Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung "Wissenschaftskommunikation erforschen" der Abteilung Wissenschaftskommunikation am Institut für Germanistik des Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
Gehalten am 18. Juni 2015 von Hans Peter Peters vom Institut für Neurowissenschaften & Medizin, Forschungszentrum Jülich.
2. Langfristige Veränderungen des Kontextes der
Wissenschaftskommunikation
Zunehmend strategische Orientierung wissenschaftlicher Kommunikatoren
(D. Nelkin: "Selling Science")
Organisationskontext wird wichtiger
Medialisierung der Wissenschaft (P. Weingart) als Konsequenz?
Paradigmenwechsel in der Wissenschaftskommunikation
Von der "Belehrung" der Öffentlichkeit zum Dialog auf gleicher Augenhöhe
(PUS PEST)
Präferenz dialogischer und partizipativer Interaktionsformen ("Public Engagement")
Wandel der gesellschaftlichen Kommunikationsinfrastruktur (Internet)
Ende des Quasi-Monopols journalistischer Medien für aktuelle Informationen
Mehr Chancen für ungefilterte Selbstdarstellung der Wissenschaft und neue
Beobachter
3. Datengrundlage: Wissenschaftlerbefragungen
Stichprobe Fragebogen Brasilien China
Frank-
reich
Deutsch-
land
Israel Japan Taiwan UK USA Total
Biomedizinische
Forscher
Wissenschaftler und
Medien I (2005)
193 283 239 281 358 1354
Forscher verschiedener
Disziplinen
956 1512 1509 606 4583
Lebenswissenschaftler (326) 270 270
Neurowissenschaftler 318 92 (241) (101) (143) 216 626
Neurowissenschaftler
Einfluss "alter" und
"neuer" Medien (2010)
131 126 257
Neurowissenschaftler
Wissenschaftler und
Medien (Leitfaden)
(2012)
22 22 44
Forscher verschie-
dener Disziplinen*
Wissenschaftler und
Science Blogging (2014)
240 272 303 815
1274 1604 193 2185 606 239 542 281 1025 7949
* Dissertation von Yin-Yueh Lo (in Arbeit)
Beteiligte Forscher: Allgaier J, Baram-Tsabari A, Brossard D, Cheveigné S, Dunwoody S, Kallfass M, Lo Y-Y, Massarani L, Miller S, Peters HP,
Reis N, Ren F, Ren J, Spangenberg A, Tsuchida S
Wissenschaftler und
Medien II
(2011-2015)
4. Zahl der Medienkontakte in den letzten 3 Jahren
Online-Befragung deutscher Wissenschaftler, 2011, n=1509 (Peters et al.)
Kein Kontakt
23%
Mehr als 10
Kontakte
18%
6-10 Kontakte
15%
1-5 Kontakte
44%
5. Charakterisierung des letzten Medienkontakts
Interview
kam zustande auf Anfrage des Journalisten (73%) und nur sehr selten durch
Initiative des Wissenschaftlers (3%)
fand meist am Arbeitsplatz (31%) bzw. per Telefon (36%) statt
Journalist
war spezialisiert auf Wissenschaft (49%) bzw. nicht spezialisiert (43%)
arbeitete für Zeitung/Zeitschrift (63%), Hörfunk (17%) bzw. Fernsehen (18%)
Verwendung der Informationen
als wesentlicher Teil (40%) bzw. als kleiner Teil eines Beitrags (45%)
Wissenschaftler
war meist zufrieden (68%) und nur selten unzufrieden (3%)
fand keine (49%) bzw. nur kleinere sachliche Fehler (44%) im Bericht
sah in 27% der Fälle einen beruflichen Nutzen, aber nur sehr selten eine
negative Auswirkung (1%)
erfuhr eher positive als negative Rückmeldung durch Kollegen und Leitung
Online-Befragung deutscher Wissenschaftler, 2011, n=1509 (Peters et al.)
6. Positiv-ambivalente Bewertung der Medienkontakte
Online-Befragung deutscher Wissenschaftler, 2011, n=1509 (Peters et al.)
n=1165
62%
23%
13%
3%
Erfahrungen mit Journalisten
in den letzten 3 Jahren
Überwiegend schlecht
Neutral
Ausgeglichen
Überwiegend gut
57%
35%
9%
Zufriedenheit mit der Qualität der
Berichterstattung in den letzten 3 Jahren
Überwiegend
unzufrieden
Gleichermaßen
zufrieden/unzufrieden
Überwiegend
zufrieden
7. Motive: Angenommener/erlebter Nutzen durch öffentliche
Sichtbarkeit
Online-Befragung deutscher Wissenschaftler, 2011, n=1509 (Peters et al.)
