	 Kolumne
Alia Begisheva über Pünktlichkeit
70 	 D-A-CH-Menschen
Einer von 98 Millionen: Bernhard Schmid
Das Gefühl
einer Nation
Zwischen Willkommenskultur und Angst vor Fremden:
Was passiert gerade mit den Menschen in Deutsch-
land? Eine einfache Antwort gibt es auf diese Frage
nicht. Denn viele wissen selbst nicht, was sie über die
aktuelle Situation denken sollen.
14
4 3/16
Texte auf Stufe A2 des GER Texte auf den Stufen B2 bis C2 des GER
GER Gemeinsamer europäischer
Referenzrahmen
Texte auf Stufe B1 des GER
Mehr als 800 Erklärungen von schwierigen Wörtern
↔
o
¢
, ¿er
lockere Umgangssprache
negativ
Vorsicht, vulgär!
ungefähr, etwa
Gegenteil von ...
langer, betonter Vokal
kurzer, betonter Vokal
Plural-Formen
Texte mit diesem Symbol können Sie mit einem Premium-Abo
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Deutsch perfekt Audio: der Trainer für
Hörverstehen und Aussprache, auf CD oder
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  Achten Sie im Heft auf dieses Symbol!
Zu diesen Artikeln können Sie Texte und
Übungen auf Deutsch perfekt Audio hören.
Deutsch perfekt plus: 24 Seiten Übungen
und Tests zu Grammatik, Vokabeln und mehr
(siehe Seite 2).
Achten Sie im Heft auf dieses
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Lernen mit -Produkten
36 Hören Sie gut zu!
Wie gut verstehen Sie gesprochenes Deutsch? Machen
Sie den Test, und üben Sie mit Originalmaterial. Teil 2
der Serie zum Zertifikat B1.
Heft im Heft:
Die jungen Seiten
von Deutsch perfekt
58 Wie viel verdienen
die Deutschen?
Über Geld spricht man in Deutschland nicht.
Wir tun es trotzdem.
	m
	d
	a
	≈
53/16
6 3/16
Fotograf:
Daniel Bockwoldt
Der Eisbär auf dem Bild ist ein spezieller Eisbär:
Es ist der populäre Eisbär Knut. Nach seinem
Tod 2011 hat ein Präparator ihn ausgestopft. Er steht
heute wieder im Museum in Berlin. Das Museum hat ihn
aber kurz einem anderen Museum in den Niederlanden
geliehen. Das Foto zeigt Knut bei seiner Rückkehr
nach Berlin. Die Angestellten des Museums haben
ihn aus einem Auto geholt und auf einem Rollwagen
ins Museum gefahren. So ein Eisbär in natürlicher
Größe auf einem Rollwagen sieht schon ein bisschen
lustig aus. Dann ist Knut in eine Vitrine im Museum
gekommen. Vorher hat ihn ein Präparator noch schön
gemacht. Ich habe das so fotografiert, weil ich das
Gesicht des Eisbären zeigen wollte. Ich wollte auch
zeigen, dass da noch ein Mensch an dem ausgestopften
Eisbären arbeitet und das eine ganz neue Situation für
Knut ist. Es war zwar ein Job. Aber es war schon etwas
Besonderes für mich, das Foto zu machen. Knut kennen
ja viele Leute auf der ganzen Welt.
der Eisbär, -en großes, weißes, gefährliches Tier (s. Foto):
Es lebt in der Arktis.
der Tod Ende vom Leben
der Präparator,
Präparatoren
hier: Person: Sie tut Körper von toten Tieren
z. B. in Alkohol, damit sie noch lange so
aussehen wie in der Zeit, als die Tiere
gelebt haben.
ausstopfen hier: ≈ in ein totes Tier weiches Material
hineintun, sodass es wieder so aussieht wie
in der Zeit, als es gelebt hat
die R•ckkehr von: zurückkehren = zurückkommen
der R¶llwagen, - kleiner Wagen ohne Seitenwände
zwar …, aber … es ist so, dass …, aber …
das Bes¶ndere hier: ≈ schöne Sache: Man macht sie nicht
jeden Tag.
73/16
Mein Deutschland-Bild
FOTOS:PICTUREALLIANCE/DPA(2)
8 3/16
ÜBERSETZUNGEN IN SIEBEN SPRACHEN AUF SEITE 49/50
Hamburg
Google Street View ganz klein
Feuer! Aber zum Glück hat jemand schon die Feuerwehr
gerufen. Denn wie man auf dem 360-Grad-Panorama von
Google Maps sehen kann, stehen schon ganz viele Fahrzeuge
mit Blaulicht auf den Straßen. Wie so oft. Denn in Knuffingen,
dem populären Ort im Miniaturwunderland in Hamburg, ist
alle zehn Minuten Feueralarm. Das ist nicht neu. Neu ist, dass
jetzt jeder dabei sein kann: Ein Team von Google Street View
hat zusammen mit Experten der größten Modellbahnanlage
der Welt das ganze Wunderland auf den Computerbildschirm
gebracht (www.deutsch-perfekt.com/google). Miniautos mit
Kamera sind auf den kleinen Straßen gefahren. Natürlich
haben auch Bahnen und Züge viele tolle Bilder gemacht. Und
plötzlich sieht man diese Welt aus einer ganz speziellen Per-
spektive. Denn welcher Besucher kann schon in einen Tunnel
blicken? Oder mitten auf der Straße zwischen den kleinen
Figuren stehen? Aber auch das Team vom Miniaturwunder-
land hat Teile der Landschaft gesehen, an die es lange nicht
mehr gedacht hat. Die wollen die Wunderland-Leute jetzt
ganz schnell putzen.
GOOGLE STREET VIEW GANZ KLEIN
das Fahrzeug,
-e
Transportmittel, z. B. Auto
oder Bus
m“t Blaulicht so, dass das optische Signal
auf einem Feuerwehr- oder
Polizeiauto an ist
das Miniatur-
wunderland
≈ Ausstellung: Dort wird eine
Miniaturwelt gezeigt.
„lle zehn
Minuten
≈ immer nach zehn Minuten
der Feueralarm akustisches Signal: Es wird bei
einem Feuer gegeben.
die Mod¡ll-
bahnanlage, -n
≈ Miniaturzüge mit Landschaft
und Häusern
m“tten hier: in der Mitte von
93/16
Panorama
MUTTER GEGEN FACEBOOK
überfahren über jemanden fahren und
ihn dabei verletzen oder
totmachen
der Zugang, ¿e hier: Code für das Face-
book-Konto
der Tod Ende vom Leben
das Ger“cht, -e hier: offizielle Institution: ≈
Dort wird eine Beispiellösung
für einen Streit gesucht. An
diesem Beispiel sollen sich
dann die anderen orientieren.
klagen vor hier: ≈ wollen, dass ein Gericht
eine Lösung sucht
r¡cht bek¶m-
men
ein Gericht sagt offiziell, dass
man recht hat und eine spezi-
elle Sache machen darf
ÜBERSETZUNGEN IN SIEBEN SPRACHEN AUF SEITE 49/50
Berlin
Falsch geparkt
Kinder lieben Kettcars. Aber man kann nicht
immer fahren – und außerdem braucht auch
ein Kinderauto einen Parkplatz. Das hat sich
auch ein junger Chauffeur im Berliner Stadtteil
Charlottenburg gedacht und sein Kettcar an der
Wielandstraße geparkt. Natürlich gesichert mit
einem Fahrradschloss. Dort hat es viele Monate
gestanden – einer Nachbarin hat das nicht gefal-
len. Sie hat bei der Stadt angerufen. Danach hat
das Kettcar ein Knöllchen bekommen. Das ist eine
Premiere. „Dass ein Kettcar wirklich ein Knöllchen
bekommt – das hat es vorher noch nie gegeben“,
sagt Matthias Sauer von der Firma Kettler. „Aber
kuriose Aktionen sind uns nicht unbekannt: Letz-
tes Jahr im September ist
der Auto-Bild-Redakteur
Claudius Maintz mit einem
Kettcar vom Sauerland bis
nach Hamburg gefahren.
Für die 360 Kilometer hat er
vier Tage gebraucht.“ Das
Kettcar aus Berlin kann von
so einem Ausflug nur träu-
men. Es muss jetzt beim
Ordnungsamt auf seinen
Chauffeur warten.
Berlin
Mutter gegen Facebook
Vor drei Jahren ist ein 15-jähriges Mädchen
in einem Berliner U-Bahnhof gestorben. Ein Zug
hat sie überfahren. War es Suizid? Das möchte die
Familie gern wissen. Die Mutter wollte deshalb
Zugang zum Facebook-Konto ihrer Tochter haben.
Sie wollte in den gespeicherten Nachrichten nach
Erklärungen für den Tod ihres Kindes suchen.
Facebook aber wollte der Mutter keinen Zugang
geben. Sie hat deshalb vor einem Berliner Gericht
geklagt – und jetzt recht bekommen. Sie darf alle
Kommunikationsdaten ihrer Tochter sehen.
FALSCH GEPARKT
ges“chert Part. II von: sichern = hier:
stabil an … machen und
zuschließen
das Fahrrad-
schloss, ¿er
hier: kleines Ding aus Metall:
Damit kann man ein Fahrrad
stabil an etwas machen, sodass
es niemand wegnehmen kann.
das Knœll-
chen, -
m Zettel: Darauf steht, dass
man eine Gebühr bezahlen
muss.
der Redakteur,
-e franz.
≈ Journalist
das Sauerland Region in Nordrhein-Westfalen
und Hessen
das {rdnungs-
amt, ¿er
offizielle Institution: Sie
kümmert sich um die Sicher-
heit und Ordnung in einer
Kommune.
FOTOS:BÖRNER/GOOGLE(4);KETTLER
10 3/16
Zahlenspiel
Ostern
Dieses Jahr ist der Ostersonntag schon am 27. März. Wichtig sind zu diesem Termin natürlich
Eier. Im ersten Halbjahr 2015 haben Hühner in Deutschland sechs Milliarden Eier gelegt,
schreibt das Statistische Bundesamt. 2014 waren es 11,5 Milliarden Eier. Davon hat jeder
Deutsche im Durchschnitt 231 Eier gegessen. Eier gibt es in vier Größen: S (43 bis 53
Gramm), M (53 bis 63 Gramm), L (63 bis 73 Gramm) und XL (73 bis 90 Gramm). Die
meisten Eier kommen aus Niedersachsen, nämlich jedes dritte (37,4 Prozent im Jahr
2014). Auf Platz zwei ist Nordrhein-Westfalen mit 1,3 Milliarden (10,9 Prozent), auf
Platz drei Bayern mit 1,2 Milliarden Eiern (10,6 Prozent). Traditionell suchen Kinder
in Deutschland an Ostern Eier. Meistens haben die Eltern sie versteckt. Diese Eier sind
aber meistens aus Schokolade. 2016 bremsen die Kosten die Suche aber vielleicht:
Kakao, Zucker und andere Zutaten für Schokolade werden immer teurer. Von manchen
Firmen kostet eine 100-Gramm-Tafel schon mehr als einen Euro. Ein Mythos ist auch
falsch: Die neue Oster-Schokolade wird nicht aus alten Figuren gemacht, die man an Weih-
nachten nicht verkaufen konnte. Das ist für die Firmen viel zu kompliziert.
OSTERN
legen hier: ≈ herstellen
das Stat“stische
B¢ndesamt
Administration für ganz
Deutschland: Sie publiziert
Statistiken.
“m D¢rchschnitt ≈ meistens: Das ist normal.
der Pl„tz, ¿e hier: Position
verst¡ckt Part. II von: verstecken = hier:
an eine Stelle legen, wo man
es nicht leicht findet
die Zutat, -en Lebensmittel: Man braucht
es zur Herstellung von einem
anderen Lebensmittel oder
einem Gericht.
die Tafel, -n hier: dünnes, viereckiges Stück
Schokolade
ÜBERSETZUNGEN IN SIEBEN SPRACHEN AUF SEITE 49/50
Mecklenburg-Vorpommern
Historische Schiffsfahrt
Es liegt im Stadthafen von
Ueckermünde an der Ostsee
und wartet auf die ersten
Passagiere: ein historisches
Holzschiff mit dem Namen
Ucra Pommernkogge. 13 Jah­
re hat es gedauert, bis es
fertig war – jetzt kann man
damit fahren. Bei dem 26
Meter langen und circa 100
Tonnen schweren Schiff war
alles Handarbeit. Koggen
waren in der Zeit der Hanse
das wichtigste Transport-
mittel. Die Gäste der Ucra
Pommernkogge machen also
einen wirklich historischen
Ausflug.
HISTORISCHE SCHIFFSFAHRT
die K¶gge, -n
(das Segel, -
historischer Schiffstyp: Er hat
Segel und fährt mithilfe von
Wind. (s. Foto)
großes Stück Stoff)
die H„nse früher eine Organisation: Mehr
als zwei Städte halfen sich
beim Kaufen und Verkaufen
von Produkten.
Eine Übung zu
diesem Text
finden Sie auf
Seite 48.
113/16
Panorama
ÜBERSETZUNGEN IN SIEBEN SPRACHEN AUF SEITE 49/50
FOTOS:ISTOCK/THINKSTOCK;PICTUREALLIANCE/DPA(2)
Alleskönner
Sand
Sand braucht man überall – und ohne ihn
funktioniert in Deutschland nicht viel: Für
jede Straße, jedes Fenster und fast jedes
Haus braucht man das Material. Auch Sili-
kon hat Sand als Basis. Und Silicium (auch
aus Sand) braucht man für Kosmetik. Nach
Wasser ist er der wichtigste Rohstoff der
Welt.
Auf Deutschlands Baustellen hat man
2014 rund 240 Millionen Tonnen Sand
gebraucht. Da passt es natürlich sehr gut,
dass Sand 2016 in Deutschland das Gestein
des Jahres ist.
Sand ist das Resultat von Erosion. Er kann
aus unterschiedlichem Material sein.
Wichtig ist die Größe: Körner, die zwischen
0,06 und zwei Millimeter groß sind, sind
per definitionem Sand.
Der Sandmann ist eine Figur aus der
europäischen Mythologie. Er streut in den
deutschsprachigen Ländern den Kindern
Sand in die Augen – damit sie einschlafen.
Auch im deutschen Fernsehen gibt es den
Sandmann. Am 22. November 1959 war im
Fernsehen der Deutschen Demokratischen
Republik zum ersten Mal „Unser Sand-
männchen“ zu sehen. Durch die Sendung
sollten Kinder die Ideologie des Sozialis-
mus kennenlernen. Acht Tage später hat es
auch ein West-Sandmännchen gegeben.
Aktuell gibt es in Deutschland nur noch ein
Sandmännchen: das aus dem Osten. Es ist
jeden Abend im Fernsehen zu sehen. Für
viele kleine Kinder ist es ein fester Termin
vor dem Schlafen. Besonders populär ist
das Titellied.
! Tipp des Monats
Kostenlos lesen
Bücher gibt es auch gratis – zum Beispiel in
Schränken, die draußen stehen. Manchmal
findet man sie auch in alten Telefonzel-
len. Jeder darf dort Bücher nehmen – oder
auch Bücher abgeben (openbookcase.org).
Öffnungszeiten gibt es natürlich keine. Die
haben Bibliotheken zwar, aber auch dort
gibt es das Lesevergnügen fast gratis: Aus-
weise für zwölf Monate kosten oft nur zehn
Euro. Wenn man nicht aus dem Haus gehen
möchte, kann man Klassiker auch online
lesen: Auf www.gutenberg.org findet man
Zehntausende elektronische Bücher in ver-
schiedenen Sprachen. Kosten: keine.
SAND
der S„nd gelbbraune, trockene Substanz
(z. B. am Strand oder in der
Sahara)
der Rohstoff, -e Substanz aus der Natur: Die
Industrie benutzt sie (z. B.
Wasser).
die Baustelle,
-n
(bauen
Ort: Dort wird gebaut.
hier: z. B. ein Haus machen)
das Gestein, -e
(der Stein, -e
Mineral: spezieller Stein
sehr harte Substanz, z. B.
Granit, Quarzit ...)
das K¶rn, ¿er hier: extrem kleines Stück
p¡r defini­
tionem lat.
hier: so wird es z. B. im Wör-
terbuch erklärt
die Figur, -en hier: fiktive Person
streuen “n eine kleine Menge geben in
dam“t sie
einschlafen
≈ so, dass sie dann anfangen
können, zu schlafen
f¡st hier: immer gleich
das Titellied,
-er
hier: Lied: Es gibt der Sendung
ihren Namen.
KOSTENLOS LESEN
die Telefonzel-
le, -n
≈ offizielles Telefon auf der
Straße
… zwar, aber … es ist so, dass …, aber …
das Lesever-
gnügen
Spaß beim Lesen; Lesen: Man
macht es gern.
12 3/16
ÜBERSETZUNGEN IN SIEBEN SPRACHEN AUF SEITE 49/50
3 Fragen
Lustig lernen
Nils Klawon (25) macht eine sehr spezielle Aus­bildung. In Hofheim am Taunus (Hessen)
lernt er, ein Clown zu sein.
Kann man lustig sein lernen?
Ja. Unsere Devise ist: Jeder kann ein Clown
sein. Wir haben Unterricht in Pantomime
und Stimme, in Akrobatik, in Musik und in
Clownerie. Dabei lernt man, lustig zu sein: Wir
lernen, Leute mit dem Körper zum Lachen zu
bringen. Etwas aus der Luft zu nehmen und
zu formen. Oder Slapstick. Das ist wie ein
Kochbuch mit Rezepten. Wenn man sich daran
orientiert, funktioniert das ganz gut.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Clown
zu werden?
Ich habe eine Ausbildung als Kfz-Mechatroniker
gemacht. Und gemerkt, dass mir das nicht
gefällt. Also habe ich mit der Ausbildung
aufgehört. Dann habe ich viele andere Sachen
gemacht – bis ich eine Clownin getroffen habe.
Durch sie bin ich an die Schule gekommen.
Wie haben Sie sich nach dem Treffen mit ihr
gefühlt?
Ich hatte wieder ein Ziel vor Augen. Eine Woche
lang habe ich mir die Schule angesehen. Mir
hat sehr gefallen, wie offen die Schüler waren.
Einer hat einmal einfach so angefangen, zu
weinen. In der Öffentlichkeit! Während der
Ausbildung kommen wir nämlich oft an unsere
Grenzen. Nur wer sich selbst zu 100 Prozent
kennt, kann zu 100 Prozent auf der Bühne
stehen. Man lernt also viel über sich. Das ist
nicht immer lustig.
Schweiz
Bitte spät Steuern zahlen!
Eigentlich war es in der Schweiz
immer gut, seine Steuern pünktlich
zu zahlen: Das Finanzamt hat dafür
einen kleinen Bonus gegeben. Ver-
spätungen waren teuer – eine Strafe
war sicher. Im Kanton Zug ist das jetzt
anders. Seit Januar letzten Jahres
erhebt die Schweizerische National-
bank einen Strafzins von 0,75 Prozent,
wenn auf einem Konto mehr als zehn
Millionen Franken (neun Millionen
Euro) liegen. Deshalb will der Kanton
sein Geld jetzt so spät wie möglich
haben. Eine Strafe für Verspätungen
gibt es nicht mehr – und einen Bonus
für frühes Zahlen schon gar nicht.
LUSTIG LERNEN
die St“mme, -n
(der Laut, -e
hier: Laute: Man macht sie,
wenn man spricht oder singt.
Einen Laut kann man hören.)
die Clownerie,
-n
≈ das Clownspielen vor
Publikum
z¢m L„chen
br“ngen
machen, dass jemand lachen
muss
Wie s“nd Sie
auf die Idee
gek¶mmen?
≈ Woher haben Sie die Idee
bekommen?
ein Ziel vor
Augen haben
(das Ziel, -e
≈ sich auf ein Ziel konzen-
trieren
hier: Resultat: Das will man
erreichen.)
„ngesehen Part. II von: ansehen = hier:
da sein und genau sehen, was
andere machen
¶ffen hier: interessiert; ohne Angst
einfach so hier: ≈ spontan
“n der Œffent-
lichkeit
vor anderen Menschen
während der
Ausbildung
in der Zeit, wenn man die
Ausbildung macht
„n seine Gr¡n-
zen k¶mmen
merken, was man nicht tun
kann
die Bühne, -n Ort im Theater: Dort wird
Theater gespielt.
BITTE SPÄT STEUERN ZAHLEN!
der Bonus, Boni hier: ≈ Rabatt
die Strafe, -n hier: Gebühr als Sanktion
der Kanton, -e Teil von einem föderalistischen
Land
erheben haben wollen
der Strafzins,
-en
hier: Strafgebühr
schon gar n“cht ≈ speziell nicht
Panorama
FOTOS:PRIVAT;DEUTSCHESWEININSTITUT
ÜBERSETZUNGEN IN SIEBEN SPRACHEN AUF SEITE 49/50
ALLES ODER NICHTS
der W“nzer, - ≈ Person: Sie stellt Wein her.
die Traube, -n grüne, rote oder blaue Frucht:
Man isst sie als Obst oder
macht aus ihr Wein.
gefroren Part. II von: gefrieren = extrem
kalt und hart wie Eis werden
die ]rnte Sammeln von Früchten oder
Gemüse
einige (-r/-s) ein paar
Eiswein
Alles oder nichts
Für die Winzer ist es jedes Jahr ein Pokerspiel. Passt
das Wetter? Wird es kalt genug? Denn nur dann
können sie den populären Eiswein herstellen. „Die
Trauben müssen komplett gefroren sein“, erklärt Pia
Johannson vom Deutschen Weininstitut. „Minus sie-
ben Grad sind bei der Ernte das Limit. Wärmer darf es
nicht sein.“ Diese Temperaturen hat es erst im Januar
gegeben. Für manche war das zu spät. Sie haben aus
den Trauben schnell einen anderen Wein gemacht,
um nicht die komplette Ernte zu verlieren. „Zum Glück
war die Qualität der Trauben dieses Jahr so gut, dass
einige Winzer es riskiert haben, so lange zu warten“,
sagt Johannson. In ein paar Monaten gibt es den Eis-
wein des Jahres 2015 also zu kaufen. Viel gibt es aber
nicht: Jeder Winzer macht nur 200 bis 300 Liter.
Zürich
Bin ich schön?
Antworten auf diese Frage verspricht
jetzt ein System aus der Schweiz. Lädt
man auf der Seite faces.ethz.ch sein Foto
hoch, schätzt diese das Alter und zeigt
auf einer Skala die Attraktivität. Schon
in den ersten zwölf Stunden haben das
eine Million Menschen getan, schreibt
die Eidgenössische Technische Hoch-
schule Zürich (ETHZ). Sie hat die Seite
zusammen mit der Dating-App Blinq ins
Internet gestellt. Dass das Resultat wirk-
lich stimmt, glauben viele nicht. „Ich
habe ein Foto meines Hundes hoch-
geladen. Das Ergebnis: Er ist ein sehr
attraktiver, 41-jähriger Mann“, schreibt
ein Spaßvogel auf der Plattform Reddit.
Trotzdem: Die Seite der ETHZ ist seriös. Sie
zeigt nämlich die Resultate des Computer
Vision Labs zum Thema Gesichtserken-
nungssoftware.
BIN ICH SCHÖN?
hochladen hier: auf der Plattform
speichern
schætzen hier: ≈ meinen, wie … ist
die Attraktivität von: attraktiv = hier: schön; so,
dass jemand gut aussieht
eidgenössisch schweizerisch
die Hochschule,
-n
≈ Universität
st¡llen “n hier: publizieren in
das Ergebnis,
-se
Resultat
der Spaß­
vogel, ¿
Person: Sie macht oft Spaß und
hat lustige Ideen.
seriös ↔ lustig
das Thema,
Themen
hier: Arbeit vom Labor von
der ETHZ
die Ges“chtser-
kennungssoft-
ware
Software: Sie identifiziert
Gesichter.
A L T E
Asso
ciation of La
nguageTesters
inEurope
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Wien n Klagenfurt
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... an mehr als 350 Prüfungszentren weltweit
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Bildungseinrichtungen
n für den Arbeitsmarkt
n für den Bereich Zuwanderung und Integration
(Aufenthaltsgenehmigung, Staatsbürgerschaft. ...)
... in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Ein historischer Moment
Angela Merkel am 31. August
auf der Pressekonferenz, in der
sie zum ersten Mal den Satz
„Wir schaffen das“ sagte
%
Das Gefühl
einer Nation
FOTO:PICTUREALLIANCE/DPA
3/16 15
Gesellschaft
19Männer und zwei Frauen sehen
sich ein Video an. Es zeigt Sport­
ler beim Training, die sich einen Fußball
zuspielen. Welche Fähigkeiten brauchen
sie dafür? „Selbstvertrauen“, ruft ein
Mann auf Arabisch. Der Dolmetscher über­
setzt. Kursleiter Tom Weller nickt. Einige
Kursteilnehmer schauen in die Dokumente
auf ihren Tischen. Da steht auf Deutsch,
was ein Trainer können muss. Die meisten
von ihnen verstehen kein oder nur wenig
Deutsch. Sie schauen sich lieber die Illus­
trationen an.
Die einzigen Frauen im Kurs heißen
Salye und Samah, zwei Schwestern aus
Libyen. Ihre Familie kommt aus dem
Irak. Nach einem Jahr und vier Monaten
in Deutschland spricht Salye schon etwas
Deutsch. In der Pause erzählt sie: „Wir
haben im Kurs viel über Sport und Biolo­
gie gelernt.“ Leise sagt sie: „In Libyen ist
Krieg. Ich möchte mir in Deutschland ein
gutes Leben aufbauen und arbeiten.“
Gemeinsam mit den Männern nehmen
die Frauen an einer Ausbildung für Trai­
ner teil. Sie sind Flüchtlinge, zwischen 17
und 30 Jahre alt. Die meisten kommen aus
Syrien. Montags und dienstags beschäfti­
gen sie sich in einer Sportschule des Lan­
dessportbundes Berlin mit Theorie. Mitt­
wochs bis freitags macht jeder von ihnen
ein Praktikum. Salye arbeitet bei einem
Arzt, die anderen zum Beispiel in einem
Hotel oder bei einer Bäckerei. „Das Prakti­
kum hat zwar nichts mit Sport zu tun“, sagt
Frank Kegler vom Landessportbund. „Aber
die Flüchtlinge lernen den Arbeitsalltag in
Deutschland kennen und trainieren ihre
sozialen Kompetenzen.“
Kegler ist für die Trainerausbildung
verantwortlich. Sie dauert 120 Stunden,
ungefähr drei Monate. „Viele Trainer in
Berlin sind ehrenamtlich tätig“, erklärt er.
„Sie werden nicht reich.“ Aber der Sport
hilft bei der Integration. Gelebte Willkom­
menskultur: Viele Sportvereine in Berlin
und in anderen Städten haben Flüchtlin­
ge eingeladen, bei ihnen mitzumachen.
Besonders populär ist Fußball. Dafür
braucht man nicht viel Deutsch. „Fußball
ist eine Weltsprache“, sagt Kegler.
Betten statt Bälle
1 091 894 Flüchtlinge wurden 2015 in
Deutschland registriert, und seit Jahres­
beginn sind es noch mehr geworden. Die
größte Gruppe sind Syrer. In vielen Städten
stehen Zelte, auch jetzt, im Winter. Und
während viele Sportvereine Flüchtlin­
ge zum Mitmachen einladen, haben sie
Hunderttausende Flüchtlinge in Deutschland? „Wir schaffen das!“, sagte Angela Merkel im Sommer.
Ein legendärer Satz. Sechs Monate später fragen sich sehr viele Deutsche: Schaffen wir das wirklich?
