2. Wärmeanwendungen
Altbekannt zur Linderung von Beschwerden des Bewegungsapparates
• Hinweise aus der Steinzeit
• Ägypten
• Römisches Reich
• Mittelalter
Sonderform der Wärmeanwendung
• Künstliches Fieber (über 38°C)
• Toxine (Coley toxine 1893)
• Technische Verfahren
• Heckel, Ardenne (GHT)
• Oncotherm, Celsius4 2, BSD (locoregional)
Wärmeanwendungen sind durch die Zunahme chronischer Erkrankungen
als Baustein multimodaler Therapiekonzepte wieder verstärkt im Blickfeld
3. Wärmeanwendungen – was ist eigentlich „Wärme“?
Wärme allgemein
umgangssprachlicher Begriff für „thermische Energie“
auf molekularer Ebene ist Wärme Schwingung (Beispiel: kochendes Wasser)
jede Materie gibt ein Spektrum elektromagnetischer Strahlung ab, entsprechend ihrer
Oberflächentemperatur (Plancksches Strahlungsgesetz)
Mensch und Wärme
alle Stoffwechselvorgänge sind temperaturabhängig
die Körperkerntemperatur muss konstant gehalten werden (Homöothermie)
durch „Nahrungsverbrennung“ entsteht im Normalfall ein „Mehr“ an Wärme
• im Schlaf ca. 80 Watt, unter Tags bei normaler Tätigkeit 150 ‐ 200 Watt
• der Körper muss Wärme an die Umwelt abgeben – 40% über Infrarot‐C‐Strahlung
Körper und Wärmetransport
• der Wärmeaustausch mit der Umwelt erfolgt über Haut (90%) und Atemwege (10%)
• in der Haut erfolgt der Wärmetransport nur durch direkte Wärmeleitung (Konduktion)
• der Wärmetransport im Körper läuft ausschließlich über das Blut (Konvektion)
der Mensch hat kein absolutes Temperaturempfinden
Verletzungswarnung bei 43 ‐ 46°C Hauteigentemperatur
5. Wärmeanwendungen – wie wirkt „Wärme“?!
Allgemein
a. direkte Entspannung der Muskulatur (Reflex), Schmerzlinderung (Reflex)
b. Erhöhung der Durchblutung
c. Verbesserung der Perfusion und Diffusionsstreckenverlängerung
d. Erhöhung der Stoffwechsels durch Temperaturerhöhung
(+ 5 – 10°C = 2 ‐ 3facher Stoffwechsel = van‘t Hoffsche Regel)
e. Effekte auf die Psyche
Kombinierte Effekte
Kutiviszerale Reflexe (Warm‐Kalt‐Stimulation; Kneipp)
Wärmeregulation über Evaporation
Diaphoretische Effekte (Entgiftung, „Entschlackung“)
• Blutplasma
• Blutplasma und Gewebe
Permeabilitätsänderung der Haut – topische Anwendungen
• Erden, Moor, Phytohormone, Mineralien, Vitamine, Öle etc.
6. Wärmeanwendungen – Regulationsmechanismen nutzen
lokale und locoregionale Wärmeanwendung
» Konduktion (Heizkissen, Wärmflasche, heiße Rolle, Fango, Paraffin, Ultraschall)
» Konvektion (strömende heiße Luft, fließendes warmes Wasser)
» Strahlung (lokale Bestrahlungen mit Radiowellen und Infrarotstrahlung)
lokale Hyperthermie (Onkologie)
» Radiowellen
Ganzkörperwärmeanwendungen (Konvektion und Strahlung)
» Anwendungen im Sinne Kneipp
» oberhalb der Thermoneutralzone, Wärmeabwehrmechanismen teilweise
oder ganz blockiert, Nettowärmeaufnahme
» Durchwärmungsanwendungen
» (lokale Wärmezufuhr in thermoneutraler Umgebung – Niedertemperatur‐
Infrarottechnologie; WOAN‐Therapie)
» Hyperthermie (künstliches Fieber über 38,5°C) über Stunden (Intensivmedizin)
7. trocken
feucht
Konvektion
Strahlung
Konduktion
Fango,
Bad
9. Wärmeanwendung – warum ist Strahlungswärme angenehm?
Wärmeapplikation fast ausschließlich über die Haut
» Hauteigentemperatur ist der limitierende Faktor
• Funktion aus Wärmefluss (Bestrahlungsstärke, Wärmeleitzahl) und
• Wärmeabwehrreaktion der Haut (Durchblutung, Konvektion, Abstrahlung und Verdunstung (Schweiß)
