Digital, selbstorganisiert, kollaborativ, vernetzt – so sollen wir in Zukunft arbeiten. Doch wie genau das geht, weiß keiner so recht. Working Out Loud könnte das ändern: Die neue Methode will ihrem Nutzer einfach und schnell einen persönlichen Zugang zur Arbeitswelt 4.0 bieten.
managerSeminare | Heft 214 | Januar 2016
2. managerSeminare | Heft 214 | Januar 2016
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Wertlose Fossilien: Warum
wir eine neue Art der Wissens-
arbeit brauchen
Teilen durch Technik: Warum
die neue Offenheit so schwer-
fällt, obwohl die Digitalisierung
sie so leicht macht
Sozial im doppelten Sinne:
Wie Working Out Loud den Einzel-
nen zur notwendigen Verhaltens-
änderung motiviert
Handliches Handwerkszeug:
Wie in zwölf Wochen die not-
wendigen Kompetenzen trainiert
werden
Kontakte für die Karriere:
Welche Chancen die Methode
ihren Nutzern eröffnet
Gut für Konzerne: Wie Mit-
arbeiter durch Working Out Loud
zu Wissensteilern werden
kurrenten ebenso abhängen wie allzu ehrgeizige Kol-
legen ausbremsen. Also werden Informationen
zurückgehalten und schlaue Tricks und gute Tipps
eifersüchtig gehütet. Die feine Art war das noch nie.
Inzwischen wird aber zunehmend klar, dass die
unfeine Art heute auch handfeste Nachteile hat. Etwa,
weil Aufgaben so komplex geworden sind, dass ein
Kopf allein sie nicht mehr lösen kann. Oder weil das
geizig gehortete Wissen immer schneller veraltet.
„Ohne lebendigen Austausch wird Wissen verstei-
nern“, warnt Isabel De Clercq, Expertin für Corporate
Learning beim belgischen Trainingsanbieter Kluwer
Learning. Solche Wissensfossilien aber können Unter-
nehmen in dem dynamischen Kontext, in dem sie sich
heute bewegen, nicht mehr gebrauchen.
Durch Teilung wachsen
„Um angesichts der disruptiven Herausforderungen
unserer Zeit zu überleben, müssen Unternehmen
schnell und agil sein“, erklärte De Clercq auf dem IOM
Summit, einer Tagung zum Intranet-, Kollaborations-
und Wissensmanagement, im September 2015 in
Köln. Genau das aber werden sie nur, wenn sie ihre
Mitarbeiter ermuntern, Wissen zu teilen, statt es in
Silos zu verstecken. „Weil sie voneinander lernen.
Weil weniger Arbeit doppelt getan wird. Weil sie die
Fehler anderer vermeiden lernen. Und weil sie sich
gegenseitig mit guten Ideen unterstützen können“,
glaubt Carsten Rossi, Berater für digitale Transforma-
tion aus Köln.
Die gute Nachricht ist: Technisch war das Teilen
von Wissen noch nie so einfach wie heute. Denn es
funktioniert am besten über soziale Medien: In inter-
nen Netzwerken wie Yammer lässt sich der Arbeits-
W
Die Methode Working Out Loud
Teilen lernen
Digital, selbstorganisiert, kollaborativ, vernetzt – so sollen
wir in Zukunft arbeiten. Doch wie genau das geht, weiß
keiner so recht. Working Out Loud könnte das ändern: Die
neue Methode will ihrem Nutzer einfach und schnell einen
persönlichen Zugang zur Arbeitswelt 4.0 bieten.
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issen ist Macht. Und mehr Wissen ist mehr
Macht, so die gängige Überzeugung: Mit
einem Wissensvorsprung lassen sich Kon-
Den Beitrag gibt es
auch zum Hören:
www.managerSeminare.de/
podcast
3. 84
managerSeminare | Heft 214 | Januar 2016lernen
prozess von der Idee bis zum Abschluss
öffentlich dokumentieren. Auf kollabora-
tiven Plattformen wie Google Docs können
Dokumente von mehreren Nutzern kom-
mentiert und verändert werden. In Unter-
nehmens-Wikis kann jeder sein Experten-
wissen und seine Tipps für alle zugänglich
hinterlegen. Und nach außen kann sich
jeder beispielsweise per Twitter, Insta-
gram oder dem eigenen Micro-Blog bei der
täglichen Arbeit über die Schulter schauen
lassen.