Josefine Janert über eine Nation, die ihren Weg aus der Krise sucht.
der Fl•cht-
ling, -e
Person, die aus religiösen, politi­
schen oder ethnischen Gründen
aus­ihrer Heimat weggegangen ist
/ weggehen musste
sch„ffen eine schwierige Aufgabe mit Erfolg
lösen
zuspielen an jemanden aus dem eigenen
Teams weitergeben
die Fähig-
keit, -en
Können; Talent
der D¶lmet-
scher, -
Person, die mündlich in eine
andere Sprache übersetzt
n“cken den Kopf wiederholt nach oben
und unten bewegen und damit
Ja sagen
einige
(-r/-s)
ein paar
s“ch ein
gutes Leben
aufbauen
alles organisieren (Wohnung,
Arbeit …), um an einem Ort gut
leben zu können
s“ch be-
schæftigen
m“t
hier: ≈ studieren; lernen
der L„ndes-
sportbund
(das B¢n-
desland,
¿er
Organisation aller Sportvereine
eines Bundeslandes
Teil einer föderalistischen
Republik)
zu tun
haben m“t
hier: eine Verbindung haben mit
die soziale
Kompet¡nz
≈ alles Wissen und Können, das für
soziale Interaktion gut ist
tätig sein arbeiten
ehrenamt-
lich
ohne Bezahlung
während hier: ≈ im Kontrast dazu, dass …
Flüchtlings-
projekt in
Berlin
Zwei Tage pro
Woche Sport,
drei Tage
Praktikum
16 3/16
inzwischen oft weniger Platz zum Trainier­
weil in vielen Sporthallen Notunterkünfte
eingerichtet wurden.
Betten statt Bälle: In 50 Berliner Sport­
hallen wohnen jetzt Flüchtlinge. Dort
schlafen, essen und trinken sie, dort spie­
len ihre Kinder. Sportler können die Hallen
zurzeit nicht benutzen. Einige ärgern sich.
Andere sind damit einverstanden, auch
Frank Kegler: „Das muss aber eine zeitlich
befristete Lösung sein.“
„Wir schaffen das!“ Am 31. August
sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel
den legendären Satz zum ersten Mal. Sie
meinte die Aufnahme von Hunderttau­
senden Flüchtlingen. Aber darüber, ob sie
das wirklich schaffen, sind die Deutschen
genauso wenig einer Meinung wie die
Berliner in der Frage, ob sie monatelang
auf viele Sporthallen verzichten können.
„Durch die Gesellschaft geht ein Riss“,
sagt der Berliner Historiker Paul Nolte,
Autor von vielen Büchern über die deut­
sche Geschichte und Identität. „Wie tief er
ist, kann kaum jemand sagen.“
Protest gegen Flüchtlinge ist nicht neu.
Anhänger rechtsextremer Parteien pro­
testieren immer wieder dagegen. Neu ist
aber, dass sich große Teile der Gesellschaft
Sorgen machen. Während die Bundes­
kanzlerin ihr Mantra „Wir schaffen das!“
wiederholte, wurde ihre Situation schwie­
riger. Eine einfache Lösung der Krise ist
nicht zu sehen. Auch Politiker ihrer eige­
nen Partei kritisieren ihre humane, euro­
päische Strategie. Protest kommt auch von
Bürgermeistern: Fast jede Stadt hat schon
viele Flüchtlinge aufgenommen. Manche
sagen jetzt: Mehr geht nicht.
„Die Eliten, die Mittelschicht und die
Wohlhabenden tendieren zu einer liberalen
Haltung gegenüber Flüchtlingen“, erklärt
Paul Nolte. „In Städten ist die Zustim­
mung größer als auf dem Land. In Teilen
Ostdeutschlands wird Merkels Flüchtlings­
politik eher abgelehnt, ebenso in ärmeren
Teilen der Bevölkerung.“ Nolte glaubt, dass
diese Menschen Angst haben vor Konkur­
renz auf dem Arbeitsmarkt und davor, dass
der Staat in Zukunft weniger Geld für Sozi­
ales ausgibt – Integration ist teuer.
Die neuen Radikalen
In Baden-Württemberg, Rheinland-­
Pfalz und Sachsen-Anhalt, wo am 13. März
gewählt wird (siehe Seite 27), hat eine
junge Partei plötzlich große Chancen:
die rechtspopulistische Alternative für
Deutschland (AfD). Vor zwei Jahren kannte
sie noch kaum jemand. Jetzt wird über
kaum eine Partei so viel berichtet wie über
die AfD mit ihrem radikal rechten Politik­
stil. Sie hat zwar keine Chance, an die
Regierung zu kommen. Aber sie könnte
die Parteienlandschaft verändern.
Und seit Oktober 2014 demonstrieren
jeden Montagabend in Dresden die „Patri­
otischen Europäer gegen die Islamisierung
des Abendlandes“, kurz: Pegida. „Es fing
an mit einer kleinen Gruppe, zu der auch
Menschen aus der rechtsex­tremen NPD
und Hooligans gehörten“, sagt Thomas
Platz von der Landeszentrale für politische
Bildung in Sachsen. „Schon im Dezember
2014 kamen etwa 10 000 Personen zu den
Demonstrationen von Pegida, auch viele
Menschen mit Abitur und Uni-Examen“,
sagt Platz. Jeden Montag gibt es dagegen
aber auch Protest von vielen Gegende­
monstranten.
Platz sah in Pegida von Beginn an eine
Bewegung für sehr unterschiedliche Men­
schen, die mit dem politischen System
unzufrieden sind, nicht nur wegen der
Migration. So machten Leute bei Pegida
mit, „weil sie sich über eine Umgehungs­
straße in ihrem Ort ärgerten“, sagt Platz.
Auch in vielen anderen Städten demons­
trieren Unzufriedene.
die Sp¶rthalle,
-n
sehr großer, hoher Raum für
Sport
die Aufnahme von: aufnehmen = hier: ins
Land reisen lassen und dort
eine Unterkunft geben
einer Meinung
sein
die gleiche Meinung haben
monatelang über die Zeit vieler Monate
verz“chten auf hier: nicht für Sport benutzen
können
D¢rch … geht
ein R“ss.
In … gibt es einen Konflikt, der
die Menschen trennt.
der [nhän-
ger, -
Person, die die Interessen einer
Partei, Organisation oder Person
unterstützt
das Jahrzehnt,
-e
Zeit von zehn Jahren
die Mittel-
sch“cht, -en
hier: soziale Klasse, der es
ziemlich gut geht
der/die Wohl-
habende, -n
Reiche
tendieren zu … hier: meistens … haben
die H„ltung
gegenüber …
Meinung zum Thema …
die Zustim-
mung
von: zustimmen = hier: einver­
standen sein mit
eher hier: ≈ mehr
ebenso genauso
die Bevœlke-
rung
alle Einwohner
die Konkurr¡nz hier: Personen, die sich für
gleiche Arbeitsplätze bewerben
verändern neu oder anders machen
demonstrieren hier: sich auf der Straße treffen,
um zu protestieren
das Abendland westliche Kultur
die NPD kurz für: Nationaldemokratische
Partei Deutschlands
gehören zu hier: ≈ Mitglied sein in
die L„ndeszen-
trale
≈ Amt eines Bundeslandes
die politische
B“ldung
≈ Unterricht über politische
Institutionen und Strukturen
¡twa circa; ungefähr
der Gegende-
monstrant, -en
Person, die gegen die Ziele
einer anderen Demonstrations­
gruppe protestiert
v¶n … „n hier: ab …
die Bewegung,
-en
hier: organisierte Gruppe mit
einem speziellen Ziel
die Umge­
hungsstraße, -n
Straße, auf der starker Verkehr
außen um einen Ort fahren soll
FOTO:PICTUREALLIANCE/TAGESSPIEGEL
%
FOTOS:MATTHIASCREUTZIGER;ISABELAPACINI
173/16
Gesellschaft
„Ich dachte, die sind ungefährlich“
Ich komme aus den USA und lebe seit zehn Jahren in Deutschland.
Ich bin mit einer Deutschen verheiratet. In Dresden, wo ich mit meiner
Familie wohne, gibt es seit Oktober 2014 die Pegida-Bewegung. Die
„Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“
demonstrieren jeden Montagabend. Ehrlich gesagt habe ich sie am
Anfang nicht ernst genommen. Ich dachte, die sind ungefährlich.
Aber die Situation wurde schlimmer. Als Pegida ein Jahr alt wurde,
waren ihre Leute besonders aggressiv. Jeden Montag treffen sie sich
auf dem schönen Platz vor unserer Oper. Das ärgert mich. Manche
Menschen denken vielleicht, dass die Semperoper etwas mit Pegida
zu tun hat. Das ist nicht so.
Die Flüchtlinge sind für viele Dresdener das wichtigste
Gesprächsthema. Viele wollen ihnen helfen, auch wenn sie sich
wegen Angela Merkels Flüchtlingspolitik Sorgen machen. Sie bringen
Kleidung und andere Spenden und helfen in den Unterkünften. Es
macht Mut, das zu sehen.
Simeon Esper ist Tenor an der Semperoper in Dresden, an der der
Amerikaner seit 2010 als Solist arbeitet.
die Bewegung, -en hier: organisierte Gruppe mit einem speziellen Ziel
das Abendland westliche Kultur
demonstrieren hier: sich auf der Straße treffen, um zu protestieren
¡rnst nehmen hier: wichtig finden
zu tun haben m“t eine Verbindung haben mit
die Sp¡nde, -n hier: Gegenstände, die man anderen schenkt, um zu helfen
Mut m„chen hier: Angst nehmen, weil sie ein positives Beispiel sind
„Das Problem kann nur
international gelöst werden“
Meine Familie kommt aus Syrien, und ich spreche Arabisch. Deshalb kom-
men viele Flüchtlinge zu mir in die Zahnarztpraxis. Pro Monat sind es unge-
fähr 30 Patienten mehr als sonst. Das ist viel. Aber wer Schmerzen hat, den
schicke ich nicht weg. Seit dem Sommer 2015 sind so viele Flüchtlinge nach
Deutschland gekommen, dass ich mich frage, wie ihre Integration gelingen
soll. In Hamburg sehe ich, dass vieles nicht klappt. So sollen Flüchtlinge
innerhalb von fünf Monaten in eine Krankenkasse aufgenommen werden.
Viele sind nach anderthalb Jahren immer noch nicht drin. Wenigstens haben
sie eine Notfallversicherung. Die Kosten zahlt das Sozialamt.
Die Politik von Angela Merkel, Flüchtlinge aufzunehmen, finde ich
trotzdem gut. Sie ist ja auch Mitglied einer christlichen Partei. Da in der
Europäischen Union andere Länder keine oder nur wenige Flüchtlinge auf-
nehmen, ist Deutschland in einer schwierigen Situation. Das Problem kann
nur international gelöst werden. Zum Beispiel, indem Kriege beendet werden.
Ich habe wenig Hoffnung, dass das in Syrien bald gelingt.
Die Zahnärztin Milia Abou Tara arbeitet in Hamburg in einer gemeinsamen
Praxis mit ihrem Vater, Nicolas Abou Tara. Der Syrer kam vor mehr als 40 Jah-
ren zum ersten Mal von Damaskus nach Hamburg.
aufnehmen hier: ≈ als Mitglied speichern
„nderth„lb Jahre eineinhalb Jahre; ein Jahr und sechs Monate
dr“n m darin; hier: in der Krankenkasse
aufnehmen hier: ins Land reisen lassen und dort eine Unterkunft geben
da hier: weil
indem ≈ dadurch, dass …
FOTO:PICTUREALLIANCE/DPA
18 3/16
Freital, eine Kleinstadt südwestlich von
Dresden. Im Juni sollte dort eine Unter­
kunft für Flüchtlinge eingerichtet werden.
Es gab Protest. Zu den Demonstrationen
kamen Bürger aus der Stadt und auch
Rechtsextreme. Seit dieser Zeit publiziert
der Blog „Perlen aus Freital“ Hasskom­
mentare, die zwei anonyme Aktivisten bei
Facebook, Twitter und auf anderen Inter­
netseiten finden. Zum Beispiel: „Nur ein
toter Muslim ist ein guter Muslim.“ Zuerst
konzentrierten sich die Blogger auf Freital.
Jetzt publizieren sie auf perlen-aus-frei­
tal.tumblr.com Hasskommentare aus ganz
Deutschland, weil sie Nein sagen zu Ras­
sismus und Gewalt.
Auch Simone Rafael registriert die Hass­
kommentare. Sie arbeitet für die Amadeu
Antonio Stiftung in Berlin, die gegen rech­
te Gewalt kämpft. Antonio war ein Arbeiter
aus Angola. 1990 wurde er von Rechtsex­
tremen ermordet. Früher glaubten viele
Menschen, dass vor allem junge Männer
aus Ostdeutschland für rechte Gewalt ver­
antwortlich sind. „Die Hasskommentare
kommen aber von Männern und Frauen,
aus allen Altersgruppen, allen sozialen
Schichten und aus allen Teilen Deutsch­
lands“, sagt Rafael. „Seit dem Sommer
2015 werden immer mehr Aufrufe zu offe­
ner Gewalt gepostet.“ Und nicht immer
bleibt es bei Aufrufen: Noch nie gab es in
Deutschland so viel Gewalt gegen Flücht­
lingsunterkünfte wie im letzten Jahr. Das
Bundeskriminalamt zählte im letzten Jahr
173 Gewalttaten gegen Flüchtlingsunter­
künfte – sechsmal so viele wie 2014. Und
die Gewalt hört bis heute nicht auf.
„Lügenpresse“ und
„Gutmenschen“
In der Silvesternacht wurden am Haupt­
bahnhof in Köln sehr viele Frauen sexuell
belästigt und bestohlen. Die Kölner Polizei
weiß schon lange, dass es auch an ande­
ren Tagen am Hauptbahnhof viel Krimi­
nalität gibt. Trotzdem standen dort in der
Silvesternacht zu wenige Polizisten. Die
Frauen fühlten sich den Tätern ausgelie­
fert, von denen viele aus Maghreb-Staa­
ten kommen. Später versuchte die Polizei
auch noch, die Übergriffe herunterzuspie­
len. Auch große Medien berichteten erst
zwei Tage später über die Ereignisse.
die P¡rle, -n runder, meistens weißer, sehr
teurer Schmuckstein, der in einem
Meerestier wächst; hier ironisch:
besonders schöner Kommentar
der H„ss-
kommentar,
-e
hier: ≈ Kommentar, der negativ
gegen Migranten ist
die Gew„lt hier: Aggression; ≈ Schlagen
die St“ftung,
-en
Organisation mit einer speziellen
Aufgabe
erm¶rden einen Menschen absichtlich so
verletzen, dass er stirbt
der Aufruf,
-e
von: aufrufen = hier: in Medien
sagen, dass viele Leute … tun
sollen
¶ffen hier: in der Öffentlichkeit; so, dass
sie wirklich gemacht wird
posten engl. im Internet publizieren
¡s bleibt
bei …
hier: ≈ es passiert nicht mehr als …
das B¢ndes-
kriminalamt
≈ höchste Polizei in Deutschland
sexu¡ll
belæstigen
≈ mit Gewalt sexuellen Kontakt
wollen
bestehlen jemandem Dinge stehlen
die Krimi-
nalität
≈ kriminelle Akte
s“ch aus­
geliefert
fühlen
das Gefühl haben, dass man keine
Hilfe bekommt
der Täter, - Person, die kriminelle Dinge
getan hat
der Über-
griff, -e
hier: ≈ sexuelle Attacke
her¢nter-
spielen
m hier: sagen, dass etwas
weniger schlimm ist, als andere
berichten
Konfrontation
in Dresden
Pegida (hin-
ten) und Pro-
test dagegen
(vorne)
%
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FOTOS:ANNEKOCH;HENDRIKLEHMANN
213/16
Gesellschaft
„An die Konsequenzen hat
Merkel nicht gedacht“
Am 4. September 2015 musste Angela Merkel wegen der Situation in
Ungarn die Grenzen für Flüchtlinge öffnen. Seitdem ist ihre Position
als Bundeskanzlerin, als mächtigste Frau der Welt nicht mehr so stark,
wie sie war. Ich lebe seit 1989 in Deutschland. Ehrlich gesagt hat es in
dieser Zeit noch nie so viele Probleme und ungelöste Fragen gegeben.
Wie werden zum Beispiel die Flüchtlinge untergebracht? Und da waren
natürlich die Ereignisse in Köln: Auch italienische Journalisten haben
über die Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht berichtet. Köln
wird in Italien als ein Symbol für eine Politik gesehen, die darauf ver-
zichtet, mit dem Volk pragmatisch und ehrlich über die Konsequenzen
der Migration zu sprechen. An diese Konsequenzen hat Merkel nicht
gedacht, als sie sagte: „Wir schaffen das!“ Und das, obwohl sie eine
intelligente und erfahrene Politikerin ist. Deutschland ist ökonomisch
noch immer stark. Aber 2016 wieder eine Million Flüchtlinge aufzuneh-
men, das schafft es nicht.
Stefano Vastano ist Deutschlandkorrespondent der italienischen
Wochenzeitschrift L’Espresso.
seitdem hier: seit diesem Tag; seit dieser Entscheidung
mæchtig mit (viel) politischer Kontrolle
¢nterbringen eine Unterkunft geben
der Übergriff, -e hier: ≈ sexuelle Attacke
verz“chten auf hier: nicht machen
sch„ffen eine schwierige Aufgabe mit Erfolg lösen
erfahren mit (viel) Erfahrung
aufnehmen hier: ins Land reisen lassen und dort eine Unterkunft geben
„Wir wollen eine differenzierte Debatte“
Schon seit dem Sommer gibt es im Internet mehr Hetze gegen Geflüchtete. Da verabreden sich
Menschen, um deren Unterkünfte zu attackieren. Das finde ich sehr schlimm. Nach den Übergriffen
auf Frauen in der Silvesternacht in Köln wird wieder mehr über sexualisierte Gewalt diskutiert. Viele
Menschen in Deutschland erklären ihre Solidarität mit den Frauen. Der Feminismus wird leider auch
vereinnahmt von Menschen, die sich sonst wenig für Frauenrechte interessieren – manche davon
sind eigentlich für schlechtere Frauenrechte. Das akzeptiere ich nicht. Mit anderen Aktivistinnen
hatte ich deshalb die Idee für das Hashtag #ausnahmslos. Wir sind absolut gegen sexualisierte
Gewalt und Rassismus. Wir wollen eine differenzierte Debatte über die Gründe von beidem. Wenn
mehr Geflüchtete abgeschoben werden, löst das nicht das Problem der sexualisierten Gewalt. Richtig
wäre es, zu besprechen, wie wir Gewalt und Sexismus in unserer gesamten Gesellschaft verhindern.
Aber auch, wie Geflüchtete besser an unserer Gesellschaft teilhaben können.
Anne Wizorek ist eine deutsche Medienberaterin und Internet-Feministin, die durch ihre Twitter-Akti-
on #aufschrei im Jahr 2013 bekannt wurde.
die H¡tze d hier: böse Worte über jemanden;
böse Aktionen gegen jemanden
der/die Gefl•ch-
tete, -n
Person, die aus religiösen, poli­
tischen oder ethnischen Gründen
aus ihrer Heimat weggegangen ist /
weggehen musste
der Übergriff, -e hier: ≈ sexuelle Attacke
die Gew„lt hier: ≈ Schlagen; sexuelle Aggression
vereinnahmen hier: zum eigenen Vorteil für eigene
Ziele benutzen
die Frauenrech-
te Pl.
gleiche Chancen und garantierte
Möglichkeiten für Frauen, wie
sie Männer haben, z. B. Wählen,
Ausbildung …
ausnahmslos
(die Ausnahme,
-n
ohne Ausnahme
hier: Sache, die es gibt, obwohl
es nach einer (schriftlichen) Regel
normalerweise anders sein soll)
„bschieben in das Land zurückschicken, aus dem
man geflüchtet ist
bespr¡chen hier: sprechen über
ges„mt ganz; komplett
verh“ndern hier: machen, dass es etwas nicht
gibt
teilhaben „n hier: ≈ Mitglied werden in
der Aufschrei, -e hier: lauter Protest
h„rt hier: laut; emotional
das }nwort,
¿er
hier: schlimmes Wort
mæchtig mit (viel) politischer Kontrolle
22 3/16
Seit diesem Ereignis wird noch härter
diskutiert. Nicht nur Anhänger der AfD und
von Pegida nennen die Medien „Lügen­
presse“. Ihrer Meinung nach spielen Jour­
nalisten die negativen Konsequenzen der
Flüchtlingskrise und der Migration herun­
ter. Leute, die Flüchtlingen helfen, sind
in ihren Augen naive „Gutmenschen“.
Gutmenschen – nicht „gute Menschen“:
Der Unterschied ist groß. Denn „Gutmen­
schen“ – das Wort wurde zum „Unwort
des Jahres 2015“ gewählt – meint sarkas­
tisch Menschen, die zu gut sind.
Wohin geht die Reise für Deutschland?
Die Deutschen wissen es nicht. Angela Mer­
kel war früher sehr populär. Sie versprach
Sicherheit und Stabilität. Ist sie noch die
mächtigste Frau der Welt? Seit dem Som­
mer nimmt die Popularität der Bundes­
kanzlerin stark ab. In Umfragen sagen
inzwischen zwei von drei Deutschen, dass
die Integration so vieler Flüchtlinge nicht
gelingen kann. Die Regierung versucht, die
Zahl der Flüchtlinge mit neuen Gesetzen
zu senken. Klappt das? In Umfragen sehen
die meisten Deutschen das pessimistisch.
Unsicher sind viele aber nicht nur
wegen des Flüchtlingsthemas, sondern
auch aus anderen Gründen. Da ist, wie
bei Menschen in vielen Ländern, die
Angst vor islamistischem Terrorismus wie
in Paris. Aber da sind auch ganz andere
Themen, zum Beispiel der Skandal um die
Manipulationen bei dem Autohersteller
Volkswagen. Wie kann das sein? Deut­
sche Produkte waren bekannt für Qualität
und Sicherheit. Was bleibt vom Image der
deutschen Wirtschaft? Und wie sieht ihre
Zukunft aus, da doch viel weniger Kinder
geboren werden als vor 30, 40 Jahren?
Einige sehen in der Migration der
Flüchtlinge eine Lösung für dieses Prob­Sechs wichtige
Wörter zur Debatte
die Willk¶mmenskultur, –en
Herzlich willkommen – so begrüßt man
in Deutschland einen guten Freund.
Auch bei der Willkommenskultur geht es
um eine positive Einstellung, und zwar
speziell gegenüber Flüchtlingen und
Migranten. Der Ausdruck soll zeigen,
dass man den Menschen respektiert.
So erlaubt die Willkommenskultur keine
Diskriminierung.DieWillkommenskultur
kann man auch leben: Menschen, die
kostenlose Sprachkurse für Migranten
anbieten, Flüchtlinge zum Abendessen
einladen oder ihnen mit der oft kom-
plizierten Bürokratie helfen, sind dafür
Beispiele.
¡s geht ¢m … das Thema ist …
die Einstel-
lung gegen-
über …
hier: Art, wie man über …
denkt
¢nd zwar hier: ≈ nämlich
respektieren hier: durch die Art, wie man
mit jemandem spricht und auf
ihn reagiert, zeigen, dass man
sich für ihn interessiert und
gut findet, wie er ist
die bes¶rgten B•rger (Pl.)
Wer sich Sorgen macht, ist besorgt.
So zum Beispiel die Mutter, wenn der
15-jährige Sohn abends nicht nach
Hause kommt, obwohl er schon lange
da sein sollte. Diese Sorge ist posi-
tiv. Denn natürlich liebt die Mutter
ihr Kind und will, dass es gesund zu
ihr zurückkommt. Anders ist es bei
den besorgten Bürgern. In der aktu-
ellen Situation sind damit Menschen
gemeint, die negativ über Flüchtlinge
reden. Sie sagen zum Beispiel, dass
Migranten nur Geld kosten, eine fremde
Kultur in Deutschland etablieren wollen
und Frauen nicht respektieren. Deshalb
sehen viele Menschen in dem Ausdruck
ein Synonym für Rassisten. Die besorg-
ten Bürger protestieren gegen die-
ses negative Label: Sie sagen, dass
sie sich nur Sorgen um die Zukunft
Deutschlands und seiner Menschen
machen. Mit Rassismus oder Angst vor
dem Fremden hat das ihrer Meinung
nach nichts zu tun.
etablieren hier: machen, dass … Tradi­
tion und Praxis wird
respektieren hier: ≈ durch die Art, wie
man mit einer Frau spricht
und auf sie reagiert, zeigen,
dass man ihre Meinung und
Freiheit akzeptiert
n“chts zu tun
haben m“t
hier: eine Verbindung
haben mit
der Gr¡nzschutz
Noch vor wenigen Monaten war es in
Europa normal, ohne Probleme von
einem Land in ein anderes reisen zu
können. Kontrolliert wurde kaum, Zäune
oder Mauern waren meistens Reste aus
früheren Zeiten. Jetzt wollen immer
mehr Staaten ihre Grenzen schützen.
Auch viele deutsche Politiker fordern
einen besseren Grenzschutz – das ist
neu. Spätestens seit 1989 war es näm-
lich typisch deutsch, Grenzen öffnen
zu wollen. Das meint zumindest der
Philosoph und Merkel-Kritiker Peter
Sloterdijk. „Die Europäer werden früher
oder später eine effiziente gemeinsame
Grenzpolitik entwickeln“, sagte er der
Zeitschrift Cicero.
der Zaun, ¿e hier: Konstruktion aus Metall,
die die Grenze markiert
f¶rdern sagen, was man haben will
zum“ndest wenigstens
effizi¡nt hier: so, dass es Sinn macht
und ein Hilfe ist
entw“ckeln hier: sich überlegen
der Asylmissbrauch, ¿e
Wer politisch verfolgt wird, bekommt
in Deutschland Asyl. So steht es im
Grundgesetz. Das bedeutet aber auch:
Möchte jemand Asyl in Deutschland
bekommen, um sich zum Beispiel
wirtschaftlich zu verbessern, hat er
in den meisten Fällen keine Chance.
Das wissen auch viele Flüchtlinge, die
nicht politisch verfolgt werden – trotz-
dem kommen sie nach Deutschland
und versuchen es. Kritiker sprechen
dann von Asylmissbrauch, denn das
Grundrecht auf Asyl wird missbraucht.
Rechtsextreme Parteien benutzen
den Ausdruck auch gern: „Gegen
Asylmissbrauch“ ist ein Slogan, mit
dem sie oft Werbung für ihre Ideen
machen. Denn auch Menschen mit
weniger extremen Meinungen finden es
wichtig, dass niemand das Recht auf
Asyl missbraucht.
verf¶lgen hier: jemandem aus poli­
tischen Gründen Probleme
machen oder Nachteile
bringen
das Gr¢nd-
gesetz
(die Verf„s-
sung, -en
Name der deutschen Ver­
fassung
schriftliche Form für die
Regeln in einem Staat)
das Gr¢nd­
recht, -e
hier: ≈ garantierte Möglich­
keit eines Menschen, in
Deutschland zu bleiben
missbrauchen hier: für eine falsche Sache
benutzen
bes¶nnen ruhig; so, dass man genau überlegt
der Wert, -e hier: Ideal; Moral
die Ged¡nkstät-
te, -n
Ort zur Erinnerung an ein Ereignis oder eine
Person
der Adel Aristokratie
der Feind, -e ↔ Freund
s“ch ¢mkehren hier: in das Gegenteil ändern
f¡st h“nter …
stehen
… absolut unterstützen
die Behörde, -n Amt
das Asylverfah-
ren, -
≈ Untersuchung, ob eine Person Asyl bekommt
„blaufen ≈ passieren
ausbuhen m „Buh“ rufen, um zu zeigen, dass man etwas
nicht gut findet
hämisch hier: ≈ böse; so, dass man sich freut, wenn
andere nicht recht haben
FOTOS:PICTUREALLIANCE/SZ,DPA(2)
3/16
Gesellschaft
lem. Andere sagen, dass viele Flüchtlinge
nicht lesen können und zuerst jahrelang
lernen müssen, bevor sie einen qualifi­
zierten Job bekommen.