thermal injury
510
480
450
420
390
360
Exposition time
330
300
270
Minuten
240
210
180
150
120
90
60
30
0
42,1 43 43,9 44,8 45,7 46,6 47,5 48,4 49,3 50,2 51,1
skin temperature
10. Wärmeanwendung – warum ist Strahlungswärme angenehm?
Wärmeabwehrreaktion der Haut
» normale Reaktion der Haut auf einen Wärmereiz = Kühlung
• Öffnung der Blutgefäße – das Blut kühlt die Haut
• Schweißbildung (Verdunstungskälte) ermöglicht zusätzliche Kühlung
» Behinderung der Wärmeabwehrreaktion durch:
• mechanisch verminderte Hautdurchblutung (Druck, Narben)
• vegetativ verminderte Hautdurchblutung
(Kälte, Nervosität, Polyneuropathie, Querschnittslähmungen)
• behinderte Schweißbildung und Verdunstung (Abdecken, Narben)
• Chillfaktor (Konvektion)
Vorteile der Wärmeapplikation durch Infrarotstrahlung
» IR behindert die Wärmeregulation der Haut am wenigsten
• arbeitet berührungslos (kein Druck und kein Abdecken)
• kann leicht reguliert werden
» Dennoch zu beachten:
• Bestrahlungsgrenzwerte müssen eingehalten werden
• Hauteigentemperatur darf nicht zu hoch steigen
11. Infrarotstrahlung
• aus einem schmalen Bereich am IR‐A/B‐Übergang können bis zu 5% der Strahlung
bis 4 mm in die Haut eindringen (Hautkrebs, Hautalterung?)
» 95% werden in der oberen Hautschicht absorbiert.
» „Tiefenwärme“ ist durch die Strahlungsart nicht begründbar
• Wichtig für die Hautbelastung:
» Bestrahlungsstärke (maximal bis 80‐100mW/cm2); Auge (maximal 8‐10mW/cm2)
» Hauteigentemperatur maximal bis 43°C
12. Infrarotstrahlung
• Elektromagnetische Strahlung (780 nm – 1.Mio nm)
• Die Einteilung in IR‐A, B und C ist historisch bedingt
• Verdopplung der Temperatur = 16fache Bestrahlungsstärke
• Halber Abstand = 4fache Bestrahlungsstärke (Kugelstrahlermodell)
• Thermische Effekte
• Beim Auftreffen der Photonen auf Materie wird Energie übertragen, auch auf Luft
• jeder IR‐Bereich wird in der Haut absorbiert und in Wärme umgewandelt
• Nicht thermische Effekte sind umstritten und bisher nicht nachgewiesen
• Es gibt keine Wellness‐, Therapie‐, Arthrose‐ oder Medizinstrahler
• Es gibt keine A‐, B‐ oder C‐Strahler
• Spektrum hängt allein von der Oberflächentemperatur ab (A‐Anteil erst ab 1700°C)
• A‐Anteil für Wärmeeintrag unerheblich (AUC unter 1%) aber ggf. mit Risiko
• Medizin / Onkologie: wassergefiltertes IR oder Radiowellen oder Pyrogene
• Es geht um Temperatur und nicht um die Art, wie Temperatur erzeugt wird
• Künstliches Fieber nur in der Hand des Arztes (Intesivmedizin)
• IR‐Kabinen können und dürfen das nicht leisten
13. Wie kommt die Wärme in die „Tiefe“ ‐ Wärmeregulation
Anforderungen bei Hitze:
» Kühlung der Haut, Abgabe „innerer Wärme“ über die Haut (IR‐C, Konvektion, Evaporation)
» Verhinderung einer Erhöhung der Körperkerntemperatur
Reaktion:
» massive Erhöhung der Hautdurchblutung, große Blutumverteilung
» Verminderung des Blutrückstroms zum Körperkern (Überhitzung verhindern)
Anforderungen bei Kälte:
» Wärmeverlust an die Umgebung vermindern, ggf. erhöhte Wärmeproduktion
Reaktion:
» aktive Minderdurchblutung der Peripherie und Haut, Zentralisierung
» Stoffwechselerhöhung (biochemische Verbrennung), Muskelzittern, Muskelarbeit
Die „thermisch neutrale Umgebung“ oder „Thermoneutralzone“ (TNZ)
• bei ca. 28 ‐ 35°C Lufttemperatur befindet sich ein unbekleideter ruhender Mensch im
thermischen Gleichgewicht (Wärmeabgabe und Wärmeaufnahme über die Haut)
• die Wärmeregulation ist in „Ruhe“, es ist kein Energieeinsatz notwendig
• die Wärmeaufnahme‐ bzw. Wärmeabgabemöglichkeit über die Haut ist optimal
14. Herzkreislaufbelastung – Wärmeregulation
• 5 ‐ 10°C Temperaturerhöhung = 2 – 3facher Stoffwechsel
• 5 ‐ 10°C Temperaturerhöhung = 5 ‐ 10% mehr Diffusion in das Gewebe
• in der Thermoneutralzone ist der Energieverbrauch des Körpers am geringsten
15. Herzkreislaufbelastung – Beispiel Sauna
Umgebungsluft oberhalb der Thermoneutralzone (TNZ)
» der Organismus nimmt über die gesamte Haut mehr Wärme auf, als er abgeben kann
» Wärme wird aus der gesamten Haut dem Körperinnern zugeführt (Anstieg der KKT droht)
» daher: Blutrückstrom zum Körperinneren muss reduziert werden
Blutumverteilung erfolgt schnell
die Körperkerntemperatur bleibt zunächst konstant bei ca. 37°C
» Umverteilung großer Blutmengen in die Haut (bis zu 2 Liter), 3faches Herzminutenvolumen
» Drosselung des Blutrückstroms ist nur einige Minuten möglich (Kreislauf)
» danach schneller Anstieg der Körperkerntemperatur bis in den Fieberbereich (über 38,5°C)
» Keine Durchwärmung!
