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cq Whitepaper Shitstorm Management - Management von Krisen in Zeiten von Social Media
- 1. Das Grundphänomen ist nicht neu:
Die „Hexenverfolgung“ im Mittelal-
ter, Brent Spar 1995 oder Josef Acker-
manns Victory-Zeichen im Jahr 2004
riefen auch ohne das Internet Empö-
rungswellen hervor. Heute wirkt das
Web 2.0 mit seinen sozialen Medien
als Brandbeschleuniger. Selbst we-
niger relevante Themen erreichen
enorme Aufmerksamkeiten. Je höher
die Vernetzung der Teilnehmer, umso
größer werden Geschwindigkeit und
Reichweite der Empörungswelle. Die
Nutzer sozialer Netzwerke zeigen die
gefürchtete Überlagerung kognitiver
Effekte durch Netzwerkeffekte auf:
Ein „Like“ ist schnell gesetzt; die kri-
tische Auseinandersetzung mit dem
Thema dauert wesentlich länger, ins-
besondere bei emotionalisierenden
Sachverhalten.
Auslöser
Die Auslöser sozialer Krisen sind
selbst- oder fremdverschuldet. Die
häufigsten Ursachen finden sich im
eigenen Verhalten: Fehltritte von
Mitarbeitern, negative Kundenerfah-
rungen, mangelhafte Kunden- und
Influencer-Betreuung, die Verletzung
ethischer Grundsätze, aber auch
empfundene Ungerechtigkeiten und
unangemessene Reaktionen führen
die Ursachenrangliste an.2
Fremdverschuldete Shitstorms mit
strategisch angelegtem Hintergrund,
wie beispielsweise Angriffe von
NGOs oder bewusste Falschmeldun-
gen sind in der Lage aufgrund ihrer
systematischen Ausrichtung sehr
großen Schaden anzurichten.
Phasen
Der normierte Krisenverlauf (vgl.
Abb. 1) wird in sechs verschiedene
Phasen unterteilt.
70% aller Social Media Krisen finden
ihren Ursprung in einem Tweet (53%)
oder Posting auf Facebook (17%).3
Je nach Reichweite und Reputation
Shitstorm Management
corporate quality consulting GmbH
Krisen im Zeitalter von Social Media frühzeitig aufspüren,
erkennen, bewerten und meistern
Shitstorms, Krisen in Zeiten von Social Media, sind zu einem regelmäßigen Erscheinungsbild geworden. Die Konsumenten
haben erkannt, dass sie sich im Web 2.0 auf Augenhöhe mit Unternehmen und Organisationen befinden. Im Social Web
wird dieser Umstand zunehmend als Druckmittel verwandt. Die entstehenden Netzwerkeffekte können sich rasend schnell
zu einem Shitstorm ausbreiten – es kann jeden treffen. Um möglichen Schaden von potentiell Geschädigten abzuwehren,
ist eine entsprechende Vorbereitung zwingend notwendig. Es gilt, im Ernstfall frühzeitig wichtige Akteure und deren
Postings aufzuspüren, adäquat zu bewerten und passende Handlungen abzuleiten.
Ein Shitstorm (engl.: flamewar) ist ein Sturm der Empörung im Internet. Eine subjektiv große Anzahl kritischer Äußerungen
richtet sich gegen Personen, Institutionen, Produkte oder Marken. Zumindest ein Teil der Äußerungen lösen sich vom
ursprünglichen Thema ab und sind aggressiv, beleidigend, bedrohend oder anders attackierend.1
Betroffen sind neben
Unternehmen auch (deren) Einzelpersonen, Parteien und andere in der Öffentlichkeit aktive Objekte. Es ist unerheblich, ob
sich das Ziel der Entrüstung im Social Web bewegt. Die Verweigerung der potentiell Betroffenen, im Umfeld der sozialen
Netzwerke aktiv zu sein, begünstigt eine Protestwelle.
Keywords: Shitstorm, öffentliche Protestwellen, Krisen, Netzwerkeffekte, linguistische Analyse,
Social Media Monitoring, Social Analytics, Twitter Firehose
© 2013 corporate quality – Verwendung und Weitergabe nur mit Zustimmung der cqc corporate quality consulting GmbH Seite 1
1
Sascha Lobo: How to survive a shit storm.