Die Eliten unterstützen
die Demokratie
Trotz der unsicheren Situation: Die
meisten Menschen in Deutschland sind
„besonnen“, glaubt der Historiker Paul
Nolte. Ein Grund dafür ist die finanzielle
und politische Sicherheit, in der sie leben.
„Es ist auch ein Erfolg der demokratischen
Kultur in Deutschland“, sagt der 52-Jäh­
rige. „Kinder lernen die Werte der Demo­
kratie schon in der Schule kennen.“
Der Staat gibt jedes Jahr Millionen Euro
aus, damit sich die Bürger mit der Nazi­
zeit und der Deutschen Demokratischen
Republik beschäftigen. Mit dem Geld
werden Gedenkstätten, Bücher, Filme und
Veranstaltungen unterstützt. Nolte sagt:
„Viele Jahrzehnte lang waren die poli­
tischen Eliten und der Adel in Deutsch­
land Feinde der Demokratie. Kämpfer für
die Demokratie kamen eher aus unteren
Gesellschaftsschichten, zum Beispiel aus
der Arbeiterbewegung. Das hat sich umge­
kehrt, übrigens auch in anderen Staaten.“
Jetzt, sagt der Historiker, stehen die politi­
schen Eliten in Deutschland fest hinter der
Demokratie.
Institutionen wie die Landeszentra­
len für politische Bildung unterstützen
den demokratischen Dialog. Thomas Platz
erzählt, dass es 2015 in Sachsen 60 Ver­
anstaltungen mit dem Motto „Kommune
im Dialog“ gab. Oft stritten Leute von der
Stadt, der Polizei, Bürger und Politiker dar­
über, dass in ihrem Ort eine Unterkunft für
Flüchtlinge eingerichtet werden soll. „Viele
Bürger fühlen sich von der Politik und den
Behörden schlecht informiert“, sagt Platz.
„Sie wissen nicht, wie ein Asylverfahren
abläuft. Sie denken: Wir werden nicht
gefragt.“ Die Diskussionen auf den Veran­
staltungen waren oft sehr emotional.
Aber immer, berichtet Thomas Platz,
haben die Menschen bei diesen Veran­
staltungen einen konstruktiven Dialog
miteinander begonnen. Er sagt: „Oft wur­
den Menschen laut, sie buhten Redner
aus und machten hämische Kommenta­
re.“ Aber das ist für eine Demokratie kein
großes Problem. 2
Fremdsprache Deutsch
Sonderheft 2016: Deutschunterricht
für Lernende mit Migrationshintergrund
Herausgegeben vom
Vorstand des Goethe-Instituts und
Christian Fandrych, Britta Hufeisen,
Imke Mohr, Ingo Thonhauser,
RainerE.Wicke und UlrichDronske
als korrespondierendes Mitglied
2016, ca. 96 Seiten,
Einzelheft € (D) 14,95,
Heft im Abonnement € (D) 12,95
ISBN 978-3-503-16649-7
Das Sonderheft will allen,
die sich in der Spracharbeit
mit Migranten aller Alters-
stufen engagieren, Orientie-
rungshilfen und praktische Hilfestellungen geben
und sie in ihrer wichtigen Arbeit unterstützen.
www.ESV.info/978-3-503-16649-7
das Staatsversagen
Viele Leute sind der Meinung, dass
Politik und Ämter mit der aktuellen
Situation in Deutschland überfordert
sind. Sie denken, dass der Staat versagt
hat. Weil zum Beispiel viele Flüchtlinge
unkontrolliert in das Land gekommen
sind oder die Bürokratie ihrer Meinung
nach viel zu langsam ist. Andere fühlen
sich auch auf den Straßen ihrer Stadt
nicht mehr sicher und haben Angst vor
Kriminellen. An diesen Beispielen sieht
man: Staatsversagen ist nichts, was
man objektiv feststellen kann. Denn
jeder Einzelne hat eine andere Idee
davon, was der Staat machen soll –
und was nicht. Einige fordern zum
Beispiel ein ausgebautes Sozialsystem.
Andere wollen, dass sich der Staat
am besten nie einmischt. Das sagt
auch der Jurist Christoph Möller. Für
ihn ist Staatsversagen deshalb nur
eine „polemische Phrase“. Diese Phrase
wird aber auch von Politikern aus den
Regierungsparteien und von Medien
gern benutzt.
überf¶rdert
sein
hier: mit einer schwierigen Auf­
gabe nicht zurechtkommen
versagen hier: nicht funktionieren
f¶rdern sagen, was man haben will
ausbauen hier: größer und besser machen
s“ch einmi-
schen
etwas tun, ohne dass man
gefragt worden ist
die Ben“mmregel, -n
In jedem Land gibt es andere Normen,
was man tun darf und was nicht. So
geben sich Männer und Frauen in
Deutschland zur Begrüßung die Hand.
Und dass eine Frau im Schwimmbad
einen Bikini trägt, ist normal. Viele
Flüchtlinge kennen dies aus ihren
Ländern nicht. Und ein paar von ihnen
haben das falsch interpretiert. Deshalb
haben Institutionen Flyer mit Regeln
für gutes Benehmen, sogenannte
Benimmregeln, gedruckt. Andere bieten
Kurse an. Sie wollen Flüchtlingen zeigen,
wie das Zusammenleben in Deutschland
funktioniert. Auch für Deutsche gibt es
Benimmregeln: Zum Beispiel auf der
Insel Mallorca, wo die Bürger keine Lust
mehr darauf haben, das Menschen auf
ihren Straßen extrem viel Alkohol trinken.
der Flyer, -
engl.
Zettel mit Informationen, den
man kostenlos in großer Menge
vielen Menschen gibt
das Beneh-
men
Normen im Zusammenleben,
z. B.: Wie grüßt oder isst man
richtig?
24 3/16
Debatte
der Fl•chtling,
-e
Person, die aus religiösen, politischen
oder ethnischen Gründen aus ihrer
Heimat weggegangen ist / weggehen
musste
r¡chtswidrig so, dass sie sich nicht am geltenden
Recht orientiert
JA
die CDU kurz für: Christlich Demokratische
Union
der B¢ndestag deutsches Parlament
der Wohlfahrts-
verband, ¿e
Organisation, die Menschen in sozi-
aler Not hilft
die S“cherheits-
behörde, -n
Institution, die sich um Sicherheit
kümmert
die Aufnahme-
fähigkeit
hier: Möglichkeit, Flüchtlingen Unter-
kunft zu geben
eine klare Linie deutliches, politisches Ziel
das Verfahren, - hier: Untersuchung vor Gericht, bei
der man versucht, eine Entscheidung
zu finden
die R•ck­
führung, -en
von: zurückführen = in die Heimat
zurückschicken
auf B¢ndes­
ebene
≈ für alle Bundesländer gültig
das Asylverfah-
rensbeschleuni-
gungsgesetz
Gesetz, das helfen soll, dass Asylver-
fahren schneller entschieden werden
das Asylpaket II ≈ Programm mit Aktionen, um Flücht-
lingen schneller Unterkunft zu geben
oder sie schneller in die Heimat
zurückzuschicken
die [bschaffung von: abschaffen = machen, dass es …
nicht mehr gibt
der Fehlanreiz,
-e
hier: falsche Idee, die Lust macht, zu
kommen
der Familien-
nachzug
Zusammenführung von Familien, bei
denen ein Mitglied im Ausland lebt:
Andere Familienmitglieder kommen
ins Ausland nach, damit sie zusam-
menleben können.
NEIN
scheinbar nicht wirklich
die M¡nschen-
rechte Pl.
garantierte Möglichkeiten eines Indi-
viduums, z. B. Freiheit, freie Meinung
verl¡tzen hier: nicht beachten
die Werte­
grundlage
Ideale und bestimmte Moral als
Grundlage
die W•rde persönliche Art/Qualität, die man als
Mensch hat und die andere ehren
und akzeptieren sollen
die G¡nfer
Fl•chtlings­
konvention
≈ Vereinbarung über den Status von
Flüchtlingen
unüberw“ndbar hier: so, dass man auf keinen Fall
durch- oder hinüberkommen kann
der Zaun, ¿e Konstruktion aus Metall, die die
Grenze markiert
der Schieß­
befehl, -e
Kommando, zu schießen
die Außenpolitik ≈ politische Kontakte mit dem
Ausland
die W¡ltwirt-
schaftsordnung
≈ Regeln, nach denen die Welt-
wirtschaft funktioniert
Thomas Bareiß (CDU) ist Mitglied
des Deutschen Bundestages.
Die aktuelle Flüchtlingssituation ist ohne Zweifel die
größte Aufgabe in unserer jüngeren Zeit. Die Men-
schen in unserem Land leisten in der aktuellen Flücht-
lingssituation Unvergleichliches. Für diese freiwillige
soziale Arbeit der vielen Helfer, der Kirchen und Wohl-
fahrtsverbände, der Polizei und Sicherheitsbehörden, der
Hilfs- und Rettungsorganisationen und der Städte und
Kommunen können wir nicht genug danken!
Aber wir stoßen mit der Ankunft von über einer Milli-
on Flüchtlingen im vergangenen Jahr 2015 an die Grenze
unserer Möglichkeiten. Die Kommunen haben mit hohen
finanziellen und logistischen Problemen zu kämpfen. Ein
„weiter so“ kann es nicht geben. Wir können nicht noch
mehr Zeltstädte bauen und Sporthallen zu Wohnräumen
machen. Unsere Aufnahmefähigkeit hat Grenzen.
Die Unterstützung der Menschen kann nur dann
weiter geleistet werden, wenn es eine klare Linie beim
Thema Asyl gibt: schnelle Verfahren, schnelle Rückfüh-
rung, schnelle Integration in die Gesellschaft und auf
dem Arbeitsmarkt und eine ausreichende Zahl Wohnun-
gen. Wir haben hier auf Bundesebene mit dem Asylver-
fahrensbeschleunigungsgesetz viel erreicht und werden
mit dem Asylpaket II hoffentlich bald einen weiteren
Schritt gehen. Hier müssen nun andere Parteien ihre
Position ändern.
Aber zu einer ehrlichen und objektiven Betrachtung
der aktuellen Flüchtlingssituation gehört auch, dass wenn
wir die Migration regulieren wollen, wir sie auch begren-
zen müssen. Sollte es bis zum Frühling zu keiner Redu-
zierung der Flüchtlingszahlen in Deutschland kommen,
dann ist es unsere Verantwortung, dass unsere Grenzen,
wenn nötig, wieder geschützt und Personen ohne gültige
Ausweispapiere zurückgeschickt werden. Da darf es auch
bei der Abschaffung von Fehlanreizen und beim Familien-
nachzug keine Denkverbote geben.
„Wir können nicht noch mehr
Zeltstädte bauen und Sporthal-
len zu Wohnräumen machen.“
Zahl der
Flüchtlinge
begrenzen?
Österreich hat sich für ein Limit entschieden: Das Land will 2016
maximal 37 500 Flüchtlinge aufnehmen. In Deutschland wird über
so eine Lösung diskutiert – und die Debatte wird lauter. Regulierung
oder Grundrecht auf Asyl für jeden Menschen? Wir fragten:
FOTOS:CDU;HOCHSCHULEFREIBURG;PICTUREALLIANCE/DPA
Ja
3/16
Der Soziologe Albert Scherr ist
Professor an der Pädagogischen
Hochschule Freiburg.
Die Forderung nach einer Begrenzung der Zahl der
aufzunehmenden Flüchtlinge ist eine nur scheinbar
realistische Reaktion auf die vermuteten Grenzen der
Aufnahmefähigkeit. Tatsächlich ist sie aber rechtswid-
rig, unrealistisch und inhuman.
Menschen werden dadurch zu Flüchtlingen, dass ihre
MenschenrechteinihrenHeimatländernverletztwerden.
Sie haben dann Recht auf Aufnahme und Schutz durch
die Staaten, in denen die Menschenrechte als wesentli-
che, unveränderbare Wertegrundlage gelten. Die Men-
schenrechte machen deutlich, dass die Würde und die
Rechte jedes Einzelnen wichtiger sind als nationalstaatli-
che Interessen. Anders als im Fall von Arbeitsmigranten
ist es deshalb nicht erlaubt, Menschen an den Grenzen
zurückzuschicken, die dringend Schutz und Hilfe brau-
chen. Deshalb garantieren das deutsche Asylrecht, die
Genfer Flüchtlingskonvention und das europäische Recht
allen Flüchtlingen ein Recht auf Aufnahme und Schutz,
und nicht nur einer begrenzten Zahl.
Deutschland und die Europäische Union strengen
sich seit Jahren an, die Außengrenzen gegen nicht will-
kommene Migranten zu schützen. Die Konsequenz ist,
dass die Fluchtwege gefährlicher geworden sind – mit
tödlichen Konsequenzen. Durch eine absolute Begren-
zung der Flüchtlingszahl würde eine noch stärkere Kon-
trolle der Grenzen nötig. Das heißt: wirklich unüber-
windbare Zäune und Mauern. Unüberwindbar sind
aber nur solche Zäune und Mauern, die durch Soldaten
mit einem Schießbefehl gesichert werden. Eine solche
Schließung der Außengrenzen ist politisch nicht mög-
lich, und sie wäre inhuman. Wer die Flüchtlingszahlen
tatsächlich reduzieren will, muss deshalb entschlossen
gegen die Fluchtursachen kämpfen. Das heißt, für eine
Wirtschafts- und Außenpolitik, die eine gerechte Welt-
wirtschaftsordnung und Demokratisierung als Basis hat.
„Die Forderung nach einer
Begrenzung ist rechtswidrig,
unrealistisch und inhuman.“
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Nein
Es ist ein wichtiger Schritt im neuen
Versuch, die rechtsextreme Natio-
naldemokratische Partei Deutsch-
lands (NPD) zu verbieten: Am 1., 2.
und 3. März wird darüber vor dem
Bundesverfassungsgericht münd-
lich verhandelt. Damit beginnt in Karls-
ruhe der eigentliche Prozess, an dessen Ende
das Urteil steht. Im Dezember 2013 hatten die
Bundesländer das Verbot beantragt. Sie sehen
die Partei als verfassungswidrig an und wollen
verhindern, dass sie auch in Zukunft Geld vom
Staat bekommt.
Die NPD argumentiert unter anderem damit
gegen das Verbot, dass ihre Partei nicht frei von
staatlichem Einfluss sei. Damit meint sie V-Leute,
die sie noch immer bei sich vermutet.
Genau diese V-Leute waren der Grund,
warum ein erstes Verbotsverfahren 2003 schei-
terte. Erst im Prozess erfuhr das Gericht damals,
dass wichtige Zeugen auch V-Leute waren. Drei
der sieben Richter sahen ein Problem: Sie könn-
ten nicht genau feststellen, welche Äußerungen
wirklich von der NPD kämen und welche vom
Staat. Die V-Leute werden nämlich vom Staat
bezahlt. Das Verfahren wurde wegen dieses
Fehlers nach fünf Verhandlungsterminen been-
det. Ob die NPD verfassungswidrig ist, hat das
Gericht damit also noch nie geprüft.
Esistsehrwahrscheinlich,dassesimNPD-Ver-
botsverfahren mehr als die drei Verhandlungsta-
ge Anfang März gibt. Die Bundesländer und auch
die NPD haben nämlich große Mengen Material
und viele Argumente gesammelt.
Bei Wahlen hat die Partei seit Jahren keinen
großen Erfolg mehr. Aktuell sitzen NPD-Mitglie-
der noch im Parlament von Mecklenburg-Vor-
pommern und im Europäischen Parlament.
In Deutschland ist es sehr schwierig, eine Par-
tei zu verbieten. Das Thema ist aus historischen
Gründen sehr sensibel: Nach der Erfahrung der
Nazidiktatur, in der alle Parteien außer Hitlers
Nationalsozialistischer Deutscher Arbeiterpartei
verboten waren, wurden die Hürden für ein Ver-
bot sehr hoch gesetzt. Nur das Bundesverfassungs-
gericht kann eine Partei verbieten. Und dafür muss
diese aggressiv-kämpferisch gegen das politische
System handeln. Nur gegen das System zu sein,
reicht nicht für ein Verbot. In der Geschichte der
Bundesrepublik sind erst zwei Parteien verboten
worden: 1952 die Sozialistische Reichspartei und
1956 die Kommunistische Partei Deutschlands.
Oberstes Gericht entscheidet über Parteiverbot
das B¢ndes-
verfassungs-
gericht
(die Verf„s-
sung, -en
hier: ≈ Gericht in Deutschland,
das untersucht, ob sich etwas an
der Verfassung orientiert
schriftliche Form für die poli­
tischen und rechtlichen Grundre­
geln in einem Staat)
verh„ndeln hier: in einem Prozess ent­
scheiden
verf„ssungs-
widrig
so, dass sich etwas nicht an den
Regeln der Verfassung orientiert
der V-Mann,
-Leute
kurz für: Verbindungs- oder
Vertrauensmann = Person, die
Informationen über kriminelle
Organisationen an die Polizei gibt
das Verbots-
verfahren, -
Untersuchung vor Gericht, um
etwas verbieten zu lassen
scheitern Misserfolg haben
der R“chter, - Person, die im Gericht das Urteil
beschließt
die Äußerung,
-en
Aussage
sensibel hier: schwierig; so, dass man
genau überlegen muss, wie man
entscheidet
die H•rde, -n hier: Klausel; Regel
reichen hier: genug sein
26 3/16
Was heißt …?
Landtag
Ein Tag auf dem Land ist etwas komplett
anderes als der Landtag. Beim Landtag
geht es nämlich nicht um einen Ausflug
oder eine bestimmte Tageszeit, sondern
um Politik. Genauer: um ein Parlament.
In 13 deutschen Bundesländern gibt es
einen Landtag. Er befindet sich in der
Hauptstadt des jeweiligen Bundeslandes.
NurdieParlamentederStadtstaatenBerlin,
Hamburg und Bremen heißen anders.
Die Parteien und Politiker eines Landtags
werden nach fünf Jahren neu gewählt,
meistens zu unterschiedlichen Terminen.
Aber am 13. März wählen die Bürger von
drei Bundesländern am gleichen Tag: in
Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und
Sachsen-Anhalt. Die Medien nennen das
einen Superwahltag. Diesmal ist es beson-
ders spannend: Kriegen die Bundesländer
neue Regierungschefs? Und: Kommen
neue Parteien wie die noch ziemlich
junge, rechtspopulistische Alternative für
Deutschland ins Parlament? Die Prognosen
sagen Ja. Schon 2014 hatte die Partei
Erfolg: Sie zog zum ersten Mal in die
Landtage von Sachsen, Brandenburg und
Thüringen ein.
¡s geht ¢m … hier: das Thema ist …
best“mmte (-r/-s) hier: ≈ speziell
das B¢ndesland,
¿er
Teil von einer föderalisti­
schen Republik
s“ch bef“nden sein
jeweilige (-r/-s) hier: von jedem Bun­
desland
der St„dtstaat, -en hier: Teil von einer födera­
listischen Republik
sp„nnend ↔ langweilig
einziehen hier: Sitze im Parlament
bekommen
850 Baustellen bei der Bahn
Die Deutsche Bahn hat auch 2016 viel zu tun. 5,5 Milliarden Euro sollen zum Beispiel
in das Schienennetz investiert werden. Es ist das zweite Jahr des größten Modernisierungsprogramms
in der Bahngeschichte, das 2019 enden soll. Die Konsequenz sind für 2016 insgesamt 850 Baustellen
– so viele wie noch nie. Das betrifft die Strecken Berlin – München, Hamburg – Göttingen, Frank-
furt – Mannheim – Karlsruhe/Stuttgart, Berlin – Dresden, Bremen – Münster, München – Salzburg
und Ulm – Augsburg.  Fahrgäste müssen deshalb im Nah- und Fernverkehr mit längeren Fahrzeiten,
Umleitungen und Zugausfällen rechnen. Auf zentralen Strecken wird der Fernverkehr umgeleitet, so
zwischen Hamburg und Hannover zum Beispiel zwischen Mai und Juni. Die Züge brauchen dann
eine halbe Stunde länger.
Regierung will Bargeld limitieren
Die deutsche Regierung will eine einheitliche Bargeld-
grenze in der Europäischen Union (EU). Zahlungen mit
Scheinen und Münzen sollen dann bis maximal 5000 Euro möglich sein.
Der Grund für die Pläne: die Bekämpfung der Geldwäsche. Laut einer
Untersuchung der Universität Halle-Wittenberg werden in Deutschland
jedes Jahr 100 Milliarden Euro gewaschen. Kritiker glauben jedoch, dass
eine Obergrenze für Barzahlungen nicht hilft: In fast allen EU-Ländern
mit einem Bargeldlimit ist die Schattenwirtschaft heute wie auch vor der
Einführung des Limits viel schlimmer als in Deutschland.
Milliarden für Syrien-Hilfe
Deutschland unterstützt die Hilfe für notleidende Syrer und die Region rund
um das Bürgerkriegsland mit 2,3 Milliarden Euro. Bis 2018 will die Bundesregierung
diese Summe zur Verfügung stellen. Damit versucht sie auch, ein Vorbild für andere Länder zu sein.
Bis jetzt haben viele Regierungen nämlich hohe Summen versprochen, aber nur einen Teil davon
gezahlt. Die Vereinten Nationen haben deshalb Schwierigkeiten, genug Lebensmittel für die riesigen
Flüchtlingslager in Ländern wie dem Libanon und Jordanien zu finanzieren. Rund 4,5 Millionen Syrer
sind in die Nachbarländer Libanon, Jordanien, Irak und Türkei geflüchtet, in Syrien benötigen mehr
als 13 Millionen Menschen Hilfe. Experten sehen in der schlechten Versorgungslage einen Grund,
warum so viele Menschen nach Europa flüchten.
das B•rger-
kriegsland, ¿er
Land, in dem es Krieg zwischen
verschiedenen politischen Gruppen
gibt
zur Verfügung
st¡llen
hier: geben
das Vorbild, -er ≈ positives Beispiel
die Vereinten
Nationen Pl.
Organisation, zu der die meisten
Staaten der Welt gehören und
deren Ziel es ist, Frieden auf der
Welt zu schaffen; kurz: UN
riesig sehr groß
das Fl•cht-
lingslager, -
Lager, in dem Personen leben,
die wegen des Krieges aus ihrer
Heimat weggegangen sind
die Vers¶r-
gungslage
≈ Möglichkeit, Menschen alles
zu geben, was sie zum Leben
brauchen, z. B. Lebensmittel,
Kleidung, Medikamente …
betr¡ffen hier: ≈ passieren bei
der Zugausfall, ¿e von: ein Zug fällt aus = ein Zug fährt nicht
FOTOS:PICTUREALLIANCE/DPA(2)
einheitlich hier: in allen EU-Ländern gleich
die Bekæmpfung von: bekämpfen = hier: durch
verschiedene Aktionen zu
erreichen versuchen, dass es
etwas nicht mehr gibt
die G¡ldwäsche ≈ Verändern von illegalem
Geld, z. B. aus Prostitution
oder Waffenhandel, in offiziell
registriertes Geld
die Sch„tten-
wirtschaft
(die Schw„rz-
arbeit
≈ Summe der Schwarzarbeit in
einem Land
(illegale) Arbeit, ohne Steuern
zu zahlen)
die Einführung von: einführen = hier: etwas
Neues starten
273/16
Nachrichten
Sonnenfeuer in Greifswald
Es ist ein alter Traum der Menschheit: Energie auf die Art zu produzieren,
wie es auf der Sonne passiert. Mit der Herstellung des ersten Wasserstoffplasmas sind
Wissenschaftler in Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) diesem Ziel jetzt einen großen Schritt näher
gekommen. In der Fusionsanlage Wendelstein 7-X wurde durch einen Zwei-Megawatt-Puls der Mi­
krowellenheizung auf Knopfdruck von Bundeskanzlerin Angela Merkel aus einer sehr kleinen Menge
Wasserstoffgas extrem dünnes Wasserstoffplasma. Dabei lösten sich die Elektronen von den Kernen der
Wasserstoffatome. In einem starken Magnetfeld eingeschlossen schwebten die Elektronen dann vor den
Wänden der Plasmakammer. Das ist wichtig, denn bei einem Kontakt mit den kalten Wänden geht das
Fusionsfeuer aus. „Mit einer Temperatur von 80 Millionen Grad und einer Dauer von einer Viertelse-
kunde hat das erste Wasserstoffplasma in der Maschine unsere Erwartungen vollständig erfüllt“, sagte
Hans-Stephan Bosch vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik. In der mehr als eine Milliarde Euro
teuren Anlage wollen die Wissenschaftler untersuchen, ob die kontrollierte Fusion von Atomkernen –
wie sie auch in der Sonne passiert – auf der Erde möglich ist. Mit der Technik könnte man dann fast
unbegrenzt Energie produzieren.
Neuer Einwohnerrekord in Österreich
Zum Jahresbeginn lebten in Österreich laut Statistik Austria 8,7 Millionen
Menschen. Das sind 115 000 Personen oder auch 1,3 Prozent mehr als vor einem Jahr. Besonders
stark ist die Hauptstadt gewachsen: In Wien leben 43 200 Personen (2,4 Prozent) mehr. Grund für
das Wachstum ist nicht eine steigende Geburtenrate, sondern die Migration aus dem Ausland. So ist
der Ausländeranteil in ganz Österreich auf 14,6 Prozent (1,27 Millionen Menschen) gestiegen. Vor
einem Jahr lag er noch bei 13,3 Prozent. Die größte Gruppe unter den Nicht-Österreichern sind die
Deutschen mit 176 517 Personen.
SONNENFEUER IN GREIFSWALD
die Fusionsanla-
ge, -n
≈ Reaktor, in dem mit
Nuklearenergie elektronische
Energie hergestellt wird
die Mikrowellen-
heizung, -en
≈ Heizung, die mit geringer
Energie des elektromagne­
tischen Spektrums funk­
tioniert
das W„sser-
stoffgas
farbloses, geschmackfreies
Gas; H2
s“ch lösen v¶n sich trennen von
der K¡rn, -e hier: ≈ innerer Teil; die Proto­
nen eines Atoms
das Magnetfeld,
-er
Bereich, in dem überall der
Effekt eines Magneten zu
merken ist
schweben hier: sich langsam bewegen
die Pl„sma­
kammer, -n
≈ Teil einer Konstruktion, mit
der man Plasma herstellt
das Fusions­
feuer, -
≈ extrem heißes Feuer, durch
das einzelne Atomkerne zu
einem verbunden werden
v¶llständig komplett; völlig
NEUER EINWOHNERREKORD
IN ÖSTERREICH
die Geburtenra-
te, -n
Zahl von Geburten in Prozent
der Ausländeran-
teil
Zahl der Ausländer in Prozent
FOTO:PICTUREALLIANCE/DPA
28 3/16
Auf den zweiten Blick
Die Zeit
Abgeräumt
Das Wort abräumen bedeu-
tet, dass man von einer Stelle
alles wegnimmt, was dort ist.
Der Ort bleibt also leer zurück:
„Ich muss leider schnell weg.
Könntest du bitte den Tisch
abräumen?“
Dieses Bild einer leeren Stelle wird auch für andere Kontexte
verwendet, zum Beispiel, wenn ein Sportler viele Medaillen
gewinnt. Man denkt dann an den Medaillentisch, der danach leer
ist: „Drei Goldmedaillen? Da hat die Newcomerin aber wirklich
abgeräumt!“
Eine sehr negative Bedeutung kann das Wort aber auch
haben – dann nämlich, wenn ein Konto abgeräumt wird. Wie
die Wochenzeitung Die Zeit berichtet, gelingt es kriminellen
Hackern immer wieder, Kreditkartendaten zu stehlen. Damit
können sie Konten abräumen. Das versuchen Experten zu
verhindern. Sie arbeiten an einer ständigen Verbesserung der
Sicherheitsstandards. Aber auch die Hacker aktualisieren ihre
Software ständig – und sind damit immer in einem Wettlauf mit
den Informatikern der Gegenseite, um trotzdem weiterhin Konten
abräumen zu können.