bei rechtzeitigem Verlassen gute Reizanwendung (Kneipp: Warm‐Kalt‐Ruhe‐Wechsel)
bei Lufttemperaturen von 50 – 60°C nur gradueller Unterschied – kein prinzipieller
16. Herzkreislaufbelastung – Beispiel Physiotherm
die Temperatur der Umgebungsluft liegt im „thermisch neutralen“ Bereich (TNZ)
» Wärmezufuhr nur im Rückenbereich (max. 12% Hautoberfläche) über direkte Infrarotbestrahlung
» zunächst nur lokale Erweiterung der Blutgefäße mit Durchblutungssteigerung
» Wärme wird vom Rückenbereich ins Körperinnere transportiert
» Blutrückstrom zum Körperinneren muss nicht reduziert werden
von Beginn, kontinuierlicher und langsamer Anstieg der Körperkerntemperatur
» (+ 0,2 – 0,3°C / 30 Minuten) es wird kein künstliches Fieber erzeugt
» mit steigender Körperkerntemperatur wird schrittweise die Durchblutung der Peripherie zur
Wärmeabgabe erhöht
„Durchwärmung von Innen nach Außen“
» Verschiebung der Isothermen durch natürliche Wärmeregulation
Alternative: die japanische WAON‐Therapie
17. Forschung – Sicherheitsstudie
1. Die Anwendung ist sicher und angenehm
» die Hauttemperatur bleibt ca. 2,5°C unter dem kritischen 1‐Stundenwert (45,7°C)
» die Hautrötung verblasst nach 2 Stunden (lt. Lit. sind bis 24h unproblematisch)
» die Befindlichkeit wurde mit „sehr gut“ bewertet
37,6
37,5 44
44 43
37,4 42
43 OSL
41 OSR
USL
Temperatur [°C]
42 37,3 40
USR
Temperatur [°C]
39 SBL
95% CI
41 SBR
38
37,2 ML
40 37 MR
TR
36
37,1
39 35
38 34
37,0
33
37 32
36,9
31
36
0 10 20 30 40 36,8 00:00 00:10 00:20 00:30 00:40
Zeit [m in] Zeit [hh:mm]
KernTe KernTe KernTe KernTe KernTe KernTe KernTe KernTe KernTe KernTe KernTe KernTe KernTe KernTe KernTe KernTe
mp-0 mp-5 mp-10 mp-15 mp-20 mp-25 mp-30 mp-35 mp-0 mp-5 mp-10 mp-15 mp-20 mp-25 mp-30 mp-35
2. Die Wärmeregulationsreaktion belegt „Durchwärmung von Innen nach Außen“
3. Die Grenzwerte zur Bestrahlungsstärke (strenger EU‐Entwurf) werden eingehalten
bzw. unterschritten (100mW/cm2 Haut und 10mW/cm2 Auge)
• In: Reiter, B. et al. Hyperthermie – Symposium aus Anlass des 80. Jahrestages der Verleihung
des Nobelpreises für Medizin an Julius Wagner‐Jauregg. Forsch Komplementärmedizin 2007; 14:365‐370
18. Forschung – Wärmeabwehr, Wärmefluss und Wärmeeintrag
• Automatische Anpassung der Bestrahlungsstärke an die Hauttemperatur
• Hauttemperatur: Funktion aus Wärmefluss und Wärmeabwehrreaktion
• Graphik rechts: Reflexionsanteil (angezeigte Temperatur) abgezogen
• Graphik links: ca. 2°C weniger = tatsächliche Hauttemperatur
19. Wissenschaftlich abgesichert – Grundlagenstudie
1. das Physiotherm Prinzip ist einer einfachen IR‐Wärmekabine überlegen
2. es kombiniert lokale und den ganzen Körper betreffende Wirkungen
3. die ein‐ und mehrmalige Anwendung des Physiotherm Prinzips
» führt zur Muskelentspannung
» führt zu einer Verbesserung der Gewebedurchblutung und Gewebeversorgung
» erhöht die Körperkerntemperatur im Mittel um 0,2 – 0,3°C
» verbessert den Stoffwechsel
» erhöht schmerzlindernde Botenstoffe (ß‐Endorphin) und trägt zur Schmerzlinderung bei
» erhöht den Cortisolspiegel und trägt zur Erhöhung der Stressresistenz bei