Es fehlt an Mut und an Zeit
Das Problem: Vielen Menschen fällt es
unheimlich schwer, Wissen zu teilen. „Nur
durch das Vorhandensein äußerungsver-
stärkender Technologie wird niemand zu
einer kreativitätssprühenden Plauderta-
sche“, erklärt Rossi. Zu groß sind die über
Jahrzehnte verinnerlichten Widerstände.
Zum anderen erfordert diese neue Art des
Arbeitens auch die richtige Haltung sowie
neue Kompetenzen. „Wer Wissen teilen
will, muss in der Lage sein, sich selbst zu
reflektieren, um seine Erkenntnisse prä-
sentieren zu können, und er muss eine
gewisse Verletzlichkeit akzeptieren kön-
nen, also bereit sein, Fehler zu machen“,
erklärt etwa die Expertin für Wissensma-
nagement De Clercq.
Außerdem braucht die Wissensteilung
Zeit. Denn bevor sich die Beschleunigung
einstellt, hält das Teilen von Wissen erst
einmal auf. Wer Facebook nutzt, weiß, was
gemeint ist. Aber auch das schnelle Nieder-
schreiben von Erkenntnissen – sei es der
Profi-Trick für die neue Software oder das
kurze Resümee einer inspirierenden Ver-
anstaltung – kostet wertvolle Zeit, die im
Arbeitsalltag meist nicht übrig ist. Da reicht
die vage Aussicht, dass sich langfristig zum
Beispiel zahlreiche Meetings einsparen las-
sen oder doppelte Arbeit vermeiden lässt,
als Ansporn nicht aus.
Um zu funktionieren, muss das Teilen
von Wissen für die Mitarbeiter deshalb am
besten zum Selbstzweck werden. Und zur
täglichen Gewohnheit, rät De Clercq:
„Andernfalls wird es immer als lästige
Zusatzaufgabe wahrgenommen.“ Errei-
chen lässt sich das durch ausgeklügelte
Changeprozesse,durchspezielleTrainings
angebote und durch Vorgesetzte, die mit
gutem Beispiel vorangehen. Möglicherwei-
se aber auch durch eine Abkürzung, die
derzeit sehr angesagt ist.
Abkürzung zu mehr Agilität
Die Rede ist von „Working Out Loud“
(WOL). Der Ansatz, der ein vernetztes, kol-
laboratives Arbeiten zur Selbstverständ-
lichkeit machen will, hat in der Enterprise-
2.0-Diskussion zuletzt rasante Verbreitung
gefunden. Dabei wird er nicht nur von digi-
talen Vorreitern wie de Clercq oder Rossi
als Königsweg in das gelobte Land der
Offenheit und Agilität hoch gehandelt. Er
hat auch schon zahlreiche Anhänger in
internationalen Großunternehmen wie der
Weltbank, der Robert Bosch AG und der
Deutschen Telekom gefunden.
Der Begriff lehnt sich an den Ausdruck
„laughing out loud“ (lol) aus dem Social-
Media-Slang an und lässt sich sinngemäß
als „lauthals losarbeiten“ übersetzen.
Gemeint ist tatsächlich ein lockerer und
freundlicher Umgang mit der eigenen
Arbeit. Der IT-Berater Bryce Williams aus
Indianapolis, der den Begriff 2010 als
Erster vorgestellt hat, definierte Working
Out Loud als eine Kombination aus Trans-
parenz und Storytelling: Wer so arbeitet,
plaudert entspannt aus dem Nähkästchen
– aber so, dass es für andere auch tatsäch-
lich interessant ist.
Zum Hoffnungsträger der digitalen
Arbeits- und Lernexperten ist der Ansatz
allerdings erst durch John Stepper gewor-
den. Dem Amerikaner, der im mittleren
Management bei der Deutschen Bank in
New York arbeitet, hatte die offene Arbeits-
weise aus einer beruflichen Krise heraus-
geholfen. Seitdem ist der IT-Experte ihr
leidenschaftlichster Botschafter: Er machte
aus der charmanten Idee ein schlüssiges
Gesamtkonzept, das nicht nur den Unter-
nehmen einen Mehrwert verspricht, son-
dern auch jedem Nutzer persönlich.