Handelsblatt
Edeka hält an Tengelmann fest
Wenn man sich an einem Gegenstand festhält, dann nimmt man
ihn mit viel Kraft mit der Hand. Meistens macht man das, um
nicht zu fallen, zum Beispiel beim Busfahren: „Halt dich gut an
der Stange fest, Lisa, gleich kommt eine Kurve!“ Eine ähnliche
Bedeutung hat das Wort festhalten auch in weniger konkreten
Kontexten. Man meint dann, dass jemand mit einer Sache nicht
aufhört, sondern auf jeden Fall damit weitermachen möchte:
„Trotz aller Kritik wird Thomas sein Projekt so beenden, wie er es
richtig findet. Er hält immer an seinen Plänen fest!“
Ein Fall von großer Dimension, in dem an etwas strikt
festgehalten wird, geht zurzeit durch die deutschen Medien:
Der Supermarkt-Gigant Edeka will die Tengelmann-Gruppe
aus derselben Branche übernehmen – und das trotz vie-
ler Schwierigkeiten. Wie die Wirtschafts- und Finanzzeitung
Handelsblatt berichtet, ist die Übernahme schlecht für die
Wettbewerbspolitik. Deshalb hat das Kartellamt den Plan verbo-
ten. Trotzdem hat der Wirtschaftsminister erlaubt, dass an der
Übernahme festgehalten wird. Sie wäre für die Allgemeinheit
von Vorteil, findet er. Diese
Ministerkompetenz kritisieren
nun aber verschiedene Parteien.
Auch ein paar Aspekte des
Vertrags sind juristisch noch
nicht klar. Ob an dem Plan also
bis zum Schluss festgehalten
werden kann, ist noch nicht
entschieden.
Politische Bildung
nicht willkommen
Deutschlands politische Stiftun-
gen bekommen im Ausland immer
mehr Probleme. So musste die FDP-nahe
Friedrich-Naumann-Stiftung ihre Projektchefin
Andrea Nüsse aus Marokko zurückholen, um
einer Ausweisung durch die Regierung des Lan-
des zuvorzukommen. Davor hatte die Stiftung
dem kritischen marokkanischen Journalisten Ali
Anouza einen Preis verliehen. Auch das Regional-
büro in Ägypten hat die Friedrich-Naumann-Stif-
tung zum Jahreswechsel geschlossen. „Wenn
heute jedes politische Seminar, jede Konferenz,
die wir mit ägyptischen Partnern ausrichten, als
mögliche Bedrohung der inneren Sicherheit Ägyp-
tens missverstanden wird, so entzieht das unserer
Arbeit die Grundlage“, sagte Wolfgang Gerhardt
vom Vorstand der Stiftung.
Neu sind solche Repressionen nicht: Der Büro-
chef der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung
wurde 2013 zusammen mit einer Mitarbeiterin
zu einer Haftstrafe verurteilt. Der Grund: illegale
Finanzierung aus dem Ausland und Unruhestif-
tung. Im selben Jahr musste auch die SPD-nahe
Friedrich-Ebert-Stiftung Sri Lanka verlassen.
Schon Ende 2012 schloss die Grünen-nahe Hein-
rich-Böll-Stiftung nach einem langen Streit ihr
Büro in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba.
Das Auswärtige Amt ist beunruhigt: „Wir
sehen es in der Tat mit Sorge, dass in immer
mehr Ländern die Spielräume der Zivilgesell-
schaft durch restriktive Maßnahmen der Regie-
rung beschränkt werden“, heißt es.
In Deutschland gibt es insgesamt sechs politi-
sche Stiftungen: die Friedrich-Ebert-Stiftung, die
Konrad-Adenauer-Stiftung, die Hanns-Seidel-Stif-
tung, die Friedrich-Naumann-Stiftung, die Hein-
rich-Böll-Stiftung und die Rosa-Luxemburg-Stif-
tung. Sie alle haben zwar eine enge Verbindung
mit einer Partei und ihren politischen Ideen, sind
aber finanziell und organisatorisch unabhängig.
Ihr wichtigstes Ziel ist es, die politische Bildung
zu unterstützen. An ihren Angeboten kann jeder
teilnehmen. Finanziert werden sie zu etwa 90
Prozent von verschiedenen Bundesministerien
und dem Deutschen Bundestag. Alle Stiftungen
haben auch Büros im Ausland. Sie sind dort
Nichtregierungsorganisationen, werden also
nicht als staatliche Institutionen betrachtet.
ABGERÄUMT
verh“ndern hier: machen, dass etwas nicht
passiert
stændig dauernd
aktualisieren hier: so ändern, dass sie mit der
neuesten Technik arbeitet
der W¡ttlauf,
¿e
hier: Kampf: Wer ist bei
neuen Sicherheitsstandards am
schnells­ten?
die Gegensei-
te, -n
hier: Banken, Geldinstitute …
weiterh“n hier: auch in Zukunft
EDEKA HÄLT AN TENGELMANN FEST
die St„nge, -n hier: langes, dünnes Stück, das
meistens vertikal stabil in das
Innere eines Busses gemacht wird
der F„ll, ¿e hier: Sache, die Probleme macht
die Dimensi-
on, -en
hier: ≈ Bedeutung; Wichtigkeit
str“kt hier: auf jeden Fall
übernehmen hier: kaufen und mit der Arbeit
weitermachen
die W¡ttbe-
werbspolitik
(die M„rkt-
wirtschaft
Teil der Wirtschaftspolitik, die
sich um die Kontrolle der Markt­
wirtschaft kümmert
≈ freies Wirtschaftssystem)
das Kart¡ll-
amt, ¿er
Amt, das kontrolliert, ob sich
alle an den Regeln für Kartelle
orientieren
die Allge-
meinheit
hier: Gesellschaft
die Min“ster-
kompetenz
hier: ≈ Möglichkeit des Ministers,
die Erlaubnis zu geben
POLITISCHE BILDUNG
NICHT WILLKOMMEN
die politische
B“ldung
≈ Unterricht über politische
Institutionen und Strukturen
die St“ftung,
-en
Organisation für einen bestimm­
ten Zweck
FDP-nah mit einer engen Beziehung zur
Freien Demokratischen Partei
die Auswei-
sung, -en
von: ausweisen = hier: nach
Deutschland zurückschicken
zuvorkommen etwas tun, bevor andere diesel­
be Sache tun
verleihen hier: bei einer Zeremonie geben
ausrichten hier: veranstalten
die Bedro-
hung, -en
von: bedrohen = hier: der Grund
sein, warum eine Situation
gefährlich wird
entziehen hier: wegnehmen
der Vorstand Gruppe, die eine Firma oder
einen Verein leitet
die CDU kurz für: Christlich Demokra­
tische Union
die H„ftstrafe,
-n
Strafe, bei der eine Person
eingeschlossen wird
die }nruhe-
stiftung
Stören des öffentlichen Friedens
die SPD kurz für: Sozialdemokratische
Partei Deutschlands
das Auswärti-
ge [mt
Ministerium, das sich um die
politischen Kontakte mit dem
Ausland kümmert
“n der Tat wirklich
der Spiel-
raum, ¿e
hier: Möglichkeit
die Zivilge-
sellschaft,
-en
Gesellschaft mit politisch und
sozial aktiven Bürgern, die selbst
Dinge entscheiden
die Maßnah-
me, -n
Handlung, um ein bestimmtes
Ziel zu erreichen
beschrænken reduzieren; weniger machen
der Deutsche
B¢ndestag
deutsches Parlament
293/16
Nachrichten
Leben im
30 3/16
%
KulturdenkmalHistorische Häuser, alte Kirchen, starke
Frauen: Das alles finden Besucher in
Quedlinburg. Auch die Einwohner lieben
die Geschichte ihrer Stadt – und kümmern
sich um jedes Detail, berichten Insa van
den Berg und Claudia May.
Als Thomas Labusiak von der Arbeit zurück-
kommt, wartet schon seine sieben Jahre alte
Tochter Lisa auf ihn. Stolz zeigt sie ihm das Bild,
das sie gerade gemalt hat. Der Vater, noch im
Mantel und mit der Mütze auf dem Kopf, bewun-
dert es. Der 45-Jährige kommt gerne nach Hause.
„Es ist für uns alle jeden Morgen eine Freude, hier
aufzuwachen, den Tag hier zu verbringen und am
Abend hier wieder schlafen zu gehen“, sagt er.
Seit einem Jahr wohnt die Familie, die aus
vier Personen besteht, in dem restaurierten Fach-
werkhaus im historischen Zentrum Quedlinburgs.
Drei Jahre lang haben sie selbst intensiv mitgear-
beitet, um in das 500 Jahre alte Haus einziehen
zu können. Der Kunsthistoriker lacht. „Als Geis-
teswissenschaftler ist man es ja nicht gewohnt,
am Ende des Tages ein so konkretes Ergebnis zu
haben. Wenn Sie aber eine Wand eingerissen
haben, sehen Sie, was Sie geschafft haben.“
Es hätte sich gelohnt, so viel Arbeit, Zeit und
Geld in das denkmalgeschützte Haus zu inves-
500 Jahre alte Häuser
sind in diesem Ort ganz
normal: In Quedlinburg
stehen Hunderte davon.
die M•tze, -n ≈ weicher Hut
bew¢ndern hier: ansehen und schön finden
aufwachen wach werden
das F„chwerk-
haus, ¿er
spezielle Architektur: Man kann an der Außenseite eines
Hauses die Holzteile sehen (s. Foto).
der Geisteswis-
senschaftler, -
≈ Person, die verschiedene Aspekte von Kunst, Kultur oder
einer Sprache systematisch untersucht
gewohnt sein kennen; normal finden
einreißen hier: kaputt machen
sch„ffen hier: erreichen; machen
hætte s“ch
gelohnt
Konj. II der Vergangenheit von: sich lohnen = gut sein, dass
man etwas macht
d¡nkmal­
geschützt
von: unter Denkmalschutz stehen = davor geschützt sein,
kaputt gemacht oder geändert zu werden
FOTO:MAURITIUSIMAGES/ALAMY
313/16
Quedlinburg
tieren, sagt auch seine Frau, Miriam
Gepp-Labusiak, und gibt ihrem Mann den
kleinen Sohn Toni. „Es ist so spannend,
von der Geschichte dieses Hauses umge-
ben zu sein“, sagt sie.
Deshalb ist in der modernen Küche,
wo die Familie am meisten Zeit verbringt,
auch noch ein Stück von der alten Mauer
zu sehen. Diese Form der Erinnerung war
den Labusiaks bei der Renovierung wich-
tig. „Wahnsinn, was hier alles passiert ist.
Gebaut hat das Haus wahrscheinlich ein
Dachdecker, dann war hier eine Braue-
rei, dann eine Gerberei, zum Schluss eine
Fahrschule“, erzählt Thomas Labusiak.
„Das relativiert einen selbst. Das hat uns
der Architekt auch mal gesagt: ‚Ihr könnt
machen, was ihr wollt. Aber wir gehen vom
Haus aus. Denn das wird euch überleben.’“
2010 hat der Bayer in Quedlinburg als
Domkustos angefangen. Er kümmert sich
um die Pflege und Reparaturen der Dom-
schätze von Quedlinburg und der Nach-
barstadt Halberstadt. Für ihn ist das die
ideale Stelle. So wusste die Familie bald,
dass sie in der Kleinstadt in Sachsen-An-
halt bleiben wird. „Man sollte am Ort
sein, finde ich. Also haben wir dieses Haus
gekauft“, erklärt der Familienvater. „Ich
habe immer dazugesagt, dass es ein Fach-
sp„nnend ↔ langweilig
umgeben sein
v¶n
auf allen Seiten haben
Wahnsinn. hier: m Das kann man nicht
glauben.
der D„ch­
decker, -
Person, die beruflich Dachsteine
auf Dächer legt
die Brauerei,
-en
Fabrik, in der Bier gemacht wird
die Gerberei,
-en
Fabrik, in der aus Tierhaut Leder
hergestellt wird
relativieren hier: ≈ helfen, etwas in der rich-
tigen Perspektive zu sehen
ausgehen v¶n hier: bei der Renovierung
denken an
überleben hier: auch nach dem Tod der
Familie da sein
der Domkus-
tos, -kustoden
Person mit einer offiziellen
Position in einem Dom
der Dom-
schatz, ¿e
Gegenstände in einem Dom,
die viel wert sind (z. B. Gold
und Silber)
dazusagen ≈ noch eine Information geben
Drei Jahre mussten sie intensiv an ihrem Haus arbeiten, bevor sie einziehen konnten
Miriam Gepp-Labusiak mit Ehemann Thomas und den Kindern Toni und Lisa vor ihrem Tor
FOTOS:CHRISWOHLFELD;ROLANDROSSNER/DEUTSCHESTIFTUNGDENKMALSCHUTZ
32 3/16
%
werkhaus ist. Bis mir dann irgendwann
klar wurde, dass ich das nicht betonen
muss. Es ist ja alles Fachwerk in Qued-
linburg.“
Rote, grüne, weiße Fassaden und
dunkles Holz: Wer beim Spaziergang durch
das Zentrum statt auf das Kopfsteinpflas-
ter in Richtung Himmel blickt, der sieht
kunstvolle Inschriften. Pentagramme soll-
ten früher vor dem Bösen und vor Feuer
schützen. Nur in Quedlinburg zu finden
sind Balkenköpfe mit der Form einer Pyra-
mide, wie sie ab dem 17. Jahrhundert die
Fassaden verschönerten. Architektur aus
acht Jahrhunderten.
Mehr als 2000 Fachwerkhäuser stehen
in dem 20 000-Einwohner-Städtchen.
Wegen der vielen historischen Holzhäuser
ist die Stadt seit 1994 Teil des UNESCO-Welt­
erbes. Die meisten Fachwerkhäuser sind in
den letzten 25 Jahren renoviert worden.
Übrig geblieben sind noch ungefähr 400
in sehr unterschiedlichem Zustand. Es gibt
Häuser, bei denen man gar nicht sieht,
dass innen noch eine große Baustelle ist,
weil Fassade und Dach schon fertig sind.
Und es gibt andere, an denen so viel zu
machen ist, dass es für die Besitzer zu
teuer wäre. Bei manchen ist bis heute
noch nicht sicher, wem sie gehören. Und
bei anderen leben die Erben weit weg und
können sich nicht entscheiden, was mit
ihrem Haus passieren soll.
Zu kaufen ist kaum noch ein Fachwerk-
haus in Quedlinburg. Familie Labusiak ist
eine der letzten, die noch eines kaufen
konnte. Die Immobilienpreise in der Stadt
sind in den letzten Jahren extrem gestie-
gen. Es gab viele Käufer aus anderen Städ-
ten, nicht nur aus deutschen Metropolen
wie Frankfurt, Hamburg und Berlin, son-
dern vor allem auch aus dem Ausland: aus
der Schweiz, Österreich, den Niederlanden
und den USA. Gekauft, um dort einzuzie-
hen, als Ferienwohnung oder für das Alter.
Einer, der jedes historische Haus kennt,
ist der Pensionär und frühere Ingenieur
Karlheinz Wauer. Viele nennen ihn ein
„wandelndes Lexikon“. Das beschreibt den
82-Jährigen auch ziemlich gut. Trotzdem
hört er es nicht so gerne. „Ich mache ein-
fach Quellenforschung“, erklärt er. Wauer
studiert also fast jeden Tag mehre Stunden
sehr genau histo-
rische Dokumen-
te – und das seit
Jahrzehnten. Im
November letzten
Jahres hat er dafür
den Denkmal-
preis des Landes
Sachsen-Anhalt
bekommen. „Bis-
her habe ich 400
historische Häuser
der Stadt in Auf-
sätzen beschrie-
ben – und auch
schon den ein oder
anderen Fehler in
der Sekundärlite-
ratur korrigiert“,
sagt er nicht ohne
Stolz.
Da war zum Beispiel dieses Haus, von
dem man sagte, dass dort der Urgroßvater
des Quedlinburger Dichters Friedrich Gott-
lieb Klopstock (1724 - 1803) gewohnt hat.
In Wirklichkeit lebte er aber im Nachbar-
haus. „Häuser der Kirche mussten damals
keine Steuern zahlen. Also sind sie auch
nicht auf den alten Steuerlisten zu finden“,
erklärt Wauer. „In der Straße stand aber ein
kirchliches Haus – und so kam es zu der
Verwechslung. Denn Hausnummern hat es
zu der Zeit natürlich nicht gegeben.“
Steuerlisten sind eine seiner wichtigsten
Quellen. „Einer hat was zu bezahlen, der
andere kriegt es. Wenn es ums Geld geht,
ist alles ganz genau dokumentiert“, sagt er
und lacht. Anders die Kirchenbücher: Sie
sind oft nicht ganz so genau. „In Städten
wie Quedlinburg hatten die Pastoren frü-
her wenig Zeit“, sagt Wauer. „Da liest man
dann: ‚Eine Leiche beerdigt.’ Das ist natür-
lich ein bisschen wenig Information.“
Auch das Haus von Familie Labusiak
kennt Wauer gut. Er hat Thomas Labusi-
ak eine Chronik des alten Fachwerkhau-
ses gegeben. Der Experte ist froh, dass die
Familie so viel und genau an dem Haus
gearbeitet hat. „Man hätte bei der kompli-
zierten Restaurierung viel kaputt machen
können“, sagt er. „Zum Glück ist das nicht
passiert. Es ist ganz gut gelungen.“ Aus
B“s mir klar
w¢rde …
Bis ich verstand …
betonen hier: besonders deutlich sagen;
noch eine Information geben
das K¶pf-
steinpflaster
≈ Straße aus kleinen, runden
Steinen (s. Foto)
k¢nstvoll mit großem künstlerischen Talent
und Können
die |nschrift,
-en
Schrift in Stein, Holz oder Metall,
z. B. auf einem Denkmal
der B„lken­
kopf, ¿e
≈ eines von zwei Enden eines
langen, schweren Holzstückes
das Jahr­
h¢ndert, -e
Zeit von 100 Jahren
verschönern schöner machen
das W¡lterbe Gebäude, Städte und Land-
schaften in aller Welt, die man
für die Menschen in Zukunft
schützen soll
der ]rbe, -n Person, die nach dem Tod eines
Verwandten etwas bekommt
der Immobili-
enpreis, -e
Preis für ein Gebäude oder ein
Stück Land
(… “st) ein
w„ndelndes
L¡xikon
(w„ndeln
(das
L¡xikon, L¡xi-
ka/L¡xiken
m (… ist) eine Person mit Ex-
pertenwissen auf vielen Sektoren
sich bewegen)
Enzyklopädie)
einfach hier: nur
die Qu¡llen-
forschung,
-en
(die Qu¡lle,
-n
systematisches Studieren von
Quellen
hier: Medium, aus dem man
Informationen hat)
das Jahr-
zehnt, -e
Zeit von zehn Jahren
der D¡nkmal-
preis, -e
Geld für Leute, die sich um den
Schutz historischer Gebäude
kümmern
das L„nd, ¿er
(das B¢ndes-
land, ¿er
hier: Bundesland
kleines Land als Teil einer föde­
ralistischen Republik)
bisher bis jetzt
der Aufsatz,
¿e
≈ Text zu einem speziellen Thema
den ein oder
„nderen
Fehler
≈ ein paar Fehler
die Sekun-
därliteratur
hier: Bücher von Experten zum
Thema Fachwerkhaus
der Urgroß-
vater, ¿
Vater des Großvaters oder der
Großmutter
kam ¡s zu … passierte …
die Verw¡chs­
lung, -en
von: verwechseln = hier: ein
falsches Haus nennen
¡s geht ¢m … das Thema ist …
der P„stor,
Pastoren
Mann, der in der evangelischen
Kirche religiöse Aufgaben hat
die Leiche, -n Körper eines toten Menschen
beerdigen ein Loch in die Erde machen und
einen Toten hineinlegen
500 Jahre Geschichte
Die Labusiaks hätten
bei der komplizierten
Restaurierung ihres
Hauses viel kaputt
machen können –
haben sie aber nicht
333/16
Quedlinburg
dem Mund des Experten ist das ein gro-
ßes Lob. Er streitet sich lieber danach mit
der Denkmalpflege, wenn wieder einmal
Farbe über das Fachwerk der Außenwand
gemalt wurde.
Aber auch anderen hat sehr gefallen, mit
wie viel Enthusiasmus die Familie versucht
hat, das Haus als wirkliches Original zu
erhalten. „Die Labusiaks hatten den Mut,
kein perfektes Haus zu wollen“, erklärt
Rudolph Koehler vom Architekturbüro Qba-
tur, das die Restaurierung begleitet hat.
„Die Fenster sind zum Beispiel etwas schief,
weil die Wand auch schief ist. Natürlich
kann man das gerade machen. Aber das ist
dann nicht mehr das historische Original.“
Für diesen Mut haben Architekturbüro,
Handwerker und die Familie den Bundes-
preis für Denkmalpflege bekommen.
Familienvater und Domkustos Thomas
Labusiak steht inzwischen nicht mehr in
seinem Haus, sondern in einem Kultur-
denkmal, das viel über die Stadt erzählen
kann: in der Sankt-Servatius-Kirche. Die
Sonne, die durch die Fenster scheint, lässt
den hellen Sandstein leuchten. Im Altar-
raum des um 1100 gebauten Gotteshauses
brennen weiße Kerzen. „Sehr selten bin
ich hier so ganz allein“, sagt er. Er kennt
die Geschichte des Kulturdenkmals, das
Teil des Quedlinburger Damenstifts war,
genau. „Die Grabplatten der Äbtissinnen
des Stifts zeigen, was für ein Selbstver-
ständnis sie gehabt haben müssen“, sagt
Labusiak und zeigt auf die Bilder im Stein.
Die Frauen tragen extravagante Kleider,
halten Bücher in den Händen. „Sie prä-
sentieren sich fast wie Königinnen.“
An diesem Ort, der an König Heinrich I.
erinnern soll, wurden viele starke Frau-
en ausgebildet, wie zum Beispiel Äbtissin
Mathilde. Sie war Heinrichs Enkelin und die
Tochter des ersten deutschen Kaisers, Ottos
des Großen. Unter Mathilde wurden die im
Stift lebenden Mädchen aus der Aristokratie
gut ausgebildet. Der Tag begann früh und
endete spät. Trotzdem hatten die Mädchen
ein Leben im Luxus. Denn anders als die
Ordensschwestern im Kloster durften die
Stiftsdamen teure Kleider tragen, Schmuck
besitzen, Fleisch essen, auch Urlaub vom
Leben im Stift machen.
Äbtissin Mathilde wurde besonders von
ihrem Neffen, dem späteren Kaiser Otto III.,
sehr geschätzt: Sie als Frau durfte für ihn
Dinge entscheiden, wenn er nicht da war.
Als eines der Mädchen aus dem Stift ent-
führt wurde, um zu heiraten, war der Kaiser
wieder einmal weg. Für diese Zeit kaum zu
glauben: Mathilde entschied, das Mädchen
nach seinen eigenen Wünschen zu fragen –
das übrigens heiraten wollte.
In der Kirche ist es an diesem Tag ziem-
lich kalt. Zum Glück braucht Domkustos
Labusiak von hier nur etwas weniger als
zehn Minuten zu Fuß, um zu seinem Haus
zu kommen. Und dort ist es natürlich
warm. Er sitzt am Küchentisch und klopft
auf das Holz. „Das Haus wird uns definitiv
überleben, wenn es nicht abbrennt“, sagt
er und muss lachen. „Wir begleiten es nur
eine Zeit lang.“ Die Chronik kann weiter-
geschrieben werden. 2
erh„lten hier: pflegen und reparieren
der Mut hier: Absicht, etwas zu machen, auch
wenn es nicht nur Vorteile gibt
begleiten hier: machen und kontrollieren
schief hier: so, dass sie nicht komplett vertikal
in die Wand gemacht sind
gerade machen hier: vertikal in die Wand setzen
der H„nd­
werker, -
Person, die beruflich mit Händen und
Werkzeugen arbeitet
der S„ndstein hier: spezieller weicher Stein als
Baumaterial
leuchten hier: Licht reflektieren
die K¡rze, -n langes, dünnes Ding, das Licht gibt,
wenn man es mit einem Streichholz
anmacht
das Damenstift,
-e
(das Kloster, ¿
großes Frauenkloster
Kirche mit Wohn- und Arbeitsgebäuden,
in denen sehr religiöse Männer oder
Frauen leben und arbeiten)
die Grabplatte,
-n
(das Grab, ¿er
flaches Stück aus Stein, das auf einem
Grab liegt
Platz, an dem ein Toter liegt)
die Äbt“ssin, -nen Titel der Leiterin eines Klosters
das S¡lbst­
verständnis
Meinung/Idee einer Person oder Gruppe
von sich selbst
s“ch präsentieren sich zeigen
der Kaiser, - oberster Monarch
die {rdens-
schwester, -n
Frau, die sich in ihrem Leben in einer
religiösen Gruppe von Frauen genau an
den Regeln der Religion orientiert
schætzen hier: gern mögen; auch: eine sehr gute
Meinung haben von
entführen ≈ illegal an einen anderen Ort bringen
„bbrennen durch Feuer komplett kaputtgehen
begleiten hier: darin wohnen
Ein Detektiv der
Architekturgeschichte
In dieser Stadt kennt
Karlheinz Wauer
jedes historische
Haus im Detail
Quedlinburg
aus der Luft
Von oben
sieht man die
historische
Struktur
FOTOS:CHRISWOHLFELD;WESTEND61/VARIOIMAGES
34 3/16
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  • 1. Deutschland€7,50Al Bl El Fl FINl GRl Il Ll P(cont.)l SKl SLO:€8,50CHsfr13,50GB£6,50 LEARN GERMAN  |  ESTUDIAR ALEMÁN |  APPRENDRE L’ALLEMAND |  IMPARARE IL TEDESCO |  NAUKA NIEMIECKIEGO |  УЧИМ НЕМЕЦКИЙ  |  ALMANCA Ö ˘GRENMEK 03 4196828507503 Deutschland,wohin? Ein Land sucht seinen Weg Deutschland, wohin? Zertifikat B1 Wie gut verstehen Sie gesprochenes Deutsch? Quedlinburg Kleine Stadt, große Architektur Kult Warum US-Nerds ein altes Spiel aus Deutschland lieben Geld Wie viel verdienen die Deutschen?