Vortrag auf der re:publica 2010
2
ALTIMETER GROUP: Social Business Readi-
ness, How Advanced Companies Prepare
Internally
3
Christian Faller: The Epicenters of Social
Media Crises, Stuttgart 2012
- 2. des Autors, seines Sprachstils, der
Glaubwürdigkeit, des Emotionali-
sierungspotentials oder der Rele-
vanz des Inhalts greifen vernetzte
User den auslösenden Beitrag auf
und retweeten ihn. Aus Phase I
(Windstille) entwickelt sich Phase
II (Briese). Abhängig von der Stärke
der Empörungsfaktoren wird das
Thema in weiteren Medien, wie
Facebook, Blogs und anderen so-
zialen Netzwerken aufgegriffen –
die Starkwindphase (Phase III) ist er-
reicht. Sollten Betroffene im Social
Media aktiv sein, sind sie in der Re-
gel in dieser Phase von der aktuellen
Entwicklung unterrichtet. Zu einem
Sturm entwickelt sich die Krise,
wenn klassische oder große Online-
medien die Thematik aufnehmen.
Die Reichweite erlangt in Phase IV,
durch erneutes Aufgreifen in den
sozialen Netzwerken exponentielle
Werte. Einen letzten Peak erreicht
der Shitstorm in Phase V (Orkan), in
der sich reichweitenstarke Offline-
medien wie Zeitungen und Fernse-
hen der Inhalte annehmen. In der
postkritischen Phase VI erlebt der
Sturm die typische Abschwächung
nach einem Hype.
Schäden
Neben der Vielzahl immaterieller
Schäden, wie Image- oder Reputati-
onsverluste, ist eine Beschädigung
der Marke in nahezu jedem Shit-
storm zu beobachten.
Darüber hinaus gelingt es regelmä-
ßig eindeutig zu beziffernde mate-
rielle Schäden zu bewerten: Laut
London Times verlor die Aktie einer
bekannten US-amerikanischen Air-
line rund 10% ihres Wertes – rund
180 Mio. US-Dollar – nachdem
Unternehmenspraktiken bzgl. Re-
gressansprüchen der Passagiere
öffentlich wurden. Im Jahr 2011 hat
ein deutscher Versicherungskon-
zern durch „Lustreisen“ ca. 170.000
Verträge verloren. Das war bran-
chenweit der höchste Wert des
Jahres.
Exitstrategien
Die Erkennungs- und Reaktions-
geschwindigkeiten in einer mögli-
chen Krise sind entscheidend. Im
Optimalfall werden potenziell kri-
tische Beiträge frühzeitig erkannt
und durch gezielte Maßnahmen
eingedämmt. Den potenzierenden
Phasensprüngen ist zielgerichtet
entgegen zu wirken, Handlungsop-
tionen stehen in jeder Phase des
Sturms zur Auswahl, um adäquat zu
reagieren.
Mögliche Optionen sind beispiels-
weise erweiterte Handlungsbefug-
nisse der Callcentermitarbeiter,
die Aktivierung von Unpaid Armies
oder die frühzeitige Entschuldigung
verantwortlicher Personen.
Schnelles, authentisches und ehr-
liches Antworten aller an der Kun-
denschnittstelle beteiligten Mitar-
beiter ist essentiell, setzt jedoch
Training voraus.
Als wahre Kunstfertigkeit gilt die
zweifelsfreie Unterscheidung zwi-
schen einem Sturm im Wasserglas
und dem unternehmensrelevanten
Shitstorm. Die richtige Entschei-
dung und der Einsatz der passen-
den Mittel zum korrekten Zeitpunkt
ist der wirkungsvollste Dämpfer für
Krisen in Zeiten von Social Media.
corporate quality consulting GmbH Shitstorm Management
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Abb. 1: Normierter Verlauf einer Social Media Krise
Krisenverstärker soziale
Netzwerke
• Kommunikation in Echtzeit
• Netzwerkeffekte überlagern
kognitive Effekte
• Stakeholder agieren auf
Augenhöhe mit Unternehmen
• Geschwindigkeit, Reichweite,
Simplizität und Transparenz in
den sozialen Medien
• Konsumer sind Prosumer
• Extreme Anzahl des neuen
onlineaffinen Typus von
Teilnehmern (Digital Natives)
• Außerordentliche Menge
der öffentlich zugänglichen
Informationen
- 3. Das corporate quality
Modell
Vorbereitung – Prepare
the Organisation
Die ersten Maßnahmen im profes
sionellen Shitstorm- und Krisen-
Management betreffen die zu schüt-
zende Organisation selbst:
Mitarbeiter sind zu sensibilisieren
und Prozesse anzupassen. Die ge-
samte Unternehmenskultur wird in
die Vorbereitung einbezogen. Für
die Mitarbeiter werden Guidelines
eingeführt, unternehmenskritische
Themen eingehend beleuchtet und
Risikoobjekte identifiziert.