„Das Teilen von
Wissen muss zur
Gewohnheit werden
– und darf keine
lästige Zusatz-
aufgabe sein.“
Isabel De Clercq, Expertin
für Corporate Learning beim
belgischen Trainingsanbieter
Kluwer Learning. twitter:
@Kluwer Learning
Foto: privat
4. Wer offener und kollaborativer arbeiten will, muss vor allem die eigenen
Gewohnheiten ändern. Dabei helfen schon Kleinigkeiten. Einige Tipps von
Working-Out-Loud(WOL)-Nutzern:
1. Machen Sie sich Erinnerungen in Ihrer Kalender-App – so lange, bis Sie sich
auch ohne Weckruf daran erinnern, Ihre aktuelle Tätigkeit öffentlich zu teilen.
2. Etablieren Sie eine tägliche WOL-Routine: Teilen Sie Ihr Hauptprojekt beim
ersten Kaffee, beantworten Sie Fragen dazu in der Mittagspause und beenden
Sie den Tag damit, dass Sie jemandem Anerkennung zollen.
3. Organisieren Sie Ihre Lesezeichen mit Tools wie Diigo, Delicious oder Pin-
terest, statt sie nur in Ihrem eigenen Webbrowser zu speichern. So sind sie
systematischer sortiert und können leichter geteilt werden.
4. Nutzen Sie Twitter oder andere Micro-Blogging-Plattformen mit einem
bestimmten Fokus. Folgen Sie mindestens 20 und höchstens 30 Personen,
die diesen Fokus teilen, und sichten Sie regelmäßig deren Empfehlungen.
5. Aggregieren Sie abonnierte Blogs und Webseiten in einem News Reader
– z.B. Google Reader, Flipboard oder Feedly: So erscheinen täglich Inhalte, die
Sie in Ihrer Community weiterempfehlen können, in einem Feed.
6. Schreiben Sie nach einem Meeting oder einer Veranstaltung online eine
Zusammenfassung. Davon profitieren sowohl Sie selbst als auch Ihre Kolle-
gen oder die anderen Teilnehmer.
7. Versuchen Sie nicht, perfekt zu sein. Teilen Sie große Ideen in kleinere
Gedanken auf, die Sie regelmäßig teilen – statt nur abgeschlossene Projekte/
Ideen/Gedanken zu präsentieren.
8. Wenn Sie nicht sicher sind, was Sie teilen könnten oder wie Sie etwas
beschreiben sollten, fragen Sie sich: Wie würde jemand anders darüber
denken, der mich nicht kennt? Der innerliche Abstand hilft, Dinge sachlicher
einzuschätzen.
Quelle: eigene Zusammenstellung, Tipps von den Working-Out-Loud-Nutzern John
Stepper (@johnstepper), Jochen Adler (@jochenadler), Harold Jarche (@hjarche),
Mike Taylor (@tmiket), Sheila Babnis (@babnis), Katharina Perschke (@katha_pe),
Simon Terry (@simongterry).
Klein und laut
Sozial im doppelten Sinne
Stepper agiert dabei mit echter Begeiste-
rung und ohne kommerzielles Interesse.
Diese großzügige Geisteshaltung nämlich ist
nach seiner Auslegung ein ebenso wichtiges
Kernelement von Working Out Loud wie das
transparente Arbeiten der Ursprungsdefi-
nition. „Einfach nur zu bloggen oder zu
tweeten, woran man gerade arbeitet, reicht
nicht“, betont der Finanzexperte. Wer Wor-
king Out Loud wirklich lebt, veröffentlicht
nur hilfreiche Beiträge, keine Selbstdarstel-
lungen. Denn, so die Idee: Wer von der
offenen Arbeitsweise profitieren möchte,
muss mit gutem Beispiel vorangehen. Oder
wie Steppers deutsche Kollegin Barbara
Schmidt, eine Working-Out-Loud-Nutzerin
der ersten Generation, es formuliert: „Er
muss mitdenken und nett sein.“
Zwei weitere Kernelemente, die der New
Yorker Banker ergänzt hat, sind zum einen
eine gewisse Entschlossenheit, sich beruf-
lich und persönlich weiterzuentwickeln,
und zum anderen eine klare Zielorientie-
rung. Die hilft dem Anwender, sich nicht
im Dickicht der Möglichkeiten für Vernet-
zung und Austausch zu verirren, erklärt
WOL-Pionier Stepper: „Wer weiß, wohin er
will, kann steuern, welche Erkenntnisse,
welche Veröffentlichungen und welche
Kontakte ihn wirklich weiter bringen.“
Das fünfte und vielleicht wichtigste Ele-
ment von John Steppers Working Out Loud
aber ist das stabile, persönliche Netzwerk,
das dabei entsteht. „Solche Netzwerke sind
die Basis für gute Zusammenarbeit und
deshalb auch für ein erfolgreiches Überle-
ben in der Wissensgesellschaft unverzicht-
bar“, sagt Schmidt. Gemeint sind damit
nicht wahllos gesammelte Kontakte, son-
dern gezielt ausgewählte Personen, die bei
der beruflichen oder persönlichen Weiter-
entwicklung helfen können. Zu ihnen wird
eine nachhaltige persönliche Beziehung
aufgebaut – ausgehend von der Frage: Was
kann ich selbst dieser Person anbieten?