» harmonisiert das Immunsystem (moduliert)
4. die mehrmalige Anwendung des Physiotherm Prinzips
» steigert den Grundumsatz
» senkt tendenziell den Blutdruck und den Ruhepuls
» ist mit einem milden (Herzkreislauf‐) Trainingsreiz zu vergleichen
5. keine nennenswerte Belastung des Herzkreislaufsystems
6. bei bestimmungsgemäßen Gebrauch keine Risiken
7. zur Gesundheitsvorsorge sinnvoll, bietet sich in der Sportmedizin sowie Geriatrie an
20. Fragen – Sicherheitshinweise (ÖNORM)
• Bei Schwangerschaft, Erkrankungen (wie z.B. Sensibilitätsstörungen auch nach
Behandlungen der Haut, Lähmungen, Epilepsie, Bluthochdruck, Narben im
Rückenbereich, Implantate mit außen liegendem Zugang)
oder
der Einnahme von Medikamenten (insbesondere bei der Einnahme von
Medikamenten welche das Wärmeempfinden beeinträchtigen können), sprechen
Sie bitte vor der Benützung der Kabine mit Ihrem Arzt und rufen Sie die Med.‐
Wiss.‐Abteilung der Physiotherm an.
• Bitte verzichten Sie auf die Anwendung bei Fieber, akuten Infektionen und
Entzündungen, frischen Verletzungen, Thrombosen, unter Alkohol‐ oder
Drogeneinfluss
sowie
nach einem Saunabesuch, Sonnenbad oder Solariumsbesuch.
22. Fragen – Physiotherm – wie anwenden?
1. Sitzposition anpassen
2. Thermoneutralzone abschätzen
» 28 – 35°C (Thermoneutralzone)
3. Kabine vorheizen auf Thermoneutralzone, ca. 28°C
4. Strahler danach abkühlen lassen, erst vor den abgekühlten Strahler setzen
5. 5 Minuten bei 40‐50% Leistung Haut aufwärmen, 80% erst nach 15‐20 Minuten, bei
Frauen oder Patienten mit Medikamenten oder chronischen Erkrankungen ggf.
maximal nur 70%
6. Der Körper d.h. die Wärmeregulation wir trainiert, nach einer gewissen Zeit kann die
Anwendung schrittweise „schärfer“ gestaltet werden.
7. vorgegebene Programme sind grobe Vorschläge
» Aktivierende und beruhigende Anwendung
» Vorbereitung und Regeneration
8. kein Brennen, kein Kribbeln, Hautrötung 2h
9. Schwitzen ist kein Kriterium
» Frauen Schwitzen später (relativ größere Hautoberfläche)
» Schwitzen kann trainiert werden
10. nicht lesen, sondern entspannen und abschalten
11. ggf. Ruhephase (Kälte an Kopf und Füßen meiden)
12. danach warm duschen
23. Fragen – und darüber hinaus…
• Pathophysiologische Gemeinsamkeiten finden sich bei vielen Erkrankungen
• 70% der in Behandlung stehenden Patienten leiden unter Gefäßerkrankungen und /
oder Stoffwechselerkrankungen
• Sie können selbst die Ursache sein, oder sind eine Folge der Grunderkrankung und /
oder verschlimmern den Krankheitsverlauf und verstärken sich gegenseitig
» Durchblutungsstörungen im Gewebe, „Übersäuerung“ , Stoffwechselstörungen
» entzündliche Reaktionen, Verschlechterung von Durchblutung und Stoffwechsel
» Schmerzen, depressive Verstimmung, Bewegungs‐ bzw. Aktivitätseinschränkung
» Psychosozialer Stress, Burnout
• Die Verbesserung der Durchblutung und Gewebeversorgung sowie die Anregung
des Stoffwechsels sind daher in der Prävention sinnvoll und können ein wertvoller
Baustein individualisierter Therapiekonzepte bei vielen Erkrankungen sein.