Gleichzeitig erfolgen Nullmessungen
und Risikobewertungen über das Ge-
fährdungspotenzial der Organisation,
ihrer Produkte und ihrer Mitarbeiter.
Per SWOT- oder FEMA-Analyse wird
der Ist-Zustand geprüft und doku-
mentiert.
Auf dieser Grundlage werden ge-
meinsam Präventionsmaßnahmen er
arbeitet, ein Krisenplan erstellt oder
vorhandene Krisenpläne erweitert.
Die darin beschriebenen Prozesse
sind in der Organisation zu verankern
und die häufig zu erweiternden Ver-
antwortlichkeiten festzulegen.
In einem nächsten Schritt erfolgt der
Aufbau einer Shitstorm Knowledge
Base, die unter anderem mit jeglicher
Art denkbarer Gegenmaßnahmen
gefüttert wird. Im Krisenfall unter-
stützt sie die Mitarbeiter, zügig ange-
messene enstscheidungen zu treffen.
Alle von der Organisation genutz-
ten Social Media Kanäle werden mit
möglichem Content für den Ernstfall
vorbereitet. Der zügige Zutritt zu
weiteren Kanälen wir gesichert, falls
diese ebenfalls zu bedienen sind.
Externe Krisenkräfte, wie beispiels-
weise Blogger und Social Media Re-
dakteure können vorab gebrieft wer-
den und auf Abruf bereitstehen.
Tools – ohne geht es nicht
Das Krisen-Frühwarn-System ist
der Kern eines professionellen Shit-
storm Management. Wie bei allen
Social Media Maßnahmen bildet ein
flächendeckendes Monitoring die
Grundlage. Das Quellenset sollte ne-
ben den üblichen Social Media Kanä-
len zwingend die Twitter Firehose be-
inhalten. Die allgemein zugängliche
API der Gardenhose liefert lediglich
10% der Twitterbeiträge. Im Ernstfall
tobt bereits der gefürchtete Sturm,
während das Monitoring mittels Gar-
denhose erste Meldungen ausgibt.
Leistungsfähige automatisierte Ana-
lysewerkzeuge sind unverzichtbar.
Diese strukturieren beispielsweise
die gewonnenen unstrukturierten
Daten des Monitorings und berei-
ten sie auf. Moderne Tools sind in
der Lage, Vereinheitlichungen durch
Wortstammbildung, Rechtschreib-
korrektur, Synonym- und Akronym-
konvertierung zu erstellen. Teilsätze
werden getrennt und Entitäten, wie
Größen, Einheiten oder Eigenschaf-
ten automatisch herausgestellt.
Die linguistische Analyse mit Part-of-
speech Tagging von beispielsweise
Subjekt, Prädikat, Objekt oder Attribut
bietet zusammen mit einer vorgenom-
menen Kategorisierungen enorme
Möglichkeiten der Auswertung.
Mit dieser Vorverarbeitung hat die
wichtige semantische Analyse eine er-
heblich gewichtigere Grundlage und
Aussagekraft, als die üblichen Monito-
ringtools mittels Keywordlisten.
Neben der vom Monitoring bekann-
ten quantitativen Analyse muss ein
leistungsfähiges Analytics Werkzeug
die qualitative Klassifizierung, die
Gruppierung und die Visualisierung
der Ergebnisse vornehmen können.
In einer Krise kann niemand vorher-
sagen, welche Begriffe relevant sein
werden, sprich die Krise begründen.
Durch die automatische Ausgabe von
Häufungspunkten und der Definition
von Schwellwerten kann über solche
Begriffe, die sich nicht im Monitoring-
set befinden, automatisch alarmiert
werden. Dadurch ergibt sich ein bei
Shitstorms nicht unerheblicher zu-
sätzlicher Geschwindigkeitsvorteil.
Individuell angepasste Dashboards,
und Cockpits bilden die Kommunika-
tionszentrale des Krisen-Frühwarn-
Systems.
Durch Monitoring und Analytics ist
es weiterhin möglich, Influencer zu
identifizieren, um sie gezielt anzu-
sprechen. Auf ähnliche Weise ist es
grundsätzlich denkbar, eine Unpaid
Army zu rekrutieren, für sich zu ge-
winnen und in Krisen um Unterstüt-
zung zu bitten.