  • 2. Übung macht den Meister! Das Übungsheft zu Ihrem Sprachmagazin: Die Extra-Dosis Sprachtraining – flexibel & e≤zient! Neu: Mit Hör- training! Bestellen Sie jetzt! +49 (0)89/85681-16 www.deutsch-perfekt.com/plus-gratis
  • 3. 3/16 Editorial FOTO:BLENDE11FOTOGRAFEN Fantastisch: Im Januarheft haben wir Sie um Ihre Meinung gebeten – und 2253 Leserinnen und Leser haben darauf reagiert, so viele wie noch nie. Das ist eine ideale Basis, um dieses Heft noch besser zu machen. Spannend waren die Resultate. Nicht nur, weil sie sehr posi­ tiv waren (danke dafür genauso wie für die konstruktive Kritik an unserer Arbeit). Eine Freude war es auch, wieder zu sehen, wie bunt die Welt der Deutsch­ lerner ist. 60 verschiedene Muttersprachen haben die Teil­ nehmer unserer Umfrage. Viele davon kommen aus Ländern, die von Deutschland weit entfernt sind: zum Beispiel Amharisch (Äthiopien), Bambara (Westafrika), Urdu (Indien und Pakistan) und Japanisch. In dieser Frage sind die Unterschiede groß. In anderen nicht. Wie müssen wir uns den typischen Leser vorstellen? Die Statistik sagt: weiblich, am wahrscheinlichsten aus Italien stammend und um die 40. Sie hat studiert und lernt Deutsch, weil sie sich generell für diese Sprache interessiert. Übrigens: Deutsch perfekt wird immer öfter auch von Flüchtlingen gelesen, nicht selten in Deutschkur­ sen. Das freut uns sehr, denn wir sind stolz auf die Willkommenskultur. Ein halbes Jahr ist es her, dass Angela Merkel zum ersten Mal ihr optimistisches Man­ tra sprach: „Wir schaffen das!“ Zeit für eine Bilanz: Hunderttausende Flüchtlinge versorgen und inte­ grieren, schafft Deutschland das wirklich? Sicher ist: Durch die Gesellschaft geht inzwischen ein Graben – oft trennt er Freunde und Familien. „Wenn man privat diskutiert, sind die Gräben sofort zu sehen“, sagt die Autorin unserer Titelgeschichte, Josefine Janert. Ihre Erfahrung: „Leute, die sich ganz gut verstehen, strei­ ten plötzlich über das Flüchtlingsthema.“ Was sagen beide Seiten? Antworten ab Seite 14. PS.: Wir gratulieren den Teilnehmern der Leserumfrage, die einen der 21 Sprachkurse und Bücher gewonnen haben: Claudio Wye, Mariann Makrai, Raúl Ena Vinués, Jadwiga Ksiazek, Chiara Versino, Guy Bonin, Ilse Gerster, Barbara Kymmell-Schmiderer, Johan Goris, Mark Stebbins, Rodolfo Maureira Sáez, Michela Moro, Evan Dembskey, Paola Pedullà, Slobodan Zoric, Elif Özyer, Claudio Vindimian, Luciana Favaro, Hana Kubálková, Jean-Philippe Humbert und Alexander Robinson. sp„nnend ↔ langweilig s“ch vorstel- len hier: sich denken st„mmen hier: kommen ¢m die 40 im Alter von circa 40 Jahren der Fl•cht- ling, -e Person, die aus religiösen, politischen oder ethnischen Gründen aus ihrer Heimat weggegangen ist / weggehen musste … her sein vor … gewesen sein sch„ffen eine schwierige Aufgabe mit Erfolg erledigen vers¶rgen hier: alles geben, was man zum Leben braucht der Graben, ¿ ≈ langer, tiefer Weg in der Erde; hier: starker ideologi­ scher Unterschied die Titelge- schichte, -n Text in einer Zeitung oder Zeitschrift, zu dem es auf der ersten Seite ein Bild gibt der Ch¡fre- dakteur, -e franz. Chef von allen Journalisten bei einer Zeitung oder Zeitschrift 60 verschiedene Muttersprachen haben die Teilnehmer unserer Umfrage. Mehr Infos unter www.lextra.de Weiterhin erhältlich: Grund- und Aufbauwortschatz, passendes Übungsbuch (A1 bis B1), Sprachkurse, Lektürenu.v.m. Grammatik – kein Problem! ISBN978-3-589-01636-5 Kompaktgrammatik DaF Regeln und Strukturen der deutschen Grammatik im Überblick, Erläuterungen an Beispielsätzen; Konjugationstabellen und Stichwortregister, Niveau bis B1. Verblexikon DaF Rund 5.000 Verben mit Angabe wichtiger Präpositionen; 166 durch- konjugierte Verben in Tabelle, Rede- wendungen, Beispielsätze. ISBN978-3-589-01928-1 Jörg Walser Chefredakteur ´
  • 4. Die Themen des Monats März 2016 In diesem Heft: 16 Seiten Sprache & Service 36 Zertifikat B1 Teil 2 der Serie: Testen Sie Ihr Hörverstehen! 40 Grammatik Adverbiale Angaben im Satzmittelfeld 42 Deutsch im Beruf Verpackungen, Maße, Gewichte 44 Wörter lernen Im Weltall 45 Schreiben • Sprechen • Verstehen Sammelkarten Reklamation • Bestellen • Parteien und ihre Farben 48 Übungen zu den Themen des Monats Mehr Sicherheit mit Wörtern und Texten 49 Starthilfe Extra-Service Übersetzungen in Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch, Polnisch, Russisch, Türkisch 51 Raten Sie mal! • Comic Rätsel zu einem Thema des Monats • Haiopeis 57 Lösungen • Kundenservice • Impressum Lösungen der Übungen • Wer macht was bei Deutsch perfekt? 30 Leben im Denkmal Mehr als 2000 historische Häuser, alte Kirchen, starke Frauen: Das alles finden Besucher in Quedlinburg. Auch die Einwohner lieben die Geschichte ihrer Stadt – und kümmern sich um jedes Detail. TITELFOTO:MAURITIUSIMAGES/ALAMY;FOTOS:SZPHOTO/STEFANRUMPF;PICTUREALLIANCE/DPA;MAURITIUSIMAGES/WESTEND61 6 Mein Deutschland-Bild Daniel Bockwoldt über den populären Knut 8 Panorama Neues, Namen und Zahlen 24 Debatte Zahl der Flüchtlinge begrenzen? 26 Nachrichten Aus Deutschland, Österreich und der Schweiz 35 Reisetipps Wartburg • Rostock • Mainz 52 Kokain zum Spielen Warum das German Game so populär ist 56 Mein erster Monat Adrián Bazaldúa in Hamburg 62 Ein Bild und seine Geschichte Gigant in der Luft 66 Kulturtipps Kino • Lesung • Konzert • Ausstellung • Buch • Comic 68 Kolumne Alia Begisheva über Pünktlichkeit 70 D-A-CH-Menschen Einer von 98 Millionen: Bernhard Schmid Das Gefühl einer Nation Zwischen Willkommenskultur und Angst vor Fremden: Was passiert gerade mit den Menschen in Deutsch- land? Eine einfache Antwort gibt es auf diese Frage nicht. Denn viele wissen selbst nicht, was sie über die aktuelle Situation denken sollen. 14 4 3/16
  • 5. Texte auf Stufe A2 des GER Texte auf den Stufen B2 bis C2 des GER GER Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen Texte auf Stufe B1 des GER Mehr als 800 Erklärungen von schwierigen Wörtern ↔ o ¢ , ¿er lockere Umgangssprache negativ Vorsicht, vulgär! ungefähr, etwa Gegenteil von ... langer, betonter Vokal kurzer, betonter Vokal Plural-Formen Texte mit diesem Symbol können Sie mit einem Premium-Abo auf www.deutsch-perfekt.com hören. Deutsch perfekt Audio: der Trainer für Hörverstehen und Aussprache, auf CD oder als Download.   Achten Sie im Heft auf dieses Symbol! Zu diesen Artikeln können Sie Texte und Übungen auf Deutsch perfekt Audio hören. Deutsch perfekt plus: 24 Seiten Übungen und Tests zu Grammatik, Vokabeln und mehr (siehe Seite 2). Achten Sie im Heft auf dieses Symbol! Zu diesen Artikeln finden Sie Übungen in Deutsch perfekt plus. Deutsch perfekt im Unterricht: kostenlos für alle Lehrer, die Deutsch perfekt abonniert haben. www.deutsch-perfekt.com: noch mehr Informationen und Übungen. www.facebook.com/deutschperfekt Kundenservice www.spotlight-verlag.de Tel. +49(0)89/85681-16 abo@spotlight-verlag.de Fax +49(0)89/85681-159 Lernen mit -Produkten 36 Hören Sie gut zu! Wie gut verstehen Sie gesprochenes Deutsch? Machen Sie den Test, und üben Sie mit Originalmaterial. Teil 2 der Serie zum Zertifikat B1. Heft im Heft: Die jungen Seiten von Deutsch perfekt 58 Wie viel verdienen die Deutschen? Über Geld spricht man in Deutschland nicht. Wir tun es trotzdem. m d a ≈ 53/16
  • 6. 6 3/16 Fotograf: Daniel Bockwoldt Der Eisbär auf dem Bild ist ein spezieller Eisbär: Es ist der populäre Eisbär Knut. Nach seinem Tod 2011 hat ein Präparator ihn ausgestopft. Er steht heute wieder im Museum in Berlin. Das Museum hat ihn aber kurz einem anderen Museum in den Niederlanden geliehen. Das Foto zeigt Knut bei seiner Rückkehr nach Berlin. Die Angestellten des Museums haben ihn aus einem Auto geholt und auf einem Rollwagen ins Museum gefahren. So ein Eisbär in natürlicher Größe auf einem Rollwagen sieht schon ein bisschen lustig aus. Dann ist Knut in eine Vitrine im Museum gekommen. Vorher hat ihn ein Präparator noch schön gemacht. Ich habe das so fotografiert, weil ich das Gesicht des Eisbären zeigen wollte. Ich wollte auch zeigen, dass da noch ein Mensch an dem ausgestopften Eisbären arbeitet und das eine ganz neue Situation für Knut ist. Es war zwar ein Job. Aber es war schon etwas Besonderes für mich, das Foto zu machen. Knut kennen ja viele Leute auf der ganzen Welt. der Eisbär, -en großes, weißes, gefährliches Tier (s. Foto): Es lebt in der Arktis. der Tod Ende vom Leben der Präparator, Präparatoren hier: Person: Sie tut Körper von toten Tieren z. B. in Alkohol, damit sie noch lange so aussehen wie in der Zeit, als die Tiere gelebt haben. ausstopfen hier: ≈ in ein totes Tier weiches Material hineintun, sodass es wieder so aussieht wie in der Zeit, als es gelebt hat die R•ckkehr von: zurückkehren = zurückkommen der R¶llwagen, - kleiner Wagen ohne Seitenwände zwar …, aber … es ist so, dass …, aber … das Bes¶ndere hier: ≈ schöne Sache: Man macht sie nicht jeden Tag.
  • 8. 8 3/16 ÜBERSETZUNGEN IN SIEBEN SPRACHEN AUF SEITE 49/50 Hamburg Google Street View ganz klein Feuer! Aber zum Glück hat jemand schon die Feuerwehr gerufen. Denn wie man auf dem 360-Grad-Panorama von Google Maps sehen kann, stehen schon ganz viele Fahrzeuge mit Blaulicht auf den Straßen. Wie so oft. Denn in Knuffingen, dem populären Ort im Miniaturwunderland in Hamburg, ist alle zehn Minuten Feueralarm. Das ist nicht neu. Neu ist, dass jetzt jeder dabei sein kann: Ein Team von Google Street View hat zusammen mit Experten der größten Modellbahnanlage der Welt das ganze Wunderland auf den Computerbildschirm gebracht (www.deutsch-perfekt.com/google). Miniautos mit Kamera sind auf den kleinen Straßen gefahren. Natürlich haben auch Bahnen und Züge viele tolle Bilder gemacht. Und plötzlich sieht man diese Welt aus einer ganz speziellen Per- spektive. Denn welcher Besucher kann schon in einen Tunnel blicken? Oder mitten auf der Straße zwischen den kleinen Figuren stehen? Aber auch das Team vom Miniaturwunder- land hat Teile der Landschaft gesehen, an die es lange nicht mehr gedacht hat. Die wollen die Wunderland-Leute jetzt ganz schnell putzen. GOOGLE STREET VIEW GANZ KLEIN das Fahrzeug, -e Transportmittel, z. B. Auto oder Bus m“t Blaulicht so, dass das optische Signal auf einem Feuerwehr- oder Polizeiauto an ist das Miniatur- wunderland ≈ Ausstellung: Dort wird eine Miniaturwelt gezeigt. „lle zehn Minuten ≈ immer nach zehn Minuten der Feueralarm akustisches Signal: Es wird bei einem Feuer gegeben. die Mod¡ll- bahnanlage, -n ≈ Miniaturzüge mit Landschaft und Häusern m“tten hier: in der Mitte von
  • 9. 93/16 Panorama MUTTER GEGEN FACEBOOK überfahren über jemanden fahren und ihn dabei verletzen oder totmachen der Zugang, ¿e hier: Code für das Face- book-Konto der Tod Ende vom Leben das Ger“cht, -e hier: offizielle Institution: ≈ Dort wird eine Beispiellösung für einen Streit gesucht. An diesem Beispiel sollen sich dann die anderen orientieren. klagen vor hier: ≈ wollen, dass ein Gericht eine Lösung sucht r¡cht bek¶m- men ein Gericht sagt offiziell, dass man recht hat und eine spezi- elle Sache machen darf ÜBERSETZUNGEN IN SIEBEN SPRACHEN AUF SEITE 49/50 Berlin Falsch geparkt Kinder lieben Kettcars. Aber man kann nicht immer fahren – und außerdem braucht auch ein Kinderauto einen Parkplatz. Das hat sich auch ein junger Chauffeur im Berliner Stadtteil Charlottenburg gedacht und sein Kettcar an der Wielandstraße geparkt. Natürlich gesichert mit einem Fahrradschloss. Dort hat es viele Monate gestanden – einer Nachbarin hat das nicht gefal- len. Sie hat bei der Stadt angerufen. Danach hat das Kettcar ein Knöllchen bekommen. Das ist eine Premiere. „Dass ein Kettcar wirklich ein Knöllchen bekommt – das hat es vorher noch nie gegeben“, sagt Matthias Sauer von der Firma Kettler. „Aber kuriose Aktionen sind uns nicht unbekannt: Letz- tes Jahr im September ist der Auto-Bild-Redakteur Claudius Maintz mit einem Kettcar vom Sauerland bis nach Hamburg gefahren. Für die 360 Kilometer hat er vier Tage gebraucht.“ Das Kettcar aus Berlin kann von so einem Ausflug nur träu- men. Es muss jetzt beim Ordnungsamt auf seinen Chauffeur warten. Berlin Mutter gegen Facebook Vor drei Jahren ist ein 15-jähriges Mädchen in einem Berliner U-Bahnhof gestorben. Ein Zug hat sie überfahren. War es Suizid? Das möchte die Familie gern wissen. Die Mutter wollte deshalb Zugang zum Facebook-Konto ihrer Tochter haben. Sie wollte in den gespeicherten Nachrichten nach Erklärungen für den Tod ihres Kindes suchen. Facebook aber wollte der Mutter keinen Zugang geben. Sie hat deshalb vor einem Berliner Gericht geklagt – und jetzt recht bekommen. Sie darf alle Kommunikationsdaten ihrer Tochter sehen. FALSCH GEPARKT ges“chert Part. II von: sichern = hier: stabil an … machen und zuschließen das Fahrrad- schloss, ¿er hier: kleines Ding aus Metall: Damit kann man ein Fahrrad stabil an etwas machen, sodass es niemand wegnehmen kann. das Knœll- chen, - m Zettel: Darauf steht, dass man eine Gebühr bezahlen muss. der Redakteur, -e franz. ≈ Journalist das Sauerland Region in Nordrhein-Westfalen und Hessen das {rdnungs- amt, ¿er offizielle Institution: Sie kümmert sich um die Sicher- heit und Ordnung in einer Kommune. FOTOS:BÖRNER/GOOGLE(4);KETTLER
  • 10. 10 3/16 Zahlenspiel Ostern Dieses Jahr ist der Ostersonntag schon am 27. März. Wichtig sind zu diesem Termin natürlich Eier. Im ersten Halbjahr 2015 haben Hühner in Deutschland sechs Milliarden Eier gelegt, schreibt das Statistische Bundesamt. 2014 waren es 11,5 Milliarden Eier. Davon hat jeder Deutsche im Durchschnitt 231 Eier gegessen. Eier gibt es in vier Größen: S (43 bis 53 Gramm), M (53 bis 63 Gramm), L (63 bis 73 Gramm) und XL (73 bis 90 Gramm). Die meisten Eier kommen aus Niedersachsen, nämlich jedes dritte (37,4 Prozent im Jahr 2014). Auf Platz zwei ist Nordrhein-Westfalen mit 1,3 Milliarden (10,9 Prozent), auf Platz drei Bayern mit 1,2 Milliarden Eiern (10,6 Prozent). Traditionell suchen Kinder in Deutschland an Ostern Eier. Meistens haben die Eltern sie versteckt. Diese Eier sind aber meistens aus Schokolade. 2016 bremsen die Kosten die Suche aber vielleicht: Kakao, Zucker und andere Zutaten für Schokolade werden immer teurer. Von manchen Firmen kostet eine 100-Gramm-Tafel schon mehr als einen Euro. Ein Mythos ist auch falsch: Die neue Oster-Schokolade wird nicht aus alten Figuren gemacht, die man an Weih- nachten nicht verkaufen konnte. Das ist für die Firmen viel zu kompliziert. OSTERN legen hier: ≈ herstellen das Stat“stische B¢ndesamt Administration für ganz Deutschland: Sie publiziert Statistiken. “m D¢rchschnitt ≈ meistens: Das ist normal. der Pl„tz, ¿e hier: Position verst¡ckt Part. II von: verstecken = hier: an eine Stelle legen, wo man es nicht leicht findet die Zutat, -en Lebensmittel: Man braucht es zur Herstellung von einem anderen Lebensmittel oder einem Gericht. die Tafel, -n hier: dünnes, viereckiges Stück Schokolade ÜBERSETZUNGEN IN SIEBEN SPRACHEN AUF SEITE 49/50 Mecklenburg-Vorpommern Historische Schiffsfahrt Es liegt im Stadthafen von Ueckermünde an der Ostsee und wartet auf die ersten Passagiere: ein historisches Holzschiff mit dem Namen Ucra Pommernkogge. 13 Jah­ re hat es gedauert, bis es fertig war – jetzt kann man damit fahren. Bei dem 26 Meter langen und circa 100 Tonnen schweren Schiff war alles Handarbeit. Koggen waren in der Zeit der Hanse das wichtigste Transport- mittel. Die Gäste der Ucra Pommernkogge machen also einen wirklich historischen Ausflug. HISTORISCHE SCHIFFSFAHRT die K¶gge, -n (das Segel, - historischer Schiffstyp: Er hat Segel und fährt mithilfe von Wind. (s. Foto) großes Stück Stoff) die H„nse früher eine Organisation: Mehr als zwei Städte halfen sich beim Kaufen und Verkaufen von Produkten. Eine Übung zu diesem Text finden Sie auf Seite 48.
  • 11. 113/16 Panorama ÜBERSETZUNGEN IN SIEBEN SPRACHEN AUF SEITE 49/50 FOTOS:ISTOCK/THINKSTOCK;PICTUREALLIANCE/DPA(2) Alleskönner Sand Sand braucht man überall – und ohne ihn funktioniert in Deutschland nicht viel: Für jede Straße, jedes Fenster und fast jedes Haus braucht man das Material. Auch Sili- kon hat Sand als Basis. Und Silicium (auch aus Sand) braucht man für Kosmetik. Nach Wasser ist er der wichtigste Rohstoff der Welt. Auf Deutschlands Baustellen hat man 2014 rund 240 Millionen Tonnen Sand gebraucht. Da passt es natürlich sehr gut, dass Sand 2016 in Deutschland das Gestein des Jahres ist. Sand ist das Resultat von Erosion. Er kann aus unterschiedlichem Material sein. Wichtig ist die Größe: Körner, die zwischen 0,06 und zwei Millimeter groß sind, sind per definitionem Sand. Der Sandmann ist eine Figur aus der europäischen Mythologie. Er streut in den deutschsprachigen Ländern den Kindern Sand in die Augen – damit sie einschlafen. Auch im deutschen Fernsehen gibt es den Sandmann. Am 22. November 1959 war im Fernsehen der Deutschen Demokratischen Republik zum ersten Mal „Unser Sand- männchen“ zu sehen. Durch die Sendung sollten Kinder die Ideologie des Sozialis- mus kennenlernen. Acht Tage später hat es auch ein West-Sandmännchen gegeben. Aktuell gibt es in Deutschland nur noch ein Sandmännchen: das aus dem Osten. Es ist jeden Abend im Fernsehen zu sehen. Für viele kleine Kinder ist es ein fester Termin vor dem Schlafen. Besonders populär ist das Titellied. ! Tipp des Monats Kostenlos lesen Bücher gibt es auch gratis – zum Beispiel in Schränken, die draußen stehen. Manchmal findet man sie auch in alten Telefonzel- len. Jeder darf dort Bücher nehmen – oder auch Bücher abgeben (openbookcase.org). Öffnungszeiten gibt es natürlich keine. Die haben Bibliotheken zwar, aber auch dort gibt es das Lesevergnügen fast gratis: Aus- weise für zwölf Monate kosten oft nur zehn Euro. Wenn man nicht aus dem Haus gehen möchte, kann man Klassiker auch online lesen: Auf www.gutenberg.org findet man Zehntausende elektronische Bücher in ver- schiedenen Sprachen. Kosten: keine. SAND der S„nd gelbbraune, trockene Substanz (z. B. am Strand oder in der Sahara) der Rohstoff, -e Substanz aus der Natur: Die Industrie benutzt sie (z. B. Wasser). die Baustelle, -n (bauen Ort: Dort wird gebaut. hier: z. B. ein Haus machen) das Gestein, -e (der Stein, -e Mineral: spezieller Stein sehr harte Substanz, z. B. Granit, Quarzit ...) das K¶rn, ¿er hier: extrem kleines Stück p¡r defini­ tionem lat. hier: so wird es z. B. im Wör- terbuch erklärt die Figur, -en hier: fiktive Person streuen “n eine kleine Menge geben in dam“t sie einschlafen ≈ so, dass sie dann anfangen können, zu schlafen f¡st hier: immer gleich das Titellied, -er hier: Lied: Es gibt der Sendung ihren Namen. KOSTENLOS LESEN die Telefonzel- le, -n ≈ offizielles Telefon auf der Straße … zwar, aber … es ist so, dass …, aber … das Lesever- gnügen Spaß beim Lesen; Lesen: Man macht es gern.