(siehe Tutorial ab S. 88)
Wegbeschreibung inklusive
Damit trifft Working Out Loud derzeit
offenbar einen Nerv. Immer mehr Men-
schen scheinen sich nach einem wertschät-
zenden sozialen Austausch, wie Working
Out Loud ihn meint, zu sehnen. „Der
Mensch will sich mitteilen, er will teilen,
was er weiß“, glaubt Barbara Schmidt. Das
allein motiviere viele schon, sich aus eige-
nem Antrieb mit der neuen Arbeitsweise
zu beschäftigen.
Ein weiterer Vorteil des Ansatzes: Wor-
king Out Loud ist einfach. Es braucht
weder eine bestimmte Softwareumge-
bung noch komplexe organisationale
Abstimmungsprozesse. „Es geht darum,
die eigenen Einstellungen und Verhal-
tensweisen zu verändern“, betont die
Managerin. Wer mag, kann jederzeit
damit anfangen – und zwar im Rahmen
seines eigenen Zeitmanagements und
seiner eigenen Interessen.
Möglich macht das ein einfacher Trai-
ningsplan, mit dem Working-Out-Loud-
Guru Stepper gerade auch digitalen
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5. managerSeminare | Heft 214 | Januar 2016lernen
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Laien den Einstieg ins offene Arbeiten
erleichtert. „Er liefert praktische und ein-
leuchtende Schritte, die uns zu neuen,
Erfolg versprechenden Verhaltensweisen
in der digital vernetzten Zusammenarbeit
hinführen“, erklärt Jochen Adler, der im
Sommer 2015 die deutschsprachige WOL-
Community in Frankfurt gegründet hat.
Schritt für Schritt lauter arbeiten
Das Training ist in Steppers Buch so
detailliert skizziert, dass es als Selbst-Coa-
ching-Programm sogar im Alleingang gelin-
gen kann. Besser funktioniert es aber im
Rahmen einer Peer Group. Dazu treffen
sich in einem sogenannten Working-Out-
Loud-Kreis („Circle“) vier bis fünf Personen,
die an zwölf wöchentlichen Treffen gemein-
sam eine vorgegebene Agenda abarbeiten
(siehe Tutorial ab S. 88).
Innerhalb der ersten vier Wochen prä-
sentiert dabei zunächst jeder der Circle-
Teilnehmer ein persönliches Ziel. Dann
stellt er eine Liste mit potenziell hilfreichen
Kontakten zusammen und ergänzt in einer
weiteren Liste, was er selbst diesen Kontak-
ten anbieten kann. Die Wochen vier bis
zwölf dienen dann der Verstetigung. Insbe-
sondere werden immer wieder die Kontakt-
und Beitragslisten erweitert und gegebe-
nenfalls angepasst, erklärt die Frankfurter
Pionierin Schmidt. „Am Ende konnte ich
dasWortListennichtmehrhören“,schmun-
zelt sie.
Die Aufgaben, die die Teilnehmer in die-
ser Zeit abarbeiten, sind sehr konkret und
oft in wenigen Minuten zu erledigen. So
sollen die Teilnehmer beispielsweise per
Internetrecherche fünf Organisationen
finden, die relevant sein könnten für das
eigene Ziel. Oder sie sollen ein Twitter-
Profil anlegen, um dort interessanten Kon-
takten zu folgen. Oder sie finden und abon-
nieren die Blogs ihrer Zielpersonen.