Um jedoch für den Ernstfall gewapp-
net zu sein, ist es dringend angeraten,
alle Betroffenen der Organisation re-
gelmäßigen Trainings und Firedrills zu
unterziehen.
Erkennen
Wird durch die vorher festgelegte
Steigerungsrate der Häufungspunkte
oder durch die Begriffe der Black-
list ein Alert ausgelöst, ist eine in-
dividuelle Bewertung der Situation
notwendig. Zunächst erfolgt eine
Einschätzung, ob der Gegenstand
des Alarms überhaupt „Shit“ ist. Die
anschließende Standortbestimmung
findet entweder durch mathemati-
corporate quality consulting GmbH Shitstorm Management
© 2013 corporate quality – Verwendung und Weitergabe nur mit Zustimmung der cqc corporate quality consulting GmbH Seite 3
- 4. corporate quality consulting GmbH Shitstorm Management
Seite 4 © 2013 corporate quality – Verwendung und Weitergabe nur mit Zustimmung der cqc corporate quality consulting GmbH
sche Interpolation oder per Phasen-
bestimmung mittels Tipping-Points
und Phasenbeschreibung statt.
Ein weiterer wesentlicher Faktor ist
die Shitstormprognose. Die Frage-
stellung, welche Reichweite der Shit-
storm bei welcher Latenz erreichen
kann, steht hier im Vordergrund.
Mit Hilfe professioneller Analyse-
werkzeuge können wichtige Fragen
geklärt werden: Wer hat was wo wa-
rum gepostet, mit welchen Fakten
und welcher Tonalität? Bedeutsame
Faktoren, wie Glaubwürdigkeit, Re-
levanz oder Emotionalisierungspo-
tenzial, können halbautomatisch
bewertet werden. Sie ergeben eine
zuverlässige Sturmprognose. Je stär-
ker die Ausprägungen, desto größer
der Einfluss dieser Faktoren auf den
zukünftigen Verlauf des Shitstorm.
Krisenmanagement und
Gegenmaßnahmen
Die Abwägung der Maßnahmen ist
abhängig von dem ermittelten Stand-
ort und der Sturmprognose. Deutet
alles auf einen möglichen Shitstorm
hin, erscheint im Cockpit eine auto-
matisierte Lageeinschätzung. Hand-
lungsoptionen mit Auswahlmög-
lichkeiten des Maßnahmenkatalogs
werden ausgegeben.
Die vielfältigen Handlungsoptionen
reichen von ignorieren über beobach-
ten bis hin zu einer Erklärung des CEO.
Mit dem aufgezeigten Modell ist es
möglich potentielle Stürme frühzeitig
zu entdecken und angemessen pro-
fessionell zu reagieren.
Post Krisenmanagement – Nach
dem Sturm ist vor dem Sturm
Jeder Shitstorm ist als seltene
Chance, beispielsweise zur Profil-
schärfung zu verstehen.
Eingehende Schwachstellenanalysen
samt SWOT- oder FEMA-Analyse hel-
fen, auf zukünftige Empörungswellen
noch besser zu reagieren.
Die Umsetzung der Ergebnisse erfolgt
über integrierte Maßnahmen und
Handlungsempfehlungen. Die Resul-
tate werden in der auf Seite 3 genann-
ten Knowledge Base hinterlegt, damit
auf künftige Krisen zügig und ange-
messen reagiert werden kann.
Positive Seiteneffekte
Ein Shitstorm kann zugleich positive
Effekte zur Folge haben. So wachsen
Reichweite und Bekanntheit des Ob-
jekts. Auch die Fan- und Followerzah-
len in den sozialen Netzwerken stei-
gen grundsätzlich an.
Das aufgezeigte professionelle Shit-
storm Management liefert nebenbei
kostengünstig wertvolle Informa-
tionen. Dazu zählen beispielsweise
kurzfristig umzusetzende Marktfor-
schungen, sowie Kunden oder Pro-
dukterhebungen. Diese Analysen
können im gesamten Unternehmen
nach Abklingen des Sturms vielfältig
genutzt werden.
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Christian M. Bartels
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christian.bartels@corporatequality.de
Holger Kayser
Business Unit
Manager
holger.kayser@corporatequality.de
Stephan Salmann
CEO
stephan.salmann@corporatequality.de
Ansprechpartner
Abb. 2: Shitstorm Management im Regelkreis