  • 12. 12 3/16 ÜBERSETZUNGEN IN SIEBEN SPRACHEN AUF SEITE 49/50 3 Fragen Lustig lernen Nils Klawon (25) macht eine sehr spezielle Aus­bildung. In Hofheim am Taunus (Hessen) lernt er, ein Clown zu sein. Kann man lustig sein lernen? Ja. Unsere Devise ist: Jeder kann ein Clown sein. Wir haben Unterricht in Pantomime und Stimme, in Akrobatik, in Musik und in Clownerie. Dabei lernt man, lustig zu sein: Wir lernen, Leute mit dem Körper zum Lachen zu bringen. Etwas aus der Luft zu nehmen und zu formen. Oder Slapstick. Das ist wie ein Kochbuch mit Rezepten. Wenn man sich daran orientiert, funktioniert das ganz gut. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Clown zu werden? Ich habe eine Ausbildung als Kfz-Mechatroniker gemacht. Und gemerkt, dass mir das nicht gefällt. Also habe ich mit der Ausbildung aufgehört. Dann habe ich viele andere Sachen gemacht – bis ich eine Clownin getroffen habe. Durch sie bin ich an die Schule gekommen. Wie haben Sie sich nach dem Treffen mit ihr gefühlt? Ich hatte wieder ein Ziel vor Augen. Eine Woche lang habe ich mir die Schule angesehen. Mir hat sehr gefallen, wie offen die Schüler waren. Einer hat einmal einfach so angefangen, zu weinen. In der Öffentlichkeit! Während der Ausbildung kommen wir nämlich oft an unsere Grenzen. Nur wer sich selbst zu 100 Prozent kennt, kann zu 100 Prozent auf der Bühne stehen. Man lernt also viel über sich. Das ist nicht immer lustig. Schweiz Bitte spät Steuern zahlen! Eigentlich war es in der Schweiz immer gut, seine Steuern pünktlich zu zahlen: Das Finanzamt hat dafür einen kleinen Bonus gegeben. Ver- spätungen waren teuer – eine Strafe war sicher. Im Kanton Zug ist das jetzt anders. Seit Januar letzten Jahres erhebt die Schweizerische National- bank einen Strafzins von 0,75 Prozent, wenn auf einem Konto mehr als zehn Millionen Franken (neun Millionen Euro) liegen. Deshalb will der Kanton sein Geld jetzt so spät wie möglich haben. Eine Strafe für Verspätungen gibt es nicht mehr – und einen Bonus für frühes Zahlen schon gar nicht. LUSTIG LERNEN die St“mme, -n (der Laut, -e hier: Laute: Man macht sie, wenn man spricht oder singt. Einen Laut kann man hören.) die Clownerie, -n ≈ das Clownspielen vor Publikum z¢m L„chen br“ngen machen, dass jemand lachen muss Wie s“nd Sie auf die Idee gek¶mmen? ≈ Woher haben Sie die Idee bekommen? ein Ziel vor Augen haben (das Ziel, -e ≈ sich auf ein Ziel konzen- trieren hier: Resultat: Das will man erreichen.) „ngesehen Part. II von: ansehen = hier: da sein und genau sehen, was andere machen ¶ffen hier: interessiert; ohne Angst einfach so hier: ≈ spontan “n der Œffent- lichkeit vor anderen Menschen während der Ausbildung in der Zeit, wenn man die Ausbildung macht „n seine Gr¡n- zen k¶mmen merken, was man nicht tun kann die Bühne, -n Ort im Theater: Dort wird Theater gespielt. BITTE SPÄT STEUERN ZAHLEN! der Bonus, Boni hier: ≈ Rabatt die Strafe, -n hier: Gebühr als Sanktion der Kanton, -e Teil von einem föderalistischen Land erheben haben wollen der Strafzins, -en hier: Strafgebühr schon gar n“cht ≈ speziell nicht
  • 13. Panorama FOTOS:PRIVAT;DEUTSCHESWEININSTITUT ÜBERSETZUNGEN IN SIEBEN SPRACHEN AUF SEITE 49/50 ALLES ODER NICHTS der W“nzer, - ≈ Person: Sie stellt Wein her. die Traube, -n grüne, rote oder blaue Frucht: Man isst sie als Obst oder macht aus ihr Wein. gefroren Part. II von: gefrieren = extrem kalt und hart wie Eis werden die ]rnte Sammeln von Früchten oder Gemüse einige (-r/-s) ein paar Eiswein Alles oder nichts Für die Winzer ist es jedes Jahr ein Pokerspiel. Passt das Wetter? Wird es kalt genug? Denn nur dann können sie den populären Eiswein herstellen. „Die Trauben müssen komplett gefroren sein“, erklärt Pia Johannson vom Deutschen Weininstitut. „Minus sie- ben Grad sind bei der Ernte das Limit. Wärmer darf es nicht sein.“ Diese Temperaturen hat es erst im Januar gegeben. Für manche war das zu spät. Sie haben aus den Trauben schnell einen anderen Wein gemacht, um nicht die komplette Ernte zu verlieren. „Zum Glück war die Qualität der Trauben dieses Jahr so gut, dass einige Winzer es riskiert haben, so lange zu warten“, sagt Johannson. In ein paar Monaten gibt es den Eis- wein des Jahres 2015 also zu kaufen. Viel gibt es aber nicht: Jeder Winzer macht nur 200 bis 300 Liter. Zürich Bin ich schön? Antworten auf diese Frage verspricht jetzt ein System aus der Schweiz. Lädt man auf der Seite faces.ethz.ch sein Foto hoch, schätzt diese das Alter und zeigt auf einer Skala die Attraktivität. Schon in den ersten zwölf Stunden haben das eine Million Menschen getan, schreibt die Eidgenössische Technische Hoch- schule Zürich (ETHZ). Sie hat die Seite zusammen mit der Dating-App Blinq ins Internet gestellt. Dass das Resultat wirk- lich stimmt, glauben viele nicht. „Ich habe ein Foto meines Hundes hoch- geladen. Das Ergebnis: Er ist ein sehr attraktiver, 41-jähriger Mann“, schreibt ein Spaßvogel auf der Plattform Reddit. Trotzdem: Die Seite der ETHZ ist seriös. Sie zeigt nämlich die Resultate des Computer Vision Labs zum Thema Gesichtserken- nungssoftware. BIN ICH SCHÖN? hochladen hier: auf der Plattform speichern schætzen hier: ≈ meinen, wie … ist die Attraktivität von: attraktiv = hier: schön; so, dass jemand gut aussieht eidgenössisch schweizerisch die Hochschule, -n ≈ Universität st¡llen “n hier: publizieren in das Ergebnis, -se Resultat der Spaß­ vogel, ¿ Person: Sie macht oft Spaß und hat lustige Ideen. seriös ↔ lustig das Thema, Themen hier: Arbeit vom Labor von der ETHZ die Ges“chtser- kennungssoft- ware Software: Sie identifiziert Gesichter. A L T E Asso ciation of La nguageTesters inEurope Niveaustufen & Prüfungen des ÖSD Wien n Klagenfurt Telefon: +43 (1) 319 33 95 Fax: +43 (1) 319 33 96 www.osd.at A1 ZA1 A1 KID A1 A2 ZA2 A2 KID A2 B1 ZDÖ B1 B1 ZB1 B2 ZB2 C1 ZC1 C2 ZC2 ... weltweit anerkannt! Internationale Deutschprüfungen für Kinder und Erwachsene ... an mehr als 350 Prüfungszentren weltweit n für die Aufnahme an Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen n für den Arbeitsmarkt n für den Bereich Zuwanderung und Integration (Aufenthaltsgenehmigung, Staatsbürgerschaft. ...) ... in Deutschland, Österreich und der Schweiz
  • 14. Ein historischer Moment Angela Merkel am 31. August auf der Pressekonferenz, in der sie zum ersten Mal den Satz „Wir schaffen das“ sagte
  • 15. % Das Gefühl einer Nation FOTO:PICTUREALLIANCE/DPA 3/16 15 Gesellschaft 19Männer und zwei Frauen sehen sich ein Video an. Es zeigt Sport­ ler beim Training, die sich einen Fußball zuspielen. Welche Fähigkeiten brauchen sie dafür? „Selbstvertrauen“, ruft ein Mann auf Arabisch. Der Dolmetscher über­ setzt. Kursleiter Tom Weller nickt. Einige Kursteilnehmer schauen in die Dokumente auf ihren Tischen. Da steht auf Deutsch, was ein Trainer können muss. Die meisten von ihnen verstehen kein oder nur wenig Deutsch. Sie schauen sich lieber die Illus­ trationen an. Die einzigen Frauen im Kurs heißen Salye und Samah, zwei Schwestern aus Libyen. Ihre Familie kommt aus dem Irak. Nach einem Jahr und vier Monaten in Deutschland spricht Salye schon etwas Deutsch. In der Pause erzählt sie: „Wir haben im Kurs viel über Sport und Biolo­ gie gelernt.“ Leise sagt sie: „In Libyen ist Krieg. Ich möchte mir in Deutschland ein gutes Leben aufbauen und arbeiten.“ Gemeinsam mit den Männern nehmen die Frauen an einer Ausbildung für Trai­ ner teil. Sie sind Flüchtlinge, zwischen 17 und 30 Jahre alt. Die meisten kommen aus Syrien. Montags und dienstags beschäfti­ gen sie sich in einer Sportschule des Lan­ dessportbundes Berlin mit Theorie. Mitt­ wochs bis freitags macht jeder von ihnen ein Praktikum. Salye arbeitet bei einem Arzt, die anderen zum Beispiel in einem Hotel oder bei einer Bäckerei. „Das Prakti­ kum hat zwar nichts mit Sport zu tun“, sagt Frank Kegler vom Landessportbund. „Aber die Flüchtlinge lernen den Arbeitsalltag in Deutschland kennen und trainieren ihre sozialen Kompetenzen.“ Kegler ist für die Trainerausbildung verantwortlich. Sie dauert 120 Stunden, ungefähr drei Monate. „Viele Trainer in Berlin sind ehrenamtlich tätig“, erklärt er. „Sie werden nicht reich.“ Aber der Sport hilft bei der Integration. Gelebte Willkom­ menskultur: Viele Sportvereine in Berlin und in anderen Städten haben Flüchtlin­ ge eingeladen, bei ihnen mitzumachen. Besonders populär ist Fußball. Dafür braucht man nicht viel Deutsch. „Fußball ist eine Weltsprache“, sagt Kegler. Betten statt Bälle 1 091 894 Flüchtlinge wurden 2015 in Deutschland registriert, und seit Jahres­ beginn sind es noch mehr geworden. Die größte Gruppe sind Syrer. In vielen Städten stehen Zelte, auch jetzt, im Winter. Und während viele Sportvereine Flüchtlin­ ge zum Mitmachen einladen, haben sie Hunderttausende Flüchtlinge in Deutschland? „Wir schaffen das!“, sagte Angela Merkel im Sommer. Ein legendärer Satz. Sechs Monate später fragen sich sehr viele Deutsche: Schaffen wir das wirklich? Josefine Janert über eine Nation, die ihren Weg aus der Krise sucht. der Fl•cht- ling, -e Person, die aus religiösen, politi­ schen oder ethnischen Gründen aus­ihrer Heimat weggegangen ist / weggehen musste sch„ffen eine schwierige Aufgabe mit Erfolg lösen zuspielen an jemanden aus dem eigenen Teams weitergeben die Fähig- keit, -en Können; Talent der D¶lmet- scher, - Person, die mündlich in eine andere Sprache übersetzt n“cken den Kopf wiederholt nach oben und unten bewegen und damit Ja sagen einige (-r/-s) ein paar s“ch ein gutes Leben aufbauen alles organisieren (Wohnung, Arbeit …), um an einem Ort gut leben zu können s“ch be- schæftigen m“t hier: ≈ studieren; lernen der L„ndes- sportbund (das B¢n- desland, ¿er Organisation aller Sportvereine eines Bundeslandes Teil einer föderalistischen Republik) zu tun haben m“t hier: eine Verbindung haben mit die soziale Kompet¡nz ≈ alles Wissen und Können, das für soziale Interaktion gut ist tätig sein arbeiten ehrenamt- lich ohne Bezahlung während hier: ≈ im Kontrast dazu, dass …
  • 16. Flüchtlings- projekt in Berlin Zwei Tage pro Woche Sport, drei Tage Praktikum 16 3/16 inzwischen oft weniger Platz zum Trainier­ weil in vielen Sporthallen Notunterkünfte eingerichtet wurden. Betten statt Bälle: In 50 Berliner Sport­ hallen wohnen jetzt Flüchtlinge. Dort schlafen, essen und trinken sie, dort spie­ len ihre Kinder. Sportler können die Hallen zurzeit nicht benutzen. Einige ärgern sich. Andere sind damit einverstanden, auch Frank Kegler: „Das muss aber eine zeitlich befristete Lösung sein.“ „Wir schaffen das!“ Am 31. August sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel den legendären Satz zum ersten Mal. Sie meinte die Aufnahme von Hunderttau­ senden Flüchtlingen. Aber darüber, ob sie das wirklich schaffen, sind die Deutschen genauso wenig einer Meinung wie die Berliner in der Frage, ob sie monatelang auf viele Sporthallen verzichten können. „Durch die Gesellschaft geht ein Riss“, sagt der Berliner Historiker Paul Nolte, Autor von vielen Büchern über die deut­ sche Geschichte und Identität. „Wie tief er ist, kann kaum jemand sagen.“ Protest gegen Flüchtlinge ist nicht neu. Anhänger rechtsextremer Parteien pro­ testieren immer wieder dagegen. Neu ist aber, dass sich große Teile der Gesellschaft Sorgen machen. Während die Bundes­ kanzlerin ihr Mantra „Wir schaffen das!“ wiederholte, wurde ihre Situation schwie­ riger. Eine einfache Lösung der Krise ist nicht zu sehen. Auch Politiker ihrer eige­ nen Partei kritisieren ihre humane, euro­ päische Strategie. Protest kommt auch von Bürgermeistern: Fast jede Stadt hat schon viele Flüchtlinge aufgenommen. Manche sagen jetzt: Mehr geht nicht. „Die Eliten, die Mittelschicht und die Wohlhabenden tendieren zu einer liberalen Haltung gegenüber Flüchtlingen“, erklärt Paul Nolte. „In Städten ist die Zustim­ mung größer als auf dem Land. In Teilen Ostdeutschlands wird Merkels Flüchtlings­ politik eher abgelehnt, ebenso in ärmeren Teilen der Bevölkerung.“ Nolte glaubt, dass diese Menschen Angst haben vor Konkur­ renz auf dem Arbeitsmarkt und davor, dass der Staat in Zukunft weniger Geld für Sozi­ ales ausgibt – Integration ist teuer. Die neuen Radikalen In Baden-Württemberg, Rheinland-­ Pfalz und Sachsen-Anhalt, wo am 13. März gewählt wird (siehe Seite 27), hat eine junge Partei plötzlich große Chancen: die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD). Vor zwei Jahren kannte sie noch kaum jemand. Jetzt wird über kaum eine Partei so viel berichtet wie über die AfD mit ihrem radikal rechten Politik­ stil. Sie hat zwar keine Chance, an die Regierung zu kommen. Aber sie könnte die Parteienlandschaft verändern. Und seit Oktober 2014 demonstrieren jeden Montagabend in Dresden die „Patri­ otischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“, kurz: Pegida. „Es fing an mit einer kleinen Gruppe, zu der auch Menschen aus der rechtsex­tremen NPD und Hooligans gehörten“, sagt Thomas Platz von der Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen. „Schon im Dezember 2014 kamen etwa 10 000 Personen zu den Demonstrationen von Pegida, auch viele Menschen mit Abitur und Uni-Examen“, sagt Platz. Jeden Montag gibt es dagegen aber auch Protest von vielen Gegende­ monstranten. Platz sah in Pegida von Beginn an eine Bewegung für sehr unterschiedliche Men­ schen, die mit dem politischen System unzufrieden sind, nicht nur wegen der Migration. So machten Leute bei Pegida mit, „weil sie sich über eine Umgehungs­ straße in ihrem Ort ärgerten“, sagt Platz. Auch in vielen anderen Städten demons­ trieren Unzufriedene. die Sp¶rthalle, -n sehr großer, hoher Raum für Sport die Aufnahme von: aufnehmen = hier: ins Land reisen lassen und dort eine Unterkunft geben einer Meinung sein die gleiche Meinung haben monatelang über die Zeit vieler Monate verz“chten auf hier: nicht für Sport benutzen können D¢rch … geht ein R“ss. In … gibt es einen Konflikt, der die Menschen trennt. der [nhän- ger, - Person, die die Interessen einer Partei, Organisation oder Person unterstützt das Jahrzehnt, -e Zeit von zehn Jahren die Mittel- sch“cht, -en hier: soziale Klasse, der es ziemlich gut geht der/die Wohl- habende, -n Reiche tendieren zu … hier: meistens … haben die H„ltung gegenüber … Meinung zum Thema … die Zustim- mung von: zustimmen = hier: einver­ standen sein mit eher hier: ≈ mehr ebenso genauso die Bevœlke- rung alle Einwohner die Konkurr¡nz hier: Personen, die sich für gleiche Arbeitsplätze bewerben verändern neu oder anders machen demonstrieren hier: sich auf der Straße treffen, um zu protestieren das Abendland westliche Kultur die NPD kurz für: Nationaldemokratische Partei Deutschlands gehören zu hier: ≈ Mitglied sein in die L„ndeszen- trale ≈ Amt eines Bundeslandes die politische B“ldung ≈ Unterricht über politische Institutionen und Strukturen ¡twa circa; ungefähr der Gegende- monstrant, -en Person, die gegen die Ziele einer anderen Demonstrations­ gruppe protestiert v¶n … „n hier: ab … die Bewegung, -en hier: organisierte Gruppe mit einem speziellen Ziel die Umge­ hungsstraße, -n Straße, auf der starker Verkehr außen um einen Ort fahren soll FOTO:PICTUREALLIANCE/TAGESSPIEGEL %
  • 17. FOTOS:MATTHIASCREUTZIGER;ISABELAPACINI 173/16 Gesellschaft „Ich dachte, die sind ungefährlich“ Ich komme aus den USA und lebe seit zehn Jahren in Deutschland. Ich bin mit einer Deutschen verheiratet. In Dresden, wo ich mit meiner Familie wohne, gibt es seit Oktober 2014 die Pegida-Bewegung. Die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ demonstrieren jeden Montagabend. Ehrlich gesagt habe ich sie am Anfang nicht ernst genommen. Ich dachte, die sind ungefährlich. Aber die Situation wurde schlimmer. Als Pegida ein Jahr alt wurde, waren ihre Leute besonders aggressiv. Jeden Montag treffen sie sich auf dem schönen Platz vor unserer Oper. Das ärgert mich. Manche Menschen denken vielleicht, dass die Semperoper etwas mit Pegida zu tun hat. Das ist nicht so. Die Flüchtlinge sind für viele Dresdener das wichtigste Gesprächsthema. Viele wollen ihnen helfen, auch wenn sie sich wegen Angela Merkels Flüchtlingspolitik Sorgen machen. Sie bringen Kleidung und andere Spenden und helfen in den Unterkünften. Es macht Mut, das zu sehen. Simeon Esper ist Tenor an der Semperoper in Dresden, an der der Amerikaner seit 2010 als Solist arbeitet. die Bewegung, -en hier: organisierte Gruppe mit einem speziellen Ziel das Abendland westliche Kultur demonstrieren hier: sich auf der Straße treffen, um zu protestieren ¡rnst nehmen hier: wichtig finden zu tun haben m“t eine Verbindung haben mit die Sp¡nde, -n hier: Gegenstände, die man anderen schenkt, um zu helfen Mut m„chen hier: Angst nehmen, weil sie ein positives Beispiel sind „Das Problem kann nur international gelöst werden“ Meine Familie kommt aus Syrien, und ich spreche Arabisch. Deshalb kom- men viele Flüchtlinge zu mir in die Zahnarztpraxis. Pro Monat sind es unge- fähr 30 Patienten mehr als sonst. Das ist viel. Aber wer Schmerzen hat, den schicke ich nicht weg. Seit dem Sommer 2015 sind so viele Flüchtlinge nach Deutschland gekommen, dass ich mich frage, wie ihre Integration gelingen soll. In Hamburg sehe ich, dass vieles nicht klappt. So sollen Flüchtlinge innerhalb von fünf Monaten in eine Krankenkasse aufgenommen werden. Viele sind nach anderthalb Jahren immer noch nicht drin. Wenigstens haben sie eine Notfallversicherung. Die Kosten zahlt das Sozialamt. Die Politik von Angela Merkel, Flüchtlinge aufzunehmen, finde ich trotzdem gut. Sie ist ja auch Mitglied einer christlichen Partei. Da in der Europäischen Union andere Länder keine oder nur wenige Flüchtlinge auf- nehmen, ist Deutschland in einer schwierigen Situation. Das Problem kann nur international gelöst werden. Zum Beispiel, indem Kriege beendet werden. Ich habe wenig Hoffnung, dass das in Syrien bald gelingt. Die Zahnärztin Milia Abou Tara arbeitet in Hamburg in einer gemeinsamen Praxis mit ihrem Vater, Nicolas Abou Tara. Der Syrer kam vor mehr als 40 Jah- ren zum ersten Mal von Damaskus nach Hamburg. aufnehmen hier: ≈ als Mitglied speichern „nderth„lb Jahre eineinhalb Jahre; ein Jahr und sechs Monate dr“n m darin; hier: in der Krankenkasse aufnehmen hier: ins Land reisen lassen und dort eine Unterkunft geben da hier: weil indem ≈ dadurch, dass …
  • 18. FOTO:PICTUREALLIANCE/DPA 18 3/16 Freital, eine Kleinstadt südwestlich von Dresden. Im Juni sollte dort eine Unter­ kunft für Flüchtlinge eingerichtet werden. Es gab Protest. Zu den Demonstrationen kamen Bürger aus der Stadt und auch Rechtsextreme. Seit dieser Zeit publiziert der Blog „Perlen aus Freital“ Hasskom­ mentare, die zwei anonyme Aktivisten bei Facebook, Twitter und auf anderen Inter­ netseiten finden. Zum Beispiel: „Nur ein toter Muslim ist ein guter Muslim.“ Zuerst konzentrierten sich die Blogger auf Freital. Jetzt publizieren sie auf perlen-aus-frei­ tal.tumblr.com Hasskommentare aus ganz Deutschland, weil sie Nein sagen zu Ras­ sismus und Gewalt. Auch Simone Rafael registriert die Hass­ kommentare. Sie arbeitet für die Amadeu Antonio Stiftung in Berlin, die gegen rech­ te Gewalt kämpft. Antonio war ein Arbeiter aus Angola. 1990 wurde er von Rechtsex­ tremen ermordet. Früher glaubten viele Menschen, dass vor allem junge Männer aus Ostdeutschland für rechte Gewalt ver­ antwortlich sind. „Die Hasskommentare kommen aber von Männern und Frauen, aus allen Altersgruppen, allen sozialen Schichten und aus allen Teilen Deutsch­ lands“, sagt Rafael. „Seit dem Sommer 2015 werden immer mehr Aufrufe zu offe­ ner Gewalt gepostet.“ Und nicht immer bleibt es bei Aufrufen: Noch nie gab es in Deutschland so viel Gewalt gegen Flücht­ lingsunterkünfte wie im letzten Jahr. Das Bundeskriminalamt zählte im letzten Jahr 173 Gewalttaten gegen Flüchtlingsunter­ künfte – sechsmal so viele wie 2014. Und die Gewalt hört bis heute nicht auf. „Lügenpresse“ und „Gutmenschen“ In der Silvesternacht wurden am Haupt­ bahnhof in Köln sehr viele Frauen sexuell belästigt und bestohlen. Die Kölner Polizei weiß schon lange, dass es auch an ande­ ren Tagen am Hauptbahnhof viel Krimi­ nalität gibt. Trotzdem standen dort in der Silvesternacht zu wenige Polizisten. Die Frauen fühlten sich den Tätern ausgelie­ fert, von denen viele aus Maghreb-Staa­ ten kommen. Später versuchte die Polizei auch noch, die Übergriffe herunterzuspie­ len. Auch große Medien berichteten erst zwei Tage später über die Ereignisse. die P¡rle, -n runder, meistens weißer, sehr teurer Schmuckstein, der in einem Meerestier wächst; hier ironisch: besonders schöner Kommentar der H„ss- kommentar, -e hier: ≈ Kommentar, der negativ gegen Migranten ist die Gew„lt hier: Aggression; ≈ Schlagen die St“ftung, -en Organisation mit einer speziellen Aufgabe erm¶rden einen Menschen absichtlich so verletzen, dass er stirbt der Aufruf, -e von: aufrufen = hier: in Medien sagen, dass viele Leute … tun sollen ¶ffen hier: in der Öffentlichkeit; so, dass sie wirklich gemacht wird posten engl. im Internet publizieren ¡s bleibt bei … hier: ≈ es passiert nicht mehr als … das B¢ndes- kriminalamt ≈ höchste Polizei in Deutschland sexu¡ll belæstigen ≈ mit Gewalt sexuellen Kontakt wollen bestehlen jemandem Dinge stehlen die Krimi- nalität ≈ kriminelle Akte s“ch aus­ geliefert fühlen das Gefühl haben, dass man keine Hilfe bekommt der Täter, - Person, die kriminelle Dinge getan hat der Über- griff, -e hier: ≈ sexuelle Attacke her¢nter- spielen m hier: sagen, dass etwas weniger schlimm ist, als andere berichten Konfrontation in Dresden Pegida (hin- ten) und Pro- test dagegen (vorne) %
  • 19. Starten Sie durch! Bestellen Sie jetzt! www.deutsch-perfekt.com/start +49 (0)89/8 56 81-16 Ihr Power-Paket für Deutsch als Fremdsprache: Sprachmagazin, Übungsheft und Audio-Trainer. Alles komplett! * Sonderpreis für 12 x Sprachmagazin, 12 x Übungsheft und 12 x Audio-Trainer € 180,00/SFR 272,00. Nach der ersten Bezugszeit kann das Abo jederzeit schriftlich gekündigt werden. nur 15 € monatlich*
  • 20. Sprachmagazin: Deutsch perfekt – Einfach Deutsch lernen • Mehr Spaß beim Lernen und Verbessern der Sprachkenntnisse • Rund 70 Seiten interessante Texte und Sprachtraining in einem • Magazin oder E-Paper Übungsheft: Deutsch perfekt plus – die Extra-Dosis Sprachtraining • Mehr Erfolg mit mehr Übungsmaterial • 24-seitiges Übungsheft zur Intensivierung der Trainingserfolge • Mit zusätzlichen Übungen zur Verbesserung von Grammatik und Orthografie Audio-Trainer: Deutsch perfekt Audio – Hörtraining ganz einfach • Optimal zur Verbesserung von Aussprache und Sprachverständnis • Rund eine Stunde Hörtraining – mit Übungen, Reportagen und Kultur-Tipps • Lernerfolg ganz einfach – beim Autofahren, Joggen und auf dem Weg zur Arbeit Fit in Deutsch mit Deutsch perfekt Sprachmagazin + Übungsheft + Audio-Trainer Für nur 15 € im Monat Gedruckt oder digital nur 15 € monatlich* Lehrer-Extra: Deutsch perfekt im Unterricht • Mehr Effizienz durch didaktisch aufbereitetes, sofort einsetzbares Material • Kostenloser Extraservice für Abonnenten in Lehrberufen • Mit sofort verwendbaren Kopiervorlagen und Übungen Bestellen Sie jetzt! www.deutsch-perfekt.com/start +49 (0)89/8 56 81-16 * Sonderpreis für 12 x Sprachmagazin, 12 x Übungsheft und 12 x Audio-Trainer € 180,00/SFR 272,00. Nach der ersten Bezugszeit kann das Abo jederzeit schriftlich gekündigt werden.