Im nächsten Schritt beginnen die WOL-
Nutzer, über Likes, Retweets oder Empfeh-
lungen Wertschätzung für die abonnierten
Inhalte zu zeigen und so vorsichtig und
authentisch in Erscheinung zu treten. Über
zunehmend forschere Aktivitäten – wie
eigene Kommentare und schließlich kon-
krete Hilfsangebote – erarbeiten sich die
Teilnehmer nach und nach eine immer
intensivere Beziehung: vom Ausgangspunkt
zu Beginn des Circles („Die Person weiß
nicht, dass ich existiere“) bis hin zu einer
regelmäßigen Zusammenarbeit oder gar
der höchstmöglichen Intensität als wich-
tiger Ratgeber (siehe Tutorial ab S. 88).
Kontakte für Know-how und Karriere
Das funktioniert erstaunlich gut, berich-
tet Jochen Adler. „Man ist oft überrascht,
wie einfach es ist, sogar mit Personen in
Kontakt zu kommen, die man für einiger-
maßen wichtig oder gar berühmt und auf
jeden Fall extrem beschäftigt hält“, so der
Social Workplace Consultant aus Frank-
furt. Oft entdeckt ein Working-Out-Loud-
Anwender aber auch in seiner direkten
Umgebung spannende Erfahrungen und
Talente, von denen niemand etwas ahnte,
weil sie nie formal erfasst worden waren,
erklärt Adler. „Plötzlich hakt jemand ein,
knüpft an eine Erfahrung an, die jemand
anders zur Diskussion gestellt hat, und
trägt ganz unerwartet etwas wirklich Nütz-
liches bei“, so seine Erfahrung.
Das sorgt kurzfristig für Erfolgserlebnisse
im Job. Mittel- oder langfristig ergeben sich
daraus aber auch neue Betätigungsfelder
oder gar handfeste Karrieremöglichkeiten.
John Stepper, der 2008 durch Restrukturie-
rung fast seine Stelle verlor, gelang es etwa,
sich durch seine Begeisterung für das ver-
netzte Arbeiten im Bereich Social Media
und Social Collaboration in seiner Bank neu
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Lesetipp
John Stepper: Working Out Loud. For a better career and life.
Ikigai Press, New York 2015, 16 Euro (Taschenbuch) bzw. 9,99 (Kindle-Version).
Das Handbuch zum Ansatz ist im September 2015 auf Englisch erschienen.
Webtipps
www.workingoutloud.com
Neben umfassenden Hintergrundinformationen sind hier auf Englisch alle
Materialien zu finden, die man braucht, um sofort selbst einen WOL-Circle zu
starten, inklusive Schritt-für-Schritt-Anleitung für den Facilitator.
www.workingoutloud.de
Die Website der deutschen WOL-Community, die im Sommer 2015 in Frankfurt
an den Start ging, ist noch in der Beta-Version. Grundlegende Informationen
gibt es aber schon auf Deutsch, sowie eine Yammer-Community, in der sich
deutsche WOL-Nutzer austauschen.
www.wolweek.wordpress.com
Weitere Ressourcen sind in dem Blog des australischen Changeberaters
Simon Terry zu finden. Anlässlich der jüngsten Working-Out-Loud-Woche,
die regelmäßig von Nutzern ausgerufen wird, hat er dort u.a. Interviews
mit internationalen WOL-Praktikern zusammengestellt.
6. 87
zu positionieren. Seine Kollegin Mara Tolja,
ebenfalls eine WOL-Nutzerin der ersten
Stunde, fand durch die Kontakte, die sie in
dem zwölfwöchigen Circle Coaching aufge-
baut hatte, einen neuen Job in Neuseeland,
wohin sie schon lange zurückkehren wollte.
„Wer Working Out Loud nutzt, bekommt
mehrKontrolleüberseinLebenundZugang
zu besseren Karrierechancen – was auch
immer besser für sie oder ihn heißt“, erklärt
Stepper. Denn es muss nicht immer eine
berufliche Veränderung sein. Barbara
Schmidt etwa, die im Finanzbereich zwar
erfolgreich war, sich aber dort nie recht zu
Hause fühlte, gelang es über Working Out
Loud ihre private Leidenschaft der Ahnen-
forschung im größeren Stil zu betreiben: in
internationalen Verbänden, im Austausch
mit Profis und in ihrem eigenen Blog. Weil
sie darüber auch Kontakt zu den Unterneh-
menshistorikern im eigenen Konzern fand,
die ihr ehrenamtliches Engagement wert-
schätzten, fühlt sich die Bankerin in ihrer
Organisation nun sehr viel besser aufgeho-
ben. Ihre Arbeitszufriedenheit ist gestiegen
– ohne dass sich an ihrer aktuellen Position
etwas verändert hat.