Positiver
Effekt
Negativer
Effekt
Ambivalent
neutral
weiß nicht
Politische Unterstützung für die
Wissenschaft (erwartet)
87% 2% 10% 100%
Zugang zu Forschungsgeldern
(erwartet)
35% 1% 64% 100%
Berufliche Auswirkungen der
bisherigen Medienkontakte (erlebt)
32% 2% 66% 100%
Beruflicher Nutzen des letzten
Kontakts (erlebt)
27% 1% 72% 100%
8. Unterstellter Nutzen medialer Sichtbarkeit in der eigenen
Hochschule oder Forschungseinrichtung
"... [media visibility is] good for our college, good for department and it's
good ... in terms of showing the university administration that we are
dynamic and, you know, deserve your resources." (USA)
"Und wenn ich jetzt viel in den Medien wäre und irgendwie ja Ramba
Zamba machen würde, und würde im Fernsehen auftreten, und würde
dann zum Herrn <Personenname> gehen und sagen: 'Oh, [...] ich brauche
noch drei Räume mehr. Da [wäre] bestimmt die Chance größer, dass ich
[die] bekomme." (D)
Leitfadeninterviews mit Neurowissenschaftlern in Deutschland und den USA, 2011-2013, n=44 (Allgaier et al. 2013)
9. Unterstellter Nutzen medialer Sichtbarkeit bei der
Forschungsförderung
"Auch ist es so, dass natürlich ... Organisationen wie das BMBF nicht
uneigennützig sind, und natürlich auch im Lichte dessen stehen wollen...,
also die sind sehr drauf bedacht. ... Und [wo] das Fernsehen da ist, und das
halt dann irgendwie das BMBF als der Förderer von tollen
Gesundheitsforschungsprojekten da steht." (D)
“I think the real consequence is at the end: if you apply to the Deutsche
Forschungsgemeinschaft and you are a rather famous person. Then they
have more difficulties to reject because they fear the public in a way and
this is the only thing." (D)
Leitfadeninterviews mit Neurowissenschaftlern in Deutschland und den USA, 2011-2013, n=44 (Allgaier et al. 2013)
10. Zahl der Medienkontakte in den letzten 3 Jahren
Online-Befragung deutscher Wissenschaftler, 2011, n=1509 (Peters et al.)
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Kommunikationswissenschaft
Rechtswissenschaft
Geschichtswissenschaft
Archäologie/Altertumswissen…
Philosophie
Volkswirtschaftslehre
Psychologie
Architektur/Bauwesen
Geographie/Geowissenschaft…
Biologie
Tiermedizin
Neurowissenschaften
Materialwissenschaften
Chemie
Mathematik
Informatik
Kein Kontakt
23%
Mehr als 10
Kontakte
18%
6-10 Kontakte
15%
1-5 Kontakte
44%
11. Mögliche Aspekte im Kalkül von Wissenschaftlern
hinsichtlich der Nutzung sozialer Medien für die
Kommunikation mit der Öffentlichkeit
Pro soziale Medien (z.B. Blogging)
Kontrolle / Umgehung potentiell "verzerrender" Vermittler (Journalisten)
Interaktivität/Dialog (Kommunikationsintensität/-qualität)
Autonomie und Eigeninitiative
Habitualisierte Nutzung sozialer Medien
Gründe dagegen
Fehlende Kompetenz und Ressourcen (Zeitaufwand)
Gewinnen eines Publikums schwierig
Schwache Effekte im Sinne öffentlicher Sichtbarkeit und Markierung
gesellschaftlicher Relevanz
Besonders relevant für
jüngere Wissenschaftler
12. Mediennutzung und unterstellte Medieneffekte auf
öffentliche Meinung und politische Entscheidungen
Befragung von Neurowissenschaftlern in Deutschland (n=131) und USA (n=126), 2010-11 (Allgaier et al.)
Journalistische Medien
(gedruckt oder gesendet)
Journalistische Medien
(online)
Blogs oder persönlich
geprägte Darstellungen
Inhalte in Sozialen
Netzwerken
0% 20% 40% 60% 80% 100%
PersönlicheNutzung
(öff. Bild der Wiss.)
Deutschland
USA
0% 20% 40% 60% 80% 100%
UnterstellterEinfluss auf
öffentlicheMeinung
0% 20% 40% 60% 80% 100%
UnterstellterEinfluss auf
wiss.pol.Entscheidungen
14. Unterschied zwischen
jüngster und
mittlerer Altersgruppe
ist nur für Deutschland und
über alle Länder aggregiert
statistisch signifikant
Generationen-Vergleich: Kaum Wandel der Einstellung zur
Partizipation der Öffentlichkeit
Befragung von Stammzellforschern/Epidemiologien (Peters & Dunwoody, AAAS 2013)
15. Literatur
Peters, H. P. (2014). The two cultures: Scientists and journalists, not an
outdated relationship. Métode Annual Review, 4, 163-169. doi:
10.7203/metode.80.3043
Peters, H. P. (2013). Gap between science and media revisited: Scientists as
public communicators. Proceedings of the National Academy of Sciences,
110(Supplement 3), 14102-14109. doi: 10.1073/pnas.1212745110
Peters, H. P., Dunwoody, S., Allgaier, J., Lo, Y. Y., & Brossard, D. (2014). Public
communication of science 2.0. Is the communication of science via the “new
media” online a genuine transformation or old wine in new bottles? EMBO
reports, 15(7), 749-753.
Peters, H. P. (2014). Scientists as public experts. Expectations and
responsibilities. In M. Bucchi & B. Trench (Eds.), Routledge Handbook of Public
Communication of Science and Technology (2nd ed., pp. 70-82). London:
Routledge.