  • 21. FOTOS:ANNEKOCH;HENDRIKLEHMANN 213/16 Gesellschaft „An die Konsequenzen hat Merkel nicht gedacht“ Am 4. September 2015 musste Angela Merkel wegen der Situation in Ungarn die Grenzen für Flüchtlinge öffnen. Seitdem ist ihre Position als Bundeskanzlerin, als mächtigste Frau der Welt nicht mehr so stark, wie sie war. Ich lebe seit 1989 in Deutschland. Ehrlich gesagt hat es in dieser Zeit noch nie so viele Probleme und ungelöste Fragen gegeben. Wie werden zum Beispiel die Flüchtlinge untergebracht? Und da waren natürlich die Ereignisse in Köln: Auch italienische Journalisten haben über die Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht berichtet. Köln wird in Italien als ein Symbol für eine Politik gesehen, die darauf ver- zichtet, mit dem Volk pragmatisch und ehrlich über die Konsequenzen der Migration zu sprechen. An diese Konsequenzen hat Merkel nicht gedacht, als sie sagte: „Wir schaffen das!“ Und das, obwohl sie eine intelligente und erfahrene Politikerin ist. Deutschland ist ökonomisch noch immer stark. Aber 2016 wieder eine Million Flüchtlinge aufzuneh- men, das schafft es nicht. Stefano Vastano ist Deutschlandkorrespondent der italienischen Wochenzeitschrift L’Espresso. seitdem hier: seit diesem Tag; seit dieser Entscheidung mæchtig mit (viel) politischer Kontrolle ¢nterbringen eine Unterkunft geben der Übergriff, -e hier: ≈ sexuelle Attacke verz“chten auf hier: nicht machen sch„ffen eine schwierige Aufgabe mit Erfolg lösen erfahren mit (viel) Erfahrung aufnehmen hier: ins Land reisen lassen und dort eine Unterkunft geben „Wir wollen eine differenzierte Debatte“ Schon seit dem Sommer gibt es im Internet mehr Hetze gegen Geflüchtete. Da verabreden sich Menschen, um deren Unterkünfte zu attackieren. Das finde ich sehr schlimm. Nach den Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln wird wieder mehr über sexualisierte Gewalt diskutiert. Viele Menschen in Deutschland erklären ihre Solidarität mit den Frauen. Der Feminismus wird leider auch vereinnahmt von Menschen, die sich sonst wenig für Frauenrechte interessieren – manche davon sind eigentlich für schlechtere Frauenrechte. Das akzeptiere ich nicht. Mit anderen Aktivistinnen hatte ich deshalb die Idee für das Hashtag #ausnahmslos. Wir sind absolut gegen sexualisierte Gewalt und Rassismus. Wir wollen eine differenzierte Debatte über die Gründe von beidem. Wenn mehr Geflüchtete abgeschoben werden, löst das nicht das Problem der sexualisierten Gewalt. Richtig wäre es, zu besprechen, wie wir Gewalt und Sexismus in unserer gesamten Gesellschaft verhindern. Aber auch, wie Geflüchtete besser an unserer Gesellschaft teilhaben können. Anne Wizorek ist eine deutsche Medienberaterin und Internet-Feministin, die durch ihre Twitter-Akti- on #aufschrei im Jahr 2013 bekannt wurde. die H¡tze d hier: böse Worte über jemanden; böse Aktionen gegen jemanden der/die Gefl•ch- tete, -n Person, die aus religiösen, poli­ tischen oder ethnischen Gründen aus ihrer Heimat weggegangen ist / weggehen musste der Übergriff, -e hier: ≈ sexuelle Attacke die Gew„lt hier: ≈ Schlagen; sexuelle Aggression vereinnahmen hier: zum eigenen Vorteil für eigene Ziele benutzen die Frauenrech- te Pl. gleiche Chancen und garantierte Möglichkeiten für Frauen, wie sie Männer haben, z. B. Wählen, Ausbildung … ausnahmslos (die Ausnahme, -n ohne Ausnahme hier: Sache, die es gibt, obwohl es nach einer (schriftlichen) Regel normalerweise anders sein soll) „bschieben in das Land zurückschicken, aus dem man geflüchtet ist bespr¡chen hier: sprechen über ges„mt ganz; komplett verh“ndern hier: machen, dass es etwas nicht gibt teilhaben „n hier: ≈ Mitglied werden in der Aufschrei, -e hier: lauter Protest
  • 22. h„rt hier: laut; emotional das }nwort, ¿er hier: schlimmes Wort mæchtig mit (viel) politischer Kontrolle 22 3/16 Seit diesem Ereignis wird noch härter diskutiert. Nicht nur Anhänger der AfD und von Pegida nennen die Medien „Lügen­ presse“. Ihrer Meinung nach spielen Jour­ nalisten die negativen Konsequenzen der Flüchtlingskrise und der Migration herun­ ter. Leute, die Flüchtlingen helfen, sind in ihren Augen naive „Gutmenschen“. Gutmenschen – nicht „gute Menschen“: Der Unterschied ist groß. Denn „Gutmen­ schen“ – das Wort wurde zum „Unwort des Jahres 2015“ gewählt – meint sarkas­ tisch Menschen, die zu gut sind. Wohin geht die Reise für Deutschland? Die Deutschen wissen es nicht. Angela Mer­ kel war früher sehr populär. Sie versprach Sicherheit und Stabilität. Ist sie noch die mächtigste Frau der Welt? Seit dem Som­ mer nimmt die Popularität der Bundes­ kanzlerin stark ab. In Umfragen sagen inzwischen zwei von drei Deutschen, dass die Integration so vieler Flüchtlinge nicht gelingen kann. Die Regierung versucht, die Zahl der Flüchtlinge mit neuen Gesetzen zu senken. Klappt das? In Umfragen sehen die meisten Deutschen das pessimistisch. Unsicher sind viele aber nicht nur wegen des Flüchtlingsthemas, sondern auch aus anderen Gründen. Da ist, wie bei Menschen in vielen Ländern, die Angst vor islamistischem Terrorismus wie in Paris. Aber da sind auch ganz andere Themen, zum Beispiel der Skandal um die Manipulationen bei dem Autohersteller Volkswagen. Wie kann das sein? Deut­ sche Produkte waren bekannt für Qualität und Sicherheit. Was bleibt vom Image der deutschen Wirtschaft? Und wie sieht ihre Zukunft aus, da doch viel weniger Kinder geboren werden als vor 30, 40 Jahren? Einige sehen in der Migration der Flüchtlinge eine Lösung für dieses Prob­Sechs wichtige Wörter zur Debatte die Willk¶mmenskultur, –en Herzlich willkommen – so begrüßt man in Deutschland einen guten Freund. Auch bei der Willkommenskultur geht es um eine positive Einstellung, und zwar speziell gegenüber Flüchtlingen und Migranten. Der Ausdruck soll zeigen, dass man den Menschen respektiert. So erlaubt die Willkommenskultur keine Diskriminierung.DieWillkommenskultur kann man auch leben: Menschen, die kostenlose Sprachkurse für Migranten anbieten, Flüchtlinge zum Abendessen einladen oder ihnen mit der oft kom- plizierten Bürokratie helfen, sind dafür Beispiele. ¡s geht ¢m … das Thema ist … die Einstel- lung gegen- über … hier: Art, wie man über … denkt ¢nd zwar hier: ≈ nämlich respektieren hier: durch die Art, wie man mit jemandem spricht und auf ihn reagiert, zeigen, dass man sich für ihn interessiert und gut findet, wie er ist die bes¶rgten B•rger (Pl.) Wer sich Sorgen macht, ist besorgt. So zum Beispiel die Mutter, wenn der 15-jährige Sohn abends nicht nach Hause kommt, obwohl er schon lange da sein sollte. Diese Sorge ist posi- tiv. Denn natürlich liebt die Mutter ihr Kind und will, dass es gesund zu ihr zurückkommt. Anders ist es bei den besorgten Bürgern. In der aktu- ellen Situation sind damit Menschen gemeint, die negativ über Flüchtlinge reden. Sie sagen zum Beispiel, dass Migranten nur Geld kosten, eine fremde Kultur in Deutschland etablieren wollen und Frauen nicht respektieren. Deshalb sehen viele Menschen in dem Ausdruck ein Synonym für Rassisten. Die besorg- ten Bürger protestieren gegen die- ses negative Label: Sie sagen, dass sie sich nur Sorgen um die Zukunft Deutschlands und seiner Menschen machen. Mit Rassismus oder Angst vor dem Fremden hat das ihrer Meinung nach nichts zu tun. etablieren hier: machen, dass … Tradi­ tion und Praxis wird respektieren hier: ≈ durch die Art, wie man mit einer Frau spricht und auf sie reagiert, zeigen, dass man ihre Meinung und Freiheit akzeptiert n“chts zu tun haben m“t hier: eine Verbindung haben mit der Gr¡nzschutz Noch vor wenigen Monaten war es in Europa normal, ohne Probleme von einem Land in ein anderes reisen zu können. Kontrolliert wurde kaum, Zäune oder Mauern waren meistens Reste aus früheren Zeiten. Jetzt wollen immer mehr Staaten ihre Grenzen schützen. Auch viele deutsche Politiker fordern einen besseren Grenzschutz – das ist neu. Spätestens seit 1989 war es näm- lich typisch deutsch, Grenzen öffnen zu wollen. Das meint zumindest der Philosoph und Merkel-Kritiker Peter Sloterdijk. „Die Europäer werden früher oder später eine effiziente gemeinsame Grenzpolitik entwickeln“, sagte er der Zeitschrift Cicero. der Zaun, ¿e hier: Konstruktion aus Metall, die die Grenze markiert f¶rdern sagen, was man haben will zum“ndest wenigstens effizi¡nt hier: so, dass es Sinn macht und ein Hilfe ist entw“ckeln hier: sich überlegen der Asylmissbrauch, ¿e Wer politisch verfolgt wird, bekommt in Deutschland Asyl. So steht es im Grundgesetz. Das bedeutet aber auch: Möchte jemand Asyl in Deutschland bekommen, um sich zum Beispiel wirtschaftlich zu verbessern, hat er in den meisten Fällen keine Chance. Das wissen auch viele Flüchtlinge, die nicht politisch verfolgt werden – trotz- dem kommen sie nach Deutschland und versuchen es. Kritiker sprechen dann von Asylmissbrauch, denn das Grundrecht auf Asyl wird missbraucht. Rechtsextreme Parteien benutzen den Ausdruck auch gern: „Gegen Asylmissbrauch“ ist ein Slogan, mit dem sie oft Werbung für ihre Ideen machen. Denn auch Menschen mit weniger extremen Meinungen finden es wichtig, dass niemand das Recht auf Asyl missbraucht. verf¶lgen hier: jemandem aus poli­ tischen Gründen Probleme machen oder Nachteile bringen das Gr¢nd- gesetz (die Verf„s- sung, -en Name der deutschen Ver­ fassung schriftliche Form für die Regeln in einem Staat) das Gr¢nd­ recht, -e hier: ≈ garantierte Möglich­ keit eines Menschen, in Deutschland zu bleiben missbrauchen hier: für eine falsche Sache benutzen
  • 23. bes¶nnen ruhig; so, dass man genau überlegt der Wert, -e hier: Ideal; Moral die Ged¡nkstät- te, -n Ort zur Erinnerung an ein Ereignis oder eine Person der Adel Aristokratie der Feind, -e ↔ Freund s“ch ¢mkehren hier: in das Gegenteil ändern f¡st h“nter … stehen … absolut unterstützen die Behörde, -n Amt das Asylverfah- ren, - ≈ Untersuchung, ob eine Person Asyl bekommt „blaufen ≈ passieren ausbuhen m „Buh“ rufen, um zu zeigen, dass man etwas nicht gut findet hämisch hier: ≈ böse; so, dass man sich freut, wenn andere nicht recht haben FOTOS:PICTUREALLIANCE/SZ,DPA(2) 3/16 Gesellschaft lem. Andere sagen, dass viele Flüchtlinge nicht lesen können und zuerst jahrelang lernen müssen, bevor sie einen qualifi­ zierten Job bekommen. Die Eliten unterstützen die Demokratie Trotz der unsicheren Situation: Die meisten Menschen in Deutschland sind „besonnen“, glaubt der Historiker Paul Nolte. Ein Grund dafür ist die finanzielle und politische Sicherheit, in der sie leben. „Es ist auch ein Erfolg der demokratischen Kultur in Deutschland“, sagt der 52-Jäh­ rige. „Kinder lernen die Werte der Demo­ kratie schon in der Schule kennen.“ Der Staat gibt jedes Jahr Millionen Euro aus, damit sich die Bürger mit der Nazi­ zeit und der Deutschen Demokratischen Republik beschäftigen. Mit dem Geld werden Gedenkstätten, Bücher, Filme und Veranstaltungen unterstützt. Nolte sagt: „Viele Jahrzehnte lang waren die poli­ tischen Eliten und der Adel in Deutsch­ land Feinde der Demokratie. Kämpfer für die Demokratie kamen eher aus unteren Gesellschaftsschichten, zum Beispiel aus der Arbeiterbewegung. Das hat sich umge­ kehrt, übrigens auch in anderen Staaten.“ Jetzt, sagt der Historiker, stehen die politi­ schen Eliten in Deutschland fest hinter der Demokratie. Institutionen wie die Landeszentra­ len für politische Bildung unterstützen den demokratischen Dialog. Thomas Platz erzählt, dass es 2015 in Sachsen 60 Ver­ anstaltungen mit dem Motto „Kommune im Dialog“ gab. Oft stritten Leute von der Stadt, der Polizei, Bürger und Politiker dar­ über, dass in ihrem Ort eine Unterkunft für Flüchtlinge eingerichtet werden soll. „Viele Bürger fühlen sich von der Politik und den Behörden schlecht informiert“, sagt Platz. „Sie wissen nicht, wie ein Asylverfahren abläuft. Sie denken: Wir werden nicht gefragt.“ Die Diskussionen auf den Veran­ staltungen waren oft sehr emotional. Aber immer, berichtet Thomas Platz, haben die Menschen bei diesen Veran­ staltungen einen konstruktiven Dialog miteinander begonnen. Er sagt: „Oft wur­ den Menschen laut, sie buhten Redner aus und machten hämische Kommenta­ re.“ Aber das ist für eine Demokratie kein großes Problem. 2 Fremdsprache Deutsch Sonderheft 2016: Deutschunterricht für Lernende mit Migrationshintergrund Herausgegeben vom Vorstand des Goethe-Instituts und Christian Fandrych, Britta Hufeisen, Imke Mohr, Ingo Thonhauser, RainerE.Wicke und UlrichDronske als korrespondierendes Mitglied 2016, ca. 96 Seiten, Einzelheft € (D) 14,95, Heft im Abonnement € (D) 12,95 ISBN 978-3-503-16649-7 Das Sonderheft will allen, die sich in der Spracharbeit mit Migranten aller Alters- stufen engagieren, Orientie- rungshilfen und praktische Hilfestellungen geben und sie in ihrer wichtigen Arbeit unterstützen. www.ESV.info/978-3-503-16649-7 das Staatsversagen Viele Leute sind der Meinung, dass Politik und Ämter mit der aktuellen Situation in Deutschland überfordert sind. Sie denken, dass der Staat versagt hat. Weil zum Beispiel viele Flüchtlinge unkontrolliert in das Land gekommen sind oder die Bürokratie ihrer Meinung nach viel zu langsam ist. Andere fühlen sich auch auf den Straßen ihrer Stadt nicht mehr sicher und haben Angst vor Kriminellen. An diesen Beispielen sieht man: Staatsversagen ist nichts, was man objektiv feststellen kann. Denn jeder Einzelne hat eine andere Idee davon, was der Staat machen soll – und was nicht. Einige fordern zum Beispiel ein ausgebautes Sozialsystem. Andere wollen, dass sich der Staat am besten nie einmischt. Das sagt auch der Jurist Christoph Möller. Für ihn ist Staatsversagen deshalb nur eine „polemische Phrase“. Diese Phrase wird aber auch von Politikern aus den Regierungsparteien und von Medien gern benutzt. überf¶rdert sein hier: mit einer schwierigen Auf­ gabe nicht zurechtkommen versagen hier: nicht funktionieren f¶rdern sagen, was man haben will ausbauen hier: größer und besser machen s“ch einmi- schen etwas tun, ohne dass man gefragt worden ist die Ben“mmregel, -n In jedem Land gibt es andere Normen, was man tun darf und was nicht. So geben sich Männer und Frauen in Deutschland zur Begrüßung die Hand. Und dass eine Frau im Schwimmbad einen Bikini trägt, ist normal. Viele Flüchtlinge kennen dies aus ihren Ländern nicht. Und ein paar von ihnen haben das falsch interpretiert. Deshalb haben Institutionen Flyer mit Regeln für gutes Benehmen, sogenannte Benimmregeln, gedruckt. Andere bieten Kurse an. Sie wollen Flüchtlingen zeigen, wie das Zusammenleben in Deutschland funktioniert. Auch für Deutsche gibt es Benimmregeln: Zum Beispiel auf der Insel Mallorca, wo die Bürger keine Lust mehr darauf haben, das Menschen auf ihren Straßen extrem viel Alkohol trinken. der Flyer, - engl. Zettel mit Informationen, den man kostenlos in großer Menge vielen Menschen gibt das Beneh- men Normen im Zusammenleben, z. B.: Wie grüßt oder isst man richtig?
  • 24. 24 3/16 Debatte der Fl•chtling, -e Person, die aus religiösen, politischen oder ethnischen Gründen aus ihrer Heimat weggegangen ist / weggehen musste r¡chtswidrig so, dass sie sich nicht am geltenden Recht orientiert JA die CDU kurz für: Christlich Demokratische Union der B¢ndestag deutsches Parlament der Wohlfahrts- verband, ¿e Organisation, die Menschen in sozi- aler Not hilft die S“cherheits- behörde, -n Institution, die sich um Sicherheit kümmert die Aufnahme- fähigkeit hier: Möglichkeit, Flüchtlingen Unter- kunft zu geben eine klare Linie deutliches, politisches Ziel das Verfahren, - hier: Untersuchung vor Gericht, bei der man versucht, eine Entscheidung zu finden die R•ck­ führung, -en von: zurückführen = in die Heimat zurückschicken auf B¢ndes­ ebene ≈ für alle Bundesländer gültig das Asylverfah- rensbeschleuni- gungsgesetz Gesetz, das helfen soll, dass Asylver- fahren schneller entschieden werden das Asylpaket II ≈ Programm mit Aktionen, um Flücht- lingen schneller Unterkunft zu geben oder sie schneller in die Heimat zurückzuschicken die [bschaffung von: abschaffen = machen, dass es … nicht mehr gibt der Fehlanreiz, -e hier: falsche Idee, die Lust macht, zu kommen der Familien- nachzug Zusammenführung von Familien, bei denen ein Mitglied im Ausland lebt: Andere Familienmitglieder kommen ins Ausland nach, damit sie zusam- menleben können. NEIN scheinbar nicht wirklich die M¡nschen- rechte Pl. garantierte Möglichkeiten eines Indi- viduums, z. B. Freiheit, freie Meinung verl¡tzen hier: nicht beachten die Werte­ grundlage Ideale und bestimmte Moral als Grundlage die W•rde persönliche Art/Qualität, die man als Mensch hat und die andere ehren und akzeptieren sollen die G¡nfer Fl•chtlings­ konvention ≈ Vereinbarung über den Status von Flüchtlingen unüberw“ndbar hier: so, dass man auf keinen Fall durch- oder hinüberkommen kann der Zaun, ¿e Konstruktion aus Metall, die die Grenze markiert der Schieß­ befehl, -e Kommando, zu schießen die Außenpolitik ≈ politische Kontakte mit dem Ausland die W¡ltwirt- schaftsordnung ≈ Regeln, nach denen die Welt- wirtschaft funktioniert Thomas Bareiß (CDU) ist Mitglied des Deutschen Bundestages. Die aktuelle Flüchtlingssituation ist ohne Zweifel die größte Aufgabe in unserer jüngeren Zeit. Die Men- schen in unserem Land leisten in der aktuellen Flücht- lingssituation Unvergleichliches. Für diese freiwillige soziale Arbeit der vielen Helfer, der Kirchen und Wohl- fahrtsverbände, der Polizei und Sicherheitsbehörden, der Hilfs- und Rettungsorganisationen und der Städte und Kommunen können wir nicht genug danken! Aber wir stoßen mit der Ankunft von über einer Milli- on Flüchtlingen im vergangenen Jahr 2015 an die Grenze unserer Möglichkeiten. Die Kommunen haben mit hohen finanziellen und logistischen Problemen zu kämpfen. Ein „weiter so“ kann es nicht geben. Wir können nicht noch mehr Zeltstädte bauen und Sporthallen zu Wohnräumen machen. Unsere Aufnahmefähigkeit hat Grenzen. Die Unterstützung der Menschen kann nur dann weiter geleistet werden, wenn es eine klare Linie beim Thema Asyl gibt: schnelle Verfahren, schnelle Rückfüh- rung, schnelle Integration in die Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt und eine ausreichende Zahl Wohnun- gen. Wir haben hier auf Bundesebene mit dem Asylver- fahrensbeschleunigungsgesetz viel erreicht und werden mit dem Asylpaket II hoffentlich bald einen weiteren Schritt gehen. Hier müssen nun andere Parteien ihre Position ändern. Aber zu einer ehrlichen und objektiven Betrachtung der aktuellen Flüchtlingssituation gehört auch, dass wenn wir die Migration regulieren wollen, wir sie auch begren- zen müssen. Sollte es bis zum Frühling zu keiner Redu- zierung der Flüchtlingszahlen in Deutschland kommen, dann ist es unsere Verantwortung, dass unsere Grenzen, wenn nötig, wieder geschützt und Personen ohne gültige Ausweispapiere zurückgeschickt werden. Da darf es auch bei der Abschaffung von Fehlanreizen und beim Familien- nachzug keine Denkverbote geben. „Wir können nicht noch mehr Zeltstädte bauen und Sporthal- len zu Wohnräumen machen.“ Zahl der Flüchtlinge begrenzen? Österreich hat sich für ein Limit entschieden: Das Land will 2016 maximal 37 500 Flüchtlinge aufnehmen. In Deutschland wird über so eine Lösung diskutiert – und die Debatte wird lauter. Regulierung oder Grundrecht auf Asyl für jeden Menschen? Wir fragten: FOTOS:CDU;HOCHSCHULEFREIBURG;PICTUREALLIANCE/DPA Ja
  • 25. 3/16 Der Soziologe Albert Scherr ist Professor an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Die Forderung nach einer Begrenzung der Zahl der aufzunehmenden Flüchtlinge ist eine nur scheinbar realistische Reaktion auf die vermuteten Grenzen der Aufnahmefähigkeit. Tatsächlich ist sie aber rechtswid- rig, unrealistisch und inhuman. Menschen werden dadurch zu Flüchtlingen, dass ihre MenschenrechteinihrenHeimatländernverletztwerden. Sie haben dann Recht auf Aufnahme und Schutz durch die Staaten, in denen die Menschenrechte als wesentli- che, unveränderbare Wertegrundlage gelten. Die Men- schenrechte machen deutlich, dass die Würde und die Rechte jedes Einzelnen wichtiger sind als nationalstaatli- che Interessen. Anders als im Fall von Arbeitsmigranten ist es deshalb nicht erlaubt, Menschen an den Grenzen zurückzuschicken, die dringend Schutz und Hilfe brau- chen. Deshalb garantieren das deutsche Asylrecht, die Genfer Flüchtlingskonvention und das europäische Recht allen Flüchtlingen ein Recht auf Aufnahme und Schutz, und nicht nur einer begrenzten Zahl. Deutschland und die Europäische Union strengen sich seit Jahren an, die Außengrenzen gegen nicht will- kommene Migranten zu schützen. Die Konsequenz ist, dass die Fluchtwege gefährlicher geworden sind – mit tödlichen Konsequenzen. Durch eine absolute Begren- zung der Flüchtlingszahl würde eine noch stärkere Kon- trolle der Grenzen nötig. Das heißt: wirklich unüber- windbare Zäune und Mauern. Unüberwindbar sind aber nur solche Zäune und Mauern, die durch Soldaten mit einem Schießbefehl gesichert werden. Eine solche Schließung der Außengrenzen ist politisch nicht mög- lich, und sie wäre inhuman. Wer die Flüchtlingszahlen tatsächlich reduzieren will, muss deshalb entschlossen gegen die Fluchtursachen kämpfen. Das heißt, für eine Wirtschafts- und Außenpolitik, die eine gerechte Welt- wirtschaftsordnung und Demokratisierung als Basis hat. „Die Forderung nach einer Begrenzung ist rechtswidrig, unrealistisch und inhuman.“ Kompetent. Persönlich. Individuell. Mehr Sprache können Sie nirgendwo shoppen. Alles, was Sie wirklich brauchen, um eine Sprache zu lernen: Bücher und DVDs in Originalsprache, Lernsoftware und vieles mehr. Klicken und Produktvielfalt entdecken: www.sprachenshop.de Nein
  • 26. Es ist ein wichtiger Schritt im neuen Versuch, die rechtsextreme Natio- naldemokratische Partei Deutsch- lands (NPD) zu verbieten: Am 1., 2. und 3. März wird darüber vor dem Bundesverfassungsgericht münd- lich verhandelt. Damit beginnt in Karls- ruhe der eigentliche Prozess, an dessen Ende das Urteil steht. Im Dezember 2013 hatten die Bundesländer das Verbot beantragt. Sie sehen die Partei als verfassungswidrig an und wollen verhindern, dass sie auch in Zukunft Geld vom Staat bekommt. Die NPD argumentiert unter anderem damit gegen das Verbot, dass ihre Partei nicht frei von staatlichem Einfluss sei. Damit meint sie V-Leute, die sie noch immer bei sich vermutet. Genau diese V-Leute waren der Grund, warum ein erstes Verbotsverfahren 2003 schei- terte. Erst im Prozess erfuhr das Gericht damals, dass wichtige Zeugen auch V-Leute waren. Drei der sieben Richter sahen ein Problem: Sie könn- ten nicht genau feststellen, welche Äußerungen wirklich von der NPD kämen und welche vom Staat. Die V-Leute werden nämlich vom Staat bezahlt. Das Verfahren wurde wegen dieses Fehlers nach fünf Verhandlungsterminen been- det. Ob die NPD verfassungswidrig ist, hat das Gericht damit also noch nie geprüft. Esistsehrwahrscheinlich,dassesimNPD-Ver- botsverfahren mehr als die drei Verhandlungsta- ge Anfang März gibt. Die Bundesländer und auch die NPD haben nämlich große Mengen Material und viele Argumente gesammelt. Bei Wahlen hat die Partei seit Jahren keinen großen Erfolg mehr. Aktuell sitzen NPD-Mitglie- der noch im Parlament von Mecklenburg-Vor- pommern und im Europäischen Parlament. In Deutschland ist es sehr schwierig, eine Par- tei zu verbieten. Das Thema ist aus historischen Gründen sehr sensibel: Nach der Erfahrung der Nazidiktatur, in der alle Parteien außer Hitlers Nationalsozialistischer Deutscher Arbeiterpartei verboten waren, wurden die Hürden für ein Ver- bot sehr hoch gesetzt. Nur das Bundesverfassungs- gericht kann eine Partei verbieten. Und dafür muss diese aggressiv-kämpferisch gegen das politische System handeln. Nur gegen das System zu sein, reicht nicht für ein Verbot. In der Geschichte der Bundesrepublik sind erst zwei Parteien verboten worden: 1952 die Sozialistische Reichspartei und 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands. Oberstes Gericht entscheidet über Parteiverbot das B¢ndes- verfassungs- gericht (die Verf„s- sung, -en hier: ≈ Gericht in Deutschland, das untersucht, ob sich etwas an der Verfassung orientiert schriftliche Form für die poli­ tischen und rechtlichen Grundre­ geln in einem Staat) verh„ndeln hier: in einem Prozess ent­ scheiden verf„ssungs- widrig so, dass sich etwas nicht an den Regeln der Verfassung orientiert der V-Mann, -Leute kurz für: Verbindungs- oder Vertrauensmann = Person, die Informationen über kriminelle Organisationen an die Polizei gibt das Verbots- verfahren, - Untersuchung vor Gericht, um etwas verbieten zu lassen scheitern Misserfolg haben der R“chter, - Person, die im Gericht das Urteil beschließt die Äußerung, -en Aussage sensibel hier: schwierig; so, dass man genau überlegen muss, wie man entscheidet die H•rde, -n hier: Klausel; Regel reichen hier: genug sein 26 3/16