Ganz nebenbei lernt jeder, der Working
Out Loud nutzt, sich im digital vernetzten
Raum zurechtzufinden. Das hilft vor allem
denen, die von den neuen technischen
Möglichkeiten verunsichert sind. „Die
Methode überwindet Vorbehalte und Äng-
ste, gerade bei eher introvertierten Per-
sonen“, erklärt Adler. Und das ist seiner
Ansicht nach für jeden heute wichtig, da
die Fähigkeit, vernetzt und virtuell zusam-
menzuarbeiten, zunehmend zur Schlüs-
selqualifikation wird.
Die kollaborative Kultur kommt
Für Unternehmen liefert dieser Neben-
effekt einen Grund mehr, sich für die
Methode zu interessieren: Er hilft ihnen,
ihre Mitarbeiter für die Arbeit am digitalen
Arbeitsplatz zu befähigen. „Durch Working
Out Loud lernen wir, wie man richtig mit
unserer internen Social-Collaboration-
Plattform umgeht“, berichtet etwa Corne-
lia Heinke, Mitarbeiterin bei der Robert
Bosch GmbH in Karlsruhe.
Vor allem aber, betont Heinke, die das
Agility und Community Management im
Bereich Automotive Aftermarket verant-
wortet, hilft die Methode, besser zu arbeiten
und Ziele schneller zu erreichen. Schließ-
lich können Working-Out-Loud-Anwender
über ihr ständig wachsendes soziales Netz-
werk die Erfahrung und die Expertise von
Tausenden von Leuten in einem Konzern
anfordern, erklärt Barbara Schmidt: „Und
das spart Zeit: Denn jedes Problem, das ich
habe, wurde schon bestimmt von fünf Leu-
ten vor mir gelöst.“
Das hat offenbar auch Bosch überzeugt.
Gemeinsam mit Katharina Perschke, Chief
Community Managerin und mitverant-
wortlich für die Digitale Transformation
bei Bosch Diesel Systems – und ebenfalls
eine ganz frühe WOL-Enthusiastin –, arbei-
tet Heinke derzeit daran, ihr Unternehmen
zu einem weltweiten Vorreiter für Wor-
king Out Loud zu machen. Seit September
2015 können sich die weltweit rund
177.000 bereits registrierten Nutzer des
Enterprise Social Networks Bosch Connect
über das interne Netzwerk zu Working-
Out-Loud-Circles zusammenfinden und
die Methodik erlernen. Zahlreiche Circles
sind schon angelaufen, im Januar 2016
starten weitere.
Die Hoffnung, dass sich so mittelfristig
eine kollaborativere Kultur im Unterneh-
men entwickelt, ist groß. Weil die Nutzer
durch die Wertschätzung und Anerken-
nung, die sie selbst verteilen, eine neu-
artige professionelle Resonanz erleben,
motiviert sie Working Out Loud, ihre
Arbeitsweise zu verändern, glauben die
beiden Bosch-Mitarbeiterinnen. Und da-
von, ist Community Managerin Perschke
sicher, profitiert die ganze Organisation:
„Die WOL-Nutzer werden überzeugte Mul-
tiplikatoren unserer Vision eines hochver-
netzten und agilen Unternehmens.“ Und
darin kommt das Zurückhalten von Wis-
sen nicht mehr vor.
Sylvia Lipkowski
Lesen Sie auch unser Tutorial zum Thema
„Working Out Loud“ auf Seite 88.
„Working Out Loud
überwindet Vorbehalte
und Ängste gegenüber
dem vernetzten
Arbeiten.“
Jochen Adler, Mitgründer der
deutschen Working-Out-Loud-
Community und Social Workplace
Consultant, netmedianer GmbH,
Frankfurt. Kontakt: mail@
workingoutloud.de
Foto: Silke Brenner, www.bildmomente.com
7. 88
managerSeminare | Heft 214 | Januar 2016lernen
Tutorial
Working Out Loud erlernen
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managerSeminare – Das Weiterbildungsmagazin
Gemeinsam lernen im „Circle“
Working-Out-Loud(WOL)stehtfürtransparente,offeneZusam-
menarbeit im Netzwerk und wird als Erfolgsstrategie für die
zunehmend digitalisierte Arbeitswelt gehandelt. Wer so arbeitet,
braucht eine andere Einstellung, ein breiteres persönliches Netz-
werk und neue Kommunikationsgewohnheiten.
