Der vorgestellte Ansatz der Technik- und Softewareentwicklung entstand in kritischer Auseinandersetzung mit zahllosen gescheiterten Change-Projekten in Unternehmen, sowie mit Problemen, die vielfach erst durch jene technischen Tools geschaffen wurden, die Erleichterung, Versicherung, Rationalisierung bieten sollten.
MiPo'11: Reflexive Technologie. Eine neue Logik der Softwareentwicklung (Manfred Moldaschl, Christian Traubinger)
1. Lehrstuhl Innovationsforschung & nachhaltiges Ressourcenmanagement
Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, BWL IX
Reflexive Technologie
Eine neue Logik der Softwareentwicklung
1. Ein Spin-off der Forschung
2. Was macht Innovationsfähigkeit aus?
3. Wie kommt man zu Innovation?
4. Vom Innovationsmanagement zur Innovationsfähigkeit
5. Vom linearen zum reflexiven Entwicklungsprinzip
6. Modulare Software zur Unterstützung reflexiven Handelns
Tagung Mitarbeiterportale, Merklingen, 20.Januar 2011
Technische Universität Chemnitz Prof. Dr. Dr. Manfred F. Moldaschl Reflexive Consulting & Research
09107 Chemnitz Dipl.Ing. Christian Traubinger 82008 München Unterhaching
www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/bwl9 www.reflexive-consulting.com
2. 1. Ein Spinoff der Forschung
Der vorgestellte Ansatz der Technik- und Softwareentwicklung entstand in kritischer
Auseinandersetzung mit zahllosen gescheiterten Change-Projekten in Unternehmen,
sowie mit Problemen, die vielfach erst durch jene technischen Tools geschaffen wurden,
die Erleichterung, Versicherung, Rationalisierung bieten sollten.
Vorgestellt wird hier kein Portal, sondern im ersten Foliensatz ein generisches Modell
der Entwicklung brauchbarer Technik („usability“ in einem nicht nur ergonomischen Sinn).
Basierend auf psychologischer und sozialwissenschaftlicher Forschung zielt es auf eine
sinnvollere als die übliche Aufgabenverteilung zwischen Mensch und Technik.
Der zweite Foliensatz stellt ein auf dieser Basis entwickeltes Tool dar. Es hat seinen
Anwendungsschwerpunkt im Ideenmanagement und kann „stand alone“ verwendet,
aber ebenso und wirkungsvoller in bestehende Technikanwendungen integriert werden
(Intranets, Mitarbeiterportale, Kundenintegration, Open Innovation).
3. 1 Neue Projekte*
in denen wir Software nach Prinzipien der reflexiven Technologie entwickeln & erproben
„Innovationsfähigkeit durch Institutionelle Reflexivität“ - Entwicklung eines
Ansatzes zur Messung, Bewertung und Förderung der Innovationsfähigkeit
von Organisationen (Profit- & Nonprofit-Org.; BMBF 2009-2011)
„Messung und Bewertung von Dienstleistungsproduktivität und
Innovations-Performanz“ (BMBF, 1/2011-3/2014)
„Reflexivität und Kreativität als Kompetenz – Innovationsfähigkeit
im Kontext alternder Gesellschaften“ (BMBF, 5/2011-4/2014)
„Case Based Reasonning – New Ways in Medical Informatics“
(European Commission, 7FP, geplant 2011)
„Nachhaltigkeitskompetenz – Neue Konzeptionen der Weiterbildung
und des rechnergestützten Lernens“ (BMBF, geplant 2011)
Netzwerkprojekte (BMWi, ZIM, laufend)
* Verbundprojekte mit bis zu 40 Mitwirkenden/Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft,
koordiniert durch den Lehrstuhl für Innovationsforschung oder (ZIM) durch RefCoR
4. 2 Was macht Innovationsfähigkeit aus?
Ideen haben/auf neue Ideen Neue Ideen aufnehmen
kommen (Schaffung) (Verbreitung)
und marktorientiert in
- Kreativität - Offenheit
Produkte umsetzen
- Phantasie - Neugier
- Offenheit
-…
- Neugier
5. 3 Wie kommt man zur Innovation?