  • 27. Was heißt …? Landtag Ein Tag auf dem Land ist etwas komplett anderes als der Landtag. Beim Landtag geht es nämlich nicht um einen Ausflug oder eine bestimmte Tageszeit, sondern um Politik. Genauer: um ein Parlament. In 13 deutschen Bundesländern gibt es einen Landtag. Er befindet sich in der Hauptstadt des jeweiligen Bundeslandes. NurdieParlamentederStadtstaatenBerlin, Hamburg und Bremen heißen anders. Die Parteien und Politiker eines Landtags werden nach fünf Jahren neu gewählt, meistens zu unterschiedlichen Terminen. Aber am 13. März wählen die Bürger von drei Bundesländern am gleichen Tag: in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Die Medien nennen das einen Superwahltag. Diesmal ist es beson- ders spannend: Kriegen die Bundesländer neue Regierungschefs? Und: Kommen neue Parteien wie die noch ziemlich junge, rechtspopulistische Alternative für Deutschland ins Parlament? Die Prognosen sagen Ja. Schon 2014 hatte die Partei Erfolg: Sie zog zum ersten Mal in die Landtage von Sachsen, Brandenburg und Thüringen ein. ¡s geht ¢m … hier: das Thema ist … best“mmte (-r/-s) hier: ≈ speziell das B¢ndesland, ¿er Teil von einer föderalisti­ schen Republik s“ch bef“nden sein jeweilige (-r/-s) hier: von jedem Bun­ desland der St„dtstaat, -en hier: Teil von einer födera­ listischen Republik sp„nnend ↔ langweilig einziehen hier: Sitze im Parlament bekommen 850 Baustellen bei der Bahn Die Deutsche Bahn hat auch 2016 viel zu tun. 5,5 Milliarden Euro sollen zum Beispiel in das Schienennetz investiert werden. Es ist das zweite Jahr des größten Modernisierungsprogramms in der Bahngeschichte, das 2019 enden soll. Die Konsequenz sind für 2016 insgesamt 850 Baustellen – so viele wie noch nie. Das betrifft die Strecken Berlin – München, Hamburg – Göttingen, Frank- furt – Mannheim – Karlsruhe/Stuttgart, Berlin – Dresden, Bremen – Münster, München – Salzburg und Ulm – Augsburg.  Fahrgäste müssen deshalb im Nah- und Fernverkehr mit längeren Fahrzeiten, Umleitungen und Zugausfällen rechnen. Auf zentralen Strecken wird der Fernverkehr umgeleitet, so zwischen Hamburg und Hannover zum Beispiel zwischen Mai und Juni. Die Züge brauchen dann eine halbe Stunde länger. Regierung will Bargeld limitieren Die deutsche Regierung will eine einheitliche Bargeld- grenze in der Europäischen Union (EU). Zahlungen mit Scheinen und Münzen sollen dann bis maximal 5000 Euro möglich sein. Der Grund für die Pläne: die Bekämpfung der Geldwäsche. Laut einer Untersuchung der Universität Halle-Wittenberg werden in Deutschland jedes Jahr 100 Milliarden Euro gewaschen. Kritiker glauben jedoch, dass eine Obergrenze für Barzahlungen nicht hilft: In fast allen EU-Ländern mit einem Bargeldlimit ist die Schattenwirtschaft heute wie auch vor der Einführung des Limits viel schlimmer als in Deutschland. Milliarden für Syrien-Hilfe Deutschland unterstützt die Hilfe für notleidende Syrer und die Region rund um das Bürgerkriegsland mit 2,3 Milliarden Euro. Bis 2018 will die Bundesregierung diese Summe zur Verfügung stellen. Damit versucht sie auch, ein Vorbild für andere Länder zu sein. Bis jetzt haben viele Regierungen nämlich hohe Summen versprochen, aber nur einen Teil davon gezahlt. Die Vereinten Nationen haben deshalb Schwierigkeiten, genug Lebensmittel für die riesigen Flüchtlingslager in Ländern wie dem Libanon und Jordanien zu finanzieren. Rund 4,5 Millionen Syrer sind in die Nachbarländer Libanon, Jordanien, Irak und Türkei geflüchtet, in Syrien benötigen mehr als 13 Millionen Menschen Hilfe. Experten sehen in der schlechten Versorgungslage einen Grund, warum so viele Menschen nach Europa flüchten. das B•rger- kriegsland, ¿er Land, in dem es Krieg zwischen verschiedenen politischen Gruppen gibt zur Verfügung st¡llen hier: geben das Vorbild, -er ≈ positives Beispiel die Vereinten Nationen Pl. Organisation, zu der die meisten Staaten der Welt gehören und deren Ziel es ist, Frieden auf der Welt zu schaffen; kurz: UN riesig sehr groß das Fl•cht- lingslager, - Lager, in dem Personen leben, die wegen des Krieges aus ihrer Heimat weggegangen sind die Vers¶r- gungslage ≈ Möglichkeit, Menschen alles zu geben, was sie zum Leben brauchen, z. B. Lebensmittel, Kleidung, Medikamente … betr¡ffen hier: ≈ passieren bei der Zugausfall, ¿e von: ein Zug fällt aus = ein Zug fährt nicht FOTOS:PICTUREALLIANCE/DPA(2) einheitlich hier: in allen EU-Ländern gleich die Bekæmpfung von: bekämpfen = hier: durch verschiedene Aktionen zu erreichen versuchen, dass es etwas nicht mehr gibt die G¡ldwäsche ≈ Verändern von illegalem Geld, z. B. aus Prostitution oder Waffenhandel, in offiziell registriertes Geld die Sch„tten- wirtschaft (die Schw„rz- arbeit ≈ Summe der Schwarzarbeit in einem Land (illegale) Arbeit, ohne Steuern zu zahlen) die Einführung von: einführen = hier: etwas Neues starten 273/16 Nachrichten
  • 28. Sonnenfeuer in Greifswald Es ist ein alter Traum der Menschheit: Energie auf die Art zu produzieren, wie es auf der Sonne passiert. Mit der Herstellung des ersten Wasserstoffplasmas sind Wissenschaftler in Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) diesem Ziel jetzt einen großen Schritt näher gekommen. In der Fusionsanlage Wendelstein 7-X wurde durch einen Zwei-Megawatt-Puls der Mi­ krowellenheizung auf Knopfdruck von Bundeskanzlerin Angela Merkel aus einer sehr kleinen Menge Wasserstoffgas extrem dünnes Wasserstoffplasma. Dabei lösten sich die Elektronen von den Kernen der Wasserstoffatome. In einem starken Magnetfeld eingeschlossen schwebten die Elektronen dann vor den Wänden der Plasmakammer. Das ist wichtig, denn bei einem Kontakt mit den kalten Wänden geht das Fusionsfeuer aus. „Mit einer Temperatur von 80 Millionen Grad und einer Dauer von einer Viertelse- kunde hat das erste Wasserstoffplasma in der Maschine unsere Erwartungen vollständig erfüllt“, sagte Hans-Stephan Bosch vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik. In der mehr als eine Milliarde Euro teuren Anlage wollen die Wissenschaftler untersuchen, ob die kontrollierte Fusion von Atomkernen – wie sie auch in der Sonne passiert – auf der Erde möglich ist. Mit der Technik könnte man dann fast unbegrenzt Energie produzieren. Neuer Einwohnerrekord in Österreich Zum Jahresbeginn lebten in Österreich laut Statistik Austria 8,7 Millionen Menschen. Das sind 115 000 Personen oder auch 1,3 Prozent mehr als vor einem Jahr. Besonders stark ist die Hauptstadt gewachsen: In Wien leben 43 200 Personen (2,4 Prozent) mehr. Grund für das Wachstum ist nicht eine steigende Geburtenrate, sondern die Migration aus dem Ausland. So ist der Ausländeranteil in ganz Österreich auf 14,6 Prozent (1,27 Millionen Menschen) gestiegen. Vor einem Jahr lag er noch bei 13,3 Prozent. Die größte Gruppe unter den Nicht-Österreichern sind die Deutschen mit 176 517 Personen. SONNENFEUER IN GREIFSWALD die Fusionsanla- ge, -n ≈ Reaktor, in dem mit Nuklearenergie elektronische Energie hergestellt wird die Mikrowellen- heizung, -en ≈ Heizung, die mit geringer Energie des elektromagne­ tischen Spektrums funk­ tioniert das W„sser- stoffgas farbloses, geschmackfreies Gas; H2 s“ch lösen v¶n sich trennen von der K¡rn, -e hier: ≈ innerer Teil; die Proto­ nen eines Atoms das Magnetfeld, -er Bereich, in dem überall der Effekt eines Magneten zu merken ist schweben hier: sich langsam bewegen die Pl„sma­ kammer, -n ≈ Teil einer Konstruktion, mit der man Plasma herstellt das Fusions­ feuer, - ≈ extrem heißes Feuer, durch das einzelne Atomkerne zu einem verbunden werden v¶llständig komplett; völlig NEUER EINWOHNERREKORD IN ÖSTERREICH die Geburtenra- te, -n Zahl von Geburten in Prozent der Ausländeran- teil Zahl der Ausländer in Prozent FOTO:PICTUREALLIANCE/DPA 28 3/16
  • 29. Auf den zweiten Blick Die Zeit Abgeräumt Das Wort abräumen bedeu- tet, dass man von einer Stelle alles wegnimmt, was dort ist. Der Ort bleibt also leer zurück: „Ich muss leider schnell weg. Könntest du bitte den Tisch abräumen?“ Dieses Bild einer leeren Stelle wird auch für andere Kontexte verwendet, zum Beispiel, wenn ein Sportler viele Medaillen gewinnt. Man denkt dann an den Medaillentisch, der danach leer ist: „Drei Goldmedaillen? Da hat die Newcomerin aber wirklich abgeräumt!“ Eine sehr negative Bedeutung kann das Wort aber auch haben – dann nämlich, wenn ein Konto abgeräumt wird. Wie die Wochenzeitung Die Zeit berichtet, gelingt es kriminellen Hackern immer wieder, Kreditkartendaten zu stehlen. Damit können sie Konten abräumen. Das versuchen Experten zu verhindern. Sie arbeiten an einer ständigen Verbesserung der Sicherheitsstandards. Aber auch die Hacker aktualisieren ihre Software ständig – und sind damit immer in einem Wettlauf mit den Informatikern der Gegenseite, um trotzdem weiterhin Konten abräumen zu können. Handelsblatt Edeka hält an Tengelmann fest Wenn man sich an einem Gegenstand festhält, dann nimmt man ihn mit viel Kraft mit der Hand. Meistens macht man das, um nicht zu fallen, zum Beispiel beim Busfahren: „Halt dich gut an der Stange fest, Lisa, gleich kommt eine Kurve!“ Eine ähnliche Bedeutung hat das Wort festhalten auch in weniger konkreten Kontexten. Man meint dann, dass jemand mit einer Sache nicht aufhört, sondern auf jeden Fall damit weitermachen möchte: „Trotz aller Kritik wird Thomas sein Projekt so beenden, wie er es richtig findet. Er hält immer an seinen Plänen fest!“ Ein Fall von großer Dimension, in dem an etwas strikt festgehalten wird, geht zurzeit durch die deutschen Medien: Der Supermarkt-Gigant Edeka will die Tengelmann-Gruppe aus derselben Branche übernehmen – und das trotz vie- ler Schwierigkeiten. Wie die Wirtschafts- und Finanzzeitung Handelsblatt berichtet, ist die Übernahme schlecht für die Wettbewerbspolitik. Deshalb hat das Kartellamt den Plan verbo- ten. Trotzdem hat der Wirtschaftsminister erlaubt, dass an der Übernahme festgehalten wird. Sie wäre für die Allgemeinheit von Vorteil, findet er. Diese Ministerkompetenz kritisieren nun aber verschiedene Parteien. Auch ein paar Aspekte des Vertrags sind juristisch noch nicht klar. Ob an dem Plan also bis zum Schluss festgehalten werden kann, ist noch nicht entschieden. Politische Bildung nicht willkommen Deutschlands politische Stiftun- gen bekommen im Ausland immer mehr Probleme. So musste die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung ihre Projektchefin Andrea Nüsse aus Marokko zurückholen, um einer Ausweisung durch die Regierung des Lan- des zuvorzukommen. Davor hatte die Stiftung dem kritischen marokkanischen Journalisten Ali Anouza einen Preis verliehen. Auch das Regional- büro in Ägypten hat die Friedrich-Naumann-Stif- tung zum Jahreswechsel geschlossen. „Wenn heute jedes politische Seminar, jede Konferenz, die wir mit ägyptischen Partnern ausrichten, als mögliche Bedrohung der inneren Sicherheit Ägyp- tens missverstanden wird, so entzieht das unserer Arbeit die Grundlage“, sagte Wolfgang Gerhardt vom Vorstand der Stiftung. Neu sind solche Repressionen nicht: Der Büro- chef der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung wurde 2013 zusammen mit einer Mitarbeiterin zu einer Haftstrafe verurteilt. Der Grund: illegale Finanzierung aus dem Ausland und Unruhestif- tung. Im selben Jahr musste auch die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung Sri Lanka verlassen. Schon Ende 2012 schloss die Grünen-nahe Hein- rich-Böll-Stiftung nach einem langen Streit ihr Büro in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba. Das Auswärtige Amt ist beunruhigt: „Wir sehen es in der Tat mit Sorge, dass in immer mehr Ländern die Spielräume der Zivilgesell- schaft durch restriktive Maßnahmen der Regie- rung beschränkt werden“, heißt es. In Deutschland gibt es insgesamt sechs politi- sche Stiftungen: die Friedrich-Ebert-Stiftung, die Konrad-Adenauer-Stiftung, die Hanns-Seidel-Stif- tung, die Friedrich-Naumann-Stiftung, die Hein- rich-Böll-Stiftung und die Rosa-Luxemburg-Stif- tung. Sie alle haben zwar eine enge Verbindung mit einer Partei und ihren politischen Ideen, sind aber finanziell und organisatorisch unabhängig. Ihr wichtigstes Ziel ist es, die politische Bildung zu unterstützen. An ihren Angeboten kann jeder teilnehmen. Finanziert werden sie zu etwa 90 Prozent von verschiedenen Bundesministerien und dem Deutschen Bundestag. Alle Stiftungen haben auch Büros im Ausland. Sie sind dort Nichtregierungsorganisationen, werden also nicht als staatliche Institutionen betrachtet. ABGERÄUMT verh“ndern hier: machen, dass etwas nicht passiert stændig dauernd aktualisieren hier: so ändern, dass sie mit der neuesten Technik arbeitet der W¡ttlauf, ¿e hier: Kampf: Wer ist bei neuen Sicherheitsstandards am schnells­ten? die Gegensei- te, -n hier: Banken, Geldinstitute … weiterh“n hier: auch in Zukunft EDEKA HÄLT AN TENGELMANN FEST die St„nge, -n hier: langes, dünnes Stück, das meistens vertikal stabil in das Innere eines Busses gemacht wird der F„ll, ¿e hier: Sache, die Probleme macht die Dimensi- on, -en hier: ≈ Bedeutung; Wichtigkeit str“kt hier: auf jeden Fall übernehmen hier: kaufen und mit der Arbeit weitermachen die W¡ttbe- werbspolitik (die M„rkt- wirtschaft Teil der Wirtschaftspolitik, die sich um die Kontrolle der Markt­ wirtschaft kümmert ≈ freies Wirtschaftssystem) das Kart¡ll- amt, ¿er Amt, das kontrolliert, ob sich alle an den Regeln für Kartelle orientieren die Allge- meinheit hier: Gesellschaft die Min“ster- kompetenz hier: ≈ Möglichkeit des Ministers, die Erlaubnis zu geben POLITISCHE BILDUNG NICHT WILLKOMMEN die politische B“ldung ≈ Unterricht über politische Institutionen und Strukturen die St“ftung, -en Organisation für einen bestimm­ ten Zweck FDP-nah mit einer engen Beziehung zur Freien Demokratischen Partei die Auswei- sung, -en von: ausweisen = hier: nach Deutschland zurückschicken zuvorkommen etwas tun, bevor andere diesel­ be Sache tun verleihen hier: bei einer Zeremonie geben ausrichten hier: veranstalten die Bedro- hung, -en von: bedrohen = hier: der Grund sein, warum eine Situation gefährlich wird entziehen hier: wegnehmen der Vorstand Gruppe, die eine Firma oder einen Verein leitet die CDU kurz für: Christlich Demokra­ tische Union die H„ftstrafe, -n Strafe, bei der eine Person eingeschlossen wird die }nruhe- stiftung Stören des öffentlichen Friedens die SPD kurz für: Sozialdemokratische Partei Deutschlands das Auswärti- ge [mt Ministerium, das sich um die politischen Kontakte mit dem Ausland kümmert “n der Tat wirklich der Spiel- raum, ¿e hier: Möglichkeit die Zivilge- sellschaft, -en Gesellschaft mit politisch und sozial aktiven Bürgern, die selbst Dinge entscheiden die Maßnah- me, -n Handlung, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen beschrænken reduzieren; weniger machen der Deutsche B¢ndestag deutsches Parlament 293/16 Nachrichten
  • 31. % KulturdenkmalHistorische Häuser, alte Kirchen, starke Frauen: Das alles finden Besucher in Quedlinburg. Auch die Einwohner lieben die Geschichte ihrer Stadt – und kümmern sich um jedes Detail, berichten Insa van den Berg und Claudia May. Als Thomas Labusiak von der Arbeit zurück- kommt, wartet schon seine sieben Jahre alte Tochter Lisa auf ihn. Stolz zeigt sie ihm das Bild, das sie gerade gemalt hat. Der Vater, noch im Mantel und mit der Mütze auf dem Kopf, bewun- dert es. Der 45-Jährige kommt gerne nach Hause. „Es ist für uns alle jeden Morgen eine Freude, hier aufzuwachen, den Tag hier zu verbringen und am Abend hier wieder schlafen zu gehen“, sagt er. Seit einem Jahr wohnt die Familie, die aus vier Personen besteht, in dem restaurierten Fach- werkhaus im historischen Zentrum Quedlinburgs. Drei Jahre lang haben sie selbst intensiv mitgear- beitet, um in das 500 Jahre alte Haus einziehen zu können. Der Kunsthistoriker lacht. „Als Geis- teswissenschaftler ist man es ja nicht gewohnt, am Ende des Tages ein so konkretes Ergebnis zu haben. Wenn Sie aber eine Wand eingerissen haben, sehen Sie, was Sie geschafft haben.“ Es hätte sich gelohnt, so viel Arbeit, Zeit und Geld in das denkmalgeschützte Haus zu inves- 500 Jahre alte Häuser sind in diesem Ort ganz normal: In Quedlinburg stehen Hunderte davon. die M•tze, -n ≈ weicher Hut bew¢ndern hier: ansehen und schön finden aufwachen wach werden das F„chwerk- haus, ¿er spezielle Architektur: Man kann an der Außenseite eines Hauses die Holzteile sehen (s. Foto). der Geisteswis- senschaftler, - ≈ Person, die verschiedene Aspekte von Kunst, Kultur oder einer Sprache systematisch untersucht gewohnt sein kennen; normal finden einreißen hier: kaputt machen sch„ffen hier: erreichen; machen hætte s“ch gelohnt Konj. II der Vergangenheit von: sich lohnen = gut sein, dass man etwas macht d¡nkmal­ geschützt von: unter Denkmalschutz stehen = davor geschützt sein, kaputt gemacht oder geändert zu werden FOTO:MAURITIUSIMAGES/ALAMY 313/16 Quedlinburg
  • 32. tieren, sagt auch seine Frau, Miriam Gepp-Labusiak, und gibt ihrem Mann den kleinen Sohn Toni. „Es ist so spannend, von der Geschichte dieses Hauses umge- ben zu sein“, sagt sie. Deshalb ist in der modernen Küche, wo die Familie am meisten Zeit verbringt, auch noch ein Stück von der alten Mauer zu sehen. Diese Form der Erinnerung war den Labusiaks bei der Renovierung wich- tig. „Wahnsinn, was hier alles passiert ist. Gebaut hat das Haus wahrscheinlich ein Dachdecker, dann war hier eine Braue- rei, dann eine Gerberei, zum Schluss eine Fahrschule“, erzählt Thomas Labusiak. „Das relativiert einen selbst. Das hat uns der Architekt auch mal gesagt: ‚Ihr könnt machen, was ihr wollt. Aber wir gehen vom Haus aus. Denn das wird euch überleben.’“ 2010 hat der Bayer in Quedlinburg als Domkustos angefangen. Er kümmert sich um die Pflege und Reparaturen der Dom- schätze von Quedlinburg und der Nach- barstadt Halberstadt. Für ihn ist das die ideale Stelle. So wusste die Familie bald, dass sie in der Kleinstadt in Sachsen-An- halt bleiben wird. „Man sollte am Ort sein, finde ich. Also haben wir dieses Haus gekauft“, erklärt der Familienvater. „Ich habe immer dazugesagt, dass es ein Fach- sp„nnend ↔ langweilig umgeben sein v¶n auf allen Seiten haben Wahnsinn. hier: m Das kann man nicht glauben. der D„ch­ decker, - Person, die beruflich Dachsteine auf Dächer legt die Brauerei, -en Fabrik, in der Bier gemacht wird die Gerberei, -en Fabrik, in der aus Tierhaut Leder hergestellt wird relativieren hier: ≈ helfen, etwas in der rich- tigen Perspektive zu sehen ausgehen v¶n hier: bei der Renovierung denken an überleben hier: auch nach dem Tod der Familie da sein der Domkus- tos, -kustoden Person mit einer offiziellen Position in einem Dom der Dom- schatz, ¿e Gegenstände in einem Dom, die viel wert sind (z. B. Gold und Silber) dazusagen ≈ noch eine Information geben Drei Jahre mussten sie intensiv an ihrem Haus arbeiten, bevor sie einziehen konnten Miriam Gepp-Labusiak mit Ehemann Thomas und den Kindern Toni und Lisa vor ihrem Tor FOTOS:CHRISWOHLFELD;ROLANDROSSNER/DEUTSCHESTIFTUNGDENKMALSCHUTZ 32 3/16
  • 33. % werkhaus ist. Bis mir dann irgendwann klar wurde, dass ich das nicht betonen muss. Es ist ja alles Fachwerk in Qued- linburg.“ Rote, grüne, weiße Fassaden und dunkles Holz: Wer beim Spaziergang durch das Zentrum statt auf das Kopfsteinpflas- ter in Richtung Himmel blickt, der sieht kunstvolle Inschriften. Pentagramme soll- ten früher vor dem Bösen und vor Feuer schützen. Nur in Quedlinburg zu finden sind Balkenköpfe mit der Form einer Pyra- mide, wie sie ab dem 17. Jahrhundert die Fassaden verschönerten. Architektur aus acht Jahrhunderten. Mehr als 2000 Fachwerkhäuser stehen in dem 20 000-Einwohner-Städtchen. Wegen der vielen historischen Holzhäuser ist die Stadt seit 1994 Teil des UNESCO-Welt­ erbes. Die meisten Fachwerkhäuser sind in den letzten 25 Jahren renoviert worden. Übrig geblieben sind noch ungefähr 400 in sehr unterschiedlichem Zustand. Es gibt Häuser, bei denen man gar nicht sieht, dass innen noch eine große Baustelle ist, weil Fassade und Dach schon fertig sind. Und es gibt andere, an denen so viel zu machen ist, dass es für die Besitzer zu teuer wäre. Bei manchen ist bis heute noch nicht sicher, wem sie gehören. Und bei anderen leben die Erben weit weg und können sich nicht entscheiden, was mit ihrem Haus passieren soll. Zu kaufen ist kaum noch ein Fachwerk- haus in Quedlinburg. Familie Labusiak ist eine der letzten, die noch eines kaufen konnte. Die Immobilienpreise in der Stadt sind in den letzten Jahren extrem gestie- gen. Es gab viele Käufer aus anderen Städ- ten, nicht nur aus deutschen Metropolen wie Frankfurt, Hamburg und Berlin, son- dern vor allem auch aus dem Ausland: aus der Schweiz, Österreich, den Niederlanden und den USA. Gekauft, um dort einzuzie- hen, als Ferienwohnung oder für das Alter. Einer, der jedes historische Haus kennt, ist der Pensionär und frühere Ingenieur Karlheinz Wauer. Viele nennen ihn ein „wandelndes Lexikon“. Das beschreibt den 82-Jährigen auch ziemlich gut. Trotzdem hört er es nicht so gerne. „Ich mache ein- fach Quellenforschung“, erklärt er. Wauer studiert also fast jeden Tag mehre Stunden sehr genau histo- rische Dokumen- te – und das seit Jahrzehnten. Im November letzten Jahres hat er dafür den Denkmal- preis des Landes Sachsen-Anhalt bekommen. „Bis- her habe ich 400 historische Häuser der Stadt in Auf- sätzen beschrie- ben – und auch schon den ein oder anderen Fehler in der Sekundärlite- ratur korrigiert“, sagt er nicht ohne Stolz. Da war zum Beispiel dieses Haus, von dem man sagte, dass dort der Urgroßvater des Quedlinburger Dichters Friedrich Gott- lieb Klopstock (1724 - 1803) gewohnt hat. In Wirklichkeit lebte er aber im Nachbar- haus. „Häuser der Kirche mussten damals keine Steuern zahlen. Also sind sie auch nicht auf den alten Steuerlisten zu finden“, erklärt Wauer. „In der Straße stand aber ein kirchliches Haus – und so kam es zu der Verwechslung. Denn Hausnummern hat es zu der Zeit natürlich nicht gegeben.“ Steuerlisten sind eine seiner wichtigsten Quellen. „Einer hat was zu bezahlen, der andere kriegt es. Wenn es ums Geld geht, ist alles ganz genau dokumentiert“, sagt er und lacht. Anders die Kirchenbücher: Sie sind oft nicht ganz so genau. „In Städten wie Quedlinburg hatten die Pastoren frü- her wenig Zeit“, sagt Wauer. „Da liest man dann: ‚Eine Leiche beerdigt.’ Das ist natür- lich ein bisschen wenig Information.“ Auch das Haus von Familie Labusiak kennt Wauer gut. Er hat Thomas Labusi- ak eine Chronik des alten Fachwerkhau- ses gegeben. Der Experte ist froh, dass die Familie so viel und genau an dem Haus gearbeitet hat. „Man hätte bei der kompli- zierten Restaurierung viel kaputt machen können“, sagt er. „Zum Glück ist das nicht passiert. Es ist ganz gut gelungen.“ Aus B“s mir klar w¢rde … Bis ich verstand … betonen hier: besonders deutlich sagen; noch eine Information geben das K¶pf- steinpflaster ≈ Straße aus kleinen, runden Steinen (s. Foto) k¢nstvoll mit großem künstlerischen Talent und Können die |nschrift, -en Schrift in Stein, Holz oder Metall, z. B. auf einem Denkmal der B„lken­ kopf, ¿e ≈ eines von zwei Enden eines langen, schweren Holzstückes das Jahr­ h¢ndert, -e Zeit von 100 Jahren verschönern schöner machen das W¡lterbe Gebäude, Städte und Land- schaften in aller Welt, die man für die Menschen in Zukunft schützen soll der ]rbe, -n Person, die nach dem Tod eines Verwandten etwas bekommt der Immobili- enpreis, -e Preis für ein Gebäude oder ein Stück Land (… “st) ein w„ndelndes L¡xikon (w„ndeln (das L¡xikon, L¡xi- ka/L¡xiken m (… ist) eine Person mit Ex- pertenwissen auf vielen Sektoren sich bewegen) Enzyklopädie) einfach hier: nur die Qu¡llen- forschung, -en (die Qu¡lle, -n systematisches Studieren von Quellen hier: Medium, aus dem man Informationen hat) das Jahr- zehnt, -e Zeit von zehn Jahren der D¡nkmal- preis, -e Geld für Leute, die sich um den Schutz historischer Gebäude kümmern das L„nd, ¿er (das B¢ndes- land, ¿er hier: Bundesland kleines Land als Teil einer föde­ ralistischen Republik) bisher bis jetzt der Aufsatz, ¿e ≈ Text zu einem speziellen Thema den ein oder „nderen Fehler ≈ ein paar Fehler die Sekun- därliteratur hier: Bücher von Experten zum Thema Fachwerkhaus der Urgroß- vater, ¿ Vater des Großvaters oder der Großmutter kam ¡s zu … passierte … die Verw¡chs­ lung, -en von: verwechseln = hier: ein falsches Haus nennen ¡s geht ¢m … das Thema ist … der P„stor, Pastoren Mann, der in der evangelischen Kirche religiöse Aufgaben hat die Leiche, -n Körper eines toten Menschen beerdigen ein Loch in die Erde machen und einen Toten hineinlegen 500 Jahre Geschichte Die Labusiaks hätten bei der komplizierten Restaurierung ihres Hauses viel kaputt machen können – haben sie aber nicht 333/16 Quedlinburg
  • 34. dem Mund des Experten ist das ein gro- ßes Lob. Er streitet sich lieber danach mit der Denkmalpflege, wenn wieder einmal Farbe über das Fachwerk der Außenwand gemalt wurde. Aber auch anderen hat sehr gefallen, mit wie viel Enthusiasmus die Familie versucht hat, das Haus als wirkliches Original zu erhalten. „Die Labusiaks hatten den Mut, kein perfektes Haus zu wollen“, erklärt Rudolph Koehler vom Architekturbüro Qba- tur, das die Restaurierung begleitet hat. „Die Fenster sind zum Beispiel etwas schief, weil die Wand auch schief ist. Natürlich kann man das gerade machen. Aber das ist dann nicht mehr das historische Original.“ Für diesen Mut haben Architekturbüro, Handwerker und die Familie den Bundes- preis für Denkmalpflege bekommen. Familienvater und Domkustos Thomas Labusiak steht inzwischen nicht mehr in seinem Haus, sondern in einem Kultur- denkmal, das viel über die Stadt erzählen kann: in der Sankt-Servatius-Kirche. Die Sonne, die durch die Fenster scheint, lässt den hellen Sandstein leuchten. Im Altar- raum des um 1100 gebauten Gotteshauses brennen weiße Kerzen. „Sehr selten bin ich hier so ganz allein“, sagt er. Er kennt die Geschichte des Kulturdenkmals, das Teil des Quedlinburger Damenstifts war, genau. „Die Grabplatten der Äbtissinnen des Stifts zeigen, was für ein Selbstver- ständnis sie gehabt haben müssen“, sagt Labusiak und zeigt auf die Bilder im Stein. Die Frauen tragen extravagante Kleider, halten Bücher in den Händen. „Sie prä- sentieren sich fast wie Königinnen.“ An diesem Ort, der an König Heinrich I. erinnern soll, wurden viele starke Frau- en ausgebildet, wie zum Beispiel Äbtissin Mathilde. Sie war Heinrichs Enkelin und die Tochter des ersten deutschen Kaisers, Ottos des Großen. Unter Mathilde wurden die im Stift lebenden Mädchen aus der Aristokratie gut ausgebildet. Der Tag begann früh und endete spät. Trotzdem hatten die Mädchen ein Leben im Luxus. Denn anders als die Ordensschwestern im Kloster durften die Stiftsdamen teure Kleider tragen, Schmuck besitzen, Fleisch essen, auch Urlaub vom Leben im Stift machen. Äbtissin Mathilde wurde besonders von ihrem Neffen, dem späteren Kaiser Otto III., sehr geschätzt: Sie als Frau durfte für ihn Dinge entscheiden, wenn er nicht da war. Als eines der Mädchen aus dem Stift ent- führt wurde, um zu heiraten, war der Kaiser wieder einmal weg. Für diese Zeit kaum zu glauben: Mathilde entschied, das Mädchen nach seinen eigenen Wünschen zu fragen – das übrigens heiraten wollte. In der Kirche ist es an diesem Tag ziem- lich kalt. Zum Glück braucht Domkustos Labusiak von hier nur etwas weniger als zehn Minuten zu Fuß, um zu seinem Haus zu kommen. Und dort ist es natürlich warm. Er sitzt am Küchentisch und klopft auf das Holz. „Das Haus wird uns definitiv überleben, wenn es nicht abbrennt“, sagt er und muss lachen. „Wir begleiten es nur eine Zeit lang.“ Die Chronik kann weiter- geschrieben werden. 2 erh„lten hier: pflegen und reparieren der Mut hier: Absicht, etwas zu machen, auch wenn es nicht nur Vorteile gibt begleiten hier: machen und kontrollieren schief hier: so, dass sie nicht komplett vertikal in die Wand gemacht sind gerade machen hier: vertikal in die Wand setzen der H„nd­ werker, - Person, die beruflich mit Händen und Werkzeugen arbeitet der S„ndstein hier: spezieller weicher Stein als Baumaterial leuchten hier: Licht reflektieren die K¡rze, -n langes, dünnes Ding, das Licht gibt, wenn man es mit einem Streichholz anmacht das Damenstift, -e (das Kloster, ¿ großes Frauenkloster Kirche mit Wohn- und Arbeitsgebäuden, in denen sehr religiöse Männer oder Frauen leben und arbeiten) die Grabplatte, -n (das Grab, ¿er flaches Stück aus Stein, das auf einem Grab liegt Platz, an dem ein Toter liegt) die Äbt“ssin, -nen Titel der Leiterin eines Klosters das S¡lbst­ verständnis Meinung/Idee einer Person oder Gruppe von sich selbst s“ch präsentieren sich zeigen der Kaiser, - oberster Monarch die {rdens- schwester, -n Frau, die sich in ihrem Leben in einer religiösen Gruppe von Frauen genau an den Regeln der Religion orientiert schætzen hier: gern mögen; auch: eine sehr gute Meinung haben von entführen ≈ illegal an einen anderen Ort bringen „bbrennen durch Feuer komplett kaputtgehen begleiten hier: darin wohnen Ein Detektiv der Architekturgeschichte In dieser Stadt kennt Karlheinz Wauer jedes historische Haus im Detail Quedlinburg aus der Luft Von oben sieht man die historische Struktur FOTOS:CHRISWOHLFELD;WESTEND61/VARIOIMAGES 34 3/16