All das kann sich jeder WOL-Nutzer innerhalb von zwölf
Wochen selbst aneignen, verspricht John Stepper, der das Trai-
ningsprogramm entwickelt hat. Unterstützt wird er dabei durch
Peer Coaching in einer Gruppe gleichgesinnter Unterstützer –
einem sogenannten „Circle“:
In einem Circle sind mindestens zwei und maximal fünf Per-
sonen – je unterschiedlicher die Teilnehmer, desto besser.
Die Gruppenteilnehmer helfen sich gegenseitig, motiviert zu
bleiben und Schritt für Schritt die neuen Gewohnheiten zu
etablieren.
Ein Teilnehmer ist der Moderator, der sich um Organisation,
Gesprächsleitung und – falls nötig – die Motivation der Teilneh-
mer kümmert.
Die Gruppe trifft sich zwölf Mal für eine Stunde pro Woche,
entweder virtuell oder Face-to-Face.
Die Mitglieder tauschen sich vertraulich über ihre Ziele, die sie
mit Working Out Loud konkret erreichen wollen, und die Fort-
schritte, die sie dabei erzielt haben, aus und arbeiten einen struk-
turierten Trainingsplan mit einfachen Übungen ab. (Download:
http://workingoutloud.com/circle-guides/)
Drei Leitfragen ...
… muss sich jeder stellen, der WOL nutzen möchte:
Was will ich erreichen?
Wer kann mir dabei helfen?
Und was kann ich diesen Personen meinerseits anbieten, um
eine tiefere Beziehung aufzubauen? (siehe Checkliste rechts)
Das persönliche Ziel
Ausgangspunkt von Working Out Loud nach John Stepper ist
ein eng umrissenes, persönliches Ziel, dass sich zumindest
ansatzweise innerhalb von zwölf Wochen realisieren lässt. Wich-
tig ist, dass es nicht aus Pflichtgefühl gewählt wird, sondern weil
es für den Teilnehmer wirklich attraktiv ist.
Das Ziel wird in ein bis zwei Sätzen und maximal 25 Wörtern
beschrieben, je knapper desto klarer. Zum Beispiel:
Einen neuen Job an einem anderen Standort oder in einem
anderen Unternehmen finden.
Mehr Anerkennung in der aktuellen Position bekommen.
Entdecken, welche Möglichkeiten es in einem spezifischen
anderen Bereich gibt.
Menschen mit den gleichen Interessen kennenlernen.
Besser werden, in dem, was ich tue.
Das Training
Gemeinsam absolvieren die Teilnehmer eines Circles ein detail-
liertes Trainingsprogramm in zwölf Etappen:
Woche 1: Definition des persönlichen Ziels und Zusammen-
stellung der ersten Kontaktliste: Wer kann mir bei der Errei-
chung des Ziels helfen?
Woche 2: Bewertung der existierenden Beziehungen und der
erste Schritt, sie zu vertiefen: Anerkennung verteilen (siehe
rechts: Checkliste für soziale Großzügigkeit).
Woche 3: Arbeit am eigenen Zeitmanagement und die zweite
Möglichkeit, Beziehungen zu vertiefen: durch Wertschätzung
und Dank.
Woche 4: Von jetzt an: Wöchentliche Überprüfung der Liste.
Wie kann ich meine Kontakte weiter vertiefen? Dritte Möglich-
keit, einen Beitrag zu leisten: durch Empfehlungen – von
Büchern, Artikeln, Videos, Urlaubszielen etc.
Woche 5: Systematische Fortsetzung der eigenen Freigiebig-
keit: Die Liste möglicher Beiträge (siehe Checkliste rechts).
Woche 6: Von jetzt an: ständiges Nachdenken über mögliche
Beiträge. Verbesserung des eigenen Online-Profils im Sinne
des persönlichen Ziels.
Woche 7: Working Out Loud wird zur Gewohnheit. Ausblick auf
ein mögliches größeres Ziel.
Woche 8: Empathie üben, um Angebote attraktiver zu machen:
Was denkt der Empfänger, wenn er meine Nachricht/Empfeh-
lung liest?