Grundprobleme der sequenziellen Ansätze
Verfügbare Entwicklungs-
und Anpassungszeit
„Verflixte“ Schere
„wicked zone“ (Zeit-Komplexitäts-
Dilemma)
Komplexität der Produkte
& Problemlösungen
6. 4 Von Innovationstheorien zu Theorien der Innovationsfähigkeit
vom zu linearen Modellen (Strategische Planung, Wasserfallmodell)
zu rekursiven Prozeßmodellen (Stage-Gate > Road Map > Open Inno)
von der Idee des situativen „best fit“ zur Idee kontinuierlicher Anpassung
an veränderte, sich unvorhersehbar ändernde Bedingungen
von Strukturmodellen einer „guten Einrichtung“ der Praxis (best practice)
zur Kompetenz des guten Einrichtens (dynamic capability)
von der FuE-Fixierung zum Systemverständnis, in dem alle Akteure
und deren Interaktion bedeutsam sind
vor der reinen Innenorientierung zur Kontextorientierung (Umweltoffenheit)
Typische Maßnahmen und Konzepte, die aus der Roorientierung folgen
• Mitarbeiter-Integration (KVP)
• Kundenintegration (Beschwerde-Management etc.)
• Akteursöffnung (FuE-Netzwerke, Open Innovation)
• …
7. 4. Basis für eine andere Logik der Softwareentwicklung
Theorie der Institutionellen Reflexivität
Ziele
(1) Förderung reflexiver Praktiken als Beitrag zur „Innovationsfähigeit“
(2) Betrachtung aller Innovationsdimensionen
(technisch, organisatorisch, sozial, kulturell)
(3) Systemanalyse anstelle von Kausaldenken
(4) Einrichtung von Verfahren der Selbstbeobachtung und Selbstkritik;
Entlastung des einzelnen Subjekts von den Risiken der Kritik
(5) Basis 1: Theorie der Lernbarrieren (Depistemologie)
> Anleitung für kompensatorische Mechanismen in der Software
(6) Basis 2: Handlungstheorie
> Anleitung zur Analyse unerkannter Handlungsbedingungen
sowie zur Evaluierung nichtintendierter Handlungsfolgen
8. 5 Von der klassischen Management- und Ingenieurslogik
zu Entwicklung reflexiver Tools
Overengineering - typische Folge eines technikzentrierten Leitbildes
in der Produktentwicklung
9. 5 Von der Ingenieurslogik zur Entwicklung reflexiver Tools
Typische Probleme entscheidungsunterstützender Tools
Intransparente Methoden und Algorithmen
Scheinobjektivierung durch Rankings
Punktewertung substituiert Diskurs
Benutzer werden nicht zum kreativen Denken angeregt
Keine gezielte Suche nach Alternativen
Keine Abschätzung der Handlungsfolgen
Wenig Möglichkeiten kontinuierlicher Evaluierung
10. 5 Vom klassischen zum reflexiven Methodenverständnis
Management- versus Benutzerlogik bei der Einführung von EDV-Systemen
Managementlogik Benutzerlogik
neue Systeme (Verbesserung) bewährte(r) Lösungen
große, technisch avancierte Lösungen praktikable Lösungen
technological fix technisch-organisatorische Lösungen
control fix Benutzerautonomie
Innovation Sicherheit
Produkte großer Software-Häuser anforderungsgerechte Produkte
Prozessbeherrschung; Anpassung der „fit“ zu bestehenden organisatorischen
Organisation an die Technik und Gratifikationsregeln
Unterstützung dispositiver Funktionen Unterstützung ausführender Funktionen
feste Kopplung von Systemelementen lose Kopplung von Systemelementen
Zentralisierung Dezentralisierung
berechenbare Wirtschaftlichkeit qualitative Beurteilungskriterien
Abwälzung organisatorischer Regelungen Klare organisatorische Regelungen
niedrige Kosten Investition in Schulung
konfliktfreie Implementation Benutzerbeteiligung
11. 5 Von der Ingenieurslogik zur Entwicklung reflexiver Tools
Klassische und reflexive Leitbilder der Entwicklung von Software
Objektivierungslogik Kreations-Diskurs-Logik
Prinzip der Versicherung, Prinzip der ‚Verunsicherung‘,
Vermeidung von Unsicherheit Vermeidung von ‚lock-in‘
Leitbegriffe: Information, Wissen Leitbegriffe: Nichtwissen, Lernen
Leitbild der „best practice“, Leitbild der „unique practice“,
Anwendung des „one best way“ Lernen von good practice
Entscheidungsfindung durch Quanti- Entscheidungsvorbereitung durch
fizierung qualitativer Information Abbildung von Diskursräumen
Eindeutige Empfehlung zur Legitimation Szenario-Methodik,
von Handeln/Entscheidung Kreation von Pfaden
Selektion (Reduktion) von Handlungs- Mehrung von Handlungsalternativen
alternativen Öffnung von Optionsräumen*
Erfolgskontrolle, Meilensteine Reflexion von Ziel, Weg und Mitteln
Maxime: Bringe alle Entscheidungsalternativen auf Heuristik: Bemiß die Qualität von Entscheidungen
einen gemeinsamen Nenner, finde die Entscheidung mit danach, ob sie die Zahl und Qualität von Handlungs-
dem höchsten Punktwert, und setze sie konsequent um möglichkeiten erweitert - oder verringert [hat]
12. 5 Von der klassischen Management- und Ingenieurslogik
zu Entwicklung reflexiver Tools
Reflexive Logik – reflexive Tools
beansprucht weder, die einzige noch stets (unabhängig vom Kontext)
die beste Entscheidungslogik zu sein
dient u.a. dazu, die Begrenzungen der Objektivierungslogik
bewußt zu machen
Heuristik (nicht Maxime) der Optionsvermehrung:
Ein Grundprinzip der Nachhaltigkeit
Rekursive Fragetools: Anregung zur Suche nach unerkannten
Handlungsbedingungen und zur Erfassung von „Nebenfolgen“
Darstellung von Diskursräumen – Dokumentation der Möglichkeiten:
Positionen & Perspektiven, Optionen & Bewertungen
Organisation von Kritik: Anregung zur Ideenproduktion;
Schutzraum für Kritiker
Evaluierung: diskursiv/strategisch, nicht allein als Kontrolle von Zielvariablen;
Bewertungsraum für kontinuierliches Monitoring während Umsetzung
13. 5 Von der klassischen Management- und Ingenieurslogik
zu Entwicklung reflexiver Tools
Reflexive Softwaretools
Messung von Innovationsfähigkeit – IIR-Erhebungstool
Dienstleistungscontrolling (Strategie- und Trainingstool)
Innovation Scorecard
Strategietool: Reflexive Five Forces-Modell (RFFM)
Umfragetool: Max Diff Survey (MDS)
Ideen- und Qualitätsmanagement
Reflexives Benchmarking
Case-based Diagnosis of Rare Diseases (CBD, geplant)
14. 6 Modulare Software zur Förderung reflexiven Handelns
in Kooperationsprozessen
Ein Softwaretool zur Unterstützung von
Ideenmanagement, Innovationsmanagement
Qualitätsmanagement
Projekt-Evaluierung
Konstruktion
das Tool funktioniert ohne Installation (Web2.0 Plattform)
Benutzer wird durch Denkanstösse (Ishikawa, 5 Why, etc.) inspiriert
Benutzer kann seine Eingaben anonym oder verifiziert vornehmen
Eingaben werden sowohl fachlich (Abteilung) als auch thematisch sortiert
Eingaben werden nicht direkt bewertet (Abbildung des Diskursraums)
die Argumentation ist der eigentliche Gegenstand der Bewertung
Technik ersetzt nicht das Soziale – Tool ist kein Wissensautomat (WM1)*
* Gutachter-Statement: „Zu Dilemma 1 [Diskrepanz zwischen gespeichertem und aktuellem Wissen] werden
im Beitrag zwar Ansätze genannt, aber diese sind organisatorischer Natur und außerhalb